Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Berechnung des in RVO § 183 Abs 2 S 1 bestimmten Dreijahreszeitraumes ist von der Methode der Blockfrist (starren Rahmenfrist) auszugehen, die jeweils vom erstmaligen Eintritt der AU wegen derselben Krankheit an zu berechnen ist.

2. Nach Ablauf eines Drei-Jahres-Zeitraumes iS von RVO § 183 Abs 2 S 1 entsteht der Krankengeldanspruch auch dann wieder neu, wenn der Versicherungsfall die Krankheit, während einer mit Anspruch auf Krankengeld ausgestatteten Mitgliedschaft eingetreten ist, die AU jedoch erst während einer späteren Mitgliedschaft ohne Krankengeldberechtigung.

3. Der nach Ablauf eines Drei-JahresZeitraumes iS von RVO § 183 Abs 2 S 1 neu entstandene Krankengeldanspruch ruht - auch bei ununterbrochener AU - nach RVO § 216 Abs 3 S 1 so lange, als die weitere AU der KK nicht gemeldet wird.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1961-07-12, § 216 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1930-07-26

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. November 1968 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. November 1968 und des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Juni 1968 aufgehoben, soweit sie die Beklagte zur Zahlung verurteilt haben.

Die Klage wird in vollem Umfange abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der 1909 geborene Kläger war vom 9. August 1960 bis zum 1. August 1964 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Seit dem 4. September 1963 ist er wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig. Er gehört seit dem 2. August 1964 der Rentnerkrankenversicherung der Beklagten an. Vom 1. Juli 1964 bis zum 31. Oktober 1966 bezog er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Sie wurde ab 1. November 1966 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewandelt. Der Kläger war wegen derselben Krankheit erstmals ab 12. Februar 1962 und danach noch dreimal arbeitsunfähig krank.

Er bezog in der Zeit vom 13. Februar 1962 bis zum 1. August 1964 in mehreren Zeitabschnitten Krankengeld bzw. Hausgeld für insgesamt 78 Wochen. Am 12. Oktober 1967 beantragte er, ihm vom Beginn der neuen Dreijahresfrist an (12. Februar 1965) erneut Krankengeld zu gewähren. Die Beklagte lehnte dies ab, weil ein Krankengeldanspruch nur dann wieder auflebe, wenn noch eine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch bestehe; der Kläger habe aber bereits vor Beginn der neuen Rahmenfrist der Rentnerkrankenversicherung ohne Krankengeldanspruch angehört. Außerdem habe der Kläger erst am 12. Oktober 1967 die Arbeitsunfähigkeit angezeigt und den Leistungsanspruch geltend gemacht. Schließlich seien etwaige Krankengeldansprüche aus der Zeit bis zum 5. Oktober 1965 verjährt. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 6. Oktober 1965 bis zum 11. August 1966 Krankengeld unter Anrechnung der Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung, der Kläger Anschlußberufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 17. Dezember 1965 bis zum 1. Mai 1966 sowie vom 4. September 1966 bis zum 31. Oktober 1966 Krankengeld unter Anrechnung der Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Die weitere Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der Berechnung der Dreijahresfrist in § 183 Abs. 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei von der gleitenden Rahmenfrist und nicht von der starren (Blockfrist) auszugehen. Die maßgebende Rahmenfrist habe am 4. September 1963 begonnen. In diesem Dreijahreszeitraum habe der Kläger für 78 Wochen Krankengeld erhalten. Am 4. September 1966 habe dann eine neue Dreijahresfrist zu laufen begonnen. Während dieser Zeit stehe dem Kläger Krankengeld grundsätzlich vom 4. September 1966 bis zum 31. Juli 1967, vom 12. Februar 1968 bis zum 1. April 1968 und vom 9. Juli 1968 bis zum 6. August 1968 zu. Da ihm aber ab 1. November 1966 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugebilligt worden sei, ende sein Krankengeldanspruch nach § 183 Abs. 3 RVO bereits mit dem 31. Oktober 1966, Dieser Anspruch habe nicht nach § 216 Abs. 3 RVO geruht, jedoch seien die Ansprüche auf Krankengeld für die ab 12. Februar und 9. Juli 1965 beginnenden Bezugszeiträume von 49 und 29 Tagen verjährt, weil der Kläger sie erstmals am 12. Oktober 1967 geltend gemacht habe. Auf das zu zahlende Krankengeld müsse die Berufsunfähigkeitsrente nach § 183 Abs. 5 RVO angerechnet werden. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und der Kläger Revision eingelegt.

