Der Kernbereich der Regeln betreffend das Berufsausbildungsverhältnis endet mit den Vorschriften zur

  • Weiterarbeit[1],
  • Unabdingbarkeit[2] und
  • anderen Vertragsverhältnissen.[3]

6.1 Weiterarbeit

Werden Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt, ohne dass hierüber ausdrücklich etwas vereinbart worden ist, so gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet.[1]

Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt für beide Vertragspartner die Freiheit, ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Berufsausbildung zu vereinbaren oder auch nicht. Ein Arbeitsverhältnis kommt dementsprechend durch eine ausdrückliche oder konkludente (schlüssige) Vereinbarung zustande. Vom Grundsatz her unproblematisch sind Vereinbarungen innerhalb der letzten 6 Monate vor Ende der Ausbildung oder nach Ende der Ausbildung über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die Ausbildung. Möglich ist der Abschluss eines unbefristeten, aber auch eines befristeten Arbeitsvertrages. § 24 BBiG stellt demgegenüber eine Ausnahmeregelung dar, die an die tatsächliche Weiterbeschäftigung über das Ausbildungsende hinaus anknüpft. In dem Fall wird, wenn es an abweichenden Vereinbarungen fehlt, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses fingiert.

6.2 Unabdingbarkeit

Eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender von den Vorschriften dieses Teils des Gesetzes abweicht, ist nichtig.[1]

Mit "Teil des Gesetzes" ist Teil 2 des BBiG gemeint, also die Vorschriften der §§ 4–70 BBiG. Damit geht der Schutz vor Benachteiligung weit über den Berufsausbildungsvertrag[2] und auch das Berufsausbildungsverhältnis[3] hinaus.

Zum Schutz der Auszubildenden sieht das BBiG vor, dass bestimmte Vereinbarungen, die für die Auszubildenden von Nachteil sind, unzulässig sind. Sollten sie gleichfalls vereinbart werden, sind sie kraft Gesetzes unwirksam.[4] Der Ausbilder kann aus solchen nichtigen, d. h. unwirksamen Vereinbarungen, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Seine Vertragsfreiheit wird eingeschränkt, weil der Schutz der Auszubildenden als vorrangig angesehen wird. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass aufgrund der existenziellen Angewiesenheit auf einen Ausbildungsplatz die Auszubildenden sich beim Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags in einer Situation struktureller Unterlegenheit gegenüber dem Ausbilder befinden und sie deshalb des besonderen Schutzes vor nachteiligen Vereinbarungen bedürfen.[5]

Das entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das BVerfG[6] hat herausgestellt, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht nur formal verstanden werden darf. Es geht vielmehr um den Ausgleich gestörter Vertragsparität. Die Vertragsfreiheit beruht auf dem Prinzip der Selbstbestimmung, setzt also voraus, dass die Bedingungen freier Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung.

[5] Vgl. Wohlgemuth/Lakies, BBiG, 3. Aufl., § 12, Rz. 2.
[6] Vgl. BVerfG, Beschluss v. 19.10.1993, 1 BvR 567/89 und 1044/89, BVerfGE 89 S. 214, 232.

6.3 Andere Vertragsverhältnisse

Das BBiG enthält in § 26 eine Sonderregelung für sogenannte andere Vertragsverhältnisse. Die Regelung, die seit der Novelle zum 1.1.2020 nunmehr Bezug nimmt auf die §§ 10–16 und 17 Abs. 1, 6 und 7 sowie §§ 18–23 und 25, gilt für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, wobei es sich nicht um eine Berufsausbildung i. S. d. BBiG handelt. Für Berufsausbildungsverhältnisse gilt nämlich unmittelbar das BBiG. Zudem darf auch nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart sein. In dem Fall gelten unmittelbar die arbeitsrechtlichen Normen.

Ein anderes Vertragsverhältnis besteht nicht, wenn die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben.[1] Die Vorschrift, die mit der geringfügigen Korrektur der Bezugsnormen die massive Neustrukturierung des § 17 BBiG auffängt, gilt deshalb nur für solche Personen, die sich nicht wie in einem Arbeitsverhältnis überwiegend zur Leistung von Arbeit nach Weisung des Arbeitgebers verpflichtet haben, sondern bei denen der Lernzweck im Vordergrund steht. Zwar stellen auch die zur Ausbildung eingestellten Personen in einem gewissen Umfang ihre Arbeitskraft nach Weisung des Arbeitgebers zur Verfügung. Wesentlicher Inhalt und Schwerpunkt ihres Vertragsverhältnisses ist jedoch die Ausbildung für eine spätere qualifiziertere Tätigkeit. Es kommt auf die Gewichtung der vertraglichen Pflichten an. Überwiegt die Pflicht zu Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis und nicht um ein anderes Vertragsverhältnis i. S. d. § 26 BBiG.[2]

Besteht ein anderes Vertragsverhältnis i. S. d. § 26 BBiG geht das Gesetz von einem Schutzbedürfnis der betreffenden Personen aus. Deshalb finden die Schutznormen für die Auszub...

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