Zusammenfassung

 
Überblick

Der Betriebsrat ist Träger einer Vielzahl von Rechten gegenüber dem Arbeitgeber, die er im Beschlussverfahren durchsetzen kann. Diese Einflussmöglichkeiten haben aber auch Grenzen und sowohl der Betriebsrat als Kollegialorgan als auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder haben Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Diese sind aber im Gegensatz zu denen des Arbeitgebers gesetzlich nur unzureichend konturiert. Nachfolgend werden diese Pflichten anhand der Rechtsprechung näher dargestellt und die Grenzen der Einflussnahme des Betriebsrats aufgezeigt. Gerade im Bereich der personellen Mitbestimmung ist der Betriebsrat nämlich nur bedingt angriffsfähig, was an der gesetzlichen Konstruktion liegt, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts noch verstärkt wird.

1 Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit

Gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG arbeiten Arbeitgeber und Betriebsrat "vertrauensvoll … zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen". Die Vorschrift enthält verbindliches, das Verhalten der Betriebsparteien regelndes, unmittelbar geltendes Recht und ist keine bloße Auslegungshilfe für andere betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften. Sie schafft allerdings keine eigenen Mitbestimmungs- oder Auskunftstatbestände, sondern begründet eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme.

Zudem verpflichtet § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Betriebspartner, "über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln" und nach Abs. 2 dieser Vorschrift haben sie "Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Betriebsfrieden beeinträchtigt werden" sowie jede parteipolitische Betätigung zu unterlassen. Aus diesen Vorschriften wird ein allgemeines Neutralitätsgebot des Betriebsrats abgeleitet.[1] Es ist aber zu beachten, dass nach wie vor die BAG-Rechtsprechung gilt, wonach der Betriebsrat zu "vertrauensvoller Zusammenarbeit", nicht aber dazu verpflichtet ist, die Interessen der Belegschaft zurückzustellen. Damit obliegt dem Betriebsrat eine "arbeitnehmerorientierte Tendenz" der Interessenvertretung.[2]

Das hat das BAG auch in neuerer Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht und sieht aber einen Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit aufgrund des besonderen Rechtsverhältnisses mit gegensätzlichen Interessen nur in besonders schwerwiegenden und eng begrenzten Ausnahmefällen vor.[3]

Die Instanzrechtsprechung sagt zudem Folgendes:

"Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit besagt nicht, dass Betriebsrat und Arbeitgeber verpflichtet sind, Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätze zu überspielen. Es hält sie vielmehr zu Ehrlichkeit und Offenheit an. Dazu gehört, dass auch negative Urteile über die Gegenseite zum Ausdruck gebracht und auf diese Weise im Interesse von Betrieb und Belegschaft zur Diskussion gestellt werden können. Selbst eine unangemessene Schärfe im Ausdruck kann gestattet sein. Der Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird erst dann überschritten, wenn der Betriebsrat die Gespräche und die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber wiederholt oder gar systematisch durch haltlose Anschuldigungen stört".[4]

[1] Schönhöft/Weyhing, BB 2014, S. 762; LAG Hamm, Beschluss v. 20.3.2009, 10 TaBV 149/08; BVerfG, Beschluss v. 26.5.1970, 2 BvR 664/65 zum Arbeitskampf; BVerfG, Beschluss v. 14.11.1995, 1 BvR 601/92 zur gewerkschaftlichen Neutralität.
[3] BAG, Beschluss v. 7.3.2023, 7 ABR 10/22, Orientierungssatz 7.

2 Keine Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsratsgremiums

Die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit besteht nicht nur für das Gremium insgesamt, sondern auch für die einzelnen Mitglieder. Untereinander besteht diese Verpflichtung nicht, das bedeutet, dass die Mitglieder des Betriebsrats im Gremium nicht zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet werden können.[1]

[1] Richardi, BetrVG, Rz. 8 zu § 2 BetrVG.

2.1 Zurechnung der Pflichtverstöße einzelner Betriebsratsmitglieder

Pflichtverstöße einzelner Betriebsratsmitglieder können dem Betriebsrat als Gremium zugerechnet werden, wenn dieser das gesetzwidrige Verhalten eines seiner Mitglieder billigt oder sogar unterstützt. Voraussetzung dieser Zurechnung ist aber, dass der Arbeitgeber die Umstände für diese Billigung, bzw. Unterstützung detailliert vorträgt.[1]

[1] LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 3.12.2013, 1 TaBV 11/33; a. A. ArbG Dessau-Roßlau, Beschluss v. 2.12.2008, 9 BV 1/08, Pflichtverletzung muss vom Gremium begangen worden sein.

2.2 Wahrnehmung in der Belegschaft

Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist von beiden Betriebspartnern auch in der betriebsöffentlichen Auseinandersetzung über streitige Regelungsfragen zu beachten.[1]

2.2.1 Information der Belegschaft über den Ausgang eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens

Ein Verstoß gegen das Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit liegt nicht schon dann vor, wenn der Betriebsrat einen Informations-Aushang vornimmt, in dem sachlich dargestellt wird, dass der Arbeitgeber mitbestimmungswidrig den Verkauf von zollfreien Kantinenwaren eingeschränkt hat und dies mittels eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens abgewehrt wurde.[1] Dies gilt auch, wenn die...

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