Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerschutz. Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Garantieleistungen im Hinblick auf die Erfüllung von Arbeitsentgeltansprüchen. Nationale Vorschrift, die eine Ausschlussfrist von zwei Monaten für den Zahlungsantrag und die Möglichkeit eines Neubeginns dieser Frist vorsieht

 

Beteiligte

Pflücke

Peter Pflücke

Bundesanstalt für Arbeit

 

Tenor

1. Die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers steht der Anwendung einer Ausschlussfrist nicht entgegen, binnen deren ein Arbeitnehmer nach nationalem Recht einen Antrag auf Zahlung von Konkursausfallgeld nach Maßgabe dieser Richtlinie stellen muss, wenn die betreffende Frist nicht weniger günstig ist als bei gleichartigen innerstaatlichen Anträgen (Grundsatz der Gleichwertigkeit) und nicht so ausgestaltet ist, dass sie die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte praktisch unmöglich macht (Grundsatz der Effektivität).

2. Das nationale Gericht muss die innerstaatliche Vorschrift, die die Ausschlussfrist vorsieht, unangewendet lassen, wenn es feststellt, dass sie nicht den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entspricht und auch nicht gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-125/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Sozialgericht Leipzig (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Peter Pflücke

gegen

Bundesanstalt für Arbeit

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 9 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter C. W. A. Timmermans, D. A. O. Edward (Berichterstatter), P. Jann und A. Rosas,

Generalanwalt: J. Mischo,

Kanzler: R. Grass,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und B. Muttelsee-Schön als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Sack und H. Kreppel als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. September 2002

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Sozialgericht Leipzig hat mit Beschluss vom 21. Februar 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 19. März 2001, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 9 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Pflücke (nachfolgend: Kläger) und der Bundesanstalt für Arbeit (nachfolgend: Beklagte) wegen der Zahlung von Konkursausfallgeld.

Gemeinschaftsrecht

3.

Die Richtlinie 80/987 soll den Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einen auf Gemeinschaftsebene festgelegten Mindestschutz gewährleisten.

4.

Artikel 3 der Richtlinie 80/987 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Artikel 4 dieser Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten bestimmte Begrenzungen der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen, sieht aber nicht die Möglichkeit vor, eine Ausschlussfrist zu bestimmen.

5.

Artikel 5 der Richtlinie 80/987 lautet:

Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten des Aufbaus, der Mittelaufbringung und der Arbeitsweise der Garantieeinrichtungen fest, wobei sie insbesondere folgende Grundsätze beachten:

  1. Das Vermögen der Einrichtungen muss vom Betriebsvermögen der Arbeitgeber unabhängig und so angelegt sein, dass es einem Verfahren bei Zahlungsunfähigkeit nicht zugänglich ist.
  2. Die Arbeitgeber müssen zur Mittelaufbringung beitragen, es sei denn, dass diese in vollem Umfang durch die öffentliche Hand gewährleistet ist.
  3. Die Zahlungspflicht der Einrichtungen besteht unabhängig von der Erfüllung der Verpflichtungen, zur Mittelaufbringung beizutragen.

6.

Artikel 9 der Richtlinie bestimmt:

Diese Richtlinie schränkt nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ein, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen.

7.

Artikel 10 der Richtlinie lautet:

Diese Richtlinie steht nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen,

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