Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1983 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12. Mai 1982 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Umstritten ist die Rückforderung von Krankengeld und die Aufrechnung gegen einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld.

Die Klägerin ist in der Apotheke ihres Ehemannes, des Beigeladenen, als angestellte Apothekerin beschäftigt und bei der beklagten Ersatzkasse für den Fall der Krankheit versichert. Im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft war sie ab 26. Januar 1981 arbeitsunfähig. Der Beigeladene zahlte ihr das Arbeitsentgelt von monatlich 5.000,– DM brutto bis zum 8. März 1981 weiter. In einer der Beklagten vorgelegten frauenärztlichen Bescheinigung war der 13. Mai 1981 als voraussichtlicher Entbindungstermin angegeben. Die Beklagte ging dementsprechend von einem Beginn der sechswöchigen Schutzfrist am 1. April 1981 aus und zahlte deshalb für die Zeit vom 9. bis 31. März 1981 noch Krankengeld, und zwar kalendertäglich 104,– DM; den Gesamtbetrag von 2.392,– DM überwies sie am 6. April 1981. Die Entbindung fand dann jedoch bereits am 28. April 1981 statt. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin am 12. Mai 1981 mit, daß ihr Mutterschaftsgeld schon vom 17. März 1981 an zustehe und daß das ab diesem Zeitpunkt gezahlte Krankengeld in Höhe von 1.560,– DM mit dem bislang zu zahlenden Mutterschaftsgeld in Höhe von 1.525,– DM verrechnet werde; der Rest von 35,– DM sei an die Kasse zu überweisen. Diese Mitteilung enthielt ferner den Hinweis, daß die Klägerin den Ausgleich zwischen dem Mutterschaftsgeld und ihrem Nettoentgelt von ihrem Arbeitgeber erhalte.

Während des Widerspruchsverfahrens unterrichtete die Beklagte die Klägerin wiederholt, daß neben Mutterschaftsgeld Krankengeld nicht gewährt werde, der Klägerin aber dadurch keine finanziellen Nachteile entstünden, da das Nettoarbeitsentgelt (= Mutterschaftsgeld zuzüglich Zuschuß des Arbeitgebers nach § 14 des Mutterschutzgesetzes -MuSchG-) höher als das gezahlte Krankengeld sei. Sie erklärte sich bereit, von der Rückforderung des Krankengeldes abzusehen, wenn die Klägerin den Zuschußanspruch gegen ihren Arbeitgeber an sie abtrete. Dies lehnte die Klägerin jedoch ab. Daraufhin entschied die Widerspruchsstelle der Beklagten, daß dem Widerspruch nicht abgeholfen werde. Das Sozialgericht (SG) bestätigte die Entscheidungen der Beklagten.

