Entscheidungsstichwort (Thema)

Ungleiche Besteuerung bei Renten und Pensionen verfassungswidrig !

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG ist seit dem Jahr 1996 mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (Anschluss an BVerfGE 54, 11; 86, 369).

2. Sollen nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele den rechtfertigenden Grund für steuerliche Vergünstigungen bilden, so ist neben einer erkennbaren Entscheidung des Gesetzgebers auch ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands erforderlich.

3. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der gebotenen Neuregelung die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (Vorlegungsbeschluss vom 18.10.1999; Aktenzeichen 4 K 7821/97 E)

 

Tenor

1. § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Veranlagungszeitraum 1996 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 7. September 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 1898, berichtigt 1991 Seite 808), zuletzt geändert durch das Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18. Dezember 1995 (Bundesgesetzblatt I Seite 1959), einschließlich aller nachfolgenden Fassungen, ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit einerseits Versorgungsbezüge bis auf einen Versorgungs-Freibetrag von höchstens insgesamt 6.000 Deutsche Mark zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören und andererseits Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes in seinen jeweiligen Fassungen nur mit Ertragsanteilen besteuert werden, deren Höhe unabhängig davon festgesetzt ist, in welchem Umfang dem Rentenbezug Beitragsleistungen der Versicherten aus versteuertem Einkommen vorangegangen sind.

2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine Neuregelung zu treffen. Soweit § 19 des Einkommensteuergesetzes gemäß Ziffer 1 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, bleibt die Vorschrift bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2004, weiter anwendbar.

 

Gründe

A.

Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Besteuerung einerseits von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und andererseits von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Zusatzversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG im Veranlagungsjahr 1996.

I.

Nach bis heute unverändertem Einkommensteuerrecht unterliegen die Versorgungsbezüge von Beamten, Richtern und Soldaten nach Abzug eines Versorgungs-Freibetrages von höchstens 6.000 DM (ab 2002: 3.072 EURO) als nachträgliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in vollem Umfang der Regelbesteuerung. Dagegen sind Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur zu einem Teil, nämlich in Höhe des so genannten Ertragsanteils (z.B. 27 v.H. bei Rentenantritt eines 65-Jährigen) einkommensteuerpflichtig, während die Bezüge im Übrigen als nichtsteuerbarer „Rückfluss” zuvor „angesparten” Kapitals („Rentenstammrecht”) behandelt werden.

1. Die einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes in der für das hier maßgebliche Jahr 1996 geltenden Fassung (BGBl I 1990 S. 1898, berichtigt 1991 S. 808, zuletzt geändert durch das Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 vom 18. Dezember 1995, BGBl I S. 1959) lauten wie folgt:

Steuerfreie Einnahmen

§ 3

Steuerfrei sind

(…)

62. Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. (…)

§ 9

Werbungskosten

(1) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. (…)

§ 9a

Pauschbeträge für Werbungskosten

Für Werbungskosten sind bei der Ermittlung der Einkünfte folgende Pauschbeträge abzuziehen,

1. wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden:

  1. von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit:

    ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2000 Deutsche Mark;

  2. (…)
  3. von den Einnahmen im Sinne des § 22 Nr. 1 und 1a:

    ein Pauschbetrag von insgesamt 200 Deutsche Mark;

2. (…)

Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag darf nur bis zur Höhe der um den Versorgungs-Freibetrag (§ 19 Abs. 2) geminderten Einnahmen, die Pauschbeträge nach Satz 1 Nr. 1 Buchstabe (…) c dürfen nur bis zur Höhe der Einnahmen abgezogen werden.

Sonderausgaben

§ 10

(1) Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:

(…)

2. a) Beiträge zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen, zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und an die Bundesanstalt für Arbeit;

b) Beiträge zu den folgenden Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall:

(…)

(…)

(3) Für Vorsorgeaufwendungen gelten je Kalenderjahr folgende Höchstbeträge:

1. ein Grundhöchstbetrag von 2610 Deutsche Mark, im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten von 5220 Deutsche Mark;

2. ein Vorwegabzug von 6000 Deutsche Mark, im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten von 12000 Deutsche Mark. Diese Beträge sind zu kürzen um 16 vom Hundert der Summe der Einnahmen

a) aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 ohne Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10 c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 gehört,

(…)

4. Vorsorgeaufwendungen, die die nach den Nummern 1 bis 3 abziehbaren Beträge übersteigen, können zur Hälfte, höchstens bis zu 50 vom Hundert des Grundhöchstbetrags abgezogen werden (hälftiger Höchstbetrag).

§ 10c

Sonderausgaben-Pauschbetrag, Vorsorgepauschale

(1) (…)

(2) Hat der Steuerpflichtige Arbeitslohn bezogen, so wird für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2) eine Vorsorgepauschale abgezogen, wenn der Steuerpflichtige nicht Aufwendungen nachweist, die zu einem höheren Abzug führen. Die Vorsorgepauschale beträgt 20 vom Hundert des Arbeitslohns, jedoch

  1. höchstens 6000 Deutsche Mark abzüglich 16 vom Hundert des Arbeitslohns zuzüglich
  2. höchstens 2610 Deutsche Mark, soweit der Teilbetrag nach Nummer 1 überschritten wird, zuzüglich
  3. höchstens die Hälfte bis zu 1305 Deutsche Mark, soweit die Teilbeträge nach den Nummern 1 und 2 überschritten werden.

(…) Arbeitslohn im Sinne der Sätze 1 und 2 ist der um den Versorgungs-Freibetrag (§ 19 Abs. 2) und den Altersentlastungsbetrag (§ 24a) verminderte Arbeitslohn.

(3) Für Arbeitnehmer, die während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahrs

  1. in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei (…) waren (…) oder
  2. nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, (…) oder
  3. Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 erhalten haben oder
  4. Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten haben,

beträgt die Vorsorgepauschale 20 vom Hundert des Arbeitslohns, jedoch höchstens 2214 Deutsche Mark.

(4) Im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer sind

  1. die Deutsche-Mark-Beträge nach Absatz 1, 2 Nr. 1 bis 3 und Absatz 3 zu verdoppeln und
  2. Absatz 2 Satz 4 auf den Arbeitslohn jedes Ehegatten gesondert anzuwenden.

(…)

Nichtselbständige Arbeit

§ 19

(1) Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören

1. (…)

2. Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen.

Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht.

(2) Von Versorgungsbezügen bleibt ein Betrag in Höhe von 40 vom Hundert dieser Bezüge, höchstens jedoch insgesamt ein Betrag von 6000 Deutsche Mark im Veranlagungszeitraum, steuerfrei (Versorgungs-Freibetrag). Versorgungsbezüge sind Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die

1) als Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, Unterhaltsbeitrag oder als gleichartiger Bezug

a) auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,

b) nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften

oder

2) in anderen Fällen wegen Erreichens einer Altersgrenze, Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder als Hinterbliebenenbezüge gewährt werden (…).

Sonstige Einkünfte

§ 22

Arten der sonstigen Einkünfte

Sonstige Einkünfte sind

1. Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Einkunftsarten gehören. (…)

Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften gehören auch

a) Leibrenten insoweit, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind. Als Ertrag des Rentenrechts gilt für die gesamte Dauer des Rentenbezugs der Unterschied zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt; dabei ist der Kapitalwert nach dieser Laufzeit zu berechnen. Der Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil) ist aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Bei Beginn der Rente vollendetes Lebensjahr des Rentenberechtigten

Ertragsanteil in v.H.

Bei Beginn der Rente vollendetes Lebensjahr des Rentenberechtigten

Ertragsanteil in v.H.

Bei Beginn der Rente vollendetes Lebensjahr des Rentenberechtigten

Ertragsanteil in v.H.

0 bis 3

73

44

49

68

23

4 bis 5

72

45

48

69

22

6 bis 8

71

46

47

70

21

9 bis 11

70

47

46

71

20

12 bis 13

69

48

45

72

19

14 bis 15

68

49

44

73

18

16 bis 17

67

50

43

74

17

18 bis 19

66

51

42

75

16

20 bis 21

65

52

41

76

15

22 bis 23

64

53

40

77

14

24 bis 25

63

54

39

78

13

26 bis 27

62

55

38

79

12

28

61

56

37

80 bis 81

11

29 bis 30

60

57

36

82

10

31

59

58

35

83

9

32 bis 33

58

59

34

84 bis 85

8

34

57

60

32

86 bis 87

7

35

56

61

31

88

6

36 bis 37

55

62

30

89 bis 91

5

38

54

63

29

92 bis 93

4

39

53

64

28

94 bis 96

3

40

52

65

27

ab 97

2

41 bis 42

51

66

26

43

50

67

25

(…)

§ 24a

Altersentlastungsbetrag

Altersentlastungsbetrag ist ein Betrag von 40 vom Hundert des Arbeitslohns und der positiven Summe der Einkünfte, die nicht solche aus nichtselbständiger Arbeit sind, höchstens jedoch insgesamt ein Betrag von 3720 Deutsche Mark im Kalenderjahr. Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2, Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a und Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 4 Satz 4 Buchstabe b bleiben bei der Bemessung des Betrags außer Betracht. Der Altersentlastungsbetrag wird einem Steuerpflichtigen gewährt, der vor dem Beginn des Kalenderjahrs, in dem er sein Einkommen bezogen hat, das 64. Lebensjahr vollendet hatte. Im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer sind die Sätze 1 bis 3 für jeden Ehegatten gesondert anzuwenden.

Diese Vorschriften gelten bis heute sachlich unverändert fort (vgl. EStG 1997 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997, BGBl I S. 821, zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001, BGBl I S. 2376).

2. Die aktuelle Rechtslage beruht in ihren wesentlichen Konturen auf dem Einkommensteuergesetz 1955 (Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954, BGBl I S. 373). In der Zeit davor wurden zwar auch die jeweiligen Altersbezüge unterschiedlichen Einkünften zugerechnet, im praktischen Ergebnis jedoch grundsätzlich gleichbehandelt. So hatten bis 1954 die Regelungen des Einkommensteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005) unverändert Gültigkeit, nach denen Versorgungsbezüge der Beamten als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1934) und Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Buchstabe b EStG 1934 als sonstige Einkünfte jeweils in voller Höhe der Einkommensteuer unterlagen. Mit Blick auf die volle Besteuerung auch entgeltlich erworbener Renten (insbesondere privater Veräußerungsrenten) regte der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 18. September 1952 – IV 70/49 U – (BStBl III S. 290 ≪292≫) an, die Rentenbesteuerung durch den Gesetzgeber neu zu regeln. Durch Art. 1 Nr. 25 des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I S. 373) wurde dann ab 1955 die auf den Ertragsanteil beschränkte Besteuerung der Leibrenten (§ 22 Nr. 1 Buchstabe a EStG 1955) eingeführt. Dabei bezog die Neuregelung neben den privat entgeltlich erworbenen Leibrenten auch die Sozialversicherungsrenten mit ein, deren Erwerb nach damaliger Ansicht als teilentgeltlich bewertet wurde (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks II/481, S. 87). Die Änderung des § 22 EStG hatte eine unterschiedliche Besteuerung der Bezüge von Altersrenten gegenüber den nach § 19 EStG zu erfassenden Alterseinkünften zur Folge (vgl. ergänzend die Darstellung in BVerfGE 54, 11 ≪15 f.≫).

Wesentliche Gesetzesänderungen waren in der Folgezeit die Einführung eines Versorgungs-Freibetrages zur steuerlichen Entlastung der Bezieher von Pensionen durch das Steueränderungsgesetz 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I S. 377), die Erhöhung dieses Versorgungs-Freibetrages sowie die Einführung eines Altersentlastungsbetrages durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I S. 1769), die Anhebung des Altersentlastungsbetrages durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093), die Anhebung des Versorgungs-Freibetrages durch das Zinsabschlaggesetz vom 9. November 1992 (BGBl I S. 1853) und die Neufassung der Ertragsanteilstabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG durch Art. 19 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944).

3. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG war bereits zweimal Gegenstand von Beschlüssen des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts über Verfassungsbeschwerden.

a) In dem Beschluss vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11 ≪31, 37 f., 39≫) führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass für eine unterschiedliche Besteuerung von Pensionen und Renten sachliche Gründe sprächen. Insbesondere könne der Umstand, dass die Rentenbezieher aus ihrem Verdienst Beiträge für die Altersvorsorge entrichteten, Differenzierungen rechtfertigen. Die Gesamtregelung für den Veranlagungszeitraum 1969/70 und in der Folgezeit genüge noch den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG. Indes habe die steuerliche Begünstigung der Rentner im Verhältnis zu den Ruhestandsbeamten durch veränderte Verhältnisse, insbesondere durch die Dynamisierung der Renten, inzwischen ein Ausmaß erreicht, das eine Korrektur erforderlich mache. Der Gesetzgeber sei deshalb verpflichtet, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, wobei es seine Sache sei, in welcher Weise und mit welchen gesetzgeberischen Mitteln er die inzwischen eingetretenen Verzerrungen nunmehr beseitigen wolle.

b) Mit Beschluss vom 24. Juni 1992 (BVerfGE 86, 369 ≪379 – 381≫) wurde näher begründet, dass dem Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 zur Beseitigung des Gleichheitsverstoßes eine erhebliche Zeitspanne zur Verfügung stehe. Die festgestellte Ungleichheit sei weder als verfassungswidrig noch als nur für eine bestimmte Zeit hinnehmbar bezeichnet worden. Die Bundesregierung habe die notwendige Neuregelung in Angriff genommen; deshalb seien die sich auf die Veranlagungszeiträume 1983 und 1984 beziehenden Verfassungsbeschwerden unbegründet. Im Übrigen sei auch das spätere Zögern des Gesetzgebers „bislang” noch keine Verletzung von Verfassungsrecht, da einerseits das Jahr 1986, in dem u.a. der vom Bundesministerium der Finanzen eingeschaltete Wissenschaftliche Beirat seine Stellungnahme überreicht habe, am Ende einer Legislaturperiode gelegen habe, die Lösung der Probleme aber eine mehrjährige parlamentarische Arbeit beanspruche und andererseits noch während der folgenden Legislaturperiode auf Gesetzgeber und Regierung die mit der deutschen Wiedervereinigung zusammenhängenden Probleme zugekommen seien.

4. In der Zeit vor und nach diesen Entscheidungen war die Art der Besteuerung der Altersbezüge nachhaltig Gegenstand von Reformdebatten, bei denen eine Fülle unterschiedlicher Lösungsmodelle entwickelt und diskutiert wurde (vgl. bereits die Hinweise in BVerfGE 54, 11 ≪16 ff.≫). Als Beiräte, Kommissionen sowie ähnliche Institutionen, die zu der Reformdiskussion – zumeist mit konkreten Regelungsvorschlägen und Reformentwürfen – beigetragen haben, sind zu nennen:

  • die vom Bundesminister der Finanzen 1958 gebildete Einkommensteuerkommission (Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht – Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, 1964),
  • der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (Gutachten zur Reform der direkten Steuern ≪Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Erbschaftsteuer≫ in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. Februar 1967, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 9, 1967),
  • die Steuerreformkommission (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971),
  • der Finanzwissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen (Gutachten zur Neugestaltung und Finanzierung von Alterssicherung und Familienlastenausgleich, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen, Heft 18, 1971),
  • der Sozialbeirat (Gutachten des Sozialbeirats zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen von 1976 bis 1990 sowie Empfehlung des Sozialbeirats zur Anpassung der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, 1977, BTDrucks 8/132, und Gutachten des Sozialbeirats über langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, BTDrucks 9/632, zugleich in: Sozialbeirat, Langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, 1984),
  • die Sachverständigenkommission zur Ermittlung des Einflusses staatlicher Transfereinkommen auf das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (Transfer-Enquete-Kommission: Das Transfersystem in der Bundesrepublik Deutschland, Bericht der Kommission, Juni 1981),
  • die von der Bundesregierung im Juni 1981 einberufene Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme (Gutachten der Sachverständigenkommission vom 19. November 1983, veröffentlicht durch die Bundesregierung, Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Berichtsband 1 – Vergleich der Alterssicherungssysteme und Empfehlungen der Kommission, Berichtsband 2 – Darstellung der Alterssicherungssysteme und der Besteuerung von Alterseinkommen, 1983),
  • erneut der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (Gutachten zur einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 38, 1986) und
  • der Sozialbeirat (Gutachten des Sozialbeirats über eine Strukturreform zur längerfristigen finanziellen Konsolidierung und systematischen Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der gesamten Alterssicherung, 1986, BTDrucks 10/5332),
  • das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (Der Beitrag des Steuersystems zur Reform der Alterssicherung, Gutachten im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, Ifo-Studien zur Finanzpolitik, Band 48, 1990),
  • die vom Bundesminister der Finanzen 1993 eingesetzte Einkommensteuer-Kommission („Bareis-Kommission”: Thesen der Einkommensteuer-Kommission zur Steuerfreistellung des Existenzminimums ab 1996 und zur Reform der Einkommensteuer, vorgelegt am 8. November 1994, BB, Beilage 24 zu Heft 34/1994),
  • das Institut „Finanzen und Steuern” e.V. (Ökonomische Probleme der Besteuerung von Alterseinkünften, IFSt-Schrift Nr. 340, 1995),
  • die Arbeitsgruppe für Steuerreform der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft (Beschlüsse zur Reform des Steuerrechts, StuW 1996, S. 203 ff.),
  • die Steuerreform-Kommission (Reform der Einkommensbesteuerung, Vorschläge der Steuerreform-Kommission vom 22. Januar 1997 – „Petersberger Steuervorschläge”, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 61, 1997, zugleich in: NJW, Beilage zu Heft 13/1997, S. 5 ff.) und
  • die Regierungskommission „Fortentwicklung der Rentenversicherung” (NJW, Beilage zu Heft 13/1997, S. 13 ff.).