Die Beklagte trägt vor: Für die Berechnung der Krankengeldbezugsdauer sei der Tag maßgebend, an dem die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit erneut eingesetzt habe, weil dies dem Sinn und Zweck des § 183 Abs. 2 Satz 1 RVO entspreche und zu sachgerechten und vernünftigen Ergebnissen führe. Ein Versicherter, der aufgrund derselben Krankheit fortlaufend arbeitsunfähig bleibe und folglich nach Ablauf von 78 Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die folgenden 78 Wochen keinen Anspruch mehr auf Krankengeld habe, würde sich bei Anwendung starrer Rahmenfristen schlechter stellen als ein Versicherter, der im Verlauf derselben Krankheit nur mit Unterbrechungen arbeitsunfähig wäre. Sowohl bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit als auch bei der Zusammenrechnung mehrerer Krankengeldbezugszeiten dürfe eine Gesamtbezugsdauer von 78 Wochen bei einer durch dieselbe Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit innerhalb von drei Jahren nicht überschritten werden. Da die hier zu berücksichtigende Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit bei dem Kläger erstmals am 13. Februar 1962 eingetreten sei, sei der Krankengeldanspruch des Klägers bis zum 12. Februar 1965 erschöpft gewesen. Nach Ablauf der Dreijahresfrist hätte der Krankengeldanspruch nur dann wieder aufleben können, wenn noch alle Voraussetzungen für das Krankengeld erfüllt gewesen seien; dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, weil der Kläger als Mitglied der Rentnerkrankenversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld mehr gehabt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG Hamburg vom 26. November 1968 und des SG Hamburg vom 26. Juni 1968 aufzuheben, soweit dem Klageanspruch stattgegeben worden ist und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Der Kläger trägt vor: Die Berufsunfähigkeitsrente dürfe nicht auf das Krankengeld angerechnet werden, weil sie vor Beginn des Krankengeldes eingesetzt habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse hier die starre Rahmenfrist zum Zuge kommen; denn es sei unverständlich, wenn mit jeder neuen Arbeitsunfähigkeit ein neuer Dreijahreszeitraum beginnen solle. Nur die starre Rahmenfrist sei vom Versicherten nachprüfbar und begreiflich. Die Berufung der Beklagten auf die Verjährung verstoße gegen Treu und Glauben, weil die hier strittigen Rechtsfragen höchst verwickelt seien und erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung hätten geklärt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben, als dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 12. Februar 1965 bis zum 16. Dezember 1965 sowie vom 2. Mai 1966 bis zum 3. September 1966 versagt wurde und insoweit die Beklagte zur Leistung zu verurteilen,

die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben, als Berufsunfähigkeitsrente anzurechnen ist,

die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben, als die Anschlußberufung zurückgewiesen wurde.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet, die des Klägers ist unbegründet.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 17. April 1970 - 3 RK 41/69 - entschieden hat, ist der in § 183 Abs. 2 RVO festgesetzte Zeitraum von je drei Jahren nach der Methode der starren Rahmenfrist (Blockfrist) zu berechnen. Danach setzt der erstmalige Eintritt von Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit eine Kette aufeinanderfolgender Dreijahreszeiträume in Gang. Weiter ist in diesem Urteil ausgesprochen, daß der Krankengeldanspruch nach Ablauf der Dreijahresfrist auch dann wieder auflebt, wenn der Versicherungsfall - die Krankheit - während einer mit Anspruch auf Krankengeld ausgestatteten Mitgliedschaft eingetreten ist, die Arbeitsunfähigkeit jedoch erst nach Beerdigung dieser Mitgliedschaft während eines Versicherungsverhältnisses ohne Krankengeldberechtigung. Das gleiche müsse auch gelten, wenn die Arbeitsunfähigkeit durchlaufend fortbestanden hat. Schließlich hat der Senat entschieden, daß der Anspruch auf Krankengeld auch bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit ruht, solange der Berechtigte, dessen Leistungsanspruch innerhalb des ersten Dreijahreszeitraums nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erschöpft war, nach Beginn des nächsten Dreijahreszeitraums die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet hat (§ 216 Abs. 3 RVO). Diese Rechtsprechung hat für den vorliegenden Fall zur Folge:

Die erste Dreijahresfrist lief vom 12. Februar 1962 bis zum 11. Februar 1965. Für diese Zeit hat der Kläger Kranken- bzw. Hausgeld für 78 Wochen erhalten, es steht ihm daher nichts mehr zu. Die zweite Dreijahresfrist lief vom 12. Februar 1965 bis zum 11. Februar 1968. Hier hat der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Krankengeld für 78 Wochen, und zwar auch dann, wenn er während dieses Zeitraums Mitglied der Rentnerkrankenversicherung war; denn es handelt sich hier noch um eine Auswirkung des alten Versicherungsfalles. Da der Kläger jedoch seine Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 12. Februar 1965 an erst am 12. Oktober 1967 gemeldet hat, hat sein Anspruch nach § 216 Abs. 3 RVO geruht. Er kann daher in der zweiten Rahmenfrist kein Krankengeld mehr fordern, weil bei der Meldung im Oktober 1967 die zweite Anspruchsdauer von 78 Wochen bereits abgelaufen war (die Zeit des Ruhens ist auf die Anspruchsdauer anzurechnen, vgl. BSG 29, 271, 274). Überdies wäre der Anspruch des Klägers auf alle Fälle am 31. Oktober 1966 erloschen gewesen, da er vom 1. November 1966 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht (§ 183 Abs. 3 RVO).

Die Revision des Klägers muß daher zurückgewiesen werden. Auf die Revision der Beklagten müssen die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden, soweit sie eine Verurteilung ausgesprochen haben. Die Klage ist in vollem Umfange abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652075

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