Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtannahmebeschluß: keine Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde trotz Verletzung der Vorlageverpflichtung eines letztinstanzlichen Gerichts iSv EWGVtr Art. 177 Abs. 3 zur Frage eines Betriebsübergangs

 

Orientierungssatz

1. Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach EWGVtr Art 177 Abs 3 verletzt den grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf den gesetzlichen Richter, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht diese Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt hat (vgl BVerfG, 1990-05-31, 2 BvL 12/88, BVerfGE 82, 159 ≪195f≫).

Eine Vorlagepflicht, nicht nur eine Vorlageberechtigung, eines letztinstanzlichen Gerichts iSv EWGVtr Art 177 Abs 3 ist gegeben, wenn eine Revision nicht zugelassen ist, das Urteil mit keinem Rechtsmittel anfechtbar war und sich das letztinstanzliche Gericht ohne nachvollziehbare Gründe einer Auseinandersetzung mit der Auslegung der entsprechenden Ratsrichtlinie durch den EuGH entzogen hat.

2. Obwohl das LArbG im vorliegenden Fall erkannt hat, daß die Frage eines Betriebsübergangs unter Berücksichtigung der Richtlinie 77/187/EWG (JURIS: EWGRL 187/77) des Rates der EG zum Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen zu prüfen ist und es weiter davon ausging, daß der EuGH die Auffassung vertrete, ein Unternehmensübergang iSd Ratsrichtlinie könne auch dann vorliegen, wenn lediglich eine Funktion von einem anderen Arbeitgeber ausgeübt werde (vgl EuGH, 1994-04-14, C-392/92, NJW 1994, 2343), hat es eine Vorlageverpflichtung verneint. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung des EuGH kann ein nationales Gericht, wenn es letztinstanzlich entscheidet, nur im Wege einer Vorlage nach EWGVtr Art 177 Abs 3 ausräumen.

3. Aber auch im Falle einer Zurückverweisung an das LArbG könnte der Beschwerdeführer keinen Erfolg haben (vgl BVerfG, 1994-02-08, 1 BvR 1693/92, BVerfGE 90, 22 ≪25f≫). Der EuGH hat inzwischen seine Auslegung der Ratsrichtlinie EWGRL 187/77 dahin geklärt, daß die Ähnlichkeit der vor und nach dem zu beurteilenden Vorgang verrichteten Arbeitnehmertätigkeiten für sich allein noch nicht den Schluß zuläßt, es liege der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit und damit ein Betriebsübergang vor (vgl EuGH, 1997-03-11, C- 13/95, DB 1997, 628). Damit würde sich die Frage einer Vorlage an den EuGH heute nicht mehr stellen.

 

Normenkette

EWGRL 187/77 Art. 1, 4; EWGVtr Art. 177 Abs. 3; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; BVerfGG § 93a Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.02.1995; Aktenzeichen 9 Sa 110/94)

 

Gründe

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zum Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen.

1. Der Beschwerdeführer war bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einer Baugenossenschaft, als Gärtner beschäftigt. Seine Aufgabe war es im wesentlichen, gemeinsam mit zwei weiteren in der Abteilung der Gärtnerei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern die von der Beklagten verwalteten Wohnanlagen gärtnerisch zu betreuen. Der Vorstand der Beklagten beschloß im Jahre 1993, die Gärtnerei zu schließen und die gärtnerischen Tätigkeiten fremd zu vergeben. Aufgrund dieser Entscheidung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der drei in der Gärtnerei beschäftigten Arbeitnehmer zum 31. März 1994.

2. Gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses erhob der Beschwerdeführer Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Freiburg wies die Klage ab. Die Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil begründete der Beschwerdeführer insbesondere damit, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und daher unwirksam. Er berief sich dabei auf die nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. April 1994 (Rs. C-392/92, Christel Schmidt).

