Erlass mit Übergangsregelung zur Anwendung dieser Entscheidung

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Lieferungen von Blut, Blut für Zwecke der Arzneimittelherstellung, Ausfuhrlieferung

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin gehend auszulegen, dass die Lieferung von menschlichem Blut, die die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung von der Steuer befreien müssen, nicht die Lieferung von aus menschlichem Blut gewonnenem Blutplasma umfasst, wenn dieses Blutplasma nicht unmittelbar für therapeutische Zwecke, sondern ausschließlich zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. d

 

Beteiligte

TMD

TMD Gesellschaft für transfusionsmedizinische Dienste mbH

Finanzamt Kassel II- Hofgeismar

 

Verfahrensgang

Hessisches FG (Beschluss vom 24.03.2015; Aktenzeichen 1 K 166/13; EFG 2915, 1646)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerwesen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ‐ Art. 132 Abs. 1 Buchst. d ‐ Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch ‐ Tragweite ‐ Aufbereitetes und für industrielle Zwecke verwendetes menschliches Blutplasma“

In der Rechtssache C-412/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hessischen Finanzgericht mit Entscheidung vom 24. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2015, in dem Verfahren

TMD Gesellschaft für transfusionsmedizinische Dienste mbH

gegen

Finanzamt Kassel II ‐ Hofgeismar

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter D. Šváby, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und M. Vilaras,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der TMD Gesellschaft für transfusionsmedizinische Dienste mbH, vertreten durch die Rechtsanwälte T. Dennisen und T. Otto sowie durch U. Prinz, Steuerberater,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und M. Bóra als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der TMD Gesellschaft für transfusionsmedizinische Dienste mbH (im Folgenden: TMD), einer Gesellschaft, die ein in Deutschland ansässiges Blutspendezentrum betreibt, und dem Finanzamt Kassel II ‐ Hofgeismar (Deutschland) (im Folgenden: Finanzamt) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der von TMD ausgeübten Tätigkeit der Lieferung von Blutplasma zum Zweck der Herstellung von Arzneimitteln.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:

„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;

…“

Rz. 4

Titel IX („Steuerbefreiungen“) dieser Richtlinie enthält u. a. ein Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) und ein Kapitel 4 („Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen“).

Rz. 5

Art. 132 Abs. 1 der Richtlinie, der in Kapitel 2 steht, bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;

c) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden;

d) Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch;

e) Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker;

…“

Deutsches Recht

Rz. 6

§ 4 Nr. 17 des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet wie folgt:

„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

a) die Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch“.

Rz. 7

In § 15 UStG ist der V...

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