Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Annahmeverzugs kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nur in jedem tatsächlich durchführbaren und bestehenden Arbeitsverhältnis haben. Das gilt für alle Arten der Arbeitsverhältnisse, seien es unbefristete, befristete, Vollzeit-, Teilzeit- oder geringfügige Arbeitsverhältnisse. Auch für Ausbildungsverhältnisse gilt § 615 BGB grundsätzlich, nicht hingegen in den Fällen der Heimarbeit, in denen nicht ein Dienst-, sondern ein Werk- oder Werklieferungsvertrag zugrunde liegt. Kein Anspruch auf Annahmeverzug besteht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn das Arbeitsverhältnis rückwirkend begründet wurde, für in der Vergangenheit liegende Zeiträume (dieser Fall kann eintreten, wenn der Arbeitgeber zur Annahme eines Angebots des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Arbeitsvertragsverhältnisses verurteilt wird). Denn § 615 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch auf Vergütungsfortzahlung, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht. Da das Arbeitsverhältnis für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume nicht tatsächlich durchführbar war, weil der Arbeitnehmer im erst rückwirkend begründeten Arbeitsverhältnis in der Zeit vor dessen (Wieder-)Begründung nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war und diese auch nicht mehr nachholen kann, besteht kein Annahmeverzugsanspruch.[1]

1.1.1 Angebot der Arbeitsleistung

Der Arbeitgeber kann im Normalfall nur in Annahmeverzug geraten, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung anbietet. Das Angebot hat grundsätzlich als tatsächliches Angebot zu erfolgen, in Ausnahmefällen reicht auch ein wörtliches Angebot, und in noch eingeschränkterem Umfang ist ein Angebot vollständig entbehrlich.

1.1.1.1 Tatsächliches Angebot

Für Annahmeverzug im ungekündigten Arbeitsverhältnis hält die Rechtsprechung an der Konstruktion des Bürgerlichen Gesetzbuchs fest, dass grundsätzlich nur ein tatsächliches Angebot den Arbeitgeber in Annahmeverzug setzen kann.[1] Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung demzufolge zur rechten Zeit, am rechten Ort, in der rechten Art und Weise und als Leistung seiner Person anbieten.[2] Der Arbeitnehmer muss also zur Arbeit erscheinen, wie vertraglich vereinbart und wie es der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts in zulässiger Weise angeordnet hat. Dies gilt auch im gekündigten Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist, wenn nicht besondere Umstände ein tatsächliches oder sogar jedes Leistungsangebot unzumutbar werden lassen, denn vor Ablauf der Kündigungsfrist bestehen auch im gekündigten Arbeitsverhältnis die gegenseitigen Pflichten weiter. Der Arbeitnehmer hat also auch seine Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten und zu erbringen. Die ordentliche fristgerechte Kündigung allein ist noch keine Erklärung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen zu wollen. Auch ein Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzverfahren bedeutet nicht die Ablehnung der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Erklärt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, die Arbeit auch vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr annehmen zu wollen, oder verweist er ihn z. B. im Rahmen einer sich erhitzenden Debatte über die Kündigung zunächst vom Betriebsgelände, so muss der Arbeitnehmer für die Folgezeit seine Arbeitsleistung grundsätzlich zumindest wörtlich anbieten. Ausnahmsweise hält die Rechtsprechung in Abwandlung des § 295 Satz 1 BGB sowohl ein tatsächliches als auch ein wörtliches Angebot für entbehrlich, wenn dieses für den Arbeitnehmer unzumutbar wäre.[3] Die Unzumutbarkeit kann sich aus den Begleitumständen der Kündigung oder aus einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Beschäftigung ergeben.

 
Praxis-Beispiel

Fehlendes Angebot

  • Arbeitnehmer kann wegen Verkehrsstörungen oder Witterungsbedingungen (Eis, Schnee) nicht zur Arbeit erscheinen; das gilt regelmäßig auch dann, wenn der Arbeitgeber das Verkehrsmittel (Werksbus) zur Verfügung stellt[4]
  • Arbeitnehmer erscheint verspätet zur Arbeit und Arbeitsleistung hat infolgedessen für den Arbeitgeber keinen Nutzen mehr, etwa Arbeit mit einem extra deswegen angereisten Kunden
  • Zugangsverhinderung durch streikende Arbeitnehmer oder Streikposten während eines Arbeitskampfs

1.1.1.2 Wörtliches Angebot

Das Gesetz erklärt ein tatsächliches Angebot für entbehrlich und ein wörtliches Angebot für ausreichend, wenn der Arbeitgeber vorher erklärt hat, er werde die Leistung des Arbeitnehmers nicht annehmen, oder wenn eine für die Leistung des Arbeitnehmers erforderliche Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers unterbleibt.[1]

Der Arbeitgeber muss die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht durch ausdrückliche Erkläru...

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