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinen Jahresgutachten 1993/94, 1999/2000 und 2000/2001 ebenfalls zu der Reformdiskussion beigetragen (Zeit zum Handeln – Antriebskräfte stärken, Jahresgutachten 1993/94, Ziff. 312; Wirtschaftspolitik unter Reformdruck, Jahresgutachten 1999/2000, Ziff. 379; Chancen auf einen höheren Wachstumspfad, Jahresgutachten 2000/2001, Ziff. 364 ff.).

Die Modelle für eine Reform der Besteuerung von Alterseinkommen entsprechen im Wesentlichen den Reformalternativen, die in dem Gutachten der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme vom 19. November 1983 zusammengestellt sind (Berichtsband 2 – Darstellung der Alterssicherungssysteme und der Besteuerung von Alterseinkommen, S. 469 ff.). Vor allem die vom Bundesministerium der Finanzen beauftragten oder dort gebildeten Kommissionen und Beiräte haben im Ergebnis einer nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen den Vorzug gegeben. Danach bleiben die Beiträge zur Altersvorsorge grundsätzlich steuerfrei und die Altersbezüge unterliegen dann vollständig der Einkommensteuer (so zuletzt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in seinem Gutachten von 1986, die Einkommensteuer-Kommission in ihren Thesen von 1994 und die Steuerreform-Kommission in ihren Vorschlägen von 1997). Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich in seinen Jahresgutachten kontinuierlich und nachdrücklich für eine nachgelagerte Besteuerung ausgesprochen. Die Vielfalt der Reformvorschläge und die zum Teil sichtbaren Probleme einer Konsensbildung innerhalb der jeweiligen Kommissionen deuten jedoch auch auf die Schwierigkeiten hin, politisch konsensfähige Lösungen zu präsentieren und durchzusetzen. In besonderem Maße veranschaulichen dies die Empfehlungen der Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme zur Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkommen in ihrem Gutachten vom 19. November 1983 (Berichtsband 1, S. 161 ff.); die Gesamtwürdigung der von der Kommission erörterten Modelle zeigt ganz unterschiedliche Präferenzen der Kommissionsmitglieder auf (a.a.O., S. 176).

5. Die unterschiedliche steuerliche Belastung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten ist nach Art und Ausmaß beträchtlich. Dies erweist sich in der Zusammenschau der folgenden drei Aspekte: der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Belastung beider Vergleichsgruppen in der Nacherwerbsphase (a), der Realitätsferne des bei der Ertragsanteilsbesteuerung gesetzlich unterstellten Anteils eines Kapitalrückflusses (b) sowie schließlich der unterschiedlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase (c).

a) Die unterschiedlichen einkommensteuerlichen Belastungen in der Nacherwerbsphase von Mitgliedern der Sozialversicherung und von Steuerpflichtigen, die der beamtenrechtlichen Versorgung unterliegen, verdeutlichen die nachfolgenden, jeweils auf den Veranlagungszeitraum 1996 bezogenen vier Tabellen.

– In Tabelle 1 (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrucks 13/5685, S. 3) ist dargestellt, welche Jahresbruttorente allein stehende oder verheiratete Sozialrentner (die bei Beginn der Rente ihr 65. Lebensjahr vollendet haben) und welche Jahresbruttopension allein stehende oder verheiratete Pensionäre 1996 ohne Hinzutreten weiterer Einkünfte noch einkommensteuerfrei beziehen konnten. Waren danach 1996 Rentenbezüge noch in Höhe von 63.048 DM für Alleinstehende und 110.674 DM für Verheiratete steuerfrei, so blieben Pensionen lediglich in Höhe von 22.417 DM für Alleinstehende sowie 36.835 DM für Verheiratete steuerfrei.

Tabelle 1 (Beträge in DM und für 1996)

Sozialrentner

Pensionäre

Alleinstehende

Verheiratete

Alleinstehende

Verheiratete

Jahresbruttorente bzw. Jahresbruttopension

63.048

110.674

22.417

36.835

Ertragsanteil gemäß § 22 EStG (27 v.H. der Jahresbruttorente)

17.022

29.881

Versorgungs-Freibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG)

6.000

6.000

Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG)

2.000

2.000

Werbungskostenpauschale (§ 9a Satz 1 Nr. 2 EStG)

200

200

Sonderausgaben-Pauschbetrag (§ 10c Abs. 1 EStG)

108

216

108

216

Vorsorgepauschale (§ 10c Abs. 2 bis 4 EStG)(soweit kein höherer Betrag nachgewiesen)

2.214

4.428

Gesetzliche Beiträge zur

– Krankenversicherung (6,65 v.H. der Jahresbruttorente, höchstens von 72.000 DM = Beitragsbemessungsgrenze)

– Pflegeversicherung (0,675 v.H. der Jahresbruttorente, höchstens von 72.000 DM)

(Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG)

4.193

426

4.788

486

keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht

keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht

Zu versteuerndes Einkommen = steuerfreier Grundfreibetrag

12.095

24.191

12.095

24.191

Einkommensteuer

0

0

0

0

– Wären hingegen einem allein stehenden oder verheirateten Pensionär im Veranlagungszeitraum 1996 Altersbezüge in einer Höhe zugeflossen, wie sie nach Tabelle 1 ein allein stehender oder verheirateter Sozialrentner in diesem Jahr noch steuerfrei beziehen konnte, so wäre – wie sich in Tabelle 2 zeigt – der Pensionär mit Einkommensteuer in Höhe von 11.963 DM oder 21.496 DM belastet worden.

Tabelle 2 (Beträge in DM und für 1996)

Sozialrentner

Pensionäre

Alleinstehende

Verheiratete

Alleinstehende

Verheiratete

Jahresbruttorente bzw. Jahresbruttopension

63.048

110.674

63.048

110.674

Ertragsanteil gemäß § 22 EStG (27 v.H. der Jahresbruttorente)

17.022

29.881

Versorgungs-Freibetrag

6.000

6.000

Arbeitnehmer-Pauschbetrag

2.000

2.000

Werbungskostenpauschale

200

200

Sonderausgaben-Pauschbetrag

108

216

108

216

Vorsorgepauschale

2.214

4.428

Gesetzliche Beiträge zur

– Krankenversicherung (6,65 v.H. der Jahresbruttorente, höchstens von 72.000 DM)

– Pflegeversicherung (0,675 v.H. der Jahresbruttorente, höchstens von 72.000 DM)

4.193

426

4.788

486

Zu versteuerndes Einkommen

12.095

24.191

52.726

98.030

Einkommensteuer

0

0

11.963

21.496

– Die Tabellen 3 und 4 zeigen für den Veranlagungszeitraum 1996 die steuerlichen Auswirkungen, die sich ergeben, wenn zu den Altersbezügen noch weitere steuerpflichtige Einkünfte (z.B. aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen) hinzutreten. Der Ansatz weiterer Einkünfte stellt hierbei keine hypothetische Annahme dar. Eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe für das Jahr 1993 ergab, dass die Einnahmen der Rentnerhaushalte aus Vermögen 17 oder 20 v.H. (für einen Ein- oder Zweipersonenhaushalt) des Haushaltseinkommens ausmachten (Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik Band 2, 1997, S. 120 ≪122≫).

– Tabelle 3 bezieht sich auf die Altersbezüge, die bei einem Sozialrentner ohne Hinzutreten weiterer Einkünfte 1996 höchstens noch steuerfrei waren; insoweit geht sie von einem überdurchschnittlichen Versorgungsniveau aus. Infolge des progressiv gestalteten Einkommensteuertarifes werden auch die zusätzlichen Einkünfte bei einem Pensionär höher belastet als bei einem Sozialrentner.

Tabelle 3 (Beträge in DM und für 1996)

Sozialrentner

Pensionäre

Alleinstehende

Verheiratete

Alleinstehende

Verheiratete

Jahresbruttorente bzw. Jahresbruttopension lt. Tabelle 2

63.048

110.674

63.048

110.674

zu versteuerndes Einkommen lt. Tabelle 2

12.095

24.191

52.726

98.030

Weitere Einkünfte (z.B. aus Vermietung und Verpachtung und/oder Kapitalvermögen)

10.000

20.000

10.000

20.000

zu versteuerndes Einkommen neu

22.095

44.191

62.726

118.030

Einkommensteuer neu

2.688

5.376

15.372

28.134

Einkommensteuerdifferenz zu Tabelle 2

2.688

5.376

3.409

6.638

Zusätzlicher Belastungsunterschied aufgrund gleichhoher Zusatzeinkünfte

721

1.262

– Tabelle 4 bezieht sich auf Altersbezüge, die 1996 bei einem Pensionär höchstens noch steuerfrei waren. Dieser Betrag von 22.417 DM liegt noch unter der Rente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Versicherungsjahren (so genannte Standardrente) für das Kalenderjahr 1996 in Höhe von 25.083 DM (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger ≪Hrsg.≫, Rentenversicherung in Zeitreihen, Ausgabe 1999, S. 208). Die unterschiedliche Belastung auch der Zusatzeinkünfte wird in diesem Beispiel durch den Grundfreibetrag verursacht, der vom Sozialversicherungsrentner erst durch die Zusatzeinkünfte ausgeschöpft wird.

Tabelle 4 (Beträge in DM und für 1996)

Sozialrentner

Pensionäre

Alleinstehende

Verheiratete

Alleinstehende

Verheiratete

Jahresbruttorente bzw. Jahresbruttopension

22.417

36.835

22.417

36.835

Ertragsanteil gemäß § 22 EstG (27 v.H. der Jahresbruttorente)

6.052

9.945

Versorgungs-Freibetrag

6.000

6.000

Arbeitnehmer-Pauschbetrag

2.000

2.000

Werbungskostenpauschale

200

200

-

-

Sonderausgaben-Pauschbetrag

108

216

108

216

Vorsorgepauschale

2.214

4.428

Gesetzliche Beiträge zur

– Krankenversicherung (6,65 v.H. der Jahresbruttorente, höchstens von 72.000 DM)

– Pflegeversicherung (0,675 v.H. der Jahresbruttorente, höchstens von 72.000 DM)

1.491

152

2.450

249

Zu versteuerndes Einkommen = steuerfreier Grundfreibetrag

4.101

6.830

12.095

24.191

Einkommensteuer

0

0

0

0

Weitere Einkünfte (z.B. aus Vermietung und Verpachtung/Kapitalvermögen)

10.000

20.000

10.000

20.000

Zu versteuerndes Einkommen neu

14.101

26.830

22.095

44.191

Einkommensteuer neu

535

702

2.688

5.376

Einkommensteuerlicher Belastungsunterschied

2.153

4.674

Für die späteren Veranlagungszeiträume haben sich diese Unterschiede aufgrund der Anhebung des Grundfreibetrages, zuletzt auf 14.093 DM (28.186 DM für Verheiratete) für den Veranlagungszeitraum 2001, noch weiter vertieft.

b) Die unterschiedliche steuerliche Belastung in der Nacherwerbsphase folgt der Logik der Ertragsanteilsbesteuerung der Sozialversicherungsrenten. Nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG wird für den „typischen” Renteneintritt eines 65-Jährigen angenommen, dass bei diesem 73 v.H. der laufenden Rente die Rückzahlung geleisteter Beiträge ausmachten. Dieser Kapitalrückfluss wird unterstellt, obwohl die Rentenzahlungen nicht allein auf eigene Beiträge, sondern nicht unerheblich auf den Arbeitgeberanteil und auf den Bundeszuschuss zurückzuführen sind. Allein der Bundeszuschuss machte im Jahr 1996 in den alten Ländern 20,2 v.H. und in den neuen Ländern 24,6 v.H. der Gesamteinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung aus, im Jahr 1998 (bezogen auf die alten und neuen Länder) 24,1 v.H. und im Jahr 1999 23,5 v.H. (Rentenversicherungsbericht 1997 und Gutachten des Sozialbeirats zu den mittel- und langfristigen Vorausberechnungen des Rentenversicherungsberichtes 1997, BTDrucks 13/8300, S. 47 f., 51 f.; Rentenversicherungsbericht 1999 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 1999, BTDrucks 14/2116, S. 19, 87; Rentenversicherungsbericht 2000 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2000, BTDrucks 14/4730, S. 16).

Jedenfalls deckt sich der gesetzlich festgesetzte Ertragsanteil nicht annähernd mit den Ergebnissen verschiedener Modellrechnungen (aa), er unterscheidet sich auch noch deutlich von möglichen Ergebnissen auf der Basis der vom Ersten Senat herangezogenen Ausgangswerte (bb), und er basiert schließlich auf einer nicht mehr aktuellen Sterbetafel (cc).

aa) Eine Aufteilung der Rentenzahlbeträge in einen Kapitalrückzahlungs- und in einen (fiktiven) Zinsanteil gestaltet sich schwierig, weil in dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung ein Beitragszahler nicht die eigene Rente finanziert, sondern nur einen Beitrag zur Finanzierung der laufenden Renten leistet. Somit wird aus den Beiträgen der Versicherten auch kein nennenswertes Vermögen, d.h. kein verzinslicher Kapitalstock angesammelt. Der Beitragszahler erwirbt durch seine Beiträge lediglich Anwartschaften auf zukünftige Rentenansprüche. Der Umfang dieser Anwartschaften wird nicht durch einen absoluten Wert bestimmt, sondern durch einen relativen Bemessungsfaktor, die so genannten Entgeltpunkte. Diese Entgeltpunkte werden als abstrakte Zahl aus dem Verhältnis des versicherungspflichtigen Arbeitseinkommens zum jeweiligen durchschnittlichen Arbeitseinkommen berechnet und bestimmen die relative Höhe der anteiligen Mitberechtigung des Mitglieds der Versichertengemeinschaft innerhalb dieser Gemeinschaft. Der Wert eines Entgeltpunktes wird von der jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklung, nämlich der Entwicklung der Nettolöhne, bestimmt. Deshalb erwirbt der Rentner innerhalb des Systems des Umlageverfahrens keinen Anspruch auf eine bestimmte Rentenhöhe oder auf ein bestimmtes Rentenniveau, sondern grundsätzlich nur einen Anspruch auf eine relative Beteiligung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Erwerbsgeneration (dazu etwa Rürup/Liedtke, Umlageverfahren versus Kapitaldeckung, in: Cramer/Förster/Ruland ≪Hrsg.≫, Handbuch zur Altersversorgung, 1998, S. 779 ≪782≫).

Anders als beim Kapitaldeckungsverfahren, bei dem die geleisteten Beiträge in einem Kapitalstock akkumuliert, d.h. ertragbringend angelegt werden, entstehen deshalb im Umlageverfahren tatsächlich keine nennenswerten Zinserträge der geleisteten Beiträge. Gleichwohl kann auch hier sinnvoll von einem im Rentenbezug enthaltenen Zinsanteil insoweit gesprochen werden, als der Rentner – wie bisher typischerweise – mehr an Rentenleistungen erhält, als er selbst an Beiträgen entrichtet hat. Für die bisherigen Rentenjahrgänge ist diese Aussage durch verschiedene Berechnungen konkretisiert worden.

