1.1 Anzeigepflicht

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG – der unverändert gilt – die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht dient der Dispositionsfähigkeit des Arbeitgebers und besteht daher unabhängig von einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung.[1] Sie besteht daher auch innerhalb der Wartefrist nach § 3 Abs. 3 EFZG, nach Ablauf von 6 Krankheitswochen und in allen Fällen einer Fortsetzungserkrankung. Dies ist nach Einführung des eAU-Verfahrens besonders wichtig! Die Mitteilung muss an den Arbeitgeber oder an die von ihm bestimmte Stelle (in der Regel Personalabteilung) gerichtet werden; eine Information der Arbeitskollegen oder der Telefonzentrale genügt nur, wenn diese die Nachricht tatsächlich weitergeben. Das Risiko der Übermittlung trägt der Arbeitnehmer. Besondere Formvorschriften für die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit existieren nicht, sie ist also mündlich oder schriftlich möglich (meist ist allerdings die Benachrichtigung angezeigt). Für Auslandserkrankungen gibt es spezielle Regelungen.

[1] LAG Hessen, Urteil v. 1.12.2006, 12 Sa 737/06.

1.1.1 Inhalt der Mitteilung

Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber zunächst die Tatsache mitteilen, dass er infolge einer Krankheit arbeitsunfähig ist. War dem Arbeitnehmer ein rechtzeitiger Arztbesuch noch nicht möglich, so muss er den Arbeitgeber auf Grundlage seiner eigenen Diagnose informieren. Auf dieser Grundlage hat der Arbeitnehmer die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, damit der Arbeitgeber entsprechend disponieren kann.[1] Weicht eine spätere ärztliche Prognose erheblich ab, so hat der Mitarbeiter erneut den Arbeitgeber zu informieren.[2]

[2] Reinhard, ErfK, 16. Aufl. 2016, § 5 EFZG, Rz. 5.

1.1.2 Zeitpunkt der Mitteilung

Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, also ohne schuldhaftes Zögern.[1] Der Arbeitnehmer muss sobald wie möglich informieren. Für den Normalfall heißt dies, dass der Arbeitgeber von der Arbeitsunfähigkeit am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit und in den ersten Betriebsstunden informiert wird, wenn möglich vor Beginn der persönlichen Arbeitszeit.[2] Der Arbeitnehmer kann und sollte zur Beschleunigung im Normalfall die telefonische Benachrichtigung wählen; ist er selbst nicht in der Lage, den Arbeitgeber zu informieren, so muss er auch Dritte bemühen, soweit ihm das zumutbar ist. Eine schriftliche Anzeige, die erst am nächsten Tag beim Arbeitgeber eingeht, genügt im Regelfall nicht.[3]

Zeigt der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht oder verspätet an, so verletzt er eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Er kann zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn der Arbeitgeber Schäden erleidet; i. Ü. kann der Arbeitgeber abmahnen und – nach den allgemeinen Regeln – u. U. sogar[4] kündigen. Das BAG betont, das Dispositionsinteresse des Arbeitgebers sei deshalb immer durch eine nicht unverzügliche Anzeige und unabhängig davon beeinträchtigt, ob es sich um eine Ersterkrankung oder eine Fortsetzungserkrankung handele.[5]

[3] Lepke, NZA 1995, S. 1084 ff.
[4] BAG, Urteil v. 15.1.1986, 7 AZR 128/83; LAG Hamm, Urteil v. 23.3.1971, 3 Sa 104/71; Beschränkung einer außerordentlichen Kündigung auf krasse Ausnahmefälle: LAG Köln, Urteil v. 12.11.1993, 13 Sa 726/93.

1.2 Nachweis der Arbeitsunfähigkeit

Für den Fall, dass das eAU-Verfahren nicht gilt, sieht § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG vor, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen hat, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage dauert; das Gesetz ordnet die Vorlage dann für den darauffolgenden Arbeitstag an. Der Arbeitgeber ist aber auch berechtigt, die Vorlage der Bescheinigung früher zu verlangen.[1]

Die Nachweispflicht besteht ebenso wie die Anzeigepflicht bei jeder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG hat.

 
Achtung

Zum 1.1.2023 wurde nach § 5 Abs. 1 EFZG ein Abs. 1a eingefügt. Nach dessen Inhalt entfällt die Vorlagepflicht einer AU-Bescheinigung für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer an den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss nur noch die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen lassen und sich selbst eine AU-Bescheinigung aushändigen lassen.[2]

Die folgenden Ausführungen gehen vom Fortbestand der Nachweispflicht durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus.

Wie die Anzeigepflicht gehört die Pflicht zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers. Verletzt der Arbeitnehmer die Nachweispflicht und entsteht dem Arbeitgeber daraus ein Schaden, so hat der Arbeitnehmer diesen Schaden (bei Verschulden) zu ersetzen. Im Übrigen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen und bei wiederholten Verstößen k...

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