Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkursausfallgeld. abhängige Beschäftigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Treuhandvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Geschäftsführer einer GmbH durch einen Treuhandvertrag im Besitz der Mehrheit am Stammkapital der Gesellschaft, dann scheidet ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht von vornherein aus, wenn er aufgrund der schuldrechtlichen Bindungen durch das Treuhandverhältnis ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft nicht verhindern kann.

 

Normenkette

AFG § 141b Abs. 1; BGB §§ 662, 675

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.08.1995; Aktenzeichen L 12 Ar 33/94)

SG Köln (Entscheidung vom 20.01.1994; Aktenzeichen S 21 Ar 134/93)

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug) für einen Zeitraum vom 2. September bis 31. Oktober 1992.

Der Kläger war gemäß Anstellungsvertrag vom 4. April 1984 Geschäftsführer der Firma D. GmbH (T.) in B. (im folgenden: T. GmbH), von deren Stammkapital er 10 % besaß. Die T. GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin zweier Kommanditgesellschaften:

1. T.-D. GmbH & Co KG mit Sitz in B. 2. D. K. GmbH (T.) & Co KG mit Sitz in H. ().

Bei den Kommanditgesellschaften hielt der Kläger 10 vH der Kommanditeinlagen.

Nachdem der Kläger vor diesem gesellschaftsrechtlichen Hintergrund die Geschäftsführung der T. GmbH bis zum 1. September 1992 wahrgenommen hatte, schloß er am 2. September 1992 einen Treuhandvertrag. Durch diesen Vertrag zwischen dem Kläger als Treuhänder und dem Rechtsnachfolger des Mitgesellschafters der T. GmbH und Kommanditisten der beiden Kommanditgesellschaften als Treugeber übernahm der Kläger weitere 50 % der Geschäftsanteile der T. GmbH sowie jeweils weitere 50 % der Kommanditeinlagen der beiden Kommanditgesellschaften. Einen entsprechenden Treuhandvertrag schloß als Treuhänderin die Ehefrau des Klägers, eine Hausfrau und Friseurmeisterin, mit demselben Treugeber über die verbleibenden 40 % der Geschäftsanteile der T. GmbH und die verbleibenden 40 % der Kommanditeinlagen der beiden Kommanditgesellschaften.

Auf den - 15 Tage nach Abschluß der Treuhandverträge gestellten - Antrag des Klägers als Geschäftsführer eröffnete das zuständige Konkursgericht mit Beschluß vom 1. November 1992 die Konkursverfahren über das Vermögen der T. GmbH und der T.-D. GmbH und Co KG. Am 13. November 1992 beantragte der Kläger Kaug für ausgefallenes Bruttoarbeitsentgelt im Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 1992. Die Beklagte bewilligte ihm Kaug mit Bescheid vom 29. März 1993 für die Zeit vom 1. August bis 1. September 1992. Für den darüber hinausgehenden Zeitraum lehnte sie die Zahlung mit der Begründung ab, ab dem 2. September 1992 sei der Kläger nicht mehr Arbeitnehmer gewesen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1993 zurück.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Urteil vom 20. Januar 1994 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 23. August 1995 zurückgewiesen. Das SG habe den Kaug-Anspruch mit Recht verneint, weil der Kläger ab 2. September 1992 nicht mehr als Arbeitnehmer anzusehen sei (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 18. April 1991, SozR 3-4100 § 168 Nr 5). Für einen am Gesellschaftskapital der GmbH beteiligten Geschäftsführer bestimme sich seine Abhängigkeit nach dem Umfang der Kapitalbeteiligung und dem Ausmaß des sich ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft. Verfüge er über mindestens die Hälfte des Stammkapitals und damit maßgebenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft, sei ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen. So liege es beim Kläger, der mit 60 % über mehr als die Hälfte des Stammkapitals der T. GmbH verfügt habe. Dieser sei auch nicht durch den Treuhandvertrag vom 2. September 1992 an der Ausübung seiner Gesellschafterrechte gehindert gewesen. Daß er schuldrechtlich weisungsgebunden sowie zur Übertragung der Anteile verpflichtet gewesen sei, habe ihn jedoch in der rechtlich wesentlichen Ausübung seines Stimmrechts nicht gehindert. Der Treugeber sei nicht im Besitze der unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht gewesen. Für den Fall der Beendigung des Treuhandverhältnisses habe es auch an einer vorweggenommenen dinglichen Übertragung der Geschäfts- und Gesellschaftsanteile gefehlt.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 141b Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Er sei auch nach Abschluß des Treuhandvertrages unverändert Arbeitnehmer geblieben, die Entscheidungen habe immer der Treugeber W. R. getroffen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. August 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20. Januar 1994 aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, ihm unter Änderung des Bescheides vom 29. März 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 1993 Konkursausfallgeld auch für den Zeitraum vom 2. September 1992 bis 31. Oktober 1992 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt - unter näherer Darlegung -,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. August 1995 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung begründet. Die Rüge der Verletzung von § 141b Abs 1 AFG durch die Feststellung des LSG, der Kläger sei ab dem 2. September 1992 nicht mehr als abhängig beschäftigter Geschäftsführer der T. GmbH tätig gewesen, greift durch. Die Feststellungen im übrigen reichen zur abschließenden Entscheidung durch den Senat nicht aus.