– In dem gegebenen lohnbezogenen Umlagesystem, bei dem das jährliche Beitragsvolumen das Produkt aus der Zahl der Beitragspflichtigen, dem durchschnittlichen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt und dem darauf angewandten Beitragssatz ist, sowie bei der ebenfalls gegebenen Orientierung der jährlichen Rentensteigerung an der Entwicklung der Arbeitsentgelte entspricht die als Ertragsanteil anzusetzende Rendite der Wachstumsrate der Lohnsumme. Ein Vergleich mit einer kapitalmarktanalogen Renditeberechnung hat gezeigt, dass für Beitragszahler, die als langjährig Versicherte in Rente gegangen sind, die Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung (Rendite) für die Altersrenten bislang über dem durchschnittlichen langfristigen Kapitalmarktzins von 5,5 v.H. lag (Rürup, Solidarität im Rentensystem, in: Iben/Kemper/Maschke ≪Hrsg.≫, Ende der Solidarität? Gemeinsinn und Zivilgesellschaft, 1999, S. 43 ≪50≫; P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge, DStJG 24 ≪2001≫, S. 463 ≪492≫; Eitenmüller, Die Rentabilität der gesetzlichen Rentenversicherung – Kapitalmarktanaloge Renditeberechnungen für die nahe und die ferne Zukunft – DRV 1996, S. 784 ≪791 ff.≫; Ohsmann/Stolz, Beitragszahlungen haben sich gelohnt – Betrachtungen zur Rendite der Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung, DAngVers 1997, S. 119 ≪122 f.≫). Dieser Berechnung entsprechend hat sich eine 1957 festgesetzte Altersrente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Versicherungsjahren von 2.891 DM auf 25.083 DM im Jahr 1996 erhöht. Im Zeitraum von 1960 bis 1970 ist die so genannte Standardrente von 3.248 DM auf 6.602 DM gestiegen, im Zeitraum von 1971 bis 1980 von 6.965 DM auf 14.790 DM. Im weiteren Verlauf von 1981 bis 1990 ist sie von 15.382 DM auf 21.050 DM angestiegen (Verband Deutscher Rentenversicherungsträger ≪Hrsg.≫, Rentenversicherung in Zeitreihen, Ausgabe 1999, S. 208).

– Bereits aus einem Gutachten der „Treuarbeit” aus dem Jahr 1976 (Vergleich des beamtenrechtlichen Versorgungssystems mit den Versorgungssystemen für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft, BTDrucks 7/5569, S. 64 ff.) ging hervor, dass der durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag „vorfinanzierte” Teil der Sozialversicherungsrenten bei einem Rentenneuzugang im Jahre 1975 und einer damals jährlichen Steigerungsrate von durchschnittlich 7,5 v.H. nach dem versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzip weniger als 20 v.H. ihres Teilbetrages ausmachte.

– Eine Studie aus dem Jahr 1981 (Clausing/Reimann, Zur Relation zwischen Beitrag und Rente, DAngVers 1984, S. 205) gelangt auf Grund der Daten der Sondererhebung aus dem Rentenzugang des Jahres 1981 unter Ansatz einer Verzinsung der in der Erwerbsphase entrichteten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu einer durchschnittlichen Eigenfinanzierungsquote – also zu einem Verhältnis der fiktiv angesammelten und verzinsten Beitragsleistungen zur erhaltenen Rentenzahlung – von rund 65 v.H. Wenn man dieses Ergebnis in Höhe des Verzinsungspotentials der fiktiv angesammelten Beitragsleistungen korrigiert, also von einem zinsbereinigten Kapitalstock ausgeht, kann auch für den Rentenzugang des Jahres 1981 ein durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge „vorfinanzierter” Kapitalrückfluss von über 50 v.H. der Rentenzahlbeträge ausgeschlossen werden.

– Dieses Ergebnis wird von Eitenmüller (a.a.O., S. 784 ≪786 ff.≫) für die Rentenzugänge 1999/2000 und von Ohsmann/Stolz (a.a.O., S. 119 ff.) für den Rentenzugang 1997 bestätigt. Deren Modellrechnungen zeigen, dass bislang für langjährig Versicherte die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Altersrenten in fast allen betrachteten Fällen über dem durchschnittlichen langfristigen Kapitalmarktzins in Höhe von 5,5 v.H. lagen (Ohsmann/Stolz, a.a.O., S. 123). Das dort zugrunde gelegte Zahlenmaterial kann auch im Rahmen einer annäherungsweisen Ermittlung des Kapitalrückzahlungsanteils herangezogen werden. Danach beliefen sich die Beitragsleistungen einschließlich des Arbeitgeberanteils nach 45 Versicherungsjahren mit Durchschnittsverdienst für den Versicherungszeitraum von 1952 bis 1996 auf insgesamt 180.068 DM. Diesen stand mit Rentenzugang für einen Mann mit Erreichen des 65. Lebensjahres am 1. Januar 1997 eine (auf den Rentenbeginn mit 5,5 v.H. abgezinste) zu erwartende Rentenleistung von 321.628 DM bis zu 391.804 DM gegenüber, was in diesen Modellfällen einem Kapitalrückzahlungsanteil von 55 v.H. oder 45 v.H. entspricht. Bezogen auf die Arbeitnehmerbeiträge bedeutet dies einen Kapitalrückzahlungsanteil von lediglich 27,5 v.H. oder 22,5 v.H. Hiernach wäre ein nur auf die Arbeitnehmerbeiträge abgestimmter Ertragsanteil bei realitätsnaher Ausgestaltung mit mindestens 70 v.H. des Rentenzahlungsbetrages anzusetzen.

bb) Während in diesen Modellrechnungen die nominellen Werte der geleisteten Beiträge in ihrer Relation zu den nominellen Werten der Rentenbezüge zugrunde gelegt werden, was an sich der ökonomischen Logik einer Ertragsanteilsbesteuerung entspricht, lehnte der Erste Senat solche Ausgangswerte für die Berechnung realistischer Kapitalrückzahlungsanteile ab (BVerfGE 54, 11 ≪27 ff.≫). Der nominelle Wert der geleisteten Beiträge zum Zeitpunkt des Renteneintritts sei kein geeigneter Ausgangspunkt, weil der dem Rentenversicherten zugeordnete Vermögenswert nicht erst zum Zeitpunkt des Renteneintritts, sondern schon während des gesamten Laufs der Erwerbszeit allmählich erworben werde, der Geldwert in der Zwischenzeit nicht unverändert geblieben sei und weil die Höhe der Rente sich keineswegs allein nach den Beiträgen richte, diese vielmehr nur die Rangstelle des Versicherten innerhalb der Versichertengemeinschaft festlegten (a.a.O., S. 27 f.).

Der Erste Senat will deshalb den Kapitalrückzahlungsanteil bemessen „nach dem Nutzen der Arbeitnehmerbeiträge für die Rentenversicherungsträger” (a.a.O., S. 30); dies sei der jeweilige Anteil, zu dem die Arbeitnehmerbeiträge zur Finanzierung der Renten beigetragen hätten. Der Unterschied zum nominellen Beitrag sei als – der Wertsteigerung privater Grundstücke vergleichbare – nichtsteuerbare Wertsteigerung des Privatvermögens anzusehen. In diesem Zusammenhang nennt der Erste Senat (a.a.O., S. 29 f.) für die Jahre 1938 und 1951 bis 1976 als durchschnittliche Quote der Finanzierung durch Arbeitnehmerbeiträge in der Rentenversicherung der Angestellten 41 v.H. und in der Arbeiterrentenversicherung etwa 36 v.H. (für 1910 bis 1977 35 v.H.).

Auch dies änderte jedoch nichts an dem wesentlichen Ergebnis, dass der für die so genannte Standardrente gesetzlich unterstellte Kapitalrückfluss von 73 v.H. – jedenfalls bezogen auf die Arbeitnehmerbeiträge – realitätsfern ist.

cc) An einer realitätsnahen Bemessung des Ertragsanteils fehlt es auch deshalb, weil der Steuergesetzgeber bislang keine zeitnahe Anpassung an die aktuelle Allgemeine Deutsche Sterbetafel vorgenommen hat. Eine längere Lebenserwartung hat zur Folge, dass sich der Kapitalwert der Renten auf einen längeren Zeitraum verteilt und deshalb der in den Rentenbezügen enthaltene, nicht der Steuer unterliegende, Kapitalanteil abnimmt, während der steuerrelevante Ertragsanteil entsprechend ansteigt. Die noch für den Veranlagungszeitraum 2001 geltende Ertragsanteilstabelle beruht auf der Sterbetafel 1986/88 (der Auszug aus der „Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88” ist als Anhang bei Moench, Der Preis längeren Lebens – Eine neue „Sterbetafel” für Vermögensteuer und Erbschaftsteuer, DStR 1993, S. 898 ≪901 f.≫, abgedruckt), mit der durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (BGBl I 1993 S. 944) der Ertragsanteil auf Grund des Anstiegs der mittleren Lebenserwartung mit Wirkung ab dem 1. Januar 1994 neu berechnet wurde (vgl. BTDrucks 12/4401, S. 99 f.). Trotz der unverändert höheren Lebenserwartung von Frauen wurde lediglich aus „Vereinfachungsgründen” von der Erstellung einer besonderen Tabelle abgesehen (BTDrucks 12/4401, S. 99). Die zwischenzeitlich weiter gestiegene Lebenserwartung (vgl. Pressemitteilungen des Statistischen Bundesamtes vom 26. Januar 2000 und vom 13. Dezember 2000 betreffend die Sterbetafeln 1996/98 und 1997/99) hat bislang keinen Eingang in eine neue Ertragsanteilstabelle gefunden.

c) Die unterschiedliche steuerliche Behandlung in der Erwerbsphase ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass einerseits die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung weitgehend, jedoch nicht vollständig steuerbefreit sind oder steuermindernd geltend gemacht werden können, dass aber andererseits die nicht für die Altersvorsorge beitragsbelasteten Beamten in weitergehendem Umfang als die Rentenversicherten sonstige Vorsorgeaufwendungen steuermindernd geltend machen können.

aa) Gemäß § 3 Nr. 62 EStG sind die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung von der Einkommensteuer ganz freigestellt. Die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur wertet diese gesetzliche Befreiung allerdings als eine nur deklaratorische Regelung, da der Arbeitgeberbeitrag dem Arbeitnehmer nicht als geldwerter Vorteil „zufließe” (Schmidt/Heinicke, EStG, 20. Aufl., 2001, § 3 „Zukunftssicherungsleistungen”; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz-Kommentar, 41. Erg.Lfg., § 3 Rn. A 256; BFH-Urteil vom 2. August 1968, BStBl II 1968 S. 800 ≪801≫; a.A. Birk, Altersvorsorge und Alterseinkünfte im Einkommensteuerrecht, 1987, S. 41 f.; vgl. aber auch – in erstattungsrechtlichem Zusammenhang – weitergehend gegen jede individuelle Zurechenbarkeit der Vorteile des Arbeitgeberbeitrags BSGE 86, 262 ≪285 ff.≫ m. zahlr. Nachw.).

Die eigenen Beiträge des Arbeitnehmers werden dagegen als Teil des steuerbaren Arbeitslohns angesehen, also als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Ebenso wie Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken-, Unfall-, Haftpflicht- und Pflegeversicherung sowie Prämienzahlungen an besondere Lebensversicherungen gehören die rentenversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbeiträge zu der Gruppe der so genannten Vorsorgeaufwendungen, die im Wege des Sonderausgabenabzugs einkünftemindernd berücksichtigt werden können. Dazu regelt § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG die Möglichkeit des Abzugs tatsächlich geleisteter, im Einzelnen nachgewiesener Aufwendungen, während § 10c Abs. 2, 4 EStG alternativ die Inanspruchnahme einer Vorsorgepauschale ermöglicht. Für die Jahre 1996 bis einschließlich 2001 betrug diese Pauschale unverändert grundsätzlich 20 v.H. des Arbeitslohns und sollte damit ungefähr die Summe der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer abdecken.

In jedem Fall ist der Sonderausgabenabzug jedoch durch einen einkommensabhängig zu bestimmenden Höchstbetrag beschränkt, der sich gemäß §§ 10 Abs. 3, 10c Abs. 2 EStG aus drei verschiedenen Teilbeträgen zusammensetzt: aus Vorwegabzug, Grundhöchstbetrag und hälftigem Höchstbetrag. Der Vorwegabzug beträgt seit dem Veranlagungszeitraum 1993 6.000 DM (bei Verheirateten: 12.000 DM), von dem jedoch – bei den durch § 3 Nr. 62 EStG „begünstigten” sozialversicherten Arbeitnehmern wie auch bei den Beziehern beamtenrechtlicher Bezüge – 16 v.H. des Arbeitslohns abzuziehen sind. Der Grundhöchstbetrag ist ebenfalls seit 1993 auf 2.610 DM (bei Verheirateten: 5.220 DM) festgesetzt und einschließlich des Veranlagungszeitraums 2001 unverändert geblieben. Die hierüber hinausgehenden Vorsorgeaufwendungen können zu 50 v.H., maximal bis zur Hälfte des jeweiligen Grundhöchstbetrags, berücksichtigt werden (hälftiger Höchstbetrag).

Die je nach Einkommenshöhe unterschiedlichen Auswirkungen des gekürzten Sonderausgabenabzugs verdeutlicht die folgende tabellarische Übersicht. Sie zeigt die Abzugsmöglichkeiten für einen nicht verheirateten Steuerpflichtigen in Relation zu den im Jahr 1996 geltenden Rentenversicherungsbeiträgen (nur) der Arbeitnehmer in Höhe von 9,6 v.H.

Tabelle 5 – Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen eines Arbeitnehmers (nur Rentenversicherungsbeiträge) nach § 10 Abs. 3 EStG in der Erwerbsphase (Beträge in DM und für 1996)

Berechnung für eine Lohnhöhe, bei der (nur) die Rentenversicherungsbeiträge steuerlich in vollem Umfang abgezogen werden können

Berechnung für eine Lohnhöhe, bei der – schon allein – die Rentenversicherungsbeiträge die steuerlichen Höchstbeträge übersteigen

Berechnung für einen der Beitragsbemessungsgrenze (Rentenversicherung) entsprechenden Jahresarbeitslohn (alte Länder)

Jahresarbeitslohn

33.633

54.375

96.000

Rentenversicherungsbeitrag 9,6 v.H. (Arbeitnehmeranteil)

3.229

5.220

9.216

Steuerliche Berücksichtigung nach § 10 Abs. 3 EStG (bei Verheirateten verdoppeln sich die steuerlich berücksichtigungsfähigen Beträge):

Vorwegabzug abzüglich Kürzung (16 v.H. vom Jahresarbeitslohn)

6.000

./. 5.381

= 619

6.000

./. 6.000

= 0

6.000

./. 6.000

= 0

Grundhöchstbetrag

2.610

2.610

2.610

Hälftiger Höchstbetrag

1.305

1.305

Restbetrag (steuerlich nicht berücksichtigte Beiträge zur Rentenversicherung)

0

1.305

5.301

Prozentualer Anteil der steuermindernd berücksichtigten Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteil)

100

75

42

Die erste Spalte zeigt, dass bei einem Jahresarbeitslohn von 33.633 DM zwar der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung noch vollständig steuermindernd berücksichtigt wurde. Für sonstige Vorsorgeaufwendungen, insbesondere für die sozialversicherungsrechtlichen Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung (1996: ca. 13,5 v.H.), zur Arbeitslosenversicherung (1996: 6,5 v.H.) und zur Pflegeversicherung (1996: 1,35 v.H.) stand jedoch nur noch der hälftige Höchstbetrag in Höhe von 1.305 DM zur Verfügung. Laut Berechnung des Bundesministeriums der Finanzen waren im Jahr 1996 für einen ledigen Arbeitnehmer lediglich bis zu einem Jahresarbeitslohn von 23.766 DM die gesamten gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang steuerlich abziehbar (Bundesministerium der Finanzen ≪Hrsg.≫, Bericht zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen, 1997, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 62, S. 26).