In der Berufungsinstanz ist die Klägerin erfolgreich gewesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte antragsgemäß und unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt, der Klägerin 1.185,– DM (Krankengeld vom 17. März bis 31. März 1981 in Höhe von 1.560,– DM abzüglich des für diesen Zeitraum gezahlten Mutterschaftsgeldes von 375,– DM) nebst 4% Zinsen seit dem 1. November 1981 zu zahlen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: § 200c Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach neben Mutterschaftsgeld kein Krankengeld gewährt werde, lasse sich hier nicht anwenden, weil sich die Zeit der Krankengeldgewährung nicht mit einer Zeit, für die Mutterschaftsgeld zustehe, überschneide. Für die Bezugszeit des Mutterschaftsgeldes vor der Entbindung sei bei der Berechnung der Schutzfrist vom mutmaßlichen Entbindungstermin auszugehen (§ 200 Abs. 3 Satz 2 RVO). Hierfür genüge es, wenn der Leistungsantrag vor der Entbindung gestellt werde. Im vorliegenden Fall sei zunächst auch die Beklagte von dem ärztlich bescheinigten mutmaßlichen Entbindungstermin (13. Mai 1981) und dem sich daraus ergebenden Beginn der Schutzfrist (1. April 1981) ausgegangen. Sie könne dies rückwirkend nicht mehr korrigieren. Gegenteiliges sei auch nicht aus § 200 Abs. 3 Satz 4 RVO herzuleiten. Gerade durch die unveränderte Beibehaltung des Tages der mutmaßlichen Entbindung für die Fristberechnung werde das Ziel einer unverkürzten Dauer des Anspruchs vor der Entbindung voll erreicht. Gegen die Beibehaltung des mutmaßlichen Entbindungstages lasse sich allenfalls einwenden, daß sie in bezug auf den Zeitraum zwischen der mutmaßlichen und der früheren tatsächlichen Entbindung zu einer Überschneidung des Anspruchs auf das Mutterschaftsgeld vor der Entbindung mit dem stets vom Zeitpunkt der tatsächlichen Entbindung an zu berechnenden Anspruch auf das Mutterschaftsgeld nach der Entbindung führe. Dieses Ergebnis sei jedoch angesichts des Wortlauts des § 200 Abs. 3 Satz 2 RVO hinzunehmen und jedenfalls einer Auslegung vorzuziehen, die – wie es hier bei einem Auswechseln des mutmaßlichen Entbindungstermins durch den Tag der tatsächlichen Entbindung der Fall wäre – eine vom Gesetzgeber offensichtlich gerade nicht gewollte Verschlechterung der Rechtsposition der Anspruchsberechtigten zur Folge hätte.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 200 Abs. 3 RVO: Das Zeugnis über den mutmaßlichen Zeitpunkt der Entbindung sei nur ein Behelf, um die Zahlung des Mutterschaftsgeldes bereits vor der Entbindung zu ermöglichen. Aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 3 Satz 4 RVO sei eindeutig zu schließen, daß im Falle eines früheren Entbindungstermins eine Verkürzung der Anspruchsdauer nicht eintrete. Folglich müsse das. Mutterschaftsgeld im Hinblick auf § 200 Abs. 3 Satz 1 RVO in jedem Fall auch für mindestens 6 Wochen gezahlt werden. Im Unterschied zu § 5 Abs. 2 Satz 2 MuSchG verkürze sich also. die. Bezugsdauer bei einem Irrtum des Arztes oder der Hebamme über den Zeitpunkt der Entbindung nicht. Der Regelungsgehalt des § 5 Abs. 2 MuSchG liege, ausschließlich im Bereich des Arbeitsrechts. Die nachträgliche Einräumung von Beschäftigungsschutz sei unmöglich, eine nachträgliche Zahlung von Mutterschaftsgeld sei dagegen möglich. § 200 Abs. 3 Satz 4 RVO sei eine Sonderregelung und schließe damit die Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 2 MuSchG im Zusammenhang mit der Zahlung von Mutterschaftsgeld aus. Die von ihr vorgenommene Verrechnung des für die Zeit vom 17. März bis 31. März 1981 zu Unrecht gezahlten Krankengeldes mit dem Mutterschaftsgeld habe zudem für die Klägerin keine finanziellen Nachteile, denn gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG erhielten Frauen, die Anspruch auf ein kalendertägliches Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO hätten, von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Mutterschaftsgeld und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1983 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12. Mai 1982 zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des SG.

Die Beklagte beanstandet zu Recht, daß dem § 200 Abs. 3 Satz 2 RVO, mit dem der hier maßgebliche § 30 Ziff.. 10 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen (VB) der Beklagten übereinstimmt., nicht die vom LSG beigemessene Bedeutung zukommt. Nach dieser Vorschrift ist der von einem Arzt oder einer Hebamme bescheinigte mutmaßliche Tag der Entbindung nur für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes vor der Entbindung maßgebend. Damit soll aber nicht der in Satz 1 des § 200 Abs. 3 RVO (§ 30 Ziff.. 9 Abs. 1 VB) bestimmte Anspruch als solcher eingeschränkt werden. Dieser steht, wie durch Satz 4 des § 200 Abs. 3 RVO (§ 30 Ziff.. 10 Abs. 3 VB) bestätigt wird, für die Zeit vor der Entbindung für mindestens 6 Wochen zu. Die Beklagte erkannte deshalb zu Recht, nachdem die Entbindung schon am 28. April 1981, also vor dem ärztlich bescheinigten mutmaßlichen Entbindungstag, dem 13. Mai 1981, stattgefunden hatte, einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld bereits für die Zeit ab 17. März 1981 an. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte aufgrund der vor der Entbindung vorgelegten. ärztlichen Bescheinigung von einem Beginn der 6-wöchigen Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG am 1. April 1981 ausgegangen war. Die Auffassung des LSG, der Beginn dieser Schutzfrist könne nicht nachträglich korrigiert werden, ist zwar richtig. Die Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG und die dieser zugeordnete Anspruchszeit des Mutterschaftsgeldes decken sich jedoch nicht immer.

