Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Juni 1996 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Tod des Ehemanns der Klägerin durch eine wie eine Berufskrankheit (BK) zu entschädigende Gesundheitsstörung verursacht worden ist und der Klägerin deshalb Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen.

Der im Jahre 1922 geborene Ehemann der Klägerin (Versicherter) war von 1953 bis 1965 als Hafenarbeiter in Hamburg mit dem Be- und Entladen von Schiffen beschäftigt; unter den zu verladenden verschiedenen Waren befanden sich auch – zum Teil undichte – Asbestsäcke. Ab Juni 1965 war der Versicherte beim Wasser- und Schiffahrtsamt beschäftigt und Asbesteinwirkungen nicht mehr ausgesetzt.

Etwa ein halbes Jahr nach dem Beginn von Magenbeschwerden wurde beim Versicherten ein bösartiger, inoperabler Magentumor diagnostiziert, an dessen Folgen er am 14. August 1989 verstarb. Im Dünndarm und im Bauchfell fanden sich Metastasen, während die Lunge weder einen Pleuraerguß noch lokale Infiltrate zeigte. Im anschließend eingeleiteten Feststellungsverfahren hielt der Staatliche Gewerbearzt einen Ursachenzusammenhang zwischen Tod und der Krebserkrankung für nicht gegeben. Dem stimmte der Arzt für Arbeitsmedizin Privatdozent Dr. H. zu und legte dar, ein nach vereinzelten epidemiologischen Studien aus früherer Zeit zunächst vermuteter Zusammenhang zwischen Asbesteinfluß und Karzinomen im Bereich des Verdauungstrakts habe durch spätere Studien keine Bestätigung gefunden. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte es ab, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu zahlen (Bescheid vom 28. August 1990).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage im wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids abgewiesen (Urteil vom 27. August 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20. Juni 1996). Zur Begründung heißt es im wesentlichen: Der Tod des Versicherten sei nicht durch eine Krankheit verursacht worden, die wie eine BK nach § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hätte entschädigt werden sollen. Seine Krebserkrankung sei nicht nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt seien. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei der Senat nicht davon überzeugt, daß Asbest ausgesetzte Arbeitnehmer in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung dem Risiko unterlägen, an Magenkrebs zu erkranken. Eine für die Aufnahme in die Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) erforderliche und demgemäß auch für die Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO maßgebliche Risikoerhöhung setze voraus, daß das Krankheitsrisiko der exponierten Personengruppe im Vergleich zur Normalbevölkerung zumindest verdoppelt sei. Sofern – wie hier – eine Vielzahl epidemiologischer Untersuchungen vorhanden sei, müsse sich dieses Risikoverhältnis aus einer erheblichen Anzahl der signifikanten Forschungen ergeben; denn „Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft” i.S. des § 551 Abs. 1 Satz 3 Halbs 1 RVO erforderten im Bereich epidemiologischer Studien die Bestätigung durch eine gewichtige Anzahl der bereits durchgeführten Untersuchungen. Diesen Anforderungen würden die von Prof. Dr. N. und Dr. P. aufgeführten Studien nicht gerecht. Unter den in der Tabelle zur Stellungnahme vom 25. September 1995 angeführten insgesamt 27 Studien befänden sich nur drei Untersuchungen, die die Sachverständigen selbst als signifikant ansähen. Berücksichtige man ferner, daß nur eine dieser Untersuchungen ein um das Doppelte erhöhtes Magenkrebsrisiko der betroffenen Arbeitnehmer belege, so bestehe keine Grundlage für die Feststellung eines im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich erhöhtem Magenkrebsrisikos asbestexponierter Arbeitnehmer.