1.a) Nach § 141b Abs 1 AFG haben nur Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug. Da der Begriff des Arbeitnehmers in den Vorschriften über das Kaug-Recht (§§ 141a bis 141n AFG) nicht geregelt ist, dienen für die Abgrenzung der Arbeitnehmer von den Selbständigen die in den Vorschriften über die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung verwendeten Merkmale (vgl Senatsurteil vom 7. September 1988, SozR 4100 § 141b Nr 41 S 156). Arbeitnehmer sind danach Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Diese Legaldefinition des § 168 Abs 1 Satz 1 AFG wird ergänzt ua durch § 173a AFG, der für die Beitragspflicht auch der Arbeitnehmer auf die Vorschriften des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV), ua über die Beschäftigung (§ 7), verweist und deren entsprechende Anwendung anordnet. Nach der genannten Vorschrift fällt unter den Begriff "Beschäftigung" die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Senatsurteil aaO; BSG vom 8. Dezember 1994, SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 44; zur Verfassungsmäßigkeit der an § 7 SGB IV anknüpfenden.Bestimmungen vgl Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

b) Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb mithin derjenige, der in den Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung umfaßt (vgl Senatsurteil aaO mwN). Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen.

c) Auch die Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH eine abhängige und deshalb beitragspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ist, beurteilt sich nach diesen Grundsätzen (BSG vom 18. April 1991, SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 8). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft bzw den Gesellschaftern ist nicht bereits durch die Organstellung des Geschäftsführers ausgeschlossen (so bereits BSG vom 13. Dezember 1960, BSGE 13, 196, 200 = SozR Nr 5 zu § 1 AFG; BSG SozR 4100 § 141b Nr 41 S 157; SozR 3-4100 § 168 Nr 5 S 9 und Nr 18 S 45). Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Denn wer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber zu vermeiden vermag, kann nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein. Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluß auf deren Entscheidungen besitzen, hat die Rechtsprechung grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH verneint (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 45 mwN).

d) Die Schlußfolgerung von der Höhe der Kapitalbeteiligung auf das Ausmaß des sich daraus ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft kann aber dann nicht gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer an der uneingeschränkten Ausübung der ihm insofern zustehenden Rechtsmacht aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen gehindert ist bzw war (BSG, 11. Senat, SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 45 f mwN). Seine Rechtsmacht ist insbesondere dann eingeschränkt, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer zB aufgrund einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht auf den - wirtschaftlich maßgebenden - Treugeber ein wesentlicher Teil des Mitgliedschaftsrechts, hier das Stimmrecht, genommen ist (BSG aaO S 46 f). Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur zivilrechtlichen Haftung bei Gesellschaftsgründungen durch einen Strohmann soll die Gesellschafterstellung nicht allein nach formalrechtlichen Kriterien, sondern nach - den gesellschaftsinternen Vorgängen angemessenen - wirtschaftlichen und funktionellen Kriterien bestimmt werden (BSG aaO S 47 unter Bezugnahme auf BGHZ 118, 107, 114 = NJW 1992, 2023, 2024 f und BGH vom 11. Oktober 1976 - II ZR 119/75 -, DB 1976, 2295). Maßgeblich hat der 11. Senat darauf abgestellt, daß in dem von ihm entschiedenen Fall der Alleingesellschafter-Geschäftsführer nicht nur schuldrechtlich (durch den Treuhandvertrag) weisungsgebunden war, sondern auch die Ausübung des Stimmrechts dem Treugeber vorbehalten blieb. Dem Treuhänder als Vollmachtgeber ist in solchen Fällen für die Dauer des Treuhandverhältnisses die eigene Stimmrechtsausübung gegen den Willen des Bevollmächtigten (Treugeber) verwehrt; auch diese Vollmacht ist indes schuldrechtlicher Natur, eine mit dinglicher Wirkung "verdrängende" Vollmacht gibt es nicht (BGH DB 1976, 2295, 2297 mwN; zu den zivilrechtlichen Bedenken vgl Schaub, DStR 1995, 1634, 1638 mwN)

2. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und führt sie fort. Die Annahme eines maßgeblichen Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft kann nämlich auch dann zu verneinen sein, wenn die mit der Übertragung von (weiteren) Gesellschaftsanteilen an sich verbundene Verfügungsgewalt eines Mehrheitsanteilseigners durch treuhänderische Bindungen zugleich wieder eingeschränkt wird. Anders als etwa bei der uneingeschränkten Verfügung über eine Sperrminorität läßt sich für diese Fälle nicht allgemein sagen, der treuhänderisch gebundene Mehrheitsgesellschafter könne ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern. Dann aber ist ohne nähere Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht die Schlußfolgerung auf eine selbständige Tätigkeit möglich. Die auf die quantitative Kapitalbeteiligung verkürzte Prüfung der Frage, ob eine beitragspflichtige Beschäftigung vorliegt, würde den denkbaren Fallkonstellationen treuhänderischer Bindungen nicht gerecht, weil es keinen typischen Treuhandvertrag gibt (BGH DB 1976, 2295). Zu dessen zivilrechtlich anerkannten Motiven gehört die "verbergende Funktion" der Treuhandschaft (vgl Schaub, DStR 1995, 1634 f; Breuer, MittRhNotK 1988, 79, 80 f), die nicht schon auf eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts schließen läßt. Die Einsetzung eines Treuhänders als Strohmann kann dem berechtigten Interesse dienen, angesichts bestehender Zahlungsschwierigkeiten den guten Namen der bisherigen Treuhänder bzw der "wahren" Anteilseigner vor der Publizität im Konkursverfahren zu schützen, und ist damit nicht von vornherein unwirksam. Dementsprechend hat die Stellung eines Strohmanns als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter nicht schon ohne weiteres die Vermutung für sich, er verfüge über jene ungehinderte Rechtsmacht, die für die Annahme selbständiger Tätigkeit zu verlangen ist.

Es geht im vorliegenden Verfahren nicht darum, unter zivilrechtlichen (Haftungs-)Aspekten solche Rechtsgeschäfte von Gesellschaften auf Umfang und Rechtmäßigkeit der treuhänderischen Bindungen des Gesellschafter-Geschäftsführers zu untersuchen, zumal auch, wie der 11. Senat herausgestellt hat, die zivilrechtliche Betrachtungsweise von einer anderen Interessenlage geprägt ist (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 47). Die Regelvermutung, daß ein GmbH-Gesellschafter, der über mindestens die Hälfte des Stammkapitals verfügt, damit einen maßgebenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft besitzt, beantwortet lediglich eine Vorfrage für die Feststellung, ob der Geschäftsführer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit vom einem Arbeitgeber vermeiden kann (vgl aaO S 45). Sind seine Gesellschafterrechte wie hier in Fällen treuhänderischer Bindungen modifiziert, ist damit die Regelvermutung außer Kraft gesetzt. Dann bedarf es in Ermangelung anderer Beweiserleichterungen der Prüfung im einzelnen, ob und inwieweit die Gesellschafterrechte die arbeitnehmertypische Abhängigkeit berühren oder ganz vermeiden. Dazu ist der Status des Geschäftsführers als Ganzes, sowohl auf der Grundlage seines Anstellungsvertrages als auch der ihn betreffenden gesellschaftsrechtlichen Maßgaben - hier der Treuhandvertrag - einschließlich deren praktischer Anwendung zu ermitteln.

