Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Krankenversicherungsbeitrags

 

Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

Hamburg-Münchener-Ersatzkasse, Hamburg, Schäferkampsallee 16, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Krankenversicherungsbeitrags.

Der Kläger ist seit langem freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Nachdem er als Beamter in den Ruhestand getreten ist, bezieht er seit Mai 1988 Ruhegehalt und daneben wegen seiner Kinder Bezüge in Höhe der Differenz zwischen Stufe 2 und Stufe 5 des Ortszuschlags (kindbezogener Teil des Ortszuschlags). Anfang 1990 betrugen nach Angaben des Klägers das Ruhegehalt und diese Bezüge zusammen monatlich 3.457,85 DM. Mit Bescheid vom 27. Februar 1990 erhöhte die Beklagte ab Januar 1990 den monatlichen Beitrag von 395 DM auf 417 DM und legte dabei Einnahmen in Höhe der Gesamtbezüge zugrunde. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, nur das Ruhegehalt von monatlich 3.078 DM, nicht aber der kindbezogene Teil des Ortszuschlags von 379,85 DM dürfe zur Beitragsbemessung herangezogen werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1991 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 29. September 1992 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 29. April 1993 zurückgewiesen. Auch bei dem kindbezogenen Teil des Ortszuschlags handele es sich um beitragspflichtige Versorgungsbezüge.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 240 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), des § 29 Abs 2 der Satzung der Beklagten iVm § 2 Abs 1 Nr 1 und § 5 Abs 1 Nr 2 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) sowie des Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 (Sozialstaatsprinzip) des Grundgesetzes (GG), des Art 3 Abs 1 GG und des Art 6 Abs 1 GG.

Der Kläger beantragt,unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 29. April 1993, des Urteils des SG vom 29. September 1992 und des Bescheides der Beklagten vom 27. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1991 die Beklagte zu verurteilen, den Krankenversicherungsbeitrag ab dem 1. Mai 1988 unter Außerachtlassung der kindbezogenen Ortszuschlagsanteile zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Soweit die Höhe der Beiträge für die Zeit ab Januar 1990 betroffen ist, ist die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet; die festgestellten Tatsachen reichen insoweit für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Für die Zeit ab Januar 1990 ist umstritten, ob der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1991 rechtmäßig ist, soweit die Beiträge darin auch unter Berücksichtigung des kindbezogenen Teils des Ortszuschlags festgesetzt worden sind. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides erfordert zunächst, daß die Einbeziehung der genannten Bezüge in die Beitragsbemessung nach beitragsrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Dieses ist der Fall, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Rechtsgrundlage ist insoweit § 240 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen SGB V iVm § 29 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in der seit dem 1. Januar 1990 geltenden Fassung.

Nach § 240 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt (Abs 1 Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt (Abs 1 Satz 2). Die Satzung der Krankenkasse muß mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Damit soll nach der Begründung des Entwurfs eines Gesundheits-Reformgesetzes (BT-Drucks 11/2237, S 225 zu Art 1 § 249) erreicht werden, daß ein freiwilliges Mitglied beitragsmäßig nicht geringer belastet wird als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter. Wie der erkennende Senat entschieden hat, muß die Satzung danach jedenfalls vorsehen, daß alle Einnahmen, die bei einem versicherungspflichtig Beschäftigten gemäß § 226 Abs 1, 2 SGB V zu berücksichtigen sind, auch der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter zugrunde gelegt werden, nämlich das Arbeitsentgelt, der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) und das Arbeitseinkommen (BSGE 71, 137, 142, 143 = SozR 3-2500 § 240 Nr 9). Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist die Beklagte nachgekommen; denn nach § 29 Abs 2 Satz 1 ihrer Satzung sind der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter als beitragspflichtige Einnahmen zugrunde zu legen: 1. Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung oder Vorruhestandsgeld, 2. Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 3. sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt, 4. Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge), 5. Arbeitseinkommen. Unter Versorgungsbezügen iS der Satzung ist wegen der übereinstimmenden Formulierung das gleiche zu verstehen wie unter Versorgungsbezügen iS des § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V. Nach § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, der demnach auch zur Auslegung der Satzungsregelung heranzuziehen ist, gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden, ua Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, wobei bestimmte, unter Buchst a bis d der Vorschrift genannte Bezüge außer Betracht bleiben.

