Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung der Anmeldung einer Gewerbeausübung wegen Wohnsitzes des bestellten Geschäftsführers in einem anderen Mitgliedstaat. Berufung eines Arbeitgebers auf die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Diskriminierung von Arbeitnehmern durch die Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes in einer nationalen Rechtsvorschrift. Wohnsitzerfordernis als eine mittelbare Diskriminierung

 

Normenkette

EGVtr Art. 234; EGV Art. 6, 48; EWGV 1612/68 des Rates Art. 1; EWGV 1612/68 des Rates Art. 2; EWGV 1612/68 des Rates Art. 3; GewO 1994 (Österreich) § 39 Abs. 2

 

Beteiligte

Clean Car Autoservice

Clean Car Autoservice Ges.m.b.H

Landeshauptmann von Wien

 

Verfahrensgang

VwGH Wien (Österreich)

 

Tenor

1.

Auf den in Artikel 48 EG-Vertrag verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer kann sich auch ein Arbeitgeber berufen, der im Mitgliedstaat seiner Niederlassung Angehörige eines anderen Mitgliedstaats als Arbeitnehmer beschäftigen will.

2.

Es verstößt gegen Artikel 48 EG-Vertrag, wenn ein Mitgliedstaat dem Inhaber eines Gewerbes, das dieser im Gebiet dieses Staates ausübt, verbietet, eine Person als Geschäftsführer zu bestellen, die in diesem Staat keinen Wohnsitz hat.

 

Gründe

1.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 8. Oktober 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 48 EG-Vertrag und der Artikel 1 bis 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorbentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Fortress Immobilien Entwicklungs Ges.m.b.H., nunmehr Clean Car Autoservice Ges.m.b.H. (im folgenden: Beschwerdeführerin), einer Gesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in Wien, und dem Landeshauptmann von Wien (im folgenden: Beschwerdegegner) über die Zurückweisung einer von der Beschwerdeführerin erstatteten Anmeldung einer Gewerbeausübung mit der Begründung, diese habe einen Geschäftsführer bestellt, der nicht in Österreich wohne.

Die österreichische Regelung

3.

Nach § 9 Absatz 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) können juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40 GewO 1994) bestellt haben.

4.

§ 39 Absätze 1 bis 3 GewO 1994 bestimmt:

”(1)

Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist; er hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat.

(2)

Der Geschäftsführer muß den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen, seinen Wohnsitz im Inland haben und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß § 9 Abs. 1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem

  1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder
  2. ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes vollversicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.

Der gemäß Abs. 1 für die Ausübung eines Gewerbes, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, zu bestellende Geschäftsführer eines Gewerbeinhabers, der keinen Wohnsitz im Inland hat, muß ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes vollversicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein. Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 29/1993 geltenden Bestimmungen des § 39 Abs. 2 gelten für Personen, die am 1. Juli 1993 als Geschäftsführer bestellt sind, bis zum Ablauf des 31. Dezember 1998 weiter.

(3)

In den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, muß der Gewerbeinhaber sich eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.”

5.

Nach § 370 Absatz 2 GewO 1994 sind Geldstrafen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde, gegen den Geschäftsführer zu verhängen.

6.

Nach § 5 Absatz 1 GewO 1994 dürfen Gewerbe, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, bei Erfüllung der allgemeinen und der etwa vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen aufgrund der...

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