Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerbefreiung für sog. Backoffice-Tätigkeiten als Versicherungsumsätze

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass Backoffice-Tätigkeiten, die darin bestehen, gegen Vergütung Dienstleistungen für ein Versicherungsunternehmen zu erbringen, keine zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern oder -vertretern erbracht werden, im Sinne dieser Vorschrift darstellen.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. a

 

Beteiligte

Arthur Andersen

Arthur Andersen & Co. Accountants c.s

Staatssecretaris van Financiën

 

Verfahrensgang

Hoge Raad (Niederlande) (Entscheidung vom 07.11.2003)

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 13 Teil B Buchstabe a ‐ Steuerbefreiungen für zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden ‐ Lebensversicherung ‐ Backoffice-Tätigkeiten“

In der Rechtssache C-472/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 7. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 12. November 2003, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

Arthur Andersen & Co. Accountants c.s.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann und E. Juhász,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Arthur Andersen & Co. Accountants c.s., vertreten durch R. Vos und P. J. B. G. Schrijver, advocaten,

der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und N. A. J. Bel als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, A. Weimar und L. Ström-van Lier als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Januar 2005,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits wegen der Weigerung des Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Staatssekretär für Finanzen), für die von der Arthur Andersen & Co. Accountants c.s. (im Folgenden: Beklagte) im Bereich der Lebensversicherung ausgeführten Backoffice-Tätigkeiten eine Befreiung von der Mehrwertsteuer zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Nach Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 dieses Artikels genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

4

Absatz 4 dieses Artikels bestimmt, dass der in Absatz 1 verwendete Begriff „selbständig“ die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.

5

Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie lautet:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

a)

die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

…“

6

Artikel 2 der Richtlinie 77/92/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (aus ISIC-Gruppe 630), insbesondere Übergangsmaßnahmen für solche Tätigkeiten (ABl. 1977, L 26, S. 14), die zur Zeit des Sachverhalts galt, bestimmte:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für folgende Tätigkeiten, soweit sie zu der Gruppe aus 630 ISIC des Anhangs III des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit gehören...

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