Entsprechend zeigen die zweite und dritte Spalte für zwei verschiedene Lohnstufen, in welchem Maß schon der Rentenversicherungsbeitrag nicht mehr in voller Höhe und weitere Aufwendungen überhaupt nicht mehr steuermindernd wirkten.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase sind diese Zahlen allerdings unter verschiedenen Aspekten zu ergänzen. Erstens ist auch der steuerbefreite Arbeitgeberbeitrag zu berücksichtigen, was zu einer wesentlichen Erhöhung der Gesamtentlastungsquote führt. Zweitens ist es notwendig, dass dem Sonderausgabenabzug nicht nur isoliert oder vorrangig die Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers zugeordnet werden, sondern diese nur anteilig, nämlich als Teil der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, was zu einer geringeren Entlastungsquote des Sonderausgabenabzugs führt. Schließlich ist zusätzlich zu beachten, dass die Entlastungsquote durch den Sonderausgabenabzug auch bei anteiliger Berücksichtigung sonstiger möglicher Vorsorgeaufwendungen sinkt, die nicht zu den Sozialversicherungsbeiträgen gehören, wie etwa Beiträge zur Kraftfahrzeug- oder zur privaten Haftpflichtversicherung. Dies zeigen beispielhaft die folgenden Zahlen:

Für den Beispielsfall aus der Spalte 2 der Tabelle 5 gelangt man in einem ersten Schritt zu folgender Steuerentlastung der Gesamtbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zur Rentenversicherung: Vom Gesamtbetrag der Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 10.440 DM bleibt steuerfrei der Arbeitgeberanteil von 5.220 DM und wird steuermindernd berücksichtigt der Arbeitnehmeranteil bis zur Höhe von 3.915 DM. Damit bleibt ein Betrag von insgesamt 9.135 DM, das sind 87,5 v.H. der Gesamtbeiträge, steuerlich unbelastet.

Der zweite Schritt, die nur anteilige Berücksichtigung des Rentenversicherungsbeitrags im Rahmen der gesamten sozialversicherungsrechtlichen Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, ergibt Folgendes (vgl. hierzu auch die Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen im Bericht zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen, 1997, a.a.O., S. 17 ff., 23 ff.): Vom Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 22.048 DM bleibt steuerfrei der Arbeitgeberanteil in Höhe von 11.024 DM und wird steuermindernd berücksichtigt der Arbeitnehmeranteil in Höhe von 3.915 DM. Damit bleibt ein Betrag von insgesamt 14.939 DM, das sind 67,75 v.H. der Gesamtbeiträge, steuerlich unbelastet. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen (a.a.O., S. 17 Tabelle 5 1.b), das für einen durchschnittlich verdienenden (ledigen) Arbeitnehmer unter Zugrundelegung eines etwas niedrigeren Jahresarbeitslohnes von 51.710 DM für 1996 einen steuerlich unbelasteten Anteil an den Gesamtbeiträgen von 68,7 v.H. ermittelt hat.

Auch dann, wenn man zwar (wie vorangehend) die abzugsfähigen Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers beim Sonderausgabenabzug nach dem Anteil der Rentenversicherung am Gesamtsozialversicherungsbeitrag kürzt, im Ergebnis aber nicht auf die Entlastungsquote bei den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen abstellt, sondern nur auf die Entlastungsquote der Rentenversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, ändert sich das Bild nicht. Man kommt auch hier im Ergebnis zu einer Entlastungsquote von 67,75 v.H.

Entsprechend den vorangegangenen Berechnungen ergibt sich für den Grenzfall eines Jahresarbeitslohns in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (Spalte 3 der Tabelle 5) bei isolierter Berücksichtigung nur der Rentenversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein steuerlich unbelasteter Anteil von 71,2 v.H. und bei Berücksichtigung der Gesamtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung ein unbelasteter Anteil der Rentenversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern von 61,1 v.H. (vgl. auch die entsprechenden Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen, a.a.O., S. 23 Tabelle 7 1.b).

Alle Zahlen beziehen sich auf nicht verheiratete Steuerpflichtige. Auf Grund der Verdoppelung der Höchstabzugsgrenzen ergeben sich für Ehepaare, bei denen nur ein Ehegatte Arbeitslohn bezieht, noch deutlich günstigere Relationen der steuerlich unbelasteten Beitragsanteile. Bei einem Jahresarbeitslohn in Höhe von 96.000 DM, der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung im Jahr 1996, erhöht sich der steuerfreie Anteil an den Rentenversicherungsbeiträgen des Arbeitnehmers und Arbeitgebers auf 92,5 v.H. und, bezogen auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge, auf 72,2 v.H. (vgl. ebenso die Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen, a.a.O., S. 24 Tabelle 7 2.b).

Für das Jahr 2001 zeigt sich ein ähnliches Bild. Danach betrug der steuerbefreite Anteil an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen unter Zugrundelegung eines Bruttojahresverdienstes in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung für die alten Länder von 104.400 DM bei einem ledigen Arbeitnehmer 60,13 v.H. und bei einem verheirateten Arbeitnehmer 70,26 v.H.

bb) Der gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung freigestellte Beamte hat während seiner Erwerbsphase im Hinblick auf seine spätere Altersversorgung grundsätzlich keine eigenen Beiträge zu leisten. Obwohl auch der Beamte bereits während seiner Erwerbstätigkeit einen grundsätzlich unentziehbaren Anspruch auf seine spätere Altersversorgung erwirbt, wird dieser Vorteil mangels Disponibilität, vor allem mangels Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG, nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn angesehen.

Trotz dieser Unterschiede in der Finanzierung der jeweiligen Alterssicherung hat der Beamte grundsätzlich dieselben einkommensteuerrechtlichen Abzugsmöglichkeiten für seine nachgewiesenen Vorsorgeaufwendungen wie der rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Seine Vorsorgeaufwendungen sind ebenfalls nur bis zur Höhe des individuellen Höchstbetrages nach § 10 Abs. 3 EStG abziehbar. Der Höchstbetrag errechnet sich in gleicher Weise wie bei dem rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

Lediglich im Rahmen der Vorsorgepauschale gemäß § 10c Abs. 2 bis 4 EStG wird seit 1983 dem Umstand Rechnung getragen, dass der Beamte auf Grund seiner Versicherungsfreiheit in der Renten- und Arbeitslosenversicherung in aller Regel geringere Vorsorgeaufwendungen zu tragen hat als ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer. Deshalb ist für ihn (für die Jahre ab 1996 bis einschließlich 2001) die Vorsorgepauschale auf höchstens 2.214 DM (für Verheiratete auf 4.428 DM) begrenzt. Weist der Beamte höhere Vorsorgeaufwendungen nach, was er im Regelfall auf Grund seiner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auch kann, verbleibt es bei den Abzugsmöglichkeiten nach § 10 Abs. 1 EStG im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG.

d) Im Gegensatz zu den Beiträgen des Arbeitgebers zur gesetzlichen Rentenversicherung sind die Ausgaben, die der Arbeitgeber zur Zukunftssicherung des Arbeitnehmers an eine Direktversicherung im Sinne des § 4b EStG oder an eine Pensionskasse im Sinne des § 4c EStG (dazu zählen auch die rechtlich unselbständigen Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes) leistet, steuerpflichtiger Arbeitslohn (vgl. auch § 2 Abs. 2 Nr. 3 LStDV). Dieser kann gemäß § 40b EStG bis zu einer Höhe von 3.408 DM (1996) auch pauschal lohnversteuert werden. Die Rentenleistungen aus dieser Zusatzversorgung, die das Finanzgericht Münster in seinen Vorlagebeschluss mit einbezogen hat, unterliegen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG der Besteuerung mit dem Ertragsanteil. Diese Art der Besteuerung hat ungeachtet der Änderungen des Einkommensteuergesetzes (§§ 10a, 22 Nr. 5 EStG) durch das Altersvermögensgesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1310) auch in Zukunft Geltung.

II.

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, 1925 geboren, verheiratet und mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, bezog im Kalenderjahr 1996 als Ruhestandsbeamter Versorgungsbezüge in Höhe von brutto 101.976,00 DM. Außerdem erzielte er Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 9.709,00 DM. Seine 1948 geborene Ehefrau erzielte ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen.

Das beklagte Finanzamt Paderborn setzte im Einkommensteuerbescheid für 1996 die Versorgungsbezüge des Klägers in voller Höhe als Bruttoarbeitslohn an. Nach Abzug eines Versorgungs-Freibetrages von 6.000 DM gemäß § 19 Abs. 2 EStG und eines Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 2.000 DM gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG verblieben als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Bezüge aus früheren Dienstleistungen) 93.976,00 DM. Die Steuerfestsetzung wurde nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) unter anderem hinsichtlich der Besteuerung der Versorgungsbezüge für vorläufig erklärt.

Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid für 1996 mit der Begründung Einspruch ein, der Versorgungs-Freibetrag von 6.000 DM sei verfassungswidrig zu niedrig. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Einkommensteuerbescheid entspreche dem geltenden Recht, die Verwaltung sei an das formell ordnungsgemäß zu Stande gekommene Gesetz gebunden. Die Festsetzung blieb weiterhin im bisherigen Umfang nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig.

Beim Finanzgericht Münster machte der Kläger geltend, die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Alterseinkünften der Pensionäre und der Rentner verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und sei daher verfassungswidrig.

2. Mit Beschluss vom 18. Oktober 1999 hat das Finanzgericht Münster das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Nach Überzeugung des Senats sei diese Regelung in der für das Veranlagungsjahr 1996 geltenden Fassung im Zusammenwirken mit mehreren anderen Einzelregelungen mit dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar und damit verfassungswidrig.

a) Dies sei entscheidungserheblich. Im Falle der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen sei die Klage abzuweisen. Das beklagte Finanzamt habe – worüber unter den Beteiligten im Ausgangsverfahren auch kein Streit bestehe – die Vorschriften richtig angewandt und dementsprechend die Einkommensteuer zutreffend festgesetzt. Es komme auch keine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften in Betracht, die zu einer der Klage stattgebenden Entscheidung führen könnte.

Seien die zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht gestellten Regelungen hingegen verfassungswidrig, so sei der Klage stattzugeben oder das Verfahren bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung auszusetzen.

Der Zulässigkeit der Klage stehe auch der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Besteuerung von Versorgungsbezügen nicht entgegen. Die dem Vorläufigkeitsvermerk zu Grunde liegenden Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht 2 BvL 7/95 sowie 2 BvR 2295/95 beträfen das Veranlagungsjahr 1993. Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens sei dagegen das Veranlagungsjahr 1996. Die Zeitkomponente sei für die Vorlagefrage von entscheidender Bedeutung. Je mehr Zeit dem Gesetzgeber zur Angleichung der einkommensteuerlichen Behandlung von Alterseinkünften zur Verfügung gestanden habe, desto drängender stelle sich für jedes Jahr die Frage, ob die vorhandene Regelung inzwischen in die Verfassungswidrigkeit „hineingewachsen” sei. Die sich auf das Jahr 1993 beziehenden verfassungsgerichtlichen Verfahren könnten daher keine Musterverfahren für 1996 sein.

Zudem habe der Gesetzgeber durch die Erhöhung des Grundfreibetrages im Jahre 1996 die Unterschiede der Besteuerung von Versorgungsbezügen und Renten noch vergrößert. Damit sei für 1996 eine veränderte Rechtslage entstanden, die das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage trotz der Musterverfahren für 1993 begründe.

Zu berücksichtigen sei auch, dass das Bundesverfassungsgericht in Beschlüssen vom 10. November 1998 (BVerfGE 99, 216; 99, 246; 99, 268 und 99, 273) die Verpflichtung festgestellt habe, in diesen vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen und teilweise in den beim Bundesfinanzhof dazu anhängigen Verfahren dem Begehren der Steuerpflichtigen zu entsprechen. Sofern damit entschieden sein sollte, dass nur die Ansprüche jener Steuerpflichtigen zu erfüllen seien, die bis zum Bundesverfassungsgericht oder zum Bundesfinanzhof vorgedrungen seien, stehe dies einer Beurteilung seiner Klage als unzulässig unter Hinweis auf die Vorläufigkeitserklärung nach § 165 Abs. 1 AO entgegen.

b) Der Senat halte die zur Überprüfung gestellten Normen für nicht vereinbar mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, weil Versorgungsbezüge der Ruhestandsbeamten als Bezüge aus früheren Dienstleistungen abzüglich eines Versorgungs-Freibetrages voll besteuert würden, Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung dagegen nur mit dem Ertragsanteil. Jedenfalls sei nach Ansicht des Senats der Versorgungs-Freibetrag von höchstens 6.000 DM im Jahre 1996 wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig zu niedrig.

Der Gesetzgeber habe die ihm 1980 durch das Bundesverfassungsgericht auferlegte Verpflichtung zur Beseitigung der unterschiedlichen Besteuerung der Altersbezüge nicht erfüllt. Die Einführung des auch die Pensionäre entlastenden Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 2.000 DM ab 1990, die Erhöhung des Versorgungs-Freibetrages von 4.800 DM auf höchstens 6.000 DM im Jahr 1993 und die Anpassung der Ertragsanteilssätze bei der Rentenbesteuerung an eine höhere Lebenserwartung seit 1994 stellten nicht die verfassungsrechtlich gebotene Neuregelung dar, denn die Diskrepanz zwischen Versorgungsbezüge- und Rentenbesteuerung sei dadurch nicht beseitigt worden.

Diese Diskrepanz sei vielmehr entscheidend verschärft worden durch die Erhöhung des Grundfreibetrages von 5.616/11.232 DM (Alleinstehende/Verheiratete) im Jahre 1995 auf 12.095/24.190 DM im Jahr 1996 im Jahressteuergesetz 1996 (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Durch den nur anteiligen Ansatz der Renten würden bei deren Besteuerung Freibeträge um ein Mehrfaches des absoluten Abzugsbetrages in der Bemessungsgrundlage wirksam („Multiplikatoreffekt”). Auch den Verfassern des Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1996 sei diese Wirkung der Erhöhung des Grundfreibetrages im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Pensionen als „nicht vertretbar” erschienen (BTDrucks 13/901, S. 137). Es sei daher zunächst vorgesehen gewesen, eine Grundentlastung außerhalb des Steuertarifs zu regeln und dabei nicht nur den Ertragsanteil, sondern auch den grundsätzlich nicht der Besteuerung unterworfenen Kapitalanteil der Rente einzubeziehen (vgl. Art. 1 Nr. 27 des Entwurfs zum Jahressteuergesetz 1996 zu dem darin vorgesehenen § 34h Abs. 3 EStG, BTDrucks 13/901, S. 11 f., 137). Mit der Entscheidung für einen in den Steuertarif integrierten Grundfreibetrag sei dann diese geplante Korrektur im Jahressteuergesetz 1996 entfallen. Der Gesetzgeber hätte jedoch die verfassungsrechtlich gebotene Erhöhung des Grundfreibetrages in jedem Fall auch ohne eine Verschärfung der unterschiedlichen Steuerbelastung realisieren können und auch müssen, etwa durch eine Erhöhung des Versorgungs-Freibetrages gemäß § 19 Abs. 2 EStG.

III.

Zu der Vorlage haben für die Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen, der VI., der X. und der XI. Senat des Bundesfinanzhofs sowie als sachkundige Dritte der Deutsche Beamtenbund und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Stellung genommen. Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren deren Ausführungen, eine vom Bundesministerium der Finanzen ergänzte und aktualisierte Berechnung zur steuerlichen Abziehbarkeit und Steuerfreiheit der Rentenversicherungsbeiträge und zur Höhe des Kapitalrückflusses, ferner die Äußerungen der Sachverständigen Prof. Dr. Peter Bareis und Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup sowie des Klägers des Ausgangsverfahrens.

1. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen muss der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1980 erteilte Auftrag noch erfüllt werden. Derzeit sei die Bundesregierung im Begriff, ein – soweit wie möglich – vollständiges Konzept zur Neuregelung der Besteuerung von im Alter bezogenen Einkünften einschließlich der komplexen und haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Fragen der Abziehbarkeit der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entwickeln. Dabei sei für den Gesetzgeber angesichts der Komplexität und Vielgestaltigkeit der Materie von entscheidender Bedeutung, ob er stark vereinfachende Lösungen vorsehen und sowohl hinsichtlich der endgültigen Regelung als auch bezüglich einer zeitlich gestaffelten Übergangsregelung eine weite verfassungsrechtliche Gestaltungsbefugnis in Anspruch nehmen könne. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge erst nach Ablauf einer längeren Übergangsfrist in Kraft treten. Hierbei sei sicherzustellen, dass der aus versteuertem Einkommen geleistete Beitrag nicht nochmals versteuert werde.

