1 Bildung der Einigungsstelle

Lassen sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht im Verhandlungswege ausräumen, so entscheidet in fast allen der Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten auf Antrag einer der beiden Parteien die Einigungsstelle. § 76 BetrVG schreibt (zwingend) vor, dass zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden ist.

Ist im Gesetz angeordnet, dass bei Nichteinigung von Arbeitgeber und Betriebsrat die Einigungsstelle entscheidet, so ist sie bereits auf einseitigen Antrag von Arbeitgeber oder Betriebsrat zu bilden.[1] Im Übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im Voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber, und von Beisitzern, die vom Betriebsrat benannt werden sowie aus einem neutralen Vorsitzenden. Können sich beide Seiten auf die Person des Vorsitzenden nicht einigen, so bestellt ihn das örtlich zuständige Arbeitsgericht (§ 100 ArbGG). Das Arbeitsgericht kann auch angerufen werden, wenn beide Seiten kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielen können. Beisitzer der Einigungsstelle können sowohl der Arbeitgeber selbst als auch Mitglieder des Betriebsrats sein. Zulässig ist es aber auch, betriebsfremde Personen als Beisitzer zu bestellen, z. B. Gewerkschaftsbeauftragte oder Rechtsanwälte. Das Arbeitsgericht lehnt die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden nach § 100 Abs. 1 ArbGG nur dann ab, wenn die Einigungsstelle "offensichtlich unzuständig ist". Damit ist gemeint, dass offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht, denn nur in diesem Rahmen ist die Einigungsstelle zur Regelung durch einen Spruch befugt.

Zu Vorsitzenden werden i. d. R. Personen bestellt, die nicht dem Betrieb angehören. In der Praxis sind dies häufig Arbeitsrichter. Als Beisitzer können auch betriebsfremde Beisitzer bestellt werden, so etwa Gewerkschaftsbeauftragte durch den Betriebsrat.

[1] § 76 Abs. 5 BetrVG – sog. erzwingbares Einigungsstellenverfahren.

2 Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle

Die Einigungsstelle hat die Aufgabe, ggf. durch einen Spruch, die fehlende Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zu ersetzen. Der Spruch der Einigungsstelle stellt rechtlich eine Betriebsvereinbarung dar (§ 77 Abs. 1 BetrVG). Damit ist der Einigungsstelle – wie auch Arbeitgeber und Betriebsrat – die Befugnis verliehen, für den Betrieb Recht zu setzen. Diese Befugnis besteht aber nur ihm Rahmen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, denn nur soweit das Mitbestimmungsrecht reicht, kann das Tätigwerden der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einseitig von Arbeitgeber oder Betriebsrat verlangt werden. § 100 ArbGG bezeichnet das als die Zuständigkeit der Einigungsstelle. Ein Spruch einer Einigungsstelle, der Regelungen trifft, für die dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zusteht, ist unwirksam und kann auch außerhalb der Frist nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG jederzeit angefochten werden. Wichtig ist, dass der Regelungsauftrag der Einigungsstelle durch die Betriebsparteien klar bestimmt ist. Regelungen, die über das Mitbestimmungsrecht hinausgehen, können Arbeitgeber und Betriebsrat nur einvernehmlich treffen, aber nicht die Einigungsstelle durch einen Spruch.

Die verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle ist im Betriebsverfassungsgesetz vor allem in folgenden Fällen vorgesehen:

  • bei der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten[1],
  • bei Ausgleichsmaßnahmen wegen Veränderungen des Arbeitsplatzes[2],
  • bei der inhaltlichen Gestaltung der Personalfragebogen und Beurteilungsgrundsätzen[3],
  • bei der Schaffung personeller Auswahlrichtlinien[4],
  • bei der Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen[5],
  • bei der Aufstellung eines Interessenausgleichs oder Sozialplans bei Betriebsänderungen[6],
  • bei Auseinandersetzungen bezüglich der zeitlichen Lage von Schulungsmaßnahmen für Betriebsratsmitglieder[7],
  • bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern[8],
  • bei der Regelung der Betriebsratssprechstunden[9],
  • bei Arbeitnehmerbeschwerden.[10]

3 Verfahren

Das Verfahren beginnt mit einer Anhörung und dem Versuch einer gütlichen Einigung. Häufig kommt es dabei zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die das Einigungsstellenverfahren beendet. In anderen Fällen muss eine Entscheidung ("Spruch") durch Beschluss getroffen werden.

Es entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten hat. Kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, beteiligt sich der Vorsitzende nach Be...

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