Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Grenzgänger, der im Wohnsitzmitgliedstaat einkommensteuerpflichtig ist. Vom Beschäftigungsmitgliedstaat gezahlte Leistung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Berechnungsmodalitäten dieses Insolvenzgelds. Fiktive Berücksichtigung der Lohnsteuer des Beschäftigungsmitgliedstaats. Insolvenzgeld, das niedriger ist als das bisherige Nettoarbeitsentgelt. Bilaterales Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

 

Normenkette

AEUV Art. 45; Verordnung (EU) Nr. 492/2011 Art. 7

 

Beteiligte

Eschenbrenner

Alphonse Eschenbrenner

Bundesagentur für Arbeit

 

Tenor

Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Höhe des Insolvenzgelds, das ein Mitgliedstaat einem Grenzgänger gewährt, der in diesem Staat nicht einkommensteuerpflichtig ist und bei dem das Insolvenzgeld nicht der Steuer unterliegt, ermittelt wird, indem von dem für die Berechnung des Insolvenzgelds maßgeblichen Arbeitsentgelt die Lohnsteuer, wie sie in diesem Staat zur Anwendung kommt, mit der Folge abgezogen wird, dass der Grenzgänger im Gegensatz zu Personen, die in dem betreffenden Staat wohnen und arbeiten, kein Insolvenzgeld erhält, das seinem bisherigen Nettoarbeitsentgelt entspricht. Der Umstand, dass dieser Grenzgänger keinen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf den aufgrund dieses Abzugs nicht erhaltenen Teil seines bisherigen Bruttogehalts besitzt, hat insoweit keine Auswirkung.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Mainz (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 22. September 2015, in dem Verfahren

Alphonse Eschenbrenner

gegen

Bundesagentur für Arbeit

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch B. Klug als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Lippstreu als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, M. Wasmeier und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. September 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Alphonse Eschenbrenner, einem in Frankreich wohnhaften und in Deutschland arbeitenden französischen Staatsangehörigen, und der Bundesagentur für Arbeit (Deutschland) (im Folgenden: BA) wegen der fiktiven Berücksichtigung der deutschen Lohnsteuer bei der Festlegung der Höhe des Herrn Eschenbrenner gewährten Insolvenzgelds.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

In Art. 13 des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in geänderter Fassung (im Folgenden: deutsch-französisches Steuerabkommen) heißt es:

„(1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit können vorbehaltlich der Vorschriften der nachstehenden Absätze nur in dem Vertragstaate besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile, die von anderen als den in Artikel 14 bezeichneten Personen gezahlt oder gewährt werden.

(5) a) Abweichend von [Absatz 1] können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines Vertragsstaats arbeiten und ihre ständige Wohnstätte, zu der sie in der Regel jeden Tag zurückkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaats haben, nur in diesem anderen Staat besteuert werden;

…”

Rz. 4

Art. 14 dieses Abkommens bestimmt:

„(1) Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen sowie Ruhegehälter, die einer der Vertragstaaten, ein Land oder eine juristische Person des öffentlichen Rechtes dieses Staates oder dieses Landes an in dem anderen Staat ansässige natürliche Perso...

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