Der kindbezogene Teil des Ortszuschlags, den ein Ruhestandsbeamter erhält, gehört zu den Versorgungsbezügen iS des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V. Denn er wird für vorangegegangene Dienste in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis entweder wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit (Dienstunfähigkeit) oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gewährt und wie die Rente in monatlichen Bezügen laufend gezahlt. Rechtsgrundlage für diese Leistung ist § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG idF der Bekanntmachung vom 12. Februar 1987 (BGBl I 570). Danach wird der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 2 und der nach dem Besoldungsrecht in Betracht kommenden Stufe des Ortszuschlages (§ 40 Abs 3 des Bundesbesoldungsgesetzes ≪BBesG≫) neben dem Ruhegehalt gezahlt. Bereits der Umstand, daß diese Bestimmung in das BeamtVG aufgenommen worden ist, spricht dafür, daß die aus ihr abgeleitete Leistung einen Teil der Versorgung der Beamten darstellt, weil dieses Gesetz die Versorgung der Beamten regelt, also voraussetzt, daß der nach seinen Vorschriften Berechtigte sich nicht mehr im aktiven Dienst befindet, sondern in den Ruhestand versetzt worden ist.

Hinzu kommt, daß der kindbezogene Teil des Ortszuschlags gemäß § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG nur zusammen mit dem Ruhegehalt gezahlt wird. Somit ist diese Leistung - abgesehen von den weiteren Voraussetzungen nach dem Besoldungsrecht (§§ 39 bis 41 BBesG) - nur zulässig, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ruhestand (§§ 35 bis 47 des Bundesbeamtengesetzes ≪BBG≫ und die entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften) und für das Ruhegehalt (§§ 4 bis 15 BeamtVG) erfüllt sind. Wird dagegen ein Beamter, dem wegen seiner Kinder Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zusteht, auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen, erhält er kein Ruhegehalt und mithin auch nicht den kindbezogenen Teil des Ortszuschlags. Die in § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a bis d SGB V genannten Ausnahmen treffen auf diese Bezüge nicht zu.

Dem kindbezogenen Teil des Ortszuschlags nach § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG fehlt entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb die Eigenschaft als Versorgungsbezüge iS des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V und mithin iS des § 29 Abs 2 Satz 1 der Satzung, weil sie bei der in § 2 BeamtVG enthaltenen Begriffsbestimmung der Versorgungsbezüge nicht aufgeführt und daher iVm § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BeamtVG keine Versorgungsbezüge iS des BeamtVG sind. Aus Wortlaut und Zweckbestimmung des § 229 SGB V ergibt sich vielmehr, daß bei Ruhestandsbeamten nicht nur das beamtenrechtliche Ruhegehalt (§ 2 Abs 1 Nr 1 BeamtVG) als Versorgungsbezug gewertet wird. Sonst hätte der Gesetzgeber in § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V und auch bereits in der von 1983 bis 1988 geltenden gleichlautenden Vorschrift des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf das BeamtVG Bezug genommen, das in seiner ursprünglichen Fassung vom 24. August 1976 (BGBl I 2485) bereits seit dem 1. Januar 1977 in Kraft ist und nach dem schon damals der kindbezogene Teil des Ortszuschlags nicht zu den Versorgungsbezügen gehörte. Statt dessen hat er die verallgemeinernde Formulierung "Versorgungsbezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis" gewählt.