In Ergänzung zum Bericht zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen aus dem Jahre 1997 (Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 62) hat das Bundesministerium der Finanzen aktualisierte Zahlen zu dem aus unversteuertem Einkommen geleisteten Rentenversicherungs-/Sozialversicherungsbeitrag für den Zeitraum 1960 bis 1999 vorgelegt. Hiernach beläuft sich bei einem Durchschnittsgehalt eines Ledigen der aus unversteuertem Einkommen geleistete Anteil der Rentenbeiträge auf durchschnittlich 77 v.H., bei einem Gehalt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze auf durchschnittlich 67 v.H.

2. Die Senate des Bundesfinanzhofs halten im Ergebnis einmütig die unterschiedliche Besteuerung von Renten und Pensionen für das Jahr 1996 für verfassungswidrig, der VI. Senat wegen Fristablaufs, der X. und der XI. Senat wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Der X. Senat plädiert im Rahmen einer umfassenden Erörterung der Grundelemente einer systemgerechten Besteuerung von Altersbezügen für die grundsätzliche Beibehaltung einer Ertragsanteilsbesteuerung der Renten, jedoch nur, soweit die Beiträge aus Einkünften geleistet würden, die der Einkommensteuer unterlegen hätten (vgl. zu den wesentlichen Fragen übereinstimmend P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge, DStJG 24 ≪2001≫, S. 463 ≪488 ff.≫). Die gegenwärtige Ertragsanteilsbesteuerung sei jedenfalls der Höhe nach nicht sachgerecht.

Der XI. Senat betont, der Gesetzgeber müsse die Ungleichheiten beseitigen, die sich für Pensionen bis zu der Höhe ergäben, in der vergleichbare Renten typischerweise auf steuerfreien Einnahmen beruhten und der Rückfluss gleichwohl unversteuert bleibe. Wie diese Ungleichheit zu beseitigen sei, stehe dem Gesetzgeber frei, allerdings entspreche die vom vorlegenden Gericht hilfsweise ins Auge gefasste Anhebung des Versorgungs-Freibetrages funktionell nicht dem derzeitigen System der Rentenbesteuerung und sei deshalb ungeeignet.

3. Der Deutsche Beamtenbund hält die unterschiedliche Besteuerung von Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten für verfassungswidrig. Zwar sei die Anwendung verschiedener Besteuerungsverfahren wegen der Unterschiede in der Ausgestaltung der Versorgung verfassungsrechtlich zulässig, jedoch dürften die beiden Verfahren nicht so angewandt werden, dass für die Rentner im Gegensatz zu den Beamtenpensionären auf Grund der zum größeren Anteil steuerfrei verbleibenden Beiträge eine Besteuerung des vollen Lebenseinkommens nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht gewährleistet sei. So müsse der Ertragsanteil der Rente eines Steuerpflichtigen, der bei Rentenbeginn das 65. Lebensjahr vollendet habe, bei realistischem Niveau etwa 70 v.H. betragen. Gleichwohl lehnt der Deutsche Beamtenbund eine höhere Besteuerung der Renten zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab; vielmehr sieht er – ebenso wie der Kläger des Ausgangsverfahrens – einen sachgerechten Ausgleich für Beamte in einer deutlichen Anhebung des Versorgungs-Freibetrages. Langfristig führe der Weg an einer nachgelagerten Besteuerung der Renten unter Gewährung der vollen steuerlichen Abzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge nicht vorbei.

4. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hält die verfassungsrechtlichen Bedenken der Vorlage für nicht gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung handelt es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und der Beamtenversorgung andererseits um die Prototypen zweier unterschiedlicher Arten von Alterssicherungssystemen, wobei das geltende Einkommensteuerrecht die strukturell und systematisch bedingten Unterschiede lediglich nachvollziehe. Die steuerlichen Be- und Entlastungen der Versicherten und Beamten in der Erwerbs- und Ruhestandsphase höben sich aber auch im Ergebnis gegenseitig auf. Rentenzahlungen stammten aus weitgehend versteuertem Einkommen; bei abhängig Beschäftigten würden nämlich wegen der für die Vorsorgeaufwendungen generell festgesetzten Höchstabzugsgrenzen auch deren Beiträge zu allen privaten Zusatzversicherungen einschließlich der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes weitgehend aus versteuertem Einkommen bezahlt; zudem bleibe auch der Arbeitgeberanteil nicht zur Gänze steuerbefreit, weil dessen Steuerbefreiung durch die Kürzung des Vorwegabzugs teilweise wieder aufgehoben werde. Die Beamtenruhegelder stammten hingegen aus unversteuertem Einkommen; Beamte zahlten keine Beiträge für ihre Altersversorgung und könnten deshalb den Sonderausgabenabzug für andere freiwillige Vorsorgemaßnahmen ausschöpfen. Die Ertragsanteilsbesteuerung führe dazu, dass das aus grundsätzlich versteuertem Einkommen aufgebaute Anwartschaftskapital nicht noch einmal einkommensteuerlich belastet werde. Dabei sei der in der Tabelle zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG festgesetzte Ertragsanteil jedenfalls nicht zu niedrig festgesetzt. Der dem Ertragsanteil zugrunde gelegte Kapitalrückfluss bei den Renten sei folgerichtig und realitätsgerecht angesetzt, weil etwaige Wertsteigerungen nicht am Markt realisiert worden und deshalb auch nach herkömmlicher Einkommensteuersystematik als Vermögenszuwächse in der Privatsphäre nicht steuerbar seien. Im Übrigen stünde einem einkommensteuerlichen Zugriff auf einen so verstandenen Kapitalanteil der Schutz des Art. 14 GG entgegen. Soweit Beiträge teilweise steuerbefreit gewesen seien, bestünde angesichts vielfältiger steuerlicher Vergünstigungen im Einkommensteuerrecht auch kein verfassungsrechtliches Gebot, in der Rentenbezugsphase eine Besteuerung nachzuholen. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1980 liege ein Vergleich der Nettoversorgung von Rentenversicherten und Ruhestandsbeamten zugrunde; die Entwicklung seit 1980 zeige keine weiter gehende Verschlechterung zu Lasten der Pensionäre auf. Vieles spreche deshalb dafür, dass sich der Handlungsauftrag für den Gesetzgeber, eine Neuregelung in Angriff zu nehmen, sachlich erledigt habe, zumal die Erhöhung des Grundfreibetrages durch das Jahressteuergesetz 1996 im Ergebnis wegen der bereits bestehenden faktischen Steuerfreiheit der Renten nur den Pensionären zugute gekommen sei.

5. Die Sachverständigen halten die gegenwärtige Besteuerung der Altersbezüge aus finanzwissenschaftlicher und steuersystematischer Sicht für verfehlt. In der mündlichen Verhandlung haben sie sich nachdrücklich für das nachgelagerte Korrespondenzprinzip bei der Besteuerung der Sozialversicherungsrenten ausgesprochen. Der Sachverständige Bareis hat im Hinblick auf das seit 1969 in der gesetzlichen Rentenversicherung praktizierte Umlageverfahren den Kapitalrückfluss als reine Fiktion bezeichnet. Der Sachverständige Rürup hat ausgeführt, dass bei typisierender Betrachtung mindestens 70 v.H. der Beiträge zur Rentenversicherung aus unversteuertem Einkommen geleistet werden. Ohne eine Übergangsregelung und ohne Systemwechsel könnten bereits jetzt die Sozialversicherungsrenten ohne die Gefahr einer Doppelbesteuerung der ursprünglich geleisteten Beitragszahlungen in Höhe von 65 v.H. teilbesteuert werden. Der Eintritt in die nachgelagerte Besteuerung der Renten könne mit einer deutlichen Anhebung der Steuerfreistellung der Arbeitnehmerbeiträge auf zunächst 65 v.H. beginnen, wobei in der Folgezeit sowohl der Prozentsatz der Besteuerung der Rente als auch der Freistellung der Beiträge um jeweils 1 v.H. pro Jahr bis auf 100 v.H. angehoben werden könne. Der so ermittelte Übergangszeitraum von 35 Jahren bis zu einer Vollbesteuerung der Renten und vollständigen Steuerfreistellung der Beiträge werde den Kriterien Finanzierbarkeit und Vertrauensschutz in besonderem Maße gerecht.

B.

Die Vorlage ist zulässig.

1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Das vorlegende Gericht hat nachvollziehbar und deshalb für das Bundesverfassungsgericht bindend dargelegt, dass es bei Gültigkeit oder Ungültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen kommen müsse. Auch hat es seine Auffassung, dass der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Besteuerung von Versorgungsbezügen der Zulässigkeit der Klage nicht entgegenstehe, vertretbar begründet.

2. Seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm hat das Gericht dargelegt. Seine Auffassung, dass für den im Ausgangsverfahren streitigen Veranlagungszeitraum 1996 von einer gegenüber früheren Veranlagungszeiträumen geänderten verfassungsrechtlichen Beurteilung auszugehen sei, wird mit den steuerlichen Auswirkungen der Erhöhung des Grundfreibetrags für das Veranlagungsjahr 1996 auf die Besteuerung von Versorgungsbezügen und Renten ausreichend deutlich begründet.

C.

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 EStG in der für 1996 maßgeblichen Fassung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit einerseits Versorgungsbezüge bis auf einen Versorgungs-Freibetrag von höchstens insgesamt 6.000 DM zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören und andererseits Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG nur mit Ertragsanteilen besteuert werden, deren Höhe unabhängig davon festgesetzt ist, in welchem Umfang dem Rentenbezug Beitragsleistungen der Versicherten aus versteuertem Einkommen vorangegangen sind.

I.

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfGE 88, 5 ≪12≫; 88, 87 ≪96≫; 101, 54 ≪101≫). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt” (BVerfGE 1, 14 ≪52≫; stRspr, vgl. etwa BVerfGE 89, 132 ≪141≫). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 93, 386 ≪397≫). Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfGE 82, 126 ≪146≫); 88, 87 ≪96≫; 95, 267 ≪316 f.≫). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfGE 75, 108 ≪157≫; stRspr des Zweiten Senats, z.B. BVerfGE 93, 319 ≪348 f.≫; 93, 386 ≪397≫; 101, 275 ≪291≫; 103, 310 ≪318≫; vgl. auch aus der Rechtsprechung des Ersten Senats BVerfGE 88, 5 ≪12 f.≫; 88, 87 ≪96 f.≫; 90, 226 ≪239≫).

II.

Für die verfassungsrechtliche Würdigung der hier einschlägigen Normen des Einkommensteuergesetzes am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG kommt es ausschließlich auf die einkommensteuerliche Belastung an, die diese Normen (gegebenenfalls im Verbund mit anderen Normen des Einkommensteuerrechts) bei verschiedenen Steuerpflichtigen bewirken. Außerhalb der verfassungrechtlich maßgeblichen Vergleichsperspektive liegen dagegen Be- und Entlastungswirkungen, die sich jenseits der einkommensteuerlichen Belastung erst aus dem Zusammenspiel mit den Normen des Besoldungs-, Versorgungs- und Sozialversicherungsrechts ergeben. Für die verfassungsrechtliche Würdigung der unterschiedlichen Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten und von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es allein auf den Vergleich einkommensteuerlicher Be- und Entlastung der jeweiligen Bruttobezüge der Steuerpflichtigen an, nicht aber auf einen Vergleich der Nettoversorgung.

Diese steuerrechtsimmanente Betrachtungsweise liegt auch im Wesentlichen den vorangegangenen Entscheidungen des Ersten Senats zur Rentenbesteuerung zugrunde, wobei die Entscheidung vom 26. März 1980 (BVerfGE 54, 11 ≪34 ff.≫) zwar auch die Höhe der Rentenbezüge berücksichtigt, jedoch nur, soweit die – in den Jahren ab 1955 sehr geringe, später dynamisch steigende – Höhe des Einkommens der Rentenbezieher von Bedeutung für steuerliche Entlastungswirkungen der Ertragsanteilsbesteuerung dem Grunde und der Höhe nach war. Demgegenüber finden sich in der Literatur unterschiedliche, entweder auf den Regelungsbereich Einkommensteuerrecht beschränkte oder auch die Regelungsbereiche Sozialrecht und beamtenrechtliches Besoldungs- und Versorgungsrecht einbeziehende Vergleichsperspektiven, was die Verständigung erschwert (vgl. von Zezschwitz, Sozialrenten und Beamtenpensionen im Vergleich der letzten 20 Jahre, ZBR 1995, S. 157 ff.; Schröder, Die Diskrepanz zwischen Renten- und Pensionsbesteuerung wird immer größer, DStZ 1995, S. 231 ff.; Bertuleit/Binne, Zunehmende Diskrepanz zwischen Renten- und Pensionsbesteuerung? – Nicht nur eine Erwiderung auf G. Schröder, DStZ 1995, S. 231 ff. –, DStZ 1996, S. 537 ff.; dies., Handlungsbedarf wegen verfassungswidriger Ungleichbehandlung von Pensionären gegenüber Rentnern bei der Besteuerung? – Nettorenten und Nettopensionen im Vergleich –, DRV 1996, S. 416 ff.; Höfer/Collerius, Zur Entwicklung der Abgabenlast bei Beamtenpensionen und Renten des öffentlichen Dienstes, DB 1996, S. 904 ff.).

Auf die Nettoausstattung kann es unter sozialstaatlichen wie auch unter beamtenversorgungsrechtlichen Aspekten entscheidend ankommen (BVerfGE 76, 256 ≪327≫). Dagegen verbietet es sich, die Vereinbarkeit der geltenden Normen zur Pensions- und Rentenbesteuerung mit Art. 3 Abs. 1 GG systemübergreifend unter dem Aspekt zu würdigen, ob und wieweit die einkommensteuerliche Belastung einen Beitrag zu einer gleichermaßen angemessenen Nettoversorgung der Rentner und Ruhestandsbeamten leistet. Es fehlt bereits an erkennbaren rechtfertigenden Kompensationsabsichten des Gesetzgebers (1.) wie auch an der objektiven Eignung der Ertragsbesteuerung, zum Ausgleich von rentenrechtlich bedingten Versorgungsdefiziten beizutragen (2.).

1. Das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Gebot folgerichtiger tatbestandlicher Ausgestaltung steuerlicher Belastungsgrundentscheidungen (BVerfGE 99, 88 ≪95≫; 99, 280 ≪296≫) hindert den Gesetzgeber nicht daran, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen (stRspr; BVerfGE 93, 121 ≪147≫; 99, 280 ≪296≫). Nur dann jedoch, wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪147 f.≫; 99, 280 ≪296≫).

Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt: Mit der Einbeziehung in die Ertragsanteilsbesteuerung durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I S. 373) war eine steuerliche Begünstigung der Sozialversicherungsrenten nicht bezweckt, und zwar schon deshalb nicht, weil die Rentenzahlungen derart niedrig waren, dass sie in jedem Fall steuerfrei geblieben wären (dazu bereits BVerfGE 54, 11 ≪34 ff.≫). Zudem ging es im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile vom 18. September 1952 – IV 70/49 U –, BStBl III 1952 S. 290; vom 5. Februar 1953 – IV 41/49 U –, BStBl III 1953 S. 105 und vom 9. Juli 1953 – IV 289/52 U –, BStBl III 1953 S. 236) allein darum, die frühere, als systemwidrig kritisierte Besteuerung von Kapitalrückzahlungen auf Grund eines entgeltlich oder sonst privat erworbenen „Rentenstammrechts” durch ein einkommensteuerrechtlich folgerichtiges Besteuerungssystem zu ersetzen. Regelungszweck des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG war und ist gerade die gleichheitsgerechte Erfassung – nur – von Einkünften im Sinne des § 2 EStG und deshalb nur die Erfassung von Vermögenserträgen, nicht von Vermögensumschichtungen und Vermögensverzehr. Wenn mittlerweile eine Reform der Ertragsanteilsbesteuerung der Renten auch deshalb unterblieben sein sollte, weil anderenfalls schwer finanzierbare Ausgleichsbedürfnisse entstehen könnten, so könnten solche nicht deutlich bekundeten Erwägungen die erforderliche hinreichend klar erkennbare gesetzgeberische Entscheidung für eine Instrumentierung der Ertragsanteilsbesteuerung als „Rentensubvention” nicht ersetzen.

