Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen. Ablehnung der Bewerbung einer Frau für eine Beförderungsstelle. Anrechnung von Teilzeitbeschäftigung für die Berechnung von Dienstzeiten im Rahmen der Berwerbung. Rangstelle von Beamten in einer „Beförderungsliste”. Anwendung von Art. 119 EGV auf Beamte

 

Normenkette

EGV Art. 177; EGVtr Art. 234; EGV Art. 119; EWGRL 117/75 des Rates; Richtlinie 76/207/EWG des Rates; LbV § 13 Abs. 2 S. 2

 

Beteiligte

Hellen Gerster

Freistaat Bayern

 

Verfahrensgang

VG Ansbach

 

Tenor

1.

Artikel 119 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse anwendbar ist.

2.

Eine nationale Bestimmung, die vorschreibt, daß bei der Berechnung von Dienstzeiten von Beamten die Zeiten einer Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens der Hälfte bis zu zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit nur zu zwei Dritteln gezählt werden, fällt nicht unter Artikel 119 EG-Vertrag und die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen.

3.

Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen Regelung entgegen, die vorschreibt, daß bei der Berechnung von Dienstzeiten von Beamten die Zeiten einer Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens der Hälfte bis zu zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit nur zu zwei Dritteln gezählt werden, sofern diese Bestimmung nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

 

Gründe

1.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach hat mit Beschluß vom 23. November 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Januar 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag, der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19) und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Hellen Gerster (Klägerin) und dem Freistaat Bayern (Beklagter) über die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin für eine Beförderungsstelle durch letzteren.

3.

Artikel 119 des Vertrages stellt den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit auf. Gemäß Artikel 119 Absatz 2 sind unter Entgelt in diesem Zusammenhang die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar und unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

4.

Nach Artikel 1 der Richtlinie 75/117 bedeutet der Grundsatz des gleichen Entgelts ”bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen”.

5.

Gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1 hat die Richtlinie 76/207 zum Ziel, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird als ”Grundsatz der Gleichbehandlung” bezeichnet. Gemäß Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie ”[beinhaltet die] Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung …, daß bei den Bedingungen des Zugangs – einschließlich der Auswahlkriterien – zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen – unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig – und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgt”.

6.

Gemäß Artikel 3 Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Nach dieser Bestimmung fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Hinsichtlich der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, gleich, ob als Beamte, als Angestellte oder als Arbeiter tätig, bestimmt Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes: ”Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung...

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