Das zweite wichtige Instrumentarium des Arbeitgebers, um Compliance-Regeln zu implementieren, ist die arbeitsvertragliche Vereinbarung. Es kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn die Compliance-Regelungen die Vertragspflichten des Arbeitnehmers erweitern und somit die Grenzen des Direktionsrechts überschreiten. Im Unterschied zum Direktionsrecht nach § 106 GewO können hier keine Pflichten einseitig vorgegeben werden; es bedarf vielmehr einer Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Sofern die Compliance-Regeln von Beginn des Arbeitsverhältnisses an Vertragsbestandteil sind, ist die erforderliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelmäßig unproblematisch. Die wenigsten Arbeitnehmer lassen die Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages an Compliance-Regeln scheitern.

Will der Arbeitgeber hingegen nachträglich neue Compliance relevante Pflichten arbeitsvertraglich begründen, ist die erforderliche Einigung regelmäßig schwieriger zu erzielen. Es bedarf dann eines konkreten Änderungsangebotes des Arbeitgebers, das der Arbeitnehmer ausdrücklich annehmen muss.[1] Insbesondere kann die stillschweigende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer regelmäßig nicht als Annahme des Änderungsangebotes gewertet werden.[2] Der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, dem Änderungsangebot zuzustimmen. In Großunternehmen kann die Einholung der Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers zusätzlich zu logistischen Problemen führen.

Eine nachträgliche Einführung der Compliance-Regelungen in den Arbeitsvertrag im Wege der Änderungskündigung nach § 2 KSchG kommt nur sehr selten in Betracht. Es müssen dann dringende betriebliche Erfordernisse für die Einführung der Compliance-Regeln sprechen. Dringende betriebliche Erfordernisse werden allenfalls bei einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung des Unternehmens bejaht werden können.[3] Zusätzlich müssen die Compliance-Regeln für den Arbeitnehmer zumutbar sein.

Compliance-Regelungen und AGB-Kontrolle

Arbeitsverträge und somit auch arbeitsvertraglich implementierte Compliance-Regeln unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 310 Abs. 4 Satz 2, 305  ff. BGB. Die Compliance-Regeln dürfen daher insbesondere nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Arbeitnehmer im Sinne von § 307 BGB führen. Eine Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB kann sich nicht nur aus dem Inhalt, sondern auch aus der Intransparenz der Klausel ergeben.[4] Es sollte daher darauf geachtet werden, dass die Compliance-Regelungen klar und bestimmt formuliert sind und daher auch von juristischen Laien nachvollzogen werden können.[5]

Neben der Intransparenz der Compliance-Regeln kann sich eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer auch daraus ergeben, dass ihre Grundrechte nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Hier ist insbesondere die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer[6] und das allgemeine Persönlichkeitsrecht[7] – ggf. in der speziellen Ausgestaltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung[8] zu beachten. Zu umfassende nachvertragliche Wettbewerbsverbote – die sich nicht an den §§ 305 ff. BGB messen lassen müssen, sondern an den Spezialregeln der §§ 74 ff. HGB – oder Nebentätigkeitsklauseln sowie Verschwiegenheitsklauseln können z. B. das Grundrecht der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise einschränken.[9] Gleiches gilt z. B. für die Kontrolle der (privaten) Kommunikation der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, wenn diese zu einer dauerhaften Überwachung oder zur regelmäßigen Überwachung von Telefonaten führt.[10]

[1] Vgl. Schreiber, NZA-RR 2010, S. 617, 618.
[2] Vgl. ErfK-Preis, 21. Aufl. 2021, § 611a BGB, Rz. 375.
[3] Vgl. Borgmann, NZA 2003, S. 352, 355; Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, 2009, S. 29.
[5] Vgl. Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, 2009, S. 30.
[7] Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.
[10] Vgl. dazu ausführlich, Mengel, BB 2004, S. 1445, 1452.

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