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wies die Berufung mit Urteil vom 13. Februar 1995 zurück. Es vertrat die Auffassung, die Kündigung sei nicht wegen § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Gärtnereiarbeiten des Beschwerdeführers stellten keinen Betriebsteil im Sinne des § 613 a Abs. 4 BGB dar, sondern nur eine konkrete betriebliche Aufgabenstellung. Auch seien weder sächliche noch immaterielle Betriebsmittel auf die Fremdfirma, die für die Beklagte ausschließlich mit den von ihr angestellten Arbeitnehmern die Gärtnereiarbeiten verrichte, übergegangen.

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung auch nicht nach Art. 4 der Ratsrichtlinie 77/187/EWG für unwirksam. Der Europäische Gerichtshof habe zwar in seinem Urteil vom 14. April 1994 die Auffassung vertreten, ein Unternehmensübergang könne auch dann vorliegen, wenn lediglich eine Funktion von einem anderen Arbeitgeber ausgeübt werde. Er habe es allerdings nicht für notwendig erachtet, seine Meinung zu begründen. Daher sei eine Auseinandersetzung mit diesem Urteil nicht möglich. Ob der Europäische Gerichtshof die Richtlinie richtig ausgelegt habe, könne dahingestellt bleiben, da der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. April 1994 lediglich den konkreten Fall der Vergabe von Reinigungsarbeiten an eine Fremdfirma, die Arbeitgeberpflichten gegenüber den bislang beschäftigten Arbeitnehmern übernimmt, entschieden habe. Der vorliegende Fall sei anders gelagert. Die Beklagte habe aus wirtschaftlichen Gründen eine Betriebsabteilung - die Gärtnerei - geschlossen. Dies habe zu einer Änderung im Bereich der Beschäftigung geführt, mit der Folge, daß dem Beschwerdeführer zu kündigen gewesen sei. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei nicht geboten, da das Urteil vom 14. April 1994 gegenüber dem nunmehr von der Kammer entschiedenen Fall keine Bindungswirkung habe. Das Landesarbeitsgericht ließ eine Revision gegen das Urteil nicht zu.

Die vom Beschwerdeführer erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg, da das Bundesarbeitsgericht eine Abweichung des Urteils von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abschließend genannten Gerichte nicht festzustellen vermochte.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Er meint, das Landesarbeitsgericht sei in objektiv willkürlicher Weise seiner Vorlageverpflichtung nach Art. 177 Abs. 3 EWGV nicht nachgekommen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sei es auf die Frage angekommen, ob die Fremdvergabe der Gärtnereiarbeiten einen Teilbetriebsübergang im Sinne von Art. 1 und 4 der Richtlinie des Rates 77/187/EWG darstelle. Das Landesarbeitsgericht habe die Vorlage nicht mit der Begründung verweigern können, die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs sei auf dieses Verfahren nicht anwendbar. Die Vorlagepflicht entfalle nur dann, wenn das nationale Gericht der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs folgen wolle. Das Landesarbeitsgericht habe aber ersichtlich die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, daß die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 177 Abs. 3 EWGV den grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht diese Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt hat (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195 f.≫).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zwar verletzt das Urteil des Landesarbeitsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Landesarbeitsgericht hat als letztinstanzliches Fachgericht die Zuständigkeitsregel des Art. 177 Abs. 3 EWGV in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt. Die Grundrechtsverletzung ist aber nicht so gewichtig, daß sie auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet.

Dem Beschwerdeführer steht durch die Versagung der Entscheidung auch kein besonders schwerer Nachteil, denn es ist deutlich abzusehen, daß der Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).

a) Das Landesarbeitsgericht war in dem vorliegenden Rechtsstreit letztinstanzliches Gericht im Sinne von Art. 177 Abs. 3 EWGV, so daß eine Vorlagepflicht, nicht nur eine Vorlageberechtigung, gegeben war. Da es eine Revision nicht zugelassen hatte, war das Urteil mit keinem Rechtsmittel anfechtbar. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kam hier ersichtlich nicht in Betracht (§ 72 a Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG; vgl. BAG, AP Nr. 26 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz).