Unabhängig davon bestünden gegen die Übertragung der die Speiseröhre und den Darm betreffenden Forschungsergebnisse auf den Bereich des Magens Bedenken. Insoweit fehle die biologische Plausibilität, wie Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 7. Februar 1996 überzeugend aufgezeigt habe. Demgemäß sei auch der Hinweis auf die im Falle des Versicherten zu errechnenden Asbestfaserjahre mangels biologischer Folgerichtigkeit nicht geeignet, eine entsprechende Risikoerhöhung im Hinblick auf Magenkarzinome zu belegen.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 551 Abs. 2 RVO und des § 128 Abs. 1 i.V.m. § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Soweit das LSG für die Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO als maßgebliche Risikoerhöhung eine Verdopplung des Krebsrisikos der exponierten Personen im Vergleich zur Normalbevölkerung für erforderlich halte und sich dabei auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. in BG 1994, 156, 160 stütze, stelle dies nicht den letzten Stand der Überzeugungsbildung dieses Wissenschaftlers dar. In einer neueren Veröffentlichung (ASU 1996, 209) setze er sich erneut mit der Frage auseinander und komme zu dem Ergebnis, daß es angesichts der Schwierigkeit in diesem Rechtsbereich ein begrüßenswerter Fortschritt wäre, wenn zur Abhilfe des Sachverhalts von sozialjuristisch maßgeblicher Seite eine „Beteiligung zu einem Drittel” als mitwirkende Bedingung für die Anerkennung einer BK als genügend angesehen werden könnte. Im vorliegenden Fall sei mit Prof. Dr. N./Dr. P. davon auszugehen, daß bei Asbesterkrankungen des Magens eine Verdoppelung der exponierten Personengruppe nicht gefordert werden dürfe. Vielmehr müsse hier generell es als ausreichend bezeichnet werden, wenn bei fast allen Studien eine wesentliche Erhöhung des Risikos nachweisbar sei. Diese im Sinne einer Kausalität zu wertende Wesentlichkeit sei stets dann gegeben, wenn bei mehreren Studien (wie von Prof. Dr. N. belegt) eine erhebliche Risikoerhöhung vorliege, was hier der Fall sei.

Außerdem habe sich das LSG unter Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG ohne nochmalige Rückfrage beim gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. N. seine Entscheidung in einem maßgeblichen Punkt auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 7. Februar 1996 gestützt. Es sei jedoch hier erforderlich gewesen, mindestens (bei mehreren gerichtlichen Sachverständigen) bei einem der gerichtlichen Sachverständigen rückzufragen und diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn das LSG gedenke, sich über die Sachkunde des gerichtlichen Sachverständigen hinwegzusetzen. Hier habe Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 7. Februar 1996 erstmals aufgeführt, daß das beim Versicherten aufgetretene Magenkarzinom schon aus dem Grunde nicht wie eine BK bewertet werden könne, weil die Asbestfasern in die Magenwände nicht eindringen könnten. Hierzu habe sich der gerichtliche Sachverständige nicht äußern können. Seine Einschätzung zur Bejahung der Anerkennungspflicht habe auf der Begründung beruht, Kohortenstudien zeigten, daß bei dem maßgeblichen Personenkreis ein deutlich erhöhtes Risiko für Magenkrebs vorliege.

Die Klägerin beantragt,

  1. das Urteil des LSG Niedersachsen vom 20. Juni 1996, das Urteil des SG Stade vom 27. August 1991 und den Bescheid der Beklagten vom 28. August 1990 aufzuheben,
  2. festzustellen, daß der Tod des G. S. Folge einer Krankheit war, die wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist (§ 551 Abs. 2 RVO),
  3. die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 14. August 1989 Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie meint, die Beweiswürdigung durch das LSG sei durch § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG gedeckt, zumal beide Gutachter zusätzlich ergänzende Stellungnahmen zu ihren Gutachten abgegeben hätten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II.

Die Revision ist unbegründet.

Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Witwenrente richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der als entschädigungspflichtig geltend gemachte Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Witwenrente (§ 590 RVO) zu, weil ihr Ehemann den Tod nicht durch eine BK oder durch eine Krankheit erlitten hat, die nach § 551 Abs. 2 RVO wie eine BK entschädigt werden soll. Das hat das LSG rechtlich zutreffend erkannt.

Das beim Versicherten festgestellte Magenkarzinom, das – wie die Klägerin meint – auf berufliche Einwirkungen von Asbest zurückzuführen sei, ist in der Anlage 1 zur BKVO – Liste der Berufskrankheiten – nicht aufgeführt, so daß eine Entschädigung als BK nach § 551 Abs. 1 RVO i.V.m. der BKVO ausscheidet. Darüber sind sich die Beteiligten auch einig.

Aber auch die Entschädigungsvoraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören nicht nur der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der Tätigkeit, für die nach den §§ 539, 540 und 543 und 545 RVO Versicherungsschutz besteht (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO), sondern darüber hinaus die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die Krankheiten solcher Art verursachen, und das Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung der bestimmten Personengruppe (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO; S. BSG Urteil vom 31. Januar 1984 – 2 RU 67/82 – HVBG RdSchr VB 53/84).