Deshalb ist nicht weiter von Bedeutung zu klären, ob überhaupt ein Strohmann-Treuhänder eingesetzt wurde; dies kann daher auch nicht Gegenstand der Beweiserhebung im vorliegenden Verfahren sein. Für die Entscheidung, ob die näheren Umstände die Vermutung entkräften, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer mit Kapitalmehrheit selbständig tätig ist, genügt, daß Anhaltspunkte an die Möglichkeit denken lassen, es könnte sich um eine dem Strohmann-Geschäft vergleichbare Treuhandvereinbarung handeln (vgl zur Prüfung von Gesellschaftsgründungen die Senatsentscheidung vom 23. September 1982, SozR 2100 § 7 Nr 7 S 5). Als solche Anhaltspunkte bietet der vorliegende Sachverhalt vor allem den Abschluß des Treuhandvertrages mit dem Geschäftsführer zu einem Zeitpunkt, als die Gesellschaft nicht mehr in der Lage war, ihm das vertragsgemäße Gehalt zu zahlen - zwei Wochen vor dem Antrag auf Konkurseröffnung vom 17. September 1992 - sowie die ihm auferlegte absolute Verschwiegenheitspflicht über das Bestehen der Treuhandschaft. Die Einsetzung der Ehefrau des Geschäftsführers, einer Friseurmeisterin, als weitere Treuhänderin eines Drahtwerkes weist in dieselbe Richtung.

3. Die Frage, ob der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer ab dem 2. September 1992 bei der Verrichtung seiner Geschäftsführeraufgaben tatsächlich über eine Rechtsmacht verfügte, die mit seiner Stellung als abhängig Beschäftigter der T. GmbH nicht zu vereinbaren war, weil er nicht in arbeitnehmertypischer Weise von der GmbH abhängig war, läßt sich anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beantworten.

a) Dem angefochtenen Urteil ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, aus welchen Gründen das LSG die Arbeitnehmerstellung des Klägers im - nicht streitgegenständlichen - Zeitraum vom 1. August bis zum 1. September 1992 angenommen hat. Im August 1992 war der Kläger nach seinen eigenen Angaben zehn Jahre angestellter Geschäftsführer aufgrund eines seit April 1984 schriftlich vorliegenden, unveränderten Anstellungsvertrages. Insoweit lassen die Urteilsgründe nur den (Umkehr-)Schluß zu, daß das LSG - mit der Beklagten - vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen ist ("weil er ab 02.09.1992 nicht mehr als Arbeitnehmer anzusehen ist", S 7 der Urteilsgründe). Aus der vom LSG in Bezug genommenen Akte der Beklagten ergibt ein Vermerk vom 26. Januar 1993, daß nach Auskunft eines Mitarbeiters K. der zuständigen AOK deren Betriebsprüfer sowie ein Betriebsprüfer des Rentenversicherungsträgers die Arbeitnehmerstellung des Klägers bejaht hatten; an dieser Rechtsansicht hat die AOK O. (Betriebsberater S.) in einem Schreiben an die Beklagte vom 16. März 1993 festgehalten. Wenn aber - was noch ausdrücklich festzustellen wäre - der Kläger vor dem Abschluß des Treuhandvertrages tatsächlich in arbeitnehmertypischer Weise von der GmbH als Arbeitgeber abhängig gewesen ist, weil er einem (wenn auch - wie bei Diensten höherer Art üblich ≪vgl BSG vom 29. März 1962, BSGE 16, 289, 293 ff; 30. November 1978, BSGE 47, 201, 204 mwN; Senatsurteil vom 13. August 1996, - 10 RKg 28/95 - S 7 des Abdrucks≫ - verfeinerten) Weisungsrecht bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung untergeordnet gewesen ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 18 S 48 mwN), dann ergibt sich aus den vom LSG genannten Bestimmungen im Treuhandvertrag und deren - wiederum sachlich offensichtlich gänzlich ungeprüften - gesellschaftsinternen Handhabung nicht mit der erforderlichen Gewißheit, worin die nunmehr eingetretene Änderung der Verhältnisse begründet sein könnte.

