"Investigations" sind unternehmensinterne Untersuchungen zur Aufklärung von (möglichen) Verstößen gegen Compliance-Regeln von Managern und/oder Arbeitnehmern. Unternehmensinterne Untersuchungen sind in den USA ein seit Jahren bekanntes und häufig genutztes Instrument der Unternehmensleitung, um Verstöße gegen Compliance-Regeln aufzuklären. Typische Untersuchungsgegenstände sind bilanz-, aufsichts- und insiderrechtliche Fragen. Daneben dienen unternehmensinterne Untersuchungen häufig der Feststellung von Fehlverhalten von Führungskräften. Typischerweise werden die unternehmensinternen Untersuchungen nicht durch das Unternehmen selbst durchgeführt, sondern von externen Beratern, wie vor allem Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfern. Wichtigstes Element einer unternehmensinternen Untersuchung ist die Ermittlung des Sachverhaltes. Dazu bedarf es – zumindest in den klassischen Fällen bilanz- und aufsichtsrechtlicher Pflichtverletzungen oder in Korruptionsfällen – regelmäßig der Aufdeckung struktureller und oft jahrelang bestehender Missstände. Unternehmensinterne Untersuchungen sind daher regelmäßig groß angelegt und werfen auch zahlreiche besondere arbeitsrechtliche Fragen auf.[1]

Befragung von Arbeitnehmern ("Interviews")

Für die Sachverhaltsaufklärung werden regelmäßig in großem Umfang Dokumente, Akten und/oder Daten ermittelt und ausgewertet. Neben dem Zugriff auf Akten und Dateien werden in unternehmensinternen Untersuchungen regelmäßig Befragungen – sog. "Interviews", von Arbeitnehmern und/oder Führungskräften durchgeführt, die als Täter oder Zeugen in Betracht kommen.[2]

 
Wichtig

Auskunftsanspruch des Arbeitgebers

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern einen Auskunftsanspruch, wenn er ein schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung der Frage hat, die Frage im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und die Auskunftsverpflichtung den Arbeitnehmer nicht übermäßig belastet.[3]

Der Arbeitgeber kann insbesondere in Ausübung seines Direktionsrechts nach § 106 GewO dem Arbeitnehmer die Weisung erteilen, über Art und Umfang seiner Arbeitsleistung Auskunft zu erteilen.[4] Dem Arbeitnehmer steht dabei regelmäßig kein Auskunftsverweigerungsrecht zur Seite. Insbesondere ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer sich durch die Auskunft selbst belastet. Der im Strafrecht geltende Grundsatz "nemo tenetur", der besagt, dass sich niemand selbst belasten muss, findet im Bereich vertraglicher Berichtspflichten keine Anwendung.[5] Dem Arbeitnehmer steht auch kein "Recht zur Lüge" im Hinblick auf Fragen zu, die entsprechend den vorgenannten Grundsätzen, unzulässig sind. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer die Beantwortung der Frage lediglich verweigern.[6]

Die Auskunftspflicht des Arbeitnehmers besteht nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber bzw. seinen Vorgesetzten, sondern auch gegenüber den beauftragten Rechtsanwälten oder sonstigen Beratern.[7] Die Protokolle einer solchen Befragung können nach überwiegender Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen sogar beschlagnahmt und in einem späteren Strafverfahren verwendet werden.[8]

Unklar ist, ob der Arbeitnehmer bei der Befragung auf der Anwesenheit eines Anwalts oder eines sonstigen Beistands bestehen kann. Grundsätzlich ist dies zu verneinen.[9] Etwas anderes soll nur gelten, wenn der Arbeitgeber selbst über anwaltlichen Beistand während der Befragung verfügt bzw. wenn dem Arbeitnehmer ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen wird.[10] Der Betriebsrat hat kein Recht, bei den Befragungen anwesend zu sein.[11]

Neben der persönlichen Befragung der Arbeitnehmer ist es auch zulässig, standardisierte Fragebögen einzusetzen. Zu beachten ist allerdings, dass der Einsatz von Fragebögen in der Regel zwar zeitsparender ist, aber auch weniger aufschlussreich gegenüber persönlichen Befragungen. Zudem ist bei der Verwendung von standardisierten Fragebögen i. d. R. das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. In der Praxis ist es daher oft empfehlenswert, im Anschluss an den Einsatz von Fragebögen zumindest mit einzelnen Arbeitnehmern Befragungen durchzuführen.[12]

Amnestieprogramme und Kronzeugenregelungen

Der Arbeitgeber ist zur Feststellung der Verstöße gegen Compliance-Regeln regelmäßig auf die Auskünfte der Arbeitnehmer angewiesen. Ohne diese Auskünfte kann der relevante Sachverhalt oft nur schwer nachgewiesen werden oder dies gelingt nur mit deutlicher zeitlicher Verzögerung und höherem Aufwand. Die Arbeitnehmer stehen der Kooperation mit dem Unternehmen jedoch oftmals skeptisch gegenüber, befürchten sie doch arbeitsrechtliche Maßnahmen oder die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bzw. weitergehende Maßnahmen von Behörden, vor allem auch Strafverfahren. In der Praxis wenden die Unternehmen daher zum Ausgleich für die Kooperation der Arbeitnehmer oftmals sog. Amnestieprogramme oder Kronzeugenregelungen bei größeren Untersuchungen an. Als Gegenleistung für ihre Kooperation und insbesondere die umfassende und ehrliche Preisgabe von Informat...

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