Die Vorschrift des § 551 Abs. 2 RVO will nicht erreichen, daß zusätzlich zu den in die BKVO aufgenommenen BKen auch im übrigen jede Krankheit wie eine BK entschädigt werden soll, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder wahrscheinlich ist (BSG SozR 2200 § 551 Nr. 18; BVerfG SozR 3-2200 § 551 Nr. 5). Sinn des § 551 Abs. 2 RVO ist es stattdessen, solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKVO noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSGE 59, 295, 297; BSG Urteile vom 12. Juni 1990 – 2 RU 21/89 – USK 90164 und vom 14. November 1996 – 2 RU 9/96 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

Die für eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 RVO erforderliche Voraussetzung, daß der Versicherte zu einer bestimmten Personengruppe gehört, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Einwirkungen ausgesetzt sind, welche nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeiget sind, Krankheiten solcher Art, wie sie bei ihm bestanden, zu verursachen (s dazu auch Beschluß des Senats vom 27. Mai 1997 – 2 BU 43/97 –), sind nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hier nicht gegeben. Danach liegen für die hier maßgebende Gruppe der Hafenfrachtarbeiter, die – wie das LSG festgestellt hat – gelegentlich mit Asbest in Berührung kommen, keine hinreichenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, ob im Rahmen der versicherten Tätigkeit Magenkarzinome in erheblich höherem Maße auftreten als bei der übrigen Bevölkerung. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bezieht sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf ihre Verursachung durch die gefährdende Tätigkeit (BSGE 59, 295, 298). Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit erheblich häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine lange zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um daraus schließen zu können, daß die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (BSGE a.a.O., 298 mwN; bestätigt durch Urteile vom 24. Januar 1990 – 2 RU 20/89 – USK 90140 und vom 12. Juni 1990 – 2 RU 21/89 – USK 90164). Es muß in der Regel die generelle Geeignetheit der Einwirkung der betreffenden Stoffe auf die Verursachung der Krankheit in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt, d.h. durch die herrschende Auffassung der Fachwissenschaftler hinreichend gefestigt sein; vereinzelte Meinungen auch Sachverständiger reichen grundsätzlich nicht aus (BSG Urteil vom 31. Januar 1984 – 2 RU 67/82 – HVBG RdSchr VB 53/84).

Die Voraussetzung neuer medizinischer Erkenntnisse über eine erhebliche höhere Gefährdung der Gruppe der Hafenfrachtarbeiter im Vergleich zur übrigen Bevölkerung hat das LSG im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) revisionsrechtlich einwandfrei verneint. Es kann hier offenbleiben, ob entsprechend der Rechtsansicht des LSG die für die Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO maßgebliche Risikoerhöhung voraussetzt, daß das Krankheitsrisiko der exponierten Personengruppe im Vergleich zur Normalbevölkerung zumindest verdoppelt ist; denn die vom LSG beigezogenen epidemiologischen Studien zeigen, daß für die Personengruppe der Hafenfrachtarbeiter keine neuen medizinischen Erkenntnisse mit statistisch signifikanten Untersuchungsergebnissen über eine „erheblich” höhere Gefährdung als die übrige Bevölkerung, durch Asbesteinwirkung an Magenkrebs zu erkranken, vorliegen. Wie das LSG festgestellt hat, sind unter den in der Tabelle zum Gutachten vom 19. April 1995 und nochmals zur Stellungnahme vom 25. September 1995 von Prof. Dr. N./Dr. P. angeführten insgesamt 27 Studien nur drei Untersuchungen aus den Jahren 1987, 1988, 1993, die die Sachverständigen selbst als signifikant bezeichnet haben. Zudem belegt nur eine dieser Untersuchungen – die Studie von Huilan und Zhiming aus dem Jahre 1993 – für „asbest-exponierte Arbeitnehmer” ein um mehr als das Doppelte erhöhtes Magenkrebsrisiko der betroffenen Arbeitnehmer. Diese Forschungsergebnisse sind damit keine hinreichende Grundlage für die zu treffende Feststellung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse eines im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich erhöhten Magenkrebsrisikos asbest-exponierter Arbeitnehmer, hier der Gruppe der Hafenfrachtarbeiter. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse haben sich die Erkenntnisse zu dieser Frage zumindest noch nicht zur „BK-Reife” verdichtet (s BSGE 59, 295, 297).