b) Das Landesarbeitsgericht hat sich ohne nachvollziehbare Gründe einer Auseinandersetzung mit der Auslegung der Ratsrichtlinie 77/187/EWG durch den Europäischen Gerichtshof entzogen und eine Vorlageverpflichtung verneint. Es hat erkannt, daß die Frage eines Betriebsübergangs unter Berücksichtigung der Ratsrichtlinie zu prüfen ist. Weiter ging es davon aus, der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 14. April 1994 die Auffassung vertreten, ein Unternehmensübergang im Sinne der Ratsrichtlinie könne auch dann vorliegen, wenn lediglich eine Funktion von einem anderen Arbeitgeber ausgeübt werde. Zwar kommt einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Bindungswirkung nur in dem jeweiligen Vorlageverfahren zu. Dies entbindet das Landesarbeitsgericht aber nicht davon, seine Vorlageverpflichtung gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV anhand der von ihm erkannten Auslegung der Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof zu überprüfen. Hier hat aber das Landesarbeitsgericht diese Prüfung mit nicht haltbaren Gründen verweigert.

Die Vorlagepflicht konnte auch nicht mit der Begründung verneint werden, der anhängige Rechtsstreit sei anders gelagert als der vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Fall, da hier eine Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen worden sei. Eine Pflicht zur Vorlage wäre zwar dann nicht in Betracht gekommen, wenn auch bei Zugrundelegung der Auslegung der Ratsrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof keine Übertragung der Abteilung auf ein anderes Unternehmen, sondern deren Schließung zu bejahen gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber ohne Heranziehung der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs eine Schließung der Abteilung angenommen. Damit hat es sich aber der für seine Vorlageverpflichtung maßgeblichen Prüfung entzogen.

Schließlich war das Landesarbeitsgericht auch nicht dadurch von der Vorlagepflicht entbunden, daß es die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für mangelhaft begründet hielt. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs kann ein nationales Gericht, wenn es - wie hier - letztinstanzlich entscheidet, nur im Wege einer Vorlage nach Art. 177 Abs. 3 EWGV ausräumen.

c) Der Beschwerdeführer könnte aber auch im Falle einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben. Der Europäische Gerichtshof hat inzwischen seine Auslegung der Ratsrichtlinie 77/187/EWG dahin geklärt, daß die Ähnlichkeit der vor und nach dem zu beurteilenden Vorgang verrichteten Arbeitnehmertätigkeiten für sich allein noch nicht den Schluß zuläßt, es liege der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit und damit ein Betriebsübergang vor (Entscheidung vom 11. März 1997 - Rs. C-13/95, Ayse/Süzen). Da nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder Betriebsmittel übertragen noch Mitarbeiter übernommen worden waren, würde sich heute die Frage einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht mehr stellen. Ebensowenig bestünde Anlaß für eine andere Sachentscheidung.

3. Bei der Kostenentscheidung hat die Kammer im Hinblick auf die Verletzung der Vorlagepflicht durch das Landesarbeitsgericht von der Möglichkeit des § 34 a Abs. 3 BVerfGG Gebrauch gemacht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften zum Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen.

1. Der Beschwerdeführer war bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einer Baugenossenschaft, als Gärtner beschäftigt. Seine Aufgabe war es im wesentlichen, gemeinsam mit zwei weiteren in der Abteilung der Gärtnerei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern die von der Beklagten verwalteten Wohnanlagen gärtnerisch zu betreuen. Der Vorstand der Beklagten beschloß im Jahre 1993, die Gärtnerei zu schließen und die gärtnerischen Tätigkeiten fremd zu vergeben. Aufgrund dieser Entscheidung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der drei in der Gärtnerei beschäftigten Arbeitnehmer zum 31. März 1994.

2. Gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses erhob der Beschwerdeführer Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Freiburg wies die Klage ab. Die Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil begründete der Beschwerdeführer insbesondere damit, die Kündigung sei wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und daher unwirksam. Er berief sich dabei auf die nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. April 1994 (Rs. C-392/92, Christel Schmidt).