Die Nichterwähnung des kindbezogenen Teils des Ortszuschlags bei der Aufzählung der Versorgungsbezüge in § 2 BeamtVG hat ihre Ursache nicht darin, daß es sich bei ihnen um zweckgebundene Sozialleistungen handelt, die einen besonderen Bedarf abdecken sollen und deshalb nicht zur Beitragsbemessung herangezogen werden dürfen (vgl BSGE 50, 243, 245 = SozR 2200 § 180 Nr 5; BSG SozR 2200 § 180 Nr 10; BSGE 71, 237, 241, 242 = SozR 3-2500 § 240 Nr 12). Insbesondere sind diese Bezüge nicht mit dem Kindergeld nach dem BKGG vergleichbar, das eine derartige zweckgebundene Sozialleistung darstellt (BSG SozR 2200 § 180 Nrn 7 und 9; BSGE 62, 100, 108 = SozR 2200 § 180 Nr 44). Entsprechendes gilt gegenüber Kinderzuschüssen, die nach besitzstandswahrenden Übergangsregelungen (§ 1262 RVO, § 39 des Angestelltenversicherungsgesetzes, § 270 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫) aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden und bei deren Bezug nach § 8 Abs 1 Satz 1 BKGG ein Anspruch auf Kindergeld nicht besteht (vgl BSG SozR 2200 § 180 Nr 48 S 205, 207, 208). Vielmehr beruht die Nichterwähnung des kindbezogenen Teils des Ortszuschlags in § 2 BeamtVG auf den Besonderheiten des Beamtenrechts. Schon nach § 156 Abs 2 Satz 1 BBG in seiner ursprünglichen Fassung vom 14. Juli 1953 (BGBl I 551) und nach den entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften wurden neben Ruhegehalt oder Witwengeld Kinderzuschläge nach den für die Beamten im Dienst geltenden Vorschriften gewährt. Die auf dem für Beamte maßgebenden Alimentationsprinzip beruhende Regelung, daß ein Pensionär für seine Kinder einen Zuschlag in gleicher Höhe wie der aktive Beamte bei entsprechender Kinderzahl erhält, ist im wesentlichen erhalten geblieben, als der Kinderzuschlag durch die am 1. Juli 1975 in Kraft getretene Neufassung des BBesG formal abgeschafft und stattdessen - wie jetzt in § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG geregelt - eine entsprechende Leistung Bestandteil des Ortszuschlags wurde. Nach wie vor ist für diese kindbezogene Leistung typisch, daß sie einerseits nicht ruhegehaltsfähig ist, dh bei der Errechnung des Ruhegehalts außer Betracht bleibt, andererseits im Gegensatz zu nicht ruhegehaltsfähigen Bezügen (wie etwa bestimmten Stellenzulagen) sogar in voller Höhe wie bei aktiven Beamten auch den Ruhestandsbeamten gewährt wird, jetzt allerdings nicht mehr als Kinderzuschlag, sondern als kindbezogener Teil des Ortszuschlags. Aus diesem Grunde erschien es dem Gesetzgeber zweckmäßig, im BeamtVG nur die Bestimmung aufzunehmen, daß diese Bezüge von der Gewährung des Ruhegehalts abhängig sind, und im übrigen auf das Besoldungsrecht zu verweisen. Obwohl die Bezüge nach § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG im weiteren Sinne auch zu den beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen zu rechnen sind (Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd I Teil 4 Versorgungsrecht, § 50 BeamtVG, Stand Feb 1992, RdNr 10; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Komm zum BeamtVG, § 50 F 1992, Stand Okt 1992, Anm 1 b), fallen sie nicht unter die Regelungen, die das BeamtVG über Versorgungsbezüge trifft (vgl BVerwG Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr 9). Insbesondere sind sie weder bei der Berechnung der in § 2 BeamtVG genannten Versorgungsbezügen, noch bei der Bemessung der nach ihnen zu gewährenden Leistungen (zB Witwen-/Witwerabfindung) zu berücksichtigen, sofern nicht, wie etwa in § 18 Abs 1 Satz 3 BeamtVG, ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, daß diese Bezüge, anders als die entsprechenden Bezüge für aktive Beamte, eine vom Beamtenstatus unabhängige sozialrechtliche Zweckbestimmung haben. Im Gegenteil spricht die in § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG enthaltene Verweisung auf das Besoldungsrecht dafür, daß der kindbezogene Teil des Ortszuschlags, unabhängig davon, ob er aktiven Beamten oder Pensionären gewährt wird, dem gleichen Zweck, nämlich der Alimentation der Beamten, dient. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 4. Juni 1991 (SozR 3-2200 § 180 Nr 7) entschieden hat, stellt der an aktive Beamte gezahlte kindbezogene Teil des Ortszuschlags keine zweckbestimmte Sozialleistung dar. Nichts anderes kann für die den Ruhestandsbeamten gewährten entsprechenden Bezüge gelten. Wie diese werden sie neben dem Kindergeld gezahlt und unterliegen gemäß § 2 Abs 1 Nr 4 iVm § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 2 des Einkommensteuergesetzes der Einkommensteuer. Das hier gefundene Ergebnis stimmt auch mit dem Urteil vom 25. Oktober 1988 (BSG SozR 2200 § 180 Nr 45) überein, wonach "Kindergeld", das zusammen mit einer Betriebsrente gezahlt wurde, als Teil der beitragspflichtigen Versorgungsbezüge eines Rentners anzusehen ist. Denn es ließe sich nicht rechtfertigen, die kindbezogene Leistung an einen Pensionär anders zu behandeln als die entsprechende Leistung an einen Rentner, der Versorgungsbezüge aus einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V) erhält. Die Unterwerfung des kindbezogenen Teils des Ortszuschlags unter die Beitragspflicht entspricht schließlich auch dem Grundsatz des Beitragsrechts in der Sozialversicherung, nach welchem der Bruttobetrag des Arbeitsentgelts beitragspflichtig ist und besondere Zweckbestimmungen von Teilen des Arbeitsentgelts unbeachtlich bleiben, es sei denn, diese Bezüge sind in der Arbeitsentgeltverordnung ausdrücklich berücksichtigt.