Diesem Ergebnis entspricht auch die letzte der vom LSG eingeholten Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10. Juli 1995, wonach auch nach dortiger Auffassung derzeit keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, nach denen Arbeitnehmer mit langjährigem Asbestkontakt – insbesondere Frachtarbeiter nach Asbeststaubexposition von etwa 12 Jahren – in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung an Magenkarzinom erkrankten; eine Überprüfung ist nach dieser Auskunft derzeit nicht vorgesehen.

Das LSG hat ferner in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in dem Hinweis der Sachverständigen Prof. Dr. N./Dr. P. in ihrem Gutachten vom 19. April 1995 und der ergänzenden Stellungnahme vom 25. September 1995 auf einen vermuteten Zusammenhang zwischen Asbesteinflüssen und anderen Gastrointestinaltrakttumoren keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der Risikogefährdung, an Magenkrebs zu erkranken, gesehen. Abgesehen davon, daß nach den Feststellungen des LSG die Standar DMortalitätsraten (SMR) der von den Sachverständigen in diesem Zusammenhang wiedergegebenen Forschungsergebnisse auch keinen neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine erheblich höhere Gefährdung der Gruppe der Hafenfrachtarbeiter im Vergleich zur übrigen Bevölkerung, an Gastrointestinaltrakttumoren zu erkranken, ergeben, hat das LSG Bedenken gegen die Übertragung der den Darm betreffenden Forschungsergebnisse auf den Bereich des Magens geäußert. Revisionsrechtlich fehlerfrei meint das LSG, daß eine solche Übertragung biologisch plausibel, d.h. durch pathophysiologische Vorstellungen oder experimentelle bzw. toxikologische Untersuchungen erhärtet sein muß (s Bolm-Audorff, Med Sach 1993, 57, 58). Einen solchen Zusammenhang haben nach den Feststellungen des LSG die Sachverständigen Prof. Dr. N./Dr. P. lediglich vermutet, indem sie in ihrer Stellungnahme vom 25. September 1995 selbst ausführen, das Darmkrebsrisiko sei nicht grundsätzlich auf ein Magenkrebsrisiko zu übertragen; jedoch sprächen mechanistische Gründe sowie die epidemiologischen Befunde (mit einem erhöhtem Risiko für Gastrointestinaltrakttumoren nach Asbestexpositionen generell) dafür, daß Risikoerhöhungen für Tumore des Magens wie des Darms nicht isoliert voneinander betrachtet werden könnten. Entgegen der Auffasssung der Revision hat das LSG die Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) auch nicht überschritten, indem es zu dieser Frage der ärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. H. vom 7. Februar 1996 gefolgt ist, ohne hierzu die Sachverständigen Prof. Dr. N./Dr. P. nochmals zu hören, wie die Revision rügt. Das LSG hat im einzelnen frei von Widersprüchen dargetan, welche Gründe leitend waren, den in der ärztlichen Äußerung von Prof. Dr. H. geäußerten Zweifeln zu folgen. Mit diesen Gutachten hält es auch das LSG für bedenklich, statistische Ergebnisse aus anderen Organbereichen heranzuziehen; dies gilt um so mehr bei Organen, die – wie hier der Magen einerseits und der Darm andererseits – völlig verschiedene Funktionen haben und unterschiedlich strukturiert sind. Davon abgesehen hat das LSG im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung die Ausführungen von Prof. Dr. H. als überzeugend angesehen, daß in der Magenwand asbestexponierter Patienten weder Asbestfasern noch Asbestkörper nachgewiesen werden konnten. Das LSG war nicht allein deshalb, weil Prof. Dr. H. eine von Prof. Dr. N. und Dr. P. abweichende Auffassung vertritt, verpflichtet, diese Ärzte noch einmal zu hören. Schließlich kann auch nicht die an sog Faserjahre gebundene Fiktion eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Lungenkrebs und Asbestexposition, die auf langjährigen epidemiologischen Untersuchungen beruht, ohne weiteres auf Karzinome im Bereich des Magens übertragen werden, zumal – wie das LSG festgestellt hat – die Atmungsorgane einerseits und die Verdauungsorgane andererseits nicht nur biomechanisch, sondern auch morphologisch sehr unterschiedliche Strukturen aufweisen.

Nach alledem liegen – zumindest zZt – keine neuen Erkenntnisse der mediznischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung der Hafenfrachtarbeiter, bei ihrer beruflichen – versicherten – Tätigkeit an Magenkrebs zu erkanken, vor. Die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO sind damit nicht erfüllt. Dementsprechend war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI605838

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