2. Soll für eine steuerliche Vergünstigung ein außersteuerlich (hier: versorgungsrechtlich) bedingtes Kompensationsbedürfnis den rechtfertigenden Grund bilden, so ist neben einer entsprechenden gesetzgeberischen Entscheidung auch ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands erforderlich (vgl. BVerfGE 93, 121 ≪148≫; 99, 280 ≪296≫). Fehlt ein Mindestmaß an gegenseitiger Abstimmung zwischen ausgleichsbedürftigen Nachteilen einerseits und begünstigenden Ausgleichswirkungen andererseits, so entfällt zugleich der nachvollziehbare Grund für eine ungleich wirkende steuerliche Vergünstigung. Für den hier zu entscheidenden Fall möglicher Kompensation versorgungsrechtlicher Nachteile der Rentner im Vergleich mit Ruhestandsbeamten wäre deshalb erforderlich, dass solche Nachteile tatsächlich feststellbar und die steuerlichen Vergünstigungstatbestände auf solche Nachteile abgestimmt sind.

Von diesen Maßstäben ausgehend erweist sich die Ertragsanteilsbesteuerung der Rentenbezüge als ein offensichtlich ungeeignetes Instrument zum Ausgleich möglicher rentenrechtlich bedingter Versorgungsdefizite. Jeder Versuch, ausgleichsbedürftige Nachteile im Verhältnis der Rentenbezieher insbesondere zu den Ruhestandsbeamten zu ermitteln, stößt auf ein komplexes Versorgungsspektrum, so dass es sich als letztlich unmöglich erweist, auch nur annähernd gleichmäßige Nachteile auf Grund des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber dem Beamtenversorgungsrecht festzustellen (a). Jedenfalls ist die Ausgestaltung der steuerlichen Wirkungen der Ertragsanteilsbesteuerung nicht sinnvoll auf mögliche unterschiedliche Ausgleichsbedürfnisse abgestimmt (b).

a) Ein sinnvoller Vergleich der Vor- und Nachteile der gesetzlichen Rentenversicherung mit denen der Beamtenversorgung setzt voraus, dass sowohl die Phase des Aufbaus eines Versicherungs- oder Versorgungsanspruches (aa) als auch die Phase der Auszahlung der Versicherungs- oder Versorgungsleistungen (bb) in den Vergleich beider Systeme einbezogen werden.

aa) In der Phase des Aufbaus unterscheiden sich die Systeme insbesondere dadurch, dass die Versorgung von Beamten im Gegensatz zur Renten- und Zusatzversicherung nicht beitragsfinanziert ist. Dieser Unterschied fällt jedoch bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht erheblich ins Gewicht. Zwar ist in rechtlicher Hinsicht die lebenslange Alimentation der Beamten Korrelat ihrer Dienst- und Treuepflicht. Wirtschaftlich sind jedoch die Versorgungsbezüge – ebenso wie beitragsfinanzierte Versicherungsrenten – Gegenwert für die zur Zeit der aktiven Beschäftigung erbrachten Dienstleistungen. Arbeitnehmer und Beamte erhalten veschiedene Zuwendungen von Seiten der Arbeitgeber und der Dienstherren, die insgesamt die Gegenleistung für die Erfüllung der Arbeits-, Dienst- und Treuepflichten darstellen. Dazu zählen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Aufwendungen des Arbeitgebers und des Dienstherrn für den Aufbau eines Anwartschaftsrechtes auf Alters- und Invaliditätsversorgung ebenso wie die Lohn- und Gehaltszahlungen. Zwar werden dem rentenversicherten Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber abgeführten Beiträge zunächst als Lohnbestandteil zugerechnet, jedoch hat der Arbeitnehmer hierüber keine eigene Verfügungsmöglichkeit. Für die Beamten werden dagegen keine zahlenmäßig definierten Beträge abgeführt. Die Umschichtung von (wirtschaftlichen) Beiträgen der aktiven Beamten zu Versorgungsbezügen der Pensionäre findet innerhalb des öffentlichen Haushalts des Dienstherrn statt. Statt Beiträge einzubehalten, zahlt der Dienstherr entsprechend geringere Bezüge aus (vgl. Beamte oder Arbeitnehmer, Schriftenreihe der Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Bd. 6, 1996, S. 44 f.; BVerwGE 12, 284 ≪294≫; amtl. Begründung des Entwurfs des Bundesbeamtengesetzes vom 19. November 1951, BTDrucks 2846, S. 35). Wirtschaftlich entscheidend bleibt in beiden Fällen: Der Gegenwert der geleisteten Dienste setzt sich zusammen aus einem Anteil (aktuell verfügbarer) Zahlungen (abzüglich einbehaltener Lohnsteuer) und einem Anteil nicht aktuell verfügbarer Versorgungsanwartschaft.

In Höhe des nicht verfügbaren Anteils in Gestalt der Versorgungsanwartschaft sind deshalb beide Vergleichsgruppen in der Zeit ihrer aktiven Erwerbstätigkeit wirtschaftlich mit den Aufwendungen für den Aufbau eines Versorgungsanspruchs für Alter und Invalidität belastet. Unterschiede betreffen den wirtschaftlichen Wert dieser jeweils einkommensabhängig bestimmten Belastung. Dieser wirtschaftliche Wert lässt sich jedoch nicht isoliert für die Aufbauphase bestimmen, sondern nur in der Zusammenschau mit der Auszahlungsphase, denn in allen Fällen steht auch die Höhe der Versorgungsbezüge in einem Verhältnis zur Höhe der in der Aufbauphase eingezahlten oder einbehaltenen Mittel. Ob eine Vergleichsgruppe durch Zwangsbeiträge oder einbehaltenes Gehalt wirtschaftlich stärker belastet wird als eine andere, kann daher nur dadurch ermittelt werden, dass der wirtschaftliche Wert dieser Aufwendungen in Beziehung gesetzt wird zum Wert des Versorgungsanspruchs. Ist die „Rendite” eines Versorgungssystems schlechter als die eines anderen, so zeigt dies eine Benachteiligung der von diesem System erfassten Personen, wobei die Benachteiligung gleichermaßen in der Aufbauphase (zu hohe „Beiträge”) wie auch in der Auszahlungsphase (zu niedrige Versorgungsbezüge) erblickt werden kann. Der Frage, ob im Ergebnis Nachteile bei einer der Vergleichsgruppen festzustellen sind, kann daher erst nach einer Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile in der Auszahlungsphase nachgegangen werden.

bb) Der Vergleich in der Phase der Auszahlung wird bereits im Ausgangspunkt durch sehr unterschiedliche Variablen in beiden Vergleichsgruppen erschwert:

(1) Maßgeblich für die Höhe der Rente sind nach der in § 64 SGB VI niedergelegten Rentenformel drei Faktoren: erstens die Summe der persönlichen Entgeltpunkte, die sich im Wesentlichen aus der (relativen) Höhe und Dauer der geleisteten (einkommensabhängigen) Versicherungsbeiträge ergibt (vgl. §§ 63 Abs. 2, 70 Abs. 1 SGB VI); zweitens der Rentenartfaktor, der nach den verschiedenen Rentenbezugstatbeständen differenziert (Faktor 1,0 für die Altersrente, O,6667 für die Berufsunfähigkeitsrente und 1,0 für die Erwerbsunfähigkeitsrente); drittens der aktuelle Rentenwert, der jährlich durch die Bundesregierung im Wege einer Rechtsverordnung – nach Maßgabe der Nettolohnentwicklung – festgelegt wird (vgl. §§ 65, 68, 69 Abs. 1 SGB VI).

Demgegenüber ist für die Höhe des Ruhegehalts eines ehemaligen Beamten grundsätzlich die Höhe des letzten ruhegehaltfähigen Gehalts vor Eintritt in den Ruhestand maßgeblich (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG). Die Höhe der Bezüge in früheren Jahren wird – anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung, in der die während der gesamten Dauer der rentenrechtlichen Aufbauphase erzielten (einkommensabhängigen) Entgeltpunkte maßgeblich sind – nicht berücksichtigt. Als weiterer Faktor bestimmt die Dauer der ruhegehaltfähigen Dienstzeit die Höhe der Versorgungsbezüge. Dieser zeitliche Faktor ähnelt dem entsprechenden Zeitfaktor der rentenrechtlichen Zeit bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Es bestehen allerdings deutliche Unterschiede bei der Anrechnung beitragsfreier Zeiten. Für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit beträgt das Ruhegehalt 1,875 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Es gibt somit keinen – dem Rentenwert entsprechenden – jährlich an die Entwicklung der Nettolöhne anzupassenden Berechnungsfaktor. Das Ruhegehalt ist vielmehr mit dem genannten Prozentsatz fest an die Entwicklung der Bruttogehälter der aktiven Beamten gekoppelt.

(2) Zum Vergleich der Vor- und Nachteile in der Auszahlungsphase müsste auf dieser Grundlage anhand von typischen Erwerbsbiographien mit gleichem (rentenversicherten oder ruhegehaltfähigen) Arbeitsentgelt während einer bestimmten Dauer der aktiven Beschäftigung der Versuch unternommen werden, systemübergreifend vergleichend zu berechnen, welchen Wert die für den Aufbau der Versorgung verwendeten Mittel haben und wie hoch der dadurch erworbene Anspruch auf Versorgungsleistungen ist. Allerdings müsste bei einer solchen Betrachtung berücksichtigt werden, dass sich die vielfältigen Unterschiede bei der Berechnung und steuerlichen Behandlung in der Aufbau- und Auszahlungsphase auf verschiedene Erwerbsbiographien und persönliche Verhältnisse höchst unterschiedlich auswirken können. Um eine verlässliche Vergleichsgrundlage zu gewinnen, müsste eine Vielzahl von Fallbeispielen gebildet werden, die jedenfalls das Spektrum typischer Konstellationen hinsichtlich Erwerbsverlauf (Dauer, familien- oder arbeitsmarktbedingte Unterbrechung, Einkommenshöhe), Familienstand und Kinderzahl widerspiegeln.

(3) Die Fallbeispiele müssten ferner das breite Spektrum unterschiedlicher Renten- und Versorgungsarten der Alters- und Invaliditätsversorgung abdecken. Dabei sind wiederum schon im Ausgangspunkt derartiger vergleichender Betrachtungen erhebliche Unterschiede in den Tatbestandsvoraussetzungen für den Rentenbezug einerseits und den Ruhegehaltsbezug andererseits festzustellen, die bei der Frage des Wertes des Versicherungs- und Versorgungsanspruches nicht außer Betracht bleiben können.

(a) So sind bei der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß §§ 35 ff. SGB VI insbesondere folgende Rentenarten zu unterscheiden (vgl. den Überblick über die Rentenarten nach dem SGB VI in: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Die gesetzliche Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996, S. 9): bei den Altersrenten die Regelaltersrente (ab 65 Jahre), die Altersrente für Frauen (ab 60 Jahre), die Altersrente für langjährig Versicherte (ab 63 Jahre), die Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige (ab 60 Jahre) und die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (ab 60 Jahre); bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Rente für Bergleute wegen verminderter Berufstätigkeit oder langjähriger Untertagebeschäftigung, die Rente wegen Berufsunfähigkeit bei oder nach knappschaftlich versicherter Beschäftigung, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und die erweiterte Erwerbsunfähigkeitsrente.

Bei der Beamtenversorgung ist zu differenzieren nach folgenden Möglichkeiten für den Pensionseintritt: Versetzung in den Ruhestand wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (65 Jahre für Männer und Frauen), wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze (60 Jahre z.B. im Polizei- und Justizvollzugsdienst), auf Antrag nach Erreichen der allgemeinen Antragsaltersgrenze (62 Jahre) oder der besonderen Antragsaltersgrenze bei Schwerbehinderung (60 Jahre), wegen Dienstunfähigkeit, auf Grund einer Vorruhestandsregelung oder aus sonstigen Gründen (vgl. Versorgungsbericht der Bundesregierung vom 17. Oktober 1996, BTDrucks 13/5840, S. 13).

Die unterschiedlichen Versicherungs- und Versorgungstatbestände können bei der Gegenüberstellung des Wertes der erworbenen Versorgungsanwartschaft nicht außer Betracht bleiben. Denn es handelt sich hierbei keineswegs um seltene Renten- oder Pensionseintrittsgründe, die bei typisierender Betrachtung vernachlässigt werden könnten.

(b) Tatsächlich stellt sich der Rentenzugang nach Rentenarten in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Jahr 1996) wie folgt dar (Zahlen aus: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Die gesetzliche Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996, S. T 26 ff.):

In den alten Ländern standen bei insgesamt 877.966 Versichertenrenten 218.190 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit 659.776 Renten wegen Alters gegenüber. Unter den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren die Berufsunfähigkeitsrenten nach knappschaftlicher Beschäftigung (27.954), die Erwerbsunfähigkeitsrenten (178.780) und die erweiterten Erwerbsunfähigkeitsrenten (8.774) zahlenmäßig am stärksten vertreten. Die Altersrenten verteilen sich im Wesentlichen auf die Regelaltersrente (262.332), die Altersrente für langjährig Versicherte (73.113), die Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige (47.347), die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (135.241) und die Altersrente für Frauen (141.184).

In den neuen Ländern standen bei insgesamt 261.638 Versichertenrenten 65.682 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit 195.956 Renten wegen Alters gegenüber. Unter den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren die Berufsunfähigkeitsrenten nach knappschaftlicher Beschäftigung (3.906) und die Erwerbsunfähigkeitsrenten (56.472) zahlenmäßig am stärksten vertreten. Die Altersrenten verteilen sich im Wesentlichen auf die Regelaltersrente (12.487), die Altersrente für langjährig Versicherte (9.099), die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (88.968) und die Altersrente für Frauen (79.776). Wesentliche Änderungen des Verhältnisses zwischen Alters- und Invaliditätsrenten sind auch in den Jahren 1997 und 1998 nicht zu beobachten (vgl. Rentenversicherungsbericht 1999 der Bundesregierung, BTDrucks 14/2116, S. 40).

Die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand der Beamten und Richter in Bund (ohne Berufssoldaten), Ländern und Gemeinden gliedern sich (im Jahr 1993) wie folgt (Zahlen aus dem Versorgungsbericht der Bundesregierung vom 17. Oktober 1996, BTDrucks 13/5840, S. 13 f.):

Erreichen der Regelaltersgrenze 11,5 v.H.; Erreichen einer besonderen Altersgrenze 9,5 v.H.; Erreichen der allgemeinen Antragsaltersgrenze 30,3 v.H.; Erreichen der besonderen Antragsaltersgrenze bei Schwerbehinderung 4,3 v.H.; Dienstunfähigkeit 39,4 v.H.; Vorruhestandsregelung 3,4 v.H. und sonstige Gründe 1,6 v.H. Ausweislich der seit 1994 auf der Grundlage des Gesetzes über die Statistiken der öffentlichen Finanzen und des Personals im öffentlichen Dienst vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2119) durchgeführten Versorgungsempfängerstatistiken haben sich für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 1. Januar 1999 keine signifikanten Veränderungen ergeben (vgl. hierzu Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 1997, S. 38 ff., S. 251 ff., S. 865 ff.; 1998, S. 999 ff. und 1999, S. 980 ff.).

(4) Im Einzelnen sind sowohl die Tatbestände für den Anspruch auf Versichertenrente oder Versorgung als auch die Rechtsfolgen höchst unterschiedlich gefasst. So haben zum Beispiel Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung und öffentlichen Zusatzversicherung die Möglichkeit, schon mit Vollendung des 60. Lebensjahres ungekürzte Altersversicherungsbezüge zu beanspruchen, während weibliche Beamte auf Antrag nur unter Hinnahme von Abzügen Altersversorgungsansprüche haben.

(5) Schließlich wirken auch Regelungen über die Anrechenbarkeit anderweitiger Einkünfte auf den Wert der Versicherungs- oder Versorgungsansprüche ein. Auch hier bestehen in den verschiedenen Alters- und Invaliditätssicherungssystemen große Unterschiede, wobei die tatsächliche Bedeutung der Anrechnungsvorschriften ebenfalls nicht aus Typisierungsgründen vernachlässigt werden darf. Um überhaupt eine annähernd verlässliche Vergleichsbasis zu gewinnen, müssten daher auch typische Konstellationen in Bezug auf weitere Einkünfte im Alter bei der Bildung der Fallgruppen berücksichtigt werden.