Nach § 3 Abs. 2 MuSchG dürfen werdende Mütter, wenn sie sich nicht zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären, in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden. Da zu dieser Zeit der Entbindungstag noch nicht feststeht, bestimmt § 5 Abs. 2 Satz 1 MuSchG, daß für die Berechnung der Schutzfrist das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme maßgebend ist, das den mutmaßlichen Tag der Entbindung angeben soll. Nach Satz 2 dieser Vorschrift verkürzt oder verlängert sich die Frist entsprechend, wenn sich der Arzt oder die Hebamme über den Zeitpunkt der Entbindung irrt. Der Beginn der Schutzfrist ändert sich also nicht. Für das Mutterschaftsgeld gilt eine abweichende Regelung. § 200 Abs. 3 RVO bestimmt in seinem Satz 1, daß das Mutterschaftsgeld für 6 Wochen vor der Entbindung gewährt wird. Es heißt also nicht, daß es für die Zeit der nach § 5 Abs. 2 MuSchG berechneten Schutzfrist zu zahlen ist. Nun stellt allerdings Satz 2 des § 200 Abs. 3 RVO für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes vor der Entbindung ebenfalls auf den von einem Arzt oder einer. Hebamme bescheinigten mutmaßlichen Tag der Entbindung ab. Satz 4 sieht aber bei einem Irrtum des Arztes oder der Hebamme nur eine Verlängerung, dagegen keine Verkürzung der Bezugsdauer vor. Daraus folgt, daß der Mutter die in Satz 1 bestimmte Anspruchszeit von 6 Wochen auf alle Fälle zusteht. Bei einer Entbindung nach dem mutmaßlichen Termin bleibt es bei dem Beginn der Anspruchszeit, diese verlängert sich dann aber über den mutmaßlichen Entbindungstermin hinaus bis zum tatsächlichen Entbindungstag. Bei einer Entbindung vor dem mutmaßlichen Termin muß der Beginn der Anspruchszeit entsprechend in die Vergangenheit zurückverlegt werden, denn nur so kann die Bestimmung erfüllt werden, daß der Mutter das Mutterschaftsgeld für 6 Wochen vor der Entbindung gewährt wird (herrschende Meinung; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Komm, Stand: April 1983, Anm. 4 zu § 200 RVO; Töns, Mutterschaftshilfe und Mutterschutz, Komm, Stand: Dezember 1981, Anm. F I 2 zu § 200 RVO; Zmarzlik/Zipperer, Mutterschutzgesetz, 3. Aufl., Rdnr. 30 zu § 200 RVO; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, Komm, Stand: Oktober 1982, Anm. 22 zu § 13).

Die unterschiedlichen Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 2 MuSchG und § 200 Abs. 3 Satz 4 RVO haben, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, ihren Sinn. Die Zeit des Mutterschutzes vor der Entbindung (Zeit des „Beschäftigungsverbotes”) muß von vornherein feststehen. Es kann nicht eine Zeit nachträglich unter Schutz gestellt werden. Es bleibt deshalb bei der einmal berechneten und anerkannten Schutzfrist. Anders verhält es sich bei dem Mutterschaftsgeld, dieses kann wie jede Geldleistung nachträglich für die Vergangenheit gewährt werden. Der Gesetzgeber war daher nicht gezwungen, eine Kürzung dieses Geldanspruches für den Fall vorzusehen, daß sich Arzt oder Hebamme über den Zeitpunkt der Entbindung irrt. Der Möglichkeit, daß die Mutter für eine außerhalb der (kürzeren) Schutzfrist liegende Anspruchszeit neben dem Mutterschaftsgeld noch ein volles Arbeitsentgelt erhält, begegnet § 200c Abs. 2 RVO (§ 30 Ziff.. 14 VB), wonach der Anspruch auf Mutterschaftsgeld ruht, soweit Arbeitsentgelt gezahlt wird. Eine Schlechterstellung, die das LSG vermeiden will, muß sich aus der hier vorgenommenen Auslegung des § 200 Abs. 3 RVO nicht ergeben. Die Gewährung von Mutterschaftsgeld stellt für sich allein nur eine Begünstigung dar. Allerdings verdrängt der Anspruch auf Mutterschaftsgeld den Anspruch auf Krankengeld (§ 200c Abs. 1 RVO, § 30 Ziff. 13 VB). Eine sich daraus eventuell ergebende Schlechterstellung der arbeitsunfähigen Mutter (s aber § 14 MuSchG) wäre hinzunehmen, denn der Wegfall des Krankengeldes ist vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet. Eine andere Frage ist es, inwieweit die nachträgliche Gewährung von Mutterschaftsgeld die rückwirkende Entziehung einer anderen höheren Sozialleistung, hier also des Krankengeldes, rechtfertigt.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit der rückwirkenden Zuerkennung des Mutterschaftsgeldes ab 17. März 1981 gleichzeitig in eine bestehende Rechtsposition der Klägerin eingegriffen, indem sie das für die Zeit vom 17. März bis 31. März 1981 gewährte höhere Krankengeld in vollem Umfang auf das ab dem 17. März und über den 31. März 1981 hinaus gewährte Mutterschaftsgeld angerechnet und eine noch verbliebene Überzahlung von 35,– DM zurückgefordert hat. Diese Entscheidung der Beklagten wird nicht allein durch § 200c Abs. 1 RVO (§ 30 Ziff. 13 VB) gerechtfertigt. Daraus, daß neben Mutterschaftsgeld nach den §§ 200 und 200a RVO (§ 30 Ziff. 5 und 8 VB) Krankengeld nicht gewährt wird, folgt zunächst nur, daß durch die rückwirkende Zuerkennung von Mutterschaftsgeld die Bewilligung von Krankengeld rechtswidrig geworden ist. Die Bewilligung von Krankengeld bleibt trotzdem wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt ist (§§ 31, 39 des Sozialgesetzbuches-Verwaltungsverfahren -SGB X-).

