Auch in strafrechtlicher Hinsicht beinhaltet das GeschGehG beachtliche Neuerungen. Diese sollen nachfolgend überblicksartig dargestellt werden.

4.1 Allgemeines

Vor Inkrafttreten des GeschGehG wurden Geschäftsgeheimnisse durch die §§ 17–19 UWG a. F. geschützt. Diese wurden nun durch § 23 GeschGehG ersetzt, welcher der Gesetzesbegründung im Regierungsentwurf zufolge im Wesentlichen den ursprünglichen Regelungen des UWG entsprechen soll.[1] Dementgegen steht allerdings bereits, dass zahlreiche begriffliche Veränderungen und Umformulierungen vorgenommen wurden. Bei § 23 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG ist etwa ein – erfolgsbezogenes – "Erlangen" erforderlich, während bei der Vorgängerregelung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG a. F.) ein "Sichverschaffen" oder "Sich-Sichern" durch bestimmte Mittel notwendig war.[2] Zudem sind auch systematische Änderungen erkennbar: So wurde beispielsweise das ursprüngliche Merkmal "unbefugt" ersetzt durch einen Verweis auf bestimmte in § 4 GeschGehG normierte Verhaltensweisen, wodurch eine Akzessorietät zum Zivilrecht geschaffen wird. Überdies wurden die Regelbeispiele des § 17 Abs. 4 UWG a. F. in § 23 Abs. 4 GeschGehG als Qualifikationen ausgestaltet. Dies hat einerseits zur Folge, dass es einen abschließenden Katalog von Verhaltensweisen gibt, die dem höheren Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe unterliegen. Darüber hinaus ist nun auch der Versuch dieser Qualifikationstatbestände strafbar (§ 23 Abs. 5 GeschGehG). Bereits diese Änderungen können im Einzelfall zu erheblichen Unterschieden im Verhältnis zur vorigen Rechtslage führen. Nachfolgend sollen allerdings diejenigen Neuerungen näher dargestellt werden, die für die Praxis wohl am ehesten einen "Zündstoff" enthalten.

[1] BT-Drucks. 19/4724 S. 40.
[2] Kritisch dazu Brammsen, wistra 2018, 454 f.

4.2 Zulässiger Umgang mit Geschäftsgeheimnissen

Das GeschGehG beschreibt bestimmte Verhaltensweisen, die nicht den Verboten des § 4 GeschGehG unterliegen. Der Gesetzgeber hat hierbei folgendes Regelungssystem gewählt: In § 3 GeschGehG sind Verhaltensweisen geregelt, die erlaubt sind, d. h. von vornherein nicht den Verboten des § 4 GeschGehG unterliegen. In § 5 GeschGehG hingegen sind Verhaltensweisen geregelt, die eigentlich den Verboten des § 4 GeschGehG unterliegen, aber aus bestimmten Gründen ausnahmsweise von den Verboten ausgenommen wurden. In strafrechtlicher Hinsicht bedeutet im Ergebnis beides dasselbe: Liegen diese zulässigen Verhaltensweisen vor, ist der objektive Tatbestand des § 23 GeschGehG nicht erfüllt. Nachfolgend sollen zwei besonders praxisrelevante zulässige Verhaltensweisen dargestellt werden.

4.2.1 Reverse Engineering

Reverse Engineering meint einen Vorgang, bei dem durch Beobachten, Testen, Untersuchen oder Rückbau von erworbenen Mitbewerberprodukten versucht wird, an das im Produkt enthaltene Know-how zu gelangen.[1] Von der Ausnahme der Offenkundigkeit des Geheimnisses abgesehen, war ein solches Verhalten nach der alten Rechtslage grundsätzlich nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG a. F. strafbar.[2] § 3 GeschGehG lässt Reverse-Engineering nun grundsätzlich in zwei Fällen zu:

  1. uneingeschränkt, wenn das Produkt oder der Gegenstand öffentlich verfügbar gemacht wurde und
  2. wenn der Beobachtende, Untersuchende, Rückbauende oder Testende das Produkt oder den Gegenstand in seinem rechtmäßigen Besitz hat, aber nur dann, wenn er keiner Pflicht zur Beschränkung der Erlangung des Geschäftsgeheimnisses unterliegt.

Für Unternehmen folgt daraus, dass sie das Reverse-Engineering vertraglich ausschließen müssen, wenn sie ihre Geschäftsgeheimnisse effektiv schützen wollen. Die neue Regelung des § 3 GeschGehG wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur bereits als die Begründung eines "Paradigmenwechsels" verstanden.[3]

[1] Apel/Walling, DB 2019, S. 896.
[2] Ausgangspunkt für diese Ansicht war die "Stiefeleisenpressen-Entscheidung" des Reichsgerichts aus dem Jahre 1935, RGZ 149, 334; siehe auch Ohly, GRUR 2019, 447.
[3] So Voigt/Herrmann/Grabenschröer, BB 2019, S. 143 m. w. N.

4.2.2 Whistleblowing

Bereits im obigen arbeitsrechtlichen Teil des Beitrags wurde kurz auf die Regelungen zum Whistleblowing eingegangen. Der Umgang mit Whistleblowern ist eine der zentralen strafrechtlichen Fragen bei dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen, weshalb sie auch aus dieser Perspektive noch einmal beleuchtet werden soll. Unter Whistleblowing versteht man im Allgemeinen die Meldung von Fehlverhalten im Unternehmen an interne Stellen, Behörden oder die Presse.[1] Die alten Strafnormen des UWG enthielten für diesen Fall keine Spezialregelung, etwa in Form eines Rechtfertigungsgrundes. Weil allerdings durchaus anerkannt war, dass das Whistleblowing unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar sein sollte, wurden unterschiedliche "Auswege" vorgeschlagen. Teilweise wurde bereits davon ausgegangen, dass ein Fehlverhalten in diesem Sinne schon kein Geschäftsgeheimnis darstellen kann. Die überwiegende Auffassung hat indes – mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise – ein Geschäftsgeheimnis angenommen und eine Rechtfertigung, insbesondere über § 34 StGB für möglich gehalte...

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