Unitymedia GmbH, Kabelnetzbetreiber, Mitarbeiter: 2.700, Sitz: Köln

Gesprächspartner: Karl-Heinz Reitz, Vice President HR BP & Organisationsentwicklung

Britta Redmann: Warum arbeiten Sie agil? Seit wann?

Karl-Heinz Reitz: Vielfach wird agiles Arbeiten gleichgesetzt mit effektiverem Arbeiten. Das halte ich für ein Missverständnis. Natürlich möchte ich nicht ausschließen, dass Projekte schneller zum Abschluss kommen, weniger Ressourcen verbrauchen oder bessere Qualität abliefern. Im Prinzip wird im agilen Arbeiten nur das Endprodukt in kleinere Liefereinheiten zerlegt, die schneller an den Markt kommen. Grundsätzlich ist das aber nicht der Unterschied oder der Sinn, warum wir in agiles Arbeiten investieren. Viel gewichtiger ist der kulturelle Aspekt. Agiles Arbeiten entspricht dem Zeitgeist. Es beinhaltet Ideen und Ideale, die ein kollaboratives Arbeiten auf Augenhöhe, jenseits von Silos und Hierarchie, ermöglichen.

An dieser kulturellen Identität und Vision arbeiten wir seit 2012 nach dem Zusammenschluss von Unitymedia und Kabel BW. Das war für uns der Anlass, unsere Kultur grundsätzlich zu überdenken und neu zu definieren, wie wir zusammenarbeiten wollen. Dabei stand immer im Vordergrund, was wir tun müssen, um für unsere Kunden das Beste zu erreichen. Zusammenarbeit mit agilen Methoden ist dabei ein wichtiges Element, um unseren Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern.

Britta Redmann: Wo sind Sie agil? Haben Sie bestimmte Methoden?

Karl-Heinz Reitz: Unser Ziel ist es, so agil wie möglich zu arbeiten – dort, wo es Sinn macht und Werte schafft. Je nach Aufgabe und damit auch je nach Team stellen wir uns die Frage, was wir mit einer agilen Arbeitsweise bewirken wollen. Hilft es uns, unsere Unternehmensziele zu erreichen? Agilität ist kein Selbstzweck. Veränderung ist auch immer mit Unsicherheit verbunden. Daher starten wir nicht mit der Absicht, ein ganzes Unternehmen auf agile Methoden umzustellen.

Es gibt durchaus Bereiche, in denen es nach wie vor sinnvoll ist, weiterhin in stabilen Strukturen und auf Basis traditioneller Prozesse zu arbeiten. Es ist auch möglich, dass wir Abteilungen haben, wo wir im Sowohl-als-auch-Modus agieren. Nehmen wir z. B. unsere HR-Abteilung: Bestimmte Prozesse, wie die Durchführung der Gehaltsabrechnung, sind vollständig standardisiert, werden präzise ausgeführt und unterliegen auch bestimmten Kontrollmechanismen. Ziel ist es, dass am Ende des Monats alle Mitarbeiter das jeweils richtige Gehalt auf ihrem Konto haben. Und das zu 100 % fehlerfrei. Kreativität, Offenheit, Innovation sind in diesem Kontext keine sinnvollen Maßstäbe.

Wenn ich jetzt aber auf unsere Beratungsprozesse schaue, die wir als HR-Business-Partner wahrnehmen, um die Führungskräfte und Teams darin zu unterstützen, wie sie die bei uns vorhandenen Instrumente nutzen können, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, dann ist das eine sehr anspruchsvolle und kollaborative Tätigkeit. Hier geht es für uns darum, den Sinn zu vermitteln, der hinter unseren Werten und Zielen liegt. Das geht nicht mit Standards. Hier habe ich unterschiedliche Menschen und Bedürfnisse, die ich individuell anspreche und mit denen ich ein gemeinsames Lernen und Verbessern erreichen will. Hier können agile Methoden zum Einsatz kommen, wie Team-Stand-ups, Retrospektiven etc. Letztlich sind diese HR-Teams aber lediglich ›Übersetzer‹ von Standardprozessen. Das tatsächliche agile Arbeiten passiert in kleineren, kundennahen Teams und wir von HR unterstützen deren Arbeit.

Unser Ziel ist es, eine Organisation zu schaffen, die sowohl stabil als auch agil arbeitet. Einerseits benötigen wir Standards, die in hoher Präzision und mit Verlässlichkeit geliefert werden können. Und andererseits brauche ich eine Dienstleistung, die an diese Standards andocken kann und die es schafft, Wertschöpfung zu generieren. Wir möchten keinen harten Schnitt machen und alles Alte von jetzt auf gleich abschneiden. Wir möchten auch keine separaten Einheiten bilden, sodass wir viele kleine parallele Organisationen erzeugen. Wir möchten weiter als großes Ganzes bestehen und verschiedene Arbeitsformen miteinander verbinden, da wir hier eine nützliche Rückwirkung und Ausstrahlung auf die gesamte Organisation sehen. Wir wollen agiles Arbeiten in unsere Unternehmens-DNA integrieren. Damit so etwas gut und erfolgreich gelingen kann, braucht es ein gesundes Wachsen und Ausbreiten dieser Arbeitsweisen. Grundsätzlich haben wir in unserem Unternehmen per se schon eine sehr hohe Affinität gegenüber agilen Methoden. Aufgrund unserer Größe – im Vergleich zu einigen Konkurrenten – haben wir einen Skalenvorteil. Aus unserer Kultur heraus sind wir es schon immer gewohnt, uns schnell an Kundenbedürfnisse anzupassen und je nach Dringlichkeit Probleme zu lösen. Natürlich gibt es definierte Kernprozesse, aber bei der Erstellung von Lösungen gibt es nur wenige, die mit dem Prozesshandbuch unter dem Arm auf starre Vorgänge pochen. Zusammenarbeit war und ist bei uns davon geprägt, dass wir gemeinsam nach M...

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