Bei der von der Beklagten vorgenommenen Verrechnung des Mutterschaftsgeldes mit dem Krankengeld handelt es sich um eine Aufrechnung i.S. des § 51 SGB -Allgemeiner Teil- (SGB I). Diese setzt voraus, daß die Beklagte einen Anspruch gegen die Klägerin auf Erstattung des für die Zeit vom 17. März bis 31. März 1981 gezahlten Krankengeldes hatte. Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind Leistungen zu erstatten, soweit der sie bewilligende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die hier angefochtene Entscheidung der Beklagten ist daher so zu verstehen, daß mit der Verrechnung der Leistungen auch die Aufhebung der Krankengeldbewilligung für die hier fragliche Zeit verfügt werden sollte. Die ebenfalls in Betracht zu ziehende Möglichkeit der Umdeutung der Krankengeldbewilligung in eine Bewilligung von Mutterschaftsgeld (§ 43 Abs. 1 SGB X) scheidet aus, weil die Rechtsfolgen für die Klägerin ungünstiger wären (§ 43 Abs. 2 SGB X); das Mutterschaftsgeld beträgt kalendertäglich 25,– DM, dagegen war das Krankengeld, auf einen kalendertäglichen Betrag von 104,– DM festgesetzt worden. Da rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte nach § 45 SGB X nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden können (§ 45 Abs. 4 SGB X), es sich aber hier nicht um einen dieser Fälle handelt, könnte sich die umstrittene Aufhebung der Krankengeldbewilligung nur auf § 48 SGB X stützen.

Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Absatz 1 Satz 1). Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse soll er aufgehoben werden, u.a. soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Absatz 1 Satz 2 Nr. 3). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (Absatz 1 Satz 3).

Diese Regelung ist im vorliegenden Fall anzuwenden. Bei der Gewährung von Krankengeld für eine laufende Bezugszeit handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die Beklagte hat zwar hier das der Klägerin zugebilligte Krankengeld erst nach Ablauf der Anspruchszeit ausgezahlt. Wenn aber der Umstand, daß nach Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen für eine frühere Zeit erzielt worden ist, zur Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (vom Beginn des Anrechnungszeitraumes) berechtigt und verpflichtet, so muß das auch gelten, wenn die Bezugszeit der sich erst nachträglich als rechtswidrig herausstellenden Leistung bereits abgelaufen war. Wird dem Empfänger einer Geldleistung rückwirkend eine andere Geldleistung zuerkannt, die die zunächst gewährte Geldleistung ausschließt oder herabsetzt, so ist es in keinem Falle gerechtfertigt, den Doppelbezug dieser Leistungen für dieselbe Zeit zu sanktionieren. Die Entbindung der Klägerin am 28. April 1981 bewirkte insofern eine Änderung der Verhältnisse, als nach der Gewährung des Krankengeldes bis zum 31. März 1981 rückwirkend auch für die Zeit ab 17. März 1981 ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld entstanden, also Einkommen erzielt worden ist. Es stellt sich jedoch nun die Frage, ob die Beklagte die Bewilligung des Krankengeldes für die hier streitige Zeit in vollem Umfange oder nur in Höhe des zeitgleich zustehenden Mutterschaftsgeldes aufheben durfte.

Das Mutterschaftsgeld nach den