"Wer leben will, und zwar in menschlicher Würde und in Freiheit, der braucht etwas zu essen, er muss sich kleiden, er benötigt ein Dach über dem Kopf und er muss in einem angemessenen Rahmen am politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Gesellschaft teilnehmen können"[1], so Götz Werner über die Notwendigkeit eines Existenzminimums oder auch Kulturminimums, wie er es nennt. Der Gründer von dm – drogerie markt gilt als einer der bekanntesten und vehementesten Fürsprecher des bedingungslosen Grundeinkommens. Sein Buch "Einkommen für alle" erschien in seiner ersten Auflage bereits 2007 – in einer Zeit, in der diese Idee für viele nach Utopie klang und von vielen weiteren als Spinnerei abgetan wurde.

Heute ist die Befürwortung des Grundeinkommens im politischen Mainstream angekommen – und zwar in vielen Ländern der Welt. Neu ist die Idee nicht. Sie reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Erste dokumentierte Experimente dazu gab es jedoch erst 300 Jahre später, unter anderem in den 1970er Jahren in Kanada (bekannt geworden als das Sozialexperiment Mincome).[2]

Eine breite, öffentliche Diskussion hat sich jedoch vor allem in den letzten Jahren entwickelt. So startete 2016 ein Experiment in Finnland, das große mediale Aufmerksamkeit auf sich zog. 2.000 per Los ausgewählte Arbeitslose erhielten dort 560 EUR monatlich für 2 Jahre – und das ohne Auflagen. Interessanterweise wurde das Ende des Projekts in den Medien sogleich als "Scheitern" bewertet. Wissenschaftliche Ergebnisse zu den Beschäftigungseffekten liegen noch keine vor. Die Auswertung startete erst Anfang 2019 nach Beendigung des Projekts. Analysen werden voraussichtlich Ende 2019 oder Anfang 2020 vorliegen, wie die zuständige Behörde auf ihrer Webseite berichtet.[3]

Das größte Experiment zum Grundeinkommen läuft derzeit in Kenia. Dort sind 26.000 Menschen in 300 Dörfern Teil eines Feldversuchs. Initiiert und durchgeführt wird dieses Experiment von GiveDirectly, eine in den USA von Studenten gegründete NGO. Das Projekt ist auf insgesamt 12 Jahre angelegt. Mindestens 5.000 Kenianer sollen dabei 12 Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen von 22 US-Dollar pro Monat erhalten. Um den Effekt dieser Maßnahme zu untersuchen, vergleicht GiveDirectly die Auswirkungen der Zahlungen mit 3 Vergleichsgruppen. Eine Gruppe erhält das Grundeinkommen 2 statt 12 Jahre, eine weitere Gruppe erhält statt monatlicher Zahlung eine Einmalzahlung in Höhe von 530 US-Dollar, und die letzte Gruppe erhält keine Zahlung und dient als Kontrollgruppe.[4]

Mit wissenschaftlich fundierten Ergebnissen ist aufgrund der Länge des Forschungsprojekts ebenfalls erst in einigen Jahren zu rechnen. Inwieweit diese Ergebnisse auf Industrieländer und ihre Herausforderungen übertragbar sind, ist gleichwohl fraglich. "In Industrieländern wird ein Grundeinkommen oft als Reaktion auf die Folgen der Automatisierung oder als Mittel zur Sicherung sozialer Gerechtigkeit diskutiert", so Caroline Teti, Direktorin für externe Beziehungen bei GiveDirectly. "Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern ist jedoch ein grundsätzlich anderes Ziel."[5]

Auch in Deutschland gibt es erste Erfahrungen mit dem Grundeinkommen. Ein privat initiiertes Projekt verlost bereits seit 2014 bedingungslose Grundeinkommen in Höhe von 1.000 EUR für die Dauer von einem Jahr. Ideengeber und Initiator des Projekts ist Michael Bohmeyer. Der Gründer und IT-Spezialist war 2013 aus seinem Start-up ausgestiegen und erhielt in der Folge 1.000 EUR pro Monat ausbezahlt. Die dadurch gewonnene finanzielle Sicherheit und neue Entscheidungsfreiheit brachten ihn auf die Idee, auch anderen Menschen diese Erfahrung nahezubringen. So entstand die Idee von "Mein Grundeinkommen" – einer Plattform, die Spenden akquiriert und mit dem gesammelten Geld bedingungslose Grundeinkommen verlost.[6]

Auch wenn das Projekt nicht die Voraussetzungen für eine wissenschaftlich fundierte Forschung mitbringt, kamen Masterstudenten in einer Untersuchung zu folgendem Ergebnis: "Das Grundeinkommen führt vor allem dazu, dass die Gewinner ihre neu gewonnenen Freiräume nutzen, um neben ihrer bisherigen Lohnarbeit stärker an persönlichen Projekten, wie z. B. Fortbildungen oder Kunstprojekten, zu arbeiten."[7]

Die Skepsis gegenüber dem Grundeinkommen bleibt jedoch in breiten Teilen der Wirtschaft und Politik weiterhin groß. Es sei unfinanzierbar, würde viele Menschen in die Untätigkeit treiben oder gar durch den Gießkanneneffekt auch diejenigen begünstigen, die ein Grundeinkommen nicht nötig hätten.

Da sich die Auswirkungen eines solchen Instruments wie dem Grundeinkommen schwer voraussagen lassen, bleibt eine konkrete Prognose reine Spekulation. Was sich in Diskussionen über das Grundeinkommen jedoch offenbart, ist das Menschenbild, das die jeweilige Vorhersage prägt. Douglas McGregor und seine Theorien X und Y liefern hier die entsprechenden Grundgedanken.[8]

Prägend für die Wahrnehmung eines Grundeinkommens wirken aber auch Glaubenssätze wie "Im Leben bekommt man nichts ge...

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