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wies die Berufung mit Urteil vom 13. Februar 1995 zurück. Es vertrat die Auffassung, die Kündigung sei nicht wegen § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Die Gärtnereiarbeiten des Beschwerdeführers stellten keinen Betriebsteil im Sinne des § 613 a Abs. 4 BGB dar, sondern nur eine konkrete betriebliche Aufgabenstellung. Auch seien weder sächliche noch immaterielle Betriebsmittel auf die Fremdfirma, die für die Beklagte ausschließlich mit den von ihr angestellten Arbeitnehmern die Gärtnereiarbeiten verrichte, übergegangen.

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung auch nicht nach Art. 4 der Ratsrichtlinie 77/187/EWG für unwirksam. Der Europäische Gerichtshof habe zwar in seinem Urteil vom 14. April 1994 die Auffassung vertreten, ein Unternehmensübergang könne auch dann vorliegen, wenn lediglich eine Funktion von einem anderen Arbeitgeber ausgeübt werde. Er habe es allerdings nicht für notwendig erachtet, seine Meinung zu begründen. Daher sei eine Auseinandersetzung mit diesem Urteil nicht möglich. Ob der Europäische Gerichtshof die Richtlinie richtig ausgelegt habe, könne dahingestellt bleiben, da der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. April 1994 lediglich den konkreten Fall der Vergabe von Reinigungsarbeiten an eine Fremdfirma, die Arbeitgeberpflichten gegenüber den bislang beschäftigten Arbeitnehmern übernimmt, entschieden habe. Der vorliegende Fall sei anders gelagert. Die Beklagte habe aus wirtschaftlichen Gründen eine Betriebsabteilung - die Gärtnerei - geschlossen. Dies habe zu einer Änderung im Bereich der Beschäftigung geführt, mit der Folge, daß dem Beschwerdeführer zu kündigen gewesen sei. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sei nicht geboten, da das Urteil vom 14. April 1994 gegenüber dem nunmehr von der Kammer entschiedenen Fall keine Bindungswirkung habe. Das Landesarbeitsgericht ließ eine Revision gegen das Urteil nicht zu.

Die vom Beschwerdeführer erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg, da das Bundesarbeitsgericht eine Abweichung des Urteils von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abschließend genannten Gerichte nicht festzustellen vermochte.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Er meint, das Landesarbeitsgericht sei in objektiv willkürlicher Weise seiner Vorlageverpflichtung nach Art. 177 Abs. 3 EWGV nicht nachgekommen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sei es auf die Frage angekommen, ob die Fremdvergabe der Gärtnereiarbeiten einen Teilbetriebsübergang im Sinne von Art. 1 und 4 der Richtlinie des Rates 77/187/EWG darstelle. Das Landesarbeitsgericht habe die Vorlage nicht mit der Begründung verweigern können, die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs sei auf dieses Verfahren nicht anwendbar. Die Vorlagepflicht entfalle nur dann, wenn das nationale Gericht der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs folgen wolle. Das Landesarbeitsgericht habe aber ersichtlich die Auslegung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, da die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, daß die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 177 Abs. 3 EWGV den grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht diese Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt hat (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195 f.≫).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zwar verletzt das Urteil des Landesarbeitsgerichts den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Landesarbeitsgericht hat als letztinstanzliches Fachgericht die Zuständigkeitsregel des Art. 177 Abs. 3 EWGV in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt. Die Grundrechtsverletzung ist aber nicht so gewichtig, daß sie auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet.

