Entscheidungsstichwort (Thema)

DBA Schweiz, Grenzgänger, Freizügigkeitsabkommen EU-Schweiz, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Nichtschweizer Staatsbürger mit Wohnsitz in der Schweiz

 

Leitsatz (amtlich)

Die in Art. 2 des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit und in Art. 9 des Anhangs I dieses Abkommens enthaltenen Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung sind dahin auszulegen, dass sie einem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen wie dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 nicht entgegenstehen, nach dem für die Besteuerung der Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit eines deutschen Steuerpflichtigen, der nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt, der Staat, in dem diese Einkünfte erzielt werden, d. h. die Bundesrepublik Deutschland, auch dann zuständig ist, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz verlegt hat, aber weiterhin im erstgenannten Staat einer nicht selbständigen Arbeit nachgeht, während für die Besteuerung der Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit eines schweizerischen Staatsbürgers, der sich in einer entsprechenden Situation befindet, der neue Wohnsitzstaat, hier die Schweizerische Eidgenossenschaft, zuständig ist.

 

Normenkette

Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz Art. 2; Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz Anhang I Art. 9

 

Beteiligte

Bukovansky

Roman Bukovansky

Finanzamt Lörrach

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Beschluss vom 19.12.2013; Aktenzeichen 3 K 2654/11; SteuK 2014, 301)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ‐ Beziehung zwischen diesem Abkommen und den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen ‐ Gleichbehandlung ‐ Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ‐ Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ‐ Grenzgänger ‐ Einkommensteuer ‐ Aufteilung der Steuerhoheit ‐ Steuerliche Anknüpfung ‐ Staatsangehörigkeit“

In der Rechtssache C-241/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Mai 2014, in dem Verfahren

Roman Bukovansky

gegen

Finanzamt Lörrach

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin C. Toader und des Richters C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Bukovansky, vertreten durch Rechtsanwalt H. Hauswirth,

‐ des Finanzamts Lörrach, vertreten durch D. Gress und S. Parodi-Neef als Bevollmächtigte,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,

‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, F. Sjövall, L. Swedenborg und E. Karlsson als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt als Bevollmächtigten im Beistand von S. Ford, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2015

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: Abkommen über die Freizügigkeit).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Bukovansky, einem deutschen Staatsangehörigen, und dem Finanzamt Lörrach über dessen Entscheidung, die Einkünfte von Herrn Bukovansky aus nicht selbständiger Arbeit nach seiner Wohnsitzverlegung von Deutschland in die Schweiz in Deutschland zu besteuern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Schweizerische Eidgenossenschaft andererseits unterzeichneten am 21. Juni 1999 sieben Abkommen, darunter das Abkommen über die Freizügigkeit. Diese sieben Abkommen wurden mit dem Beschluss 2002/309/EG, Euratom des Rates und der Kommission vom 4. April 2002 (ABl. L 114, S. 1) im Namen der Gemeinschaft gebilligt und traten am 1. Juni 2002 in Kraft.

Rz. 4

Nach dem Wortlaut der Präambel des Abkommens über die Freizügigkeit sind die Vertrags...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge