In einer Vielzahl von Entscheidungen hat der 1. Senat des BAG in der Folgezeit versucht, die Grundsätze aus der Entscheidung des Großen Senats zu konkretisieren.

Anrechnung zwecks Neuverteilung

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber eine Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen aller Arbeitnehmer angerechnet hat, um das durch die Anrechnung eingesparte Zulagenvolumen künftig nach anderen Grundsätzen wiederum als freiwillige Zulage zu verteilen.[1]

Beruht die volle Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen und die wenig später erklärte Zusage einer neuen übertariflichen Leistung auf einer einheitlichen Konzeption des Arbeitgebers, so liegt hierin eine insgesamt mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze. Der Annahme einer einheitlichen Konzeption steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Anrechnung noch nicht im Einzelnen und abschließend entschieden hat, wem und in welcher Höhe neue übertarifliche Leistungen gewährt werden sollen. Es reicht aus, dass er sich überhaupt entschieden hat, wieder übertarifliche Zulagen zahlen zu wollen.[2]

Anrechnung bei Mitarbeitern mit tariflicher Alterssicherung

Es gibt tarifliche Regelungen, z. B. in der Metall- und Elektroindustrie, die älteren Beschäftigten grundsätzlich das Entgelt sichert. Wird eine Tariferhöhung bei voller Weitergabe an alle anderen Arbeitnehmer nur gegenüber Arbeitnehmern angerechnet, deren jetzige Tätigkeit nicht mehr ihrer durch eine tarifliche Alterssicherung geschützten Eingruppierung entspricht, ist von einem kollektiven Tatbestand auszugehen.[3]

Betriebszugehörigkeitszulage

Will ein Arbeitgeber übertarifliche Zulagen, die er in unterschiedlicher Höhe gewährt, voll auf eine neu geschaffene tarifliche Zulage anrechnen, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn trotz der vollen Anrechnung noch ein Regelungsspielraum verbleibt. Das ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn gleichzeitig mit der Einführung der neuen Tarifzulage auch die Tarifentgelte linear erhöht werden und der Arbeitgeber nicht nur die Tarifentgelte entsprechend anhebt, sondern auch – ohne Rechtspflicht – seine übertariflichen Zulagen.[4]

Verschiedene individuelle Gründe

Ein das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen begründender kollektiver Tatbestand liegt in der Regel vor, wenn die Anrechnung aus Leistungsgründen erfolgt, wegen der Kürze der Betriebszugehörigkeit bzw. der absehbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder wegen einer zuvor stattgefundenen Entgeltanhebung. Kein kollektiver Tatbestand ist hingegen anzunehmen, wenn die Anrechnung auf Wunsch eines Arbeitnehmers zur Vermeidung steuerlicher Nachteile vorgenommen wird.[5]

Wird die Tariferhöhung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer mit Rücksicht darauf angerechnet, dass dieser trotz Umsetzung auf einen tariflich niedriger bewerteten Arbeitsplatz unverändert die bisherige Vergütung erhält, handelt es sich dabei in der Regel nicht um einen der Mitbestimmung unterliegenden kollektiven Tatbestand, sondern um eine individuelle Entscheidung.[6]

Wird die Tariferhöhung gegenüber einem Teil der Arbeitnehmer angerechnet, weil sie nach Auffassung des Arbeitgebers zu viele Tage infolge Krankheit gefehlt haben, ist regelmäßig von einem kollektiven Tatbestand auszugehen, weil die Leistungen der einzelnen Arbeitnehmer notwendigerweise zueinander in ein Verhältnis gesetzt werden müssen.[7]

Wird die Tariferhöhung gegenüber einzelnen Arbeitnehmern aus Leistungsgründen angerechnet, während sie an andere voll weitergegeben wird, ist auch hier wie bei der Berücksichtigung von Krankheitstagen regelmäßig von einem kollektiven Tatbestand auszugehen, weil die Leistungen der einzelnen Arbeitnehmer notwendigerweise zueinander in ein Verhältnis gesetzt werden müssen.[8]

Lediglich dann, wenn "ausschließlich die Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf gerade den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände Maßnahmen erfordern und bei einander ähnlichen Maßnahmen gegenüber mehreren Arbeitnehmern kein innerer Zusammenhang besteht", soll ein kollektiver Bezug zu verneinen sein.

Ungeklärt ist bisher auch die Frage, ob Anrechnungen bei Tariferhöhungen infolge von einzelnen, aus dem Tarifvertrag folgenden Umgruppierungen (z. B. bei Berufsjahressprüngen, d. h. bei Erreichen einer bestimmten Zahl von Berufsjahren) als individuelle und damit mitbestimmungsfreie Regelungen angesehen werden können.

Anrechnung bei einer Höhergruppierung

Wird ein Arbeitnehmer in eine höhere Entgeltgruppe umgruppiert, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn der durch die Umgruppierung erfolgte Erhöhungsbetrag vollständig auf die außertarifliche Zulage angerechnet wird.[9]

Stufenweise Tariferhöhung

Sieht ein Tarifvertrag eine Tariferhöhung in 2 Stufen vor und verrechnet der Arbeitgeber nur die 2., nicht aber die 1. ...

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