(6) Abgesehen von der offenen Frage, ob angesichts der Komplexität der beiden Versorgungssysteme deren realitätsgerechte und für einen Vergleich geeignete Abbildung überhaupt erreicht werden kann, behindern letztlich sowohl die Fülle des in Modellbetrachtungen einzustellenden Datenmaterials als auch die Unwägbarkeiten einer wirtschaftlichen Bewertung jeden Konsens über ausgleichsbedürftige Nachteile der Systeme.

b) Vor dem Hintergrund der nur grob skizzierten Vielgestaltigkeit der renten- und beamtenrechtlichen Versorgungssituation ist die Ertragsanteilsbesteuerung als Instrument einer gleichheitsgerecht ausgestalteten Kompensation möglicher rentenrechtlicher Nachteile nicht geeignet. Nicht nur nach dem entstehungsgeschichtlichen Zweck, auch nach dem Regelungsgehalt lassen sich zwischen den Besonderheiten der rentenrechtlichen Versorgungssituation und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG keine Verbindungslinien herstellen. Ansatz und Ausgestaltung der Ertragsanteilsbesteuerung sind ausschließlich bezogen auf die Grundprinzipien einkommensteuerlicher Erfassung von Einkünften im Sinne des § 2 EStG und auf die dadurch implizierte Nichterfassung „privater” Vermögensumschichtung und privaten Vermögensverbrauchs. Der Rentenbezieher wird demjenigen gleichgestellt, der am Tage seines Renteneintritts eine Leibrente (ein „Rentenstammrecht”) entgeltlich mit privaten – theoretisch also versteuerten – Mitteln erwirbt und dessen Bezüge deshalb nur insoweit einkommensteuerpflichtig sind, als in den laufenden Zahlungen bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Ertragsanteil des hingegebenen Entgelts enthalten ist.

Ob und wieweit sich diese Besteuerung als „Vergünstigung” auswirkt, hängt ausschließlich davon ab, ob und wieweit die gesetzliche Unterscheidung zwischen Kapitalrückzahlung und Ertragsanteil als Bestandteile der Rentenzahlungen den Gegebenheiten entspricht. Ob und wieweit danach feststellbare Vergünstigungseffekte mit entsprechenden rentenrechtlichen Nachteilen korrespondieren, hängt wiederum ausschließlich von den unterschiedlichen Konstellationen innerhalb des Systems der Renten- und Beamtenversorgung ab. Gleichheitsgerechte Ausgleichseffekte der Ertragsanteilsbesteuerung für die Rentenbezieher können sich zwar ergeben, müssen es aber nicht. Aus der Sicht des Einkommensteuerrechts handelt es sich in jedem Fall um Zufallswirkungen.

Das wird insbesondere sichtbar in den Fällen, in denen zur Sozialversicherung eine betriebliche Altersversorgung oder eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung des öffentlichen Dienstes hinzutritt und somit eine der Beamtenversorgung vergleichbare oder auch höhere Gesamtversorgung erreicht wird: Hier wie auch sonst treffen Vergünstigungseffekte der Ertragsanteilsbesteuerung zufällig, nämlich ohne Rücksicht auf fehlende oder vorhandene Ausgleichsbedürftigkeit. Die Erhöhung der Grundfreibeträge hat für die Bezieher hoher Renten oder bei Hinzutreten weiterer Einkünfte durch den „Multiplikatoreffekt” tendenziell sogar eine größere steuerliche Entlastung zur Folge (vgl. oben unter A.I.5.a), Tabellen 2 bis 4). Wäre es erkennbarer Zweck der hier entscheidungserheblichen einkommensteuerrechtlichen Normen, „systemübergreifend” sozialversicherungs- oder versorgungsrechtliche Ziele zu unterstützen, so fehlte diesen Normen angesichts der ungeordneten Begünstigungswirkungen die gleichheitsgerechte und willkürfreie Ausgestaltung.

III.

Innerhalb des für die gleichheitsrechtliche Würdigung allein maßgeblichen einkommensteuerrechtlichen Bezugsrahmens ist verfassungsrechtlich erheblicher Vergleichsgesichtspunkt für die steuerliche Belastung von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten nicht die Qualität der besteuerten Einnahmen als „Altersbezüge” (1.), sondern als „nachträgliche” Einkünfte nichtselbständig Tätiger mit Versorgungsanwartschaften (2.).

1. Verfassungsrechtlich erhebliche Zweifel an einer Rechtfertigung der unterschiedlichen Besteuerung der Bezüge von Rentnern und Ruhestandsbeamten folgen nicht ohne weiteres bereits aus dem je unterschiedlich hohen „Besteuerungsbeginn” und aus dem „Multiplikatoreffekt” der Ertragsanteilsbesteuerung im Hinblick auf die entlastende Wirkung der seit 1996 erhöhten Grundfreibeträge (vgl. Seer, StuW 1996, S. 323 ≪326≫). Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, unterschiedliche Einkünfte unabhängig von deren Rechtsgrund und Finanzierung wegen ihrer Eigenschaft als „Altersbezüge” steuerlich grundsätzlich gleich zu belasten.

Die unterschiedliche Besteuerung der Renten und der Pensionen kann nicht ohne Rücksicht auf die unterschiedliche gesetzliche Einkünftequalifikation dieser Bezüge gewürdigt werden. Nach der einfachgesetzlichen Systematik der verschiedenen Einkunftsarten kommt es dabei nicht auf eine Qualifikation als „Alterseinkünfte” an, ohne dass hiergegen grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken ersichtlich sind. Nach gegenwärtig geltendem Einkommensteuerrecht gilt grundsätzlich: Steuerbares Einkommen ist nur der erstmalige Zufluss (die erstmalige Realisierung) einer Vermögensmehrung, nicht dagegen der „erfolgsneutrale Vermögenstausch” (etwa Austausch von Forderung gegen Bargeld) oder der Vermögenskonsum. Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf nicht ein zweites Mal, also doppelt, besteuert werden. Eine „spätere” steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung kommt dagegen in Betracht, wenn die Besteuerung zu einem – möglichen – früheren Zeitpunkt unterblieben ist oder „aufgeschoben” wurde.

Dementsprechend hat der Gesetzgeber – verfassungsrechtlich unbedenklich – die Grundentscheidung für die unterschiedliche Qualifikation von Renten und Pensionen innerhalb der Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes nicht unter dem Gesichtspunkt der Qualifikation als Alterseinkünfte, sondern mit Blick auf Rechtsgrundlage und Finanzierung der Einkünfte getroffen. Die Rentenbesteuerung ist orientiert am Leitbild des Kaufs einer im Zeitablauf konstanten Leibrente durch eine aus versteuertem Einkommen geleistete einmalige Zahlung (P. Fischer, Altersvorsorge und Altersbezüge, DStJG 24 ≪2001≫, S. 463 ≪469≫). Soweit dieses Leitbild tatsächlich trägt, soweit also die Rente tatsächlich während der Erwerbsphase aus versteuerten Beiträgen des Rentenbeziehers finanziert ist (oder mit solchen Beiträgen korreliert), hat die Ertragsanteilsbesteuerung ihre Berechtigung als eine systemkonforme Erfassung von Einkünften.

Hier wie auch sonst wird im geltenden Einkommensteuerrecht der Aspekt der Altersbezüge oder, etwas weiter gefasst, der Aspekt der Alterssicherung (in einem Altersvorsorge und Altersbezüge umfassenden Sinn), erst dann, aber auch immer dann erheblich, wenn der Gesetzgeber Vergünstigungseffekte bezweckt oder bewirkt, die in spezifischer Weise die Alterssicherung betreffen. Solche vergünstigenden Regelungen, wie sie nach geltendem Recht vor allem auf der Finanzierungsseite von Altersbezügen auftauchen (vgl. oben unter A.I.5.c), unterliegen dann allerdings dem Gebot gleichmäßiger Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Alterssicherung bei allen Einkünftebeziehern: Altersspezifische Vergünstigungen müssen entweder allen Einkünftebeziehern gewährt werden, oder sie müssen abgebaut werden, wenn sie nicht auf alle Einkunftsarten erstreckt werden können oder sollen (in diesem Sinn BVerfGE 54, 11 ≪38≫; trotz etwas weitergehender Formulierungen wohl auch BVerfGE 86, 369 ≪380≫).

2. Eine rechtlich problematische Ungleichbehandlung der Ruhestandsbeamten ergibt sich danach erst insoweit, als im Hinblick auf Rechtsgrundlagen und Finanzierung die Bezüge der Rentner dem gesetzlich maßgeblichen Leitbild nicht entsprechen, sondern den Gegebenheiten der Beamtenversorgung wesentlich näher stehen als vom Gesetzgeber vorausgesetzt. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise fallen allerdings wesentliche Übereinstimmungen zwischen den beiden Vergleichsgruppen ins Gewicht (vgl. auch oben unter C.II.2.a)aa):

In beiden Fällen geht es darum, dass während und auf Grund einer nichtselbständigen Tätigkeit als Gegenleistung im weiteren Sinn Anwartschaftsrechte auf Versorgungsleistungen im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit aus anderen Gründen erworben werden. Ob diese Anwartschaftsrechte, wie bei den Rentnern, grundrechtlich als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind oder aber durch die speziellere Gewährleistung des Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. für die Ruhestandsbeamten BVerfGE 76, 256 ≪298 f.≫; Papier, in: Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Art. 14 Rn. 233 f.; Gröpl, Nachgelagerte Besteuerung ≪juristische Aspekte≫, in: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger ≪Hrsg.≫, Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, 2001, S. 85 ≪102≫), spielt für das hier wesentliche Ergebnis keine Rolle: Mit Abschluss der Erwerbsphase sind die nichtselbständig Tätigen Inhaber einer geldwerten Rechtsposition, die den Grund späterer Versorgungsbezüge bildet.

Bei beiden Vergleichsgruppen ist ein Teil des Gegenwerts nichtselbständiger Tätigkeit zwangsweise eingebunden in Versorgungssysteme für die Zeit nach Abschluss der Erwerbsphase. In beiden Fällen sind die Erwerbsbezüge aufgespalten in einen disponiblen und einen nichtdisponiblen, der Vorsorge dienenden Teil.

Letzteres gilt – wie bereits im Zusammenhang mit dem Vergleich der Versorgungssituation dargestellt (oben unter C.II.2.a)aa) – auch für die Beamten, obwohl hier keine Lohnanteile zwangsweise als Beiträge abgeführt werden, denn auch sie erhalten ihre Versorgungsanwartschaften nicht als ein vom Dienstverhältnis losgelöstes „Geschenk”, sondern im Hinblick auf geleistete Dienste. Dieser – wirtschaftlichen – Betrachtungsweise entspricht es, dass bei den Rentnern auch die auf dem Arbeitgeberanteil beruhende Rente oder Anwartschaft in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG einbezogen worden ist (BVerfGE 69, 272 ≪302≫; 100, 1 ≪35≫); denn auch dieser Anteil bildet letztlich einen Teil der Gegenleistung, die sich der Arbeitnehmer „erarbeiten” musste.

Aus dieser Sicht – bezogen auf die wirtschaftliche Begründung und auf den Bestand einer vermögenswerten Rechtsposition zu Beginn des Renten- oder Versorgungsbezugs – zeigt sich, dass der Unterschied zwischen den „echten” Beiträgen der Arbeitnehmer zur Rentenversicherung und den nur „fiktiven” Beiträgen der Beamten eher rechtstechnischer Art ist: Bei den Arbeitnehmern gilt deren Beitragsanteil trotz mangelnder Verfügbarkeit als „zugeflossener” (§ 11 EStG) Bestandteil des Lohns, dessen Abführung erst die Versorgungsanwartschaft wachsen lässt. Dagegen fehlt es bei den Beamten an einem solchen, die grundsätzliche Lohnsteuerpflicht begründenden, „Umweg” eines Zuflusses als Arbeitslohn. Die Anwartschaft entsteht sogleich außerhalb der einkommensteuerrechtlichen Zurechnungssphäre des Anwartschaftsberechtigten. Dem Arbeitnehmer ist zwar Bruttolohn einschließlich des abzuführenden Rentenversicherungsbeitrags im Sinne des Einkommensteuerrechts zugeflossen. Dieser Teil des Lohns war ihm wirtschaftlich jedoch genauso wenig verfügbar wie dem Beamten dessen „fiktiver” Beitrag.

IV.

1. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪157≫), wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit.

Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit (BVerfGE 84, 239 ≪268 ff.≫) darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden („horizontale” Steuergerechtigkeit), während (in „vertikaler” Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪89≫; 99, 246 ≪260≫). Zwar hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum, jedoch muss er unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen (BVerfGE 84, 239 ≪271≫; 93, 121 ≪136≫; 99, 88 ≪95≫; 99, 280 ≪290≫; 101, 132 ≪138≫; 101, 151 ≪155≫). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfGE 99, 88 ≪95≫; 99, 280 ≪290≫). Dies alles gilt insbesondere für das Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (BVerfGE 82, 60 ≪86≫, im Anschluss an stRspr).

Speziell zu dem Bereich des Belastungsvergleichs im Verhältnis unterschiedlicher Einkunftsarten zueinander ist in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass jedenfalls die systematische Unterscheidung der Einkunftsarten durch den Gesetzgeber allein eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann (BVerfGE 84, 348 ≪363 f.≫; 96, 1 ≪6≫; 99, 88 ≪95≫).

2. Die den Einkommensteuergesetzgeber bindenden verfassungsrechtlichen Grundsätze folgerichtiger Bestimmung und Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit werden ergänzt und unterstützt durch das Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung. Danach können insbesondere realitätsfremde Bemessungstatbestände für einkommensteuerlich berücksichtigungsbedürftige Aufwendungen gleichheitswidrig sein (vgl. zu Unterhaltsaufwendungen BVerfGE 66, 214 ≪223≫); 68, 143 ≪153≫; 82, 60 ≪88≫; 89, 346 ≪353≫); denn der Gleichheitssatz verlangt, dass die einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen in Einnahmen und Aufwand die erfassten wirtschaftlichen Vorgänge sachgerecht aufnehmen und realitätsgerecht abbilden (BVerfGE 99, 280 ≪290≫, im Anschluss an BVerfGE 93, 121 ≪136≫).

3. Bei der Konkretisierung der gleichheitsrechtlichen Leitlinien für den Einkommensteuergesetzgeber ist schließlich auch dessen weitgehende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss notwendigerweise verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (stRspr; BVerfGE 99, 280 ≪290≫).

V.

1. Diesen gleichheitsrechtlichen Maßstäben genügt die unterschiedliche Steuerbelastung einerseits von Sozialversicherungsrenten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG und andererseits von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht. Dem für die Ertragsanteilsbesteuerung der Sozialversicherungsrenten maßgeblichen Leitbild einer entgeltlich erworbenen Leibrente entspricht allenfalls ein Anteil der Rentenzahlung, der weniger, in vielen Fällen auch deutlich weniger als die Hälfte der Rentenzahlungen ausmacht. Im Übrigen fehlt es für die steuerliche Entlastungswirkung der Ertragsanteilsbesteuerung in der Nacherwerbsphase im Vergleich mit der Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten an hinreichenden sachlichen Gründen.

Mit Blick auf das Leitbild der Ertragsanteilsbesteuerung sind bei den Rentenbezügen drei verschiedene Finanzierungsanteile zu unterscheiden: die Beiträge der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber und der Bundeszuschuss. Für den Vergleich zwischen Sozialversicherten und Rentnern sowie Beamten und Pensionsempfängern kommt es entscheidend darauf an, ob die markant unterschiedliche steuerliche Belastung in der Nacherwerbsphase angemessen kompensiert wird durch eine reziproke unterschiedliche steuerliche Belastung in der Erwerbsphase. Diese Frage stellt sich nicht etwa als Konsequenz eines allgemeinen Prinzips der intertemporalen Korrespondenz, dessen Geltung und Reichweite im Einkommensteuerrecht umstritten sind (vgl. Gröpl, Nachgelagerte Besteuerung ≪juristische Aspekte≫, in: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger ≪Hrsg.≫, Besteuerung von Beiträgen und Leistungen in der Altersvorsorge, DRV-Schriften Bd. 29, 2001, S. 85 ≪94 m.w.N.≫). Sie muss vielmehr unmittelbar als Frage nach dem hinreichenden sachlichen Grund für unterschiedliche steuerliche Belastungen im Verhältnis der betrachteten Vergleichsgruppen verstanden und beantwortet werden. Denn hier gilt bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes das, was beide Senate des Bundesverfassungsgerichts in ihrer neueren Rechtsprechung betont haben: Nicht schon die unterschiedliche einkommensteuerliche Systematik für sich genommen – hier: die unterschiedliche Einkünftequalifikation der Bezüge – reicht zur Rechtfertigung unterschiedlicher steuerlicher Belastung aus. Hinzukommen muss immer ein die unterschiedliche Belastung tragender besonderer sachlicher Grund (vgl. oben C.IV.1). Einen solchen Grund aber liefert das Leitbild der Ertragsanteilsbesteuerung nur, soweit die Rentenbezüge, nicht aber auch die Beamtenpensionen, als Rückfluss eigenen bereits versteuerten Kapitals betrachtet werden können.

a) Soweit Sozialversicherungsrenten auf Arbeitnehmerbeiträgen beruhen, ist in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Ersten Senats (BVerfGE 54, 11 ≪26 ff.≫) eine noch hinreichende sachliche Begründung einer Ertragsanteilsbesteuerung zu bejahen.

