Für den Beschäftigten ist es oft nicht möglich, den Beweis zu erbringen, dass er wegen eines der Merkmale des § 1 AGG benachteiligt wurde. Meist gibt es nur Indizien, die darauf hindeuten, aber keine zweifelsfreien Nachweise.

Dem trägt § 22 AGG Rechnung: Der Bewerber braucht nur nachzuweisen, dass er benachteiligt worden ist und dass es Indizien dafür gibt, dass dies wegen eines der Merkmale des § 1 AGG geschehen ist. Es reicht aus, beim Gericht nur die Vermutung – und nicht die volle Überzeugung – hervorzurufen, dass er wegen eines der Gründe des § 1 AGG benachteiligt wurde. Gelingt ihm das, schlägt die Beweislast zulasten des Arbeitgebers um, und dieser hat nachzuweisen, dass die Benachteiligung nichts mit diesen Gründen zu tun hat oder ausnahmsweise eine zulässige Benachteiligung darstellt. Die Vermutung wird aber nicht allein schon dadurch ausgelöst, dass der Arbeitgeber das Merkmal wie z. B. die Schwangerschaft der Bewerberin kennt. Es sind weitere Umstände erforderlich, damit eine Benachteiligung wegen des verbotenen Unterscheidungsmerkmals angenommen werden kann. An diese weiteren Umstände sind nach der Rechtsprechung des BAG aber keine hohen Anforderungen zu stellen.[1]

Bei einer Ungleichbehandlung beim Entgelt kann die benachteiligte Arbeitnehmerin sich auf die Auskunft des Arbeitgebers nach §§ 10 ff. EntgTranspG berufen, wenn sich aus ihr ergibt, dass der Median des Entgelts der Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe höher ist als das Entgelt der benachteiligten Arbeitnehmerin.[2] Der Arbeitgeber hat dann zu beweisen, dass der Entgeltunterschied unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf dem Geschlecht beruht. Er kann sich nicht darauf berufen, dass das höhere Entgelt des männlichen Kollegen auf dem Umstand beruhe, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe.[3]

Die unterbliebene Anfrage nach § 164 Abs. 1 Sätze 1, 2 SGB IX bei der Agentur für Arbeit, ob geeignete schwerbehinderte Bewerber für eine zu besetzende Stelle vorhanden sind, lässt eine beabsichtigte Benachteiligung von schwerbehinderten oder gleichgestellten (nicht aber von "einfachbehinderten"[4]) Bewerbern vermuten.[5] Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung bei der Bewerbung von schwerbehinderten Menschen nicht in der vorgeschriebenen Weise einschaltet. Hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung die nach § 168 SGB IX erforderliche vorherige Zustimmung des Integrationsamts nicht eingeholt, kann dieser Umstand die Vermutung i. S. v. § 22 AGG begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch durch die Kündigung erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte.[6] Keine Vermutung einer Benachteiligung wegen einer Behinderung ergibt sich daraus, dass der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt hat.[7] Und auch alleine die Frage nach einer Schwerbehinderung stellt – losgelöst von ihrer immer noch umstrittenen Zulässigkeit – noch keine Vermutung einer Benachteiligung dar.[8] Auch eine widersprüchliche Auskunft des Arbeitgebers über die Gründe für die Ablehnung eines Bewerbers kann die Vermutung einer Benachteiligung begründen.[9] Zwar hat der abgelehnte Bewerber keinen allgemeinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber bezüglich der Gründe der Ablehnung. Eine Auskunftsverweigerung kann aber zusammen mit anderen Umständen auch ein Indiz für eine Benachteiligung sein.[10]

Darin liegt ein erhebliches Risiko für den Arbeitgeber: Hat er durch ungeschicktes oder gar unzulässiges Verhalten den bösen Schein einer Benachteiligung gesetzt, hat er die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen § 7 AGG vorliegt. Solches Verhalten sind insbesondere Stellenausschreibungen, die einen diskriminierenden Inhalt haben, unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch, Hinweise in Absageschreiben oder Telefonaten, objektiv nicht nachvollziehbare Personalentscheidungen bei offensichtlich gut geeigneten Bewerbern oder, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, vorheriges widersprüchliches Verhalten (z. B. in Aussichtstellen der Übernahme nach Befristungsablauf oder Probezeit).

Eine (diskriminierende) Stellenausschreibung unter Verstoß gegen § 11 AGG führt zu der Vermutung, dass der Bewerber wegen des verbotenen Merkmals aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen und daher wegen dieses Merkmals benachteiligt wurde. Allerdings kann der Arbeitgeber hier – jedenfalls bei einer Benachteiligung wegen des Alters – nachweisen, dass das verbotene Merkmal keinerlei Rolle bei der Besetzungsentscheidung gespielt hat, z. B. indem er nachweist, dass er konsequent eine Bestenauslese getroffen hat.[11]

Aus diesem Grund sind Personalentscheidungen "gerichtsfest" zu dokumentieren; es muss möglich sein, in einem Gerichtsverfahren nachzuweisen, dass die Entscheidung nichts mit einem Merkmal des § 1 AGG zu tun hat.

Erfüllt ein nicht tarifgebundener bzw. tarifanwendender Arbeitgeber[12] seine Auskunftspflichten nach §§ 10 ff. EntgTranspG nicht, so besteht eine Vermutung für eine B...

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