Veränderungen in der Umwelt, bedingt durch technologische Entwicklungen oder wechselnde Kundenanforderungen rufen in Unternehmen fortlaufend Anpassungsprozesse hervor. Die Unternehmen reagieren darauf mit einer Erweiterung oder Modifizierung ihrer Geschäftsmodelle – sie bleiben aber im Kern dieselben.

Anders in Zeiten der Umbrüche. Fast jedes Jahrhundert kennt eine Phase, in der die kontinuierliche Fortentwicklung der Geschäfte in Frage gestellt wird. Es sind meist revolutionäre technologische Entwicklungen, die die Grundparameter des unternehmerischen Handelns in ganz neue Richtungen drehen.

Maschinerie und industrielle Entwicklung verdrängten im 19.Jahrhundert die handwerklich-manufakturelle Fertigung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts löste die Automatisierung Schockwellen in den Unternehmen aus. Nun greifen die großen Herausforderungen durch die Digitalisierung und die siamesisch mit ihr verbundene Globalisierung tief in die Unternehmensrealitäten ein. In einer Befragung von 1.268 CEOs von Großunternehmen im Jahr 2016 gingen 95% der Befragten davon aus, dass die nächsten drei Jahre für ihre Branche entscheidender sein werden als die zurückliegenden 50 Jahre[1]. Die aktuelle Corona-Krise hat diesen Trend weiter befeuert und ganze Belegschaften ins Homeoffice und zu neuem Arbeiten gezwungen.

Fast seismographisch reagiert auch die Gesellschaft auf die anstehenden Verwerfungen. Ängste entstehen. Obwohl die Veränderungen Chancen wie Risiken bieten und die Lage nicht unbedingt schlechter wird, haben Sehnsüchte nach dem Alten – wo alles im subjektiven Empfinden viel besser was – Konjunktur. Populisten, die diese Sehnsüchte und Ängste bedienen, reiten auf der Erfolgswelle. Die Veränderung wirkt als Bedrohung, in der man unterzugehen vermeint.

Auch in den Unternehmen ist diese Unruhe spürbar. Selbst Mitarbeiter, die sich schon daran gewöhnt haben, den sich wiederholenden Change-Aufrufen mit Gelassenheit und gelegentlichem Aussitzen zu begegnen, werden von diesem Kribbeln ergriffen.

1.2.1 Das Unternehmen erfindet sich neu

Fast täglich erfährt man aus den Medien, dass wieder ein Unternehmen bereit sei, sich der Herausforderung Digitalisierung zu stellen. Was so erfrischend innovativ klingt, ist als Veränderungsprogramm nicht so einfach zu bewerkstelligen:

  • Unternehmen müssen sich auf disruptive Innovationen einstellen, die bestehende Geschäftsmodelle in Frage stellen und neue Geschäftsmodelle mit immer kürzer werdenden Verfallsdaten versehen.
  • Nur wenn sie sich sehr schnell und dann mit hohem Einsatz der Veränderung stellen, haben sie die Chance im Rennen zu bleiben
  • Statt interner Nabelschau wird es wichtig, alle auch extern verfügbaren Daten zu erfassen und zu analysieren und sich noch stärker und noch schneller an Kundenwünschen auszurichten.

Die Unternehmen sind willens aufzuschließen und kündigen Investitionen in konvergente Infrastrukturen, Ultra-High-Performance-Computing, IoT-Technologien, Big Data Analytics usw. an. Selbstredend wird bekundet auch in den Aufbau der Expertise und digitalen Kompetenz der Mitarbeiter zu investieren. Was häufig übersehen wird ist, dass die technologische Revolution eine kulturelle Revolution bedingt.

1.2.2 Die Unternehmenskultur im Umbruch

Nicht nur die Technologie und der Bezug nach Außen ändern sich – die Organisation muss neu modelliert werden. Was ersetzt Hierarchie bei Entscheidungen, was hält fach- und funktionsübergreifende Projektgruppen zusammen? Der Wandel der Kultur und mentalen Modelle ist keine ausschließliche Frage der Qualifizierung und des Trainings, sondern ist in der nachhaltigen Auseinandersetzung mit der eigenen Praxis zu erarbeiten.

Was ändert sich konkret?

  • Führungskräfte müssen in die Rolle der Pioniere wachsen und zugleich ihre bisherigen Führungsstile hinterfragen. Was ersetzt die Weisungsmacht, wie steuere ich, ohne direkt einzugreifen? Coachen und Fördern, d.h. Anleitung zum selbständigen Handeln, Identität stiften durch einen attraktiven Wertekern, Sinn geben durch attraktive Herausforderungen sind entscheidende Potentiale, die auch bei vielen Führungskräften erst zu entwickeln sind.
  • Den Mitarbeitenden werden neue kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten abverlangt. Selbst Digital Natives der Generationen Y und Z sind gefordert, mit dem Tempo der Entwicklungen Schritt zu halten. Für viele langfristig Tätige bedeutet der selbstverständliche und effektive Umgang mit den technologischen Möglichkeiten enorme Anstrengung. Gewohntes Handwerkszeug geht verloren.
  • Vertraute Herangehensweisen und Denkmodelle, die einem Sicherheit boten, gelten jetzt als Gefahr. War bisher Vorsicht geboten, wenn der Weg neu war, wird jetzt das Wagnis als gesunder Weg bezeichnet. Agiles Vorgehen folgt dem Imperativ der Tat und des "trial and error". Von Mitarbeitern, die beruflich in einer technokratisch-bürokratischen und nach Perfektion strebenden Kultur sozialisiert wurden, erfordert dies nicht weniger, als ihre mentalen Modelle umzustülpen.
  • Da vielen das Zutrauen fehlt, mit ihren erworbenen Kompetenzen und bisheri...

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