Soweit der Kläger gegen die Heranziehung der Bezüge iS des § 50 Abs 1 Satz 2 BeamtVG einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG insoweit geltend macht, als er im Vergleich zu freiwillig Versicherten, deren Einnahmen über der Beitragsbemessungsgrundlage liegen, verfassungswidrig benachteiligt werde, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für eine verfassungsrechtliche Überprüfung. Denn wenn die Auffassung des Klägers zutreffend wäre, würde dies allenfalls zu einer Anhebung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze und damit zu einer Mehrbelastung anderer Versicherter führen. Daß sich dadurch wegen der zu erwartenden Mehreinnahmen der Krankenkassen der Beitrag des Klägers verringern könnte, wäre lediglich ein Rechtsreflex und ist nicht einklagbar (vgl Urteil vom 15. Dezember 1994 - 12 RK 57/92, zur Veröffentlichung bestimmt).

Aufgrund der vom LSG festgestellten Tatsachen kann der Senat jedoch zur Beitragshöhe ab Januar 1990 nicht abschließend entscheiden. Unklar ist, ob der angefochtene Bescheid vom 27. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1991 den Beitrag für die Zeit vom 1. Januar 1990 an erstmals regelt oder ob er ihn von diesem Zeitpunkt an und damit rückwirkend erhöht hat. Dieses hängt davon ab, ob ein früherer Beitragsbescheid ergangen war, welchen Inhalt er hatte, ob er etwa (bis Ende 1988) befristet war oder ob der angefochtene Bescheid einen früheren unbefristeten Bescheid abgeändert hat. Letzteres wäre, zumal es sich bei Beitragsbescheiden um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (BSGE 69, 255, 257/258 = SozR 3-1300 § 48 Nr 13; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 6; BSGE 71, 137, 143 = SozR 3-2500 § 240 Nr 9), nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren zulässig gewesen. Die hierfür noch erforderlichen Feststellungen hat das LSG zu treffen. Darüber hinaus kann die vom Kläger geltend gemachte Verfassungswidrigkeit im Zusammenhang mit einer Versicherung seiner Kinder vom Senat nicht geprüft werden, weil auch insoweit die erforderlichen Feststellungen fehlen. Da das LSG das Alter des Klägers nicht festgestellt hat, ist auch unklar, ob bei ihm der frühere § 248 Abs 2 SGB V (vgl jetzt § 240 Abs 3a SGB V) Anwendung findet. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist schließlich darauf hinzuweisen, daß zur Klärung der rechtmäßigen Beitragshöhe allein die Anfechtungsklage genügt und es eines weiteren Antrags, die Beklagte zur Berechnung des Beitrags in zutreffender Höhe zu verpflichten, nicht bedarf (BSGE 62, 100, 102 = SozR 2200 § 180 Nr 44).

Der Senat konnte dagegen abschließend entscheiden, soweit der Kläger begehrt, die Beklagte zu verurteilen, seine Beiträge für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1989 unter Außerachtlassung der kindbezogenen Ortszuschlagsanteile zu berechnen. Insoweit ist die Revision unbegründet, weil die Klage unzulässig ist. Ein streitig gewordenes öffentlich-rechtliches Verhältnis zwischen Versicherten und ihrer Krankenkasse ist - unabhängig von der beabsichtigten Klageart - grundsätzlich zunächst in einem Verwaltungsverfahren durch Verwaltungsakt zu regeln. Erst danach steht der Weg zu den Gerichten offen (vgl BSGE 58, 150,

152 = SozR 1500 § 55 Nr 27; BSGE 59, 227, 229 = SozR 4100 § 134 Nr 29). Im vorliegenden Fall hat aber hinsichtlich der Beitragshöhe in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1989 ein Verwaltungsverfahren nicht stattgefunden. Das durchgeführte Verwaltungs- und Vorverfahren bezieht sich nur auf die im Bescheid vom 27. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1991 getroffene Regelung zur Beitragshöhe ab Januar 1990. Dies hat für die davor liegende Zeit die Unzulässigkeit der Klage zur Folge.

Das LSG wird bei seiner Entscheidung auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.BUNDESSOZIALGERICHTAz: 12 RK 11/94

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518843

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