Dem Beschwerdeführer steht durch die Versagung der Entscheidung auch kein besonders schwerer Nachteil, denn es ist deutlich abzusehen, daß der Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).

a) Das Landesarbeitsgericht war in dem vorliegenden Rechtsstreit letztinstanzliches Gericht im Sinne von Art. 177 Abs. 3 EWGV, so daß eine Vorlagepflicht, nicht nur eine Vorlageberechtigung, gegeben war. Da es eine Revision nicht zugelassen hatte, war das Urteil mit keinem Rechtsmittel anfechtbar. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kam hier ersichtlich nicht in Betracht (§ 72 a Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG; vgl. BAG, AP Nr. 26 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz).

b) Das Landesarbeitsgericht hat sich ohne nachvollziehbare Gründe einer Auseinandersetzung mit der Auslegung der Ratsrichtlinie 77/187/EWG durch den Europäischen Gerichtshof entzogen und eine Vorlageverpflichtung verneint. Es hat erkannt, daß die Frage eines Betriebsübergangs unter Berücksichtigung der Ratsrichtlinie zu prüfen ist. Weiter ging es davon aus, der Europäische Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 14. April 1994 die Auffassung vertreten, ein Unternehmensübergang im Sinne der Ratsrichtlinie könne auch dann vorliegen, wenn lediglich eine Funktion von einem anderen Arbeitgeber ausgeübt werde. Zwar kommt einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine Bindungswirkung nur in dem jeweiligen Vorlageverfahren zu. Dies entbindet das Landesarbeitsgericht aber nicht davon, seine Vorlageverpflichtung gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV anhand der von ihm erkannten Auslegung der Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof zu überprüfen. Hier hat aber das Landesarbeitsgericht diese Prüfung mit nicht haltbaren Gründen verweigert.

Die Vorlagepflicht konnte auch nicht mit der Begründung verneint werden, der anhängige Rechtsstreit sei anders gelagert als der vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Fall, da hier eine Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen worden sei. Eine Pflicht zur Vorlage wäre zwar dann nicht in Betracht gekommen, wenn auch bei Zugrundelegung der Auslegung der Ratsrichtlinie durch den Europäischen Gerichtshof keine Übertragung der Abteilung auf ein anderes Unternehmen, sondern deren Schließung zu bejahen gewesen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber ohne Heranziehung der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs eine Schließung der Abteilung angenommen. Damit hat es sich aber der für seine Vorlageverpflichtung maßgeblichen Prüfung entzogen.

Schließlich war das Landesarbeitsgericht auch nicht dadurch von der Vorlagepflicht entbunden, daß es die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für mangelhaft begründet hielt. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs kann ein nationales Gericht, wenn es - wie hier - letztinstanzlich entscheidet, nur im Wege einer Vorlage nach Art. 177 Abs. 3 EWGV ausräumen.

c) Der Beschwerdeführer könnte aber auch im Falle einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben. Der Europäische Gerichtshof hat inzwischen seine Auslegung der Ratsrichtlinie 77/187/EWG dahin geklärt, daß die Ähnlichkeit der vor und nach dem zu beurteilenden Vorgang verrichteten Arbeitnehmertätigkeiten für sich allein noch nicht den Schluß zuläßt, es liege der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit und damit ein Betriebsübergang vor (Entscheidung vom 11. März 1997 - Rs. C-13/95, Ayse/Süzen). Da nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder Betriebsmittel übertragen noch Mitarbeiter übernommen worden waren, würde sich heute die Frage einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht mehr stellen. Ebensowenig bestünde Anlaß für eine andere Sachentscheidung.

3. Bei der Kostenentscheidung hat die Kammer im Hinblick auf die Verletzung der Vorlagepflicht durch das Landesarbeitsgericht von der Möglichkeit des § 34 a Abs. 3 BVerfGG Gebrauch gemacht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

NJW 1997, 2512

NJW 1997, 2512 (red. Leitsatz und Gründe)

EWiR 1997, 881 (red. Leitsatz)

NZA 1997, 931

NZA 1997, 931-932 (red. Leitsatz und Gründe)

ZIP 1997, 1801

ZIP 1997, 1801-1803 (red. Leitsatz und Gründe)

AP BGB § 613a, Nr. 164 (red. Leitsatz)

AP EWG-Vertrag Art. 177, Nr. 32 (red. Leitsatz)

EuZW 1997, 575

EuZW 1997, 575-576 (red. Leitsatz und Gründe)

EzA-SD 1997, Nr. 15, 5-7 (red. Leitsatz und Gründe)

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