Bereits im obigen arbeitsrechtlichen Teil des Beitrags wurde kurz auf die Regelungen zum Whistleblowing eingegangen. Der Umgang mit Whistleblowern ist eine der zentralen strafrechtlichen Fragen bei dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen, weshalb sie auch aus dieser Perspektive noch einmal beleuchtet werden soll. Unter Whistleblowing versteht man im Allgemeinen die Meldung von Fehlverhalten im Unternehmen an interne Stellen, Behörden oder die Presse.[1] Die alten Strafnormen des UWG enthielten für diesen Fall keine Spezialregelung, etwa in Form eines Rechtfertigungsgrundes. Weil allerdings durchaus anerkannt war, dass das Whistleblowing unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar sein sollte, wurden unterschiedliche "Auswege" vorgeschlagen. Teilweise wurde bereits davon ausgegangen, dass ein Fehlverhalten in diesem Sinne schon kein Geschäftsgeheimnis darstellen kann. Die überwiegende Auffassung hat indes – mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise – ein Geschäftsgeheimnis angenommen und eine Rechtfertigung, insbesondere über § 34 StGB für möglich gehalten.[2] Hierbei stellten sich jedoch erhebliche Probleme, insbesondere wenn es sich um ein Fehlverhalten handelte, das in der Vergangenheit lag.

Das Geschäftsgeheimnisgesetz enthält mit § 5 Nr. 2 GeschGehG eine Regelung, die das Whistleblowing unter bestimmten Voraussetzungen schon aus dem Tatbestand der Strafnorm herausnimmt. Dass nun eine solche Regelung existiert, soll zunächst als Fortschritt gegenüber der ursprünglichen Rechtslage zu begreifen sein. Allerdings ist diese Vorschrift mit erheblichen Unsicherheiten behaftet:

Neben der Aufdeckung eines rechtswidrigen Handelns oder eines beruflichen Fehlverhaltens soll auch die Aufdeckung eines "sonstigen Fehlverhaltens" zulässig sein. Die Bundesregierung führt in der Gesetzesbegründung aus, dass hiervon Aktivitäten erfasst sein können, "die ein unethisches Verhalten darstellen, aber nicht notwendigerweise gegen Rechtsvorschriften verstoßen."[3] Als Beispiele dafür werden etwa Kinderarbeit oder gesundheits- oder umweltschädliche Produktionsbedingungen genannt, die im Ausland durchgeführt werden und dort nicht rechtswidrig sind. Das OLG Oldenburg[4] hat entschieden, dass Informationen über Giftstoffexporte eines Unternehmens in die USA, die dort zur Vollstreckung der Todesstrafe verwendet werden, unter das Merkmal "ethisch zu missbilligendes Verhalten" zu fassen sind. Im Übrigen ist gänzlich unklar, was der Gesetzgeber mit "unethischem Verhalten" meint, bzw. welchen Grenzen dieser Begriff unterliegt. Die Unbestimmtheit des Begriffs "sonstiges Fehlverhalten" hat sowohl für den Unternehmer als auch für den Whistleblower erhebliche Konsequenzen: Der Whistleblower unterlässt möglicherweise die Offenlegung (sowie daneben ein Erlangen und Nutzen), weil er sich nicht imstande sieht, im Vorhinein seine Strafbarkeit sicher auszuschließen und der Unternehmer verzichtet womöglich auf einen wesentlichen Teil seines Schutzes, weil er die Offenlegung als nicht tatbestandsmäßig ansieht.[5]

Dieser sehr weite Anwendungsbereich wird allerdings durch ein weiteres objektives Merkmal eingeschränkt. Demnach muss die Offenlegung – sowie auch die Erlangung oder Nutzung – geeignet sein, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Auch dieses Merkmal ist geprägt von einer erheblichen Unbestimmtheit. Insbesondere dürfte es problematisch sein, die Eignung zu bestimmen. Insoweit ist von erheblichen Beurteilungsspielräumen auszugehen.[6] Weil es sich bei der Eignung – anders als zunächst im Regierungsentwurf vorgesehen – um ein objektives Merkmal handelt, ist grundsätzlich auch der Fall erfasst, in dem der Whistleblower eine finanzielle Gegenleistung für die Offenlegung erhält.[7]

Der ursprüngliche Regierungsentwurf wurde auch insoweit kritisiert, als er die Rechtsprechung des BAG ignorierte, wonach den Arbeitnehmer eine Treuepflicht trifft, zunächst einen internen Klärungsversuch vorzunehmen.[8] Dem wurde – wie bereits oben dargestellt – durch Ergänzung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GeschGehG Rechnung getragen, der klarstellt, dass die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis unberührt bleiben.[9]

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Regelung des § 5 Nr. 2 GeschGehG zwar einen Fortschritt darstellt, aber mangels Eindeutigkeit nicht zu endgültiger Zufriedenheit führt.[10] Der Gesetzgeber hat daher den Schutz von Whistleblowern durch das Hinweisgeberschutzgesetz erweitert und erstmals ausführlich geregelt. Dieses hält in § 6 Abs. 1 HinSchG fest, dass im Zuge des Whistleblowings auch die Weitergabe bzw. Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses grundsätzlich gestattet ist, sofern dies erforderlich war, um einen Rechtsverstoß[11] aufzudecken. In diesem Fall ist die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses grundsätzlich nicht unbefugt und somit strafrechtlich gerechtfertigt.[12]

[1] Vgl. nur Ullrich, NZWiSt 2019, 65.
[2] Vgl. Schreiber, NZWiSt 2019, 333.
[3] BT-Drucks. 19/4724 S. 29.
[4] OLG Oldenburg, Beschluss v. 21.5.2019, 1 Ss 72/19, ...

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