Zwar muss für die Konstruktion des entgeltlichen Erwerbs eines „Rentenstammrechts” angesichts des reinen Umlageverfahrens bei der Finanzierung der Sozialversicherungsrenten mit verschiedenen Fiktionen gearbeitet werden. Jedoch bietet der zwangsweise gestiftete Zusammenhang von Beitragsleistung und Erwerb der Rentenanwartschaft einen einleuchtenden und einkommensteuersystematisch vertretbaren Grund dafür, die Rentenzahlung insoweit als „aus dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen herrührende(n) Kapitalzufluss” (BVerfGE 54, 11 ≪26≫) zu werten.

Dies gilt grundsätzlich auch im Vergleich mit der andersartigen Behandlung der Beamtenpensionen trotz der festgestellten wirtschaftlichen Ähnlichkeit zwischen den rentenrechtlichen tatsächlichen Beiträgen und den nur „fiktiven” Beiträgen der Beamten (oben unter C.II.2.a)aa)). Allerdings ist eine effektive steuerliche Belastung der Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung nur eingeschränkt festzustellen (vgl. oben A.I.5.c)aa) im Zusammenhang mit Tabelle 5).

Der Erste Senat (BVerfGE 54, 11 ≪32≫) hat gleichwohl im Sonderausgabenabzug von Rentenbeiträgen u.a. deshalb keinen Einwand gegen die Ertragsanteilsbesteuerung gesehen, weil es sich bei den Sonderausgaben um Abzugsmöglichkeiten von Vorsorgeaufwendungen handele, die allen Steuerpflichtigen offen stünden. Das führe dazu, dass die Rentenbeitragspflichtigen ihre Abzugsmöglichkeiten bereits durch ihre Beitragsleistung verbrauchten, während andere Steuerpflichtige, insbesondere auch die Beamten, sonstige Vorsorgeaufwendungen (Prämien für Lebensversicherungen oder bis einschließlich 1995 für Bausparkassen) nach diesen Abzugstatbeständen geltend machen könnten. Hiernach ist von einer tatsächlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase, die eine Entlastung in der Nacherwerbsphase rechtfertigt, immer dann auszugehen, wenn in der Erwerbsphase eine „Regelbesteuerung” ohne spezielle Vergünstigungen stattgefunden hat.

Obwohl sich vor diesem Hintergrund zeigt, dass das Leitbild der aus versteuertem Einkommen erworbenen Leibrente die wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Gegebenheiten selbst im Hinblick auf den Kern der „beitragsfinanzierten” Rentenanteile nur eingeschränkt trifft, kann diesen Erwägungen auch heute noch gefolgt werden, zumal gegenwärtig – auch bereits für das Streitjahr 1996 – der steuermindernde Anteil der Beitragsleistung zur gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich zu den vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts betrachteten Zeiträumen deutlich abgesunken ist.

b) Jenseits möglicher Legitimation durch das Leitbild der entgeltlich erworbenen Rente bewegt sich dagegen die unterschiedliche Behandlung der Sozialversicherungsrenten im Vergleich mit den „nachträglichen” Einkünften der Beamten, soweit es um den Arbeitgeberanteil geht, der in den Rentenbezügen enthalten ist. Zwar findet – anders als bei den Beamten – bei den Arbeitgeberbeiträgen (wie bei denen der Arbeitnehmer) ein Mittelabfluss und -zufluss zwischen verschiedenen Rechtsträgern statt. Indes liegen bei den Arbeitgeberbeiträgen die beiden Vergleichsfälle doch wesentlich dichter beieinander als bei den Arbeitnehmerbeiträgen, denn die Dienstherren der Beamten, deren Pflichtenkreis die Beitragspflicht der Arbeitgeber zuzuordnen wäre, sind identisch mit den Finanziers der Beamtenversorgung. Deshalb kommt es hier durchaus auch zu einem Mittelabfluss beim Dienstherrn, nur dass zwischen pflichtgemäß Zahlenden und Versorgungsempfängern kein eigenständiger Versicherungsträger „zwischengeschaltet” ist. Hier wie dort fließt der Beitrag jedenfalls nicht aus dem Vermögen des Arbeitnehmers oder des Beamten ab. Es kommt vielmehr zum Erwerb eines Anwartschaftsrechts unmittelbar als wirtschaftlichem Ergebnis der Arbeits- und Dienstleistung.

Für die verfassungsrechtliche Bewertung der unterschiedlichen einkommensteuerlichen Behandlung ist es unerheblich, ob im Falle der Zahlung von Rentenbeiträgen des Arbeitgebers ein – prinzipiell lohnsteuerpflichtiger – Zufluss von Einnahmen beim Arbeitnehmer anzunehmen ist, der – erst – durch die ausdrückliche Befreiungsnorm des § 3 Nr. 62 EStG steuerlich freigestellt wird, oder ob die Befreiungsnorm mangels Zuflusses beim Arbeitnehmer nur deklaratorische Qualität hat. Jedenfalls ergibt sich aus dem Zusammenwirken der generellen Steuerfreiheit in der vorgelagerten Erwerbsphase mit der nachgelagerten Steuerbefreiung des Kapitalzuflusses in der Bezugsphase eine deutliche steuerliche Besserstellung im Vergleich mit den Beamten. Für sie wäre ein besonderer sachlicher Grund erforderlich. Der Gedanke der Ertragsanteilsbesteuerung vermag ihn nicht zu liefern, und vor dem hier maßgeblichen einkommensteuerrechtlichen Vergleichshorizont ist er auch sonst nirgends erkennbar.

Entgegen der Stellungnahme des Verbands der Rentenversicherungsträger wird die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 62 EStG auch nicht durch die Kürzung des so genannten Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG wieder neutralisiert und der Arbeitgeberbeitrag somit „indirekt” steuerlich belastet. Dieser Gedanke passt gerade nicht im Hinblick auf die – von der Kürzung des Vorwegabzugs ebenso betroffene – Vergleichsgruppe der Beamten. Er führt auch sonst zu einem schiefen Bild, denn der Vorwegabzug hat allein den Sinn, – nur – jenen (selbständig oder gewerblich) tätigen Steuerpflichtigen eine zusätzliche Steuerentlastung zu gewähren, die im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Beamten ihre gesamte Altersvorsorge aus eigenem Einkommen finanzieren müssen (vgl. BTDrucks 3/2573, S. 17, 21; BTDrucks 8/292, S. 21; Nolde, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10 Anm. 399).

Insbesondere lassen sich auch nicht etwa aus dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG sachliche Gründe für eine ungleiche Belastung ableiten. Unbeschadet unterschiedlicher Rechtsgrundlagen des verfassungsrechtlichen Schutzes von Renten- und Versorgungsanwartschaften wäre es sinnwidrig, speziell aus Art. 14 GG im Vergleich mit Art. 33 Abs. 5 GG Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche steuerliche Belastung der Berechtigten ableiten zu wollen. Alle wesentlichen steuerpflichtigen Einnahmen sind eigentumsrechtlich geschützt. Nicht der grundrechtliche Eigentumsschutz begründet bei den Sozialversicherungsrentnern eine mögliche Sperre für eine Steuerpflicht von Einnahmen, sondern ausschließlich das Verbot, solche Einnahmen einkommensteuerlich doppelt zu belasten.

c) Schließlich fehlt es an hinreichenden sachlichen Gründen für eine Ertragsanteilsbesteuerung, soweit die Rentenzahlungen auf dem Bundeszuschuss beruhen. Auch insoweit, als es sich bei den Rentenbezügen um staatliche Transferleistungen handelt, liegt grundsätzlich einkommensteuerbares Einkommen vor.

d) Kann im Ergebnis die steuerliche Verschonung nur des Teils des Rentenbezugs, der den Beiträgen des Arbeitnehmers entspricht, durch den Gedanken der Ertragsanteilsbesteuerung sachlich gerechtfertigt werden, so widerspricht sie hinsichtlich des überwiegenden Teils des Rentenbezugs dem gesetzlich vorausgesetzten Leitbild. Deshalb entfällt auch die Möglichkeit, die steuerliche Besserstellung der Rentenbezieher gegenüber den Ruhestandsbeamten unter dem Gesichtspunkt legitimer steuergesetzlicher Typisierung zu rechtfertigen.

2. Die Ertragsanteilsbesteuerung der Renten aus einer Zusatzversorgung begegnet demgegenüber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die ihnen zugrunde liegenden Arbeitgeberbeiträge als Arbeitslohn zumindest pauschal lohnbesteuert, also in der Erwerbsphase vorgelagert, besteuert worden sind. Durch die Finanzierung der Beiträge aus versteuertem Einkommen wird bereits aus einfachgesetzlicher Sicht ein über die Ertragsanteilsbesteuerung hinausgehender Einkommensteueranspruch des Staates als verbraucht angesehen (vgl. auch Giloy in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz-Kommentar, 62. Erg.Lfg., § 19 Rn. B 802; Finanzgericht Hamburg, EFG 2000, S. 626 f.).

VI.

Eine materiellrechtliche Berücksichtigung des Zeitfaktors wegen der Schwierigkeiten des Reformgesetzgebers, komplexe und dynamische Sachverhalte angemessen neu zu regeln (BVerfGE 54, 11 ≪37 ff.≫; 86, 369 ≪379 ff.≫), kommt gegenwärtig und auch schon bezogen auf das hier betroffene Veranlagungsjahr 1996 nicht in Betracht. Die Verfassungsbindung des Gesetzgebers und die Forderung nach Verfassungsmäßigkeit des einfachen Rechts stehen nicht unter einem generellen Vorbehalt des Möglichen. Grundsätzlich, soweit keine besonderen, schwer wiegenden Gründe entgegenstehen, sind deshalb die zeitlichen und sachlichen Grenzen der Möglichkeiten verfassungsmäßigen gesetzgeberischen Handelns allenfalls im Rahmen differenzierender Bestimmung der Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zu berücksichtigen.

Dem vorlegenden Gericht ist darin zuzustimmen, dass spätestens die Anhebung der einkommensteuerlichen Grundfreibeträge im Jahressteuergesetz 1996 für den Gesetzgeber hätte Anlass sein müssen, den „Multiplikatoreffekt” dieser Anhebung bei den Beziehern von Sozialversicherungsrenten zumindest deutlich zu dämpfen. Dass die ursprünglich als vorläufige Hilfslösung für die gebotene Verschonung des Existenzminimums vorgesehene außertarifliche Grundentlastung auf vielfache Kritik der Sachverständigen gestoßen war, konnte den Gesetzgeber von seiner Pflicht, eine gleichheitsgerechte Lösung auch im Verhältnis zwischen Renten- und Pensionsbeziehern zu schaffen, nicht dispensieren.

D.

I.

Die Verfassungswidrigkeit des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst die Vorschrift in den jeweils geltenden Fassungen.

Der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz kann entweder zur Nichtigerklärung nach § 78 BVerfGG oder dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit oder, gleich bedeutend, die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1 BVerfGG). Eine bloße Erklärung der Unvereinbarkeit ist insbesondere geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das ist regelmäßig bei Verletzungen des Gleichheitssatzes der Fall (stRspr; BVerfGE 99, 280 ≪298≫). Wenn es zudem, wie hier, um Normen geht, deren Verfassungswidrigkeit nicht aus sich heraus folgt, sondern erst aus dem Zusammenspiel mit anderen Normen, die gleichheitswidrig anderen Personen Vergünstigungen gewähren, die den von der verfassungswidrigen Norm Betroffenen vorenthalten bleiben (gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, BVerfGE 93, 386 ≪396≫; vgl. H. Maurer, Zur Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, in: Im Dienst an Recht und Staat, Festschrift für Werner Weber zum 70. Geburtstag, 1974, S. 345 ≪354≫), ist auch zu berücksichtigen, dass die Nichtigkeit der nicht begünstigenden Norm den Verfassungsverstoß nicht heilen könnte.

Danach kommt auch vorliegend die Erklärung der Nichtigkeit des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in Betracht. Die Nichtigkeit der gesetzlichen Zurechnung von Bezügen aus früheren Dienstleistungen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit scheidet schon mangels Verfassungsmäßigkeit der dann entstehenden lückenhaften Rechtslage aus.

II.

Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm (mit Art. 3 Abs. 1 GG) fest, folgt daraus in der Regel (stRspr; BVerfGE 73, 40 ≪101≫; 87, 153 ≪178≫; 99, 280 ≪298≫) die Verpflichtung des Gesetzgebers, rückwirkend, bezogen auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt, die Rechtslage verfassungsmäßig umzugestalten. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.

Anders kann die Rechtslage dagegen bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen steuerrechtlichen Normen sein. Hier hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt im Interesse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen für gerechtfertigt erklärt (BVerfGE 87, 153 ≪178 ff.≫; 93, 121 ≪148 f.≫).

Auch hier ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Rechtslage rückwirkend, bezogen auf das Veranlagungsjahr 1996, zu bereinigen. Ein rückwirkender Abbau der Vergünstigungen bei der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten kommt aus Verfassungsgründen von vornherein nicht in Betracht. Aber auch eine rückwirkende Besserstellung allein der Ruhestandsbeamten scheidet – abgesehen von deren unverhältnismäßigen haushaltswirtschaftlichen Folgen – als verfassungsgemäße Lösung mit Blick auf andere, nicht vergleichbar begünstigte Altersbezüge aus (vgl. oben unter C.III.1.).

Aufgabe des Gesetzgebers wird es sein, sich vor dem Hintergrund des breiten Spektrums der seit langem aufbereiteten Reformalternativen für ein Lösungsmodell zu entscheiden und dieses folgerichtig auszugestalten. Sowohl bei den weichenstellenden Grundentscheidungen als auch im Hinblick auf Art und Maß vertrauensschützender Übergangsregelungen ist der weite gesetzgeberische Gestaltungsraum nicht unbegrenzt. In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Insoweit wird der Gesetzgeber sich an ökonomisch sachverständigen Berechnungen (vgl. z.B. Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Chancen auf einen höheren Wachstumspfad, Jahresgutachten 2000/2001, Ziff. 368) orientieren können. Im Übrigen ist auch für die Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und den Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen ein weiter gesetzgeberischer Entscheidungsraum eröffnet.

 

Unterschriften

Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 06.03.2002 durch Ankelmann Regierungshauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 684717

BFH/NV Beilage 2002, 60

BStBl II 2002, 618

BVerfGE, 73

DB 2002, 557

DStR 2002, 443

DStRE 2002, 349

HFR 2002, 331

WPg 2002, 414

FR 2002, 391

NJW 2002, 1103

SteuerBriefe 2002, 485

NWB 2002, 2105

NWB 2002, 781

NWB 2002, 783

NWB 2002, 853

FamRZ 2002, 809

NVwZ 2002, 1233

NVwZ 2002, 445

SteuerStud 2002, 179

SteuerStud 2002, 388

StuB 2004, 606

WM 2002, 668

ZAP 2002, 494

ZBR 2002, 200

ZTR 2002, 243

DÖD 2002, 216

EzA-SD 2002, 5

EzFamR aktuell 2002, 245

JZ 2002, 765

JuS 2002, 822

KÖSDI 2002, 13226

NJ 2002, 191

NZS 2002, 252

BayVBl. 2003, 273

Consultant 2002, 8

DVBl. 2002, 616

FF 2002, 64

GV/RP 2002, 268

KomVerw 2002, 296

NPA 2002, 0

RdW 2002, 193

RdW 2003, 261

RdW 2004, 417

BFH/NV-Beilage 2002, 60

BGBl. I 2002, 1305

FB 2002, 276

FuBW 2002, 620

FuHe 2002, 581

FuNds 2003, 164

GK 2002, 250

NWB-DokSt 2002, 303

www.judicialis.de 2002

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