Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Massenentlassungen. Begriff ‚Betrieb’. Methode zur Berechnung der Zahl entlassener Arbeitnehmer

 

Normenkette

Richtlinie 98/59/EG

 

Beteiligte

Rabal Cañas

Andrés Rabal Cañas

Fondo de Garantía Salarial

Nexea Gestión Documental SA

 

Tenor

1. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die als einzige Referenzeinheit das Unternehmen und nicht den Betrieb vorsieht, wenn die Anwendung dieses Kriteriums zur Folge hat, dass das in den Art. 2 bis 4 dieser Richtlinie vorgesehene Informations- und Konsultationsverfahren vereitelt wird, während die betreffenden Entlassungen, wenn der Betrieb als Referenzeinheit verwendet würde, als „Massenentlassungen” im Sinne der Definition in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie qualifiziert werden müssten.

2. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 98/59 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung des Vorliegens von „Massenentlassungen” im Sinne dieser Bestimmung individuelle Beendigungen von Arbeitsverträgen, die für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossen werden, nicht zu berücksichtigen sind, wenn diese Beendigungen bei Ablauf des Vertrags oder Erfüllung der Tätigkeit erfolgen.

3. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/59 ist dahin auszulegen, dass es für die Feststellung des Vorliegens von Massenentlassungen im Rahmen von Arbeitsverträgen, die für eine bestimmte Zeit oder Tätigkeit geschlossen werden, nicht erforderlich ist, dass sich der Grund für diese Massenentlassungen aus demselben Rahmen der kollektiven Einstellung für die gleiche Dauer oder Tätigkeit ergibt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social nº 33 de Barcelona (Spanien) mit Entscheidung vom 9. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 2013, in dem Verfahren

Andrés Rabal Cañas

gegen

Nexea Gestión Documental SA,

Fondo de Garantía Salarial

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, R. Vidal Puig und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Februar 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225, S. 16).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Rabal Cañas auf der einen Seite und der Nexea Gestión Documental SA (im Folgenden: Nexea) sowie dem Fondo de Garantía Salarial auf der anderen Seite wegen der Entlassung von Herrn Rabal Cañas, bei der seines Erachtens gegen die Bestimmungen der Richtlinie verstoßen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59 geht hervor, dass mit ihr die Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29) kodifiziert wurde.

Rz. 4

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/59 ist es unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Europäischen Union wichtig, den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen zu verstärken.

Rz. 5

Die Erwägungsgründe 3 und 4 dieser Richtlinie lauten:

„(3) Trotz einer konvergierenden Entwicklung bestehen weiterhin Unterschiede zwischen den in den Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens für Massenentlassungen sowie hinsichtlich der Maßnahmen, die die Folgen dieser Entlassungen für die Arbeitnehmer mildern könnten.

(4) Diese Unterschiede können sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar auswirken.”

Rz. 6

Im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie wird hervorgehoben, dass auf die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen hingewirkt werden muss.

Rz. 7

Unter der Überschrift „Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich” bestimmt Art. 1 der Richtlinie:

„(1) Für die Durchführung dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a) ‚Massenentlassungen’ sind Entlassungen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person de...

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