b) Das LSG hat den Anspruch auf Kaug für die Folgezeit nur deshalb verneint, weil es die Regelvermutung bei Mehrheitsbeteiligungen mit dem Hinweis angewandt hat, daß der Kläger im streitigen Zeitraum nicht aufgrund eines "besonders" gestalteten Treuhandvertrages an der Ausübung seiner Rechte als Gesellschafter gehindert gewesen sei. Der Treuhandvertrag habe sich in einer "lediglich" schuldrechtlichen Weisungsgebundenheit mit Kündigungsrecht und der Möglichkeit zur Rückübertragung des Treuguts erschöpft. Weitergehende Feststellungen dazu, worauf die beherrschende Stellung des Klägers in der Gesellschaft beruhte, waren aus dieser Sicht nicht erforderlich und müssen daher nachgeholt werden, wenn der Kaug-Anspruch ausgeschlossen werden soll. Ob die Anwendung der den Kläger verpflichtenden schuldrechtlichen Regelungen eine abhängige Beschäftigung bei der GmbH ausschließen läßt, ist anhand der in ständiger Rechtsprechung entwickelten oben genannten Grundsätze zu ermitteln.

c) Die vom LSG herangezogenen Vertragsbestimmungen schließen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Klägers ab dem 2. September 1992 jedenfalls nicht aus. Von diesem Zeitpunkt an haben zwar die Regelungen des Treuhandvertrages den Status des Klägers als Geschäftsführer überlagert. Der Kläger war indes nach den Bestimmungen des seine überwiegende Tätigkeitszeit prägenden Anstellungsvertrages von vornherein nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden, sondern zur Wahrnehmung der Arbeitszeit nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der anfallenden Geschäfte verpflichtet. Als solche bestand diese Verpflichtung über den 1. September 1992 hinaus fort. Soweit das LSG die - nach seiner Rechtsansicht unerhebliche - Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung als glaubhaft bezeichnet hat, wonach sich seine "tatsächliche Arbeit" nach Abschluß des Treuhandvertrages nicht geändert habe, wird es diesen Hinweisen nunmehr nachzugehen haben. Für die Angabe des Klägers spricht der Umstand, daß sich das umfassende Weisungsrecht des Treugebers auf alle Handlungen des Klägers als Treuhänder bezog und den Kläger als Gesellschafter zur Abstimmung aller seiner Maßnahmen mit dem Treugeber verpflichtete (§ 2 des Treuhandvertrages). § 3 des Treuhandvertrages ermöglichte dem Treugeber, vom Treuhänder jederzeit und unentgeltlich die (Rück-)Übertragung der Anteile zu verlangen; damit hatte es der Treugeber in der Hand, unmittelbar jede Mißachtung einer Weisung oder vertraglichen Verpflichtung zu sanktionieren, indem der Kläger seine Mehrheitsbeteiligung verlor. Ob sich damit die Annahme des LSG, der Kläger habe ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft verhindern können, vereinbaren läßt, wird es klären müssen. Fraglich ist dann auch, ob und auf welche Weise er von seiner nominellen Mehrheitsposition tatsächlich Gebrauch machen konnte, wie es das LSG bisher unterstellt hat. Eine Rechtsmacht, die dem Kläger die Möglichkeit eines durch Weisungen nicht beeinträchtigten Einflusses auf die Gesellschaft verschaffte, läßt sich ohne nähere Prüfung der tatsächlichen Durchführung des Treuhandvertrages nicht bereits aus dem Umstand folgern, daß es hier an einer Stimmrechtsvollmacht auf den Treugeber fehlte. Dasselbe gilt für die Schlußfolgerung des LSG, "unmittelbare" Eingriffe in die gesellschaftsrechtliche Stellung des Klägers seien dem Treugeber nicht erlaubt gewesen. Ob seine wirtschaftliche Macht dem Treugeber solche Eingriffe nicht doch ermöglicht hat, bleibt den Ermittlungen vorbehalten. Sofern sich der Kläger, wie vom LSG angedeutet, an ihm erteilte Weisungen des Treugebers gehalten hat, könnte dies bestätigen, daß eine zuvor bestandene arbeitnehmertypische Weisungsgebundenheit fortbestanden hat.

Das LSG hat auch über die Kosten auch des Revisionsverfahrens zu befinden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 517674

ZIP 1997, 1120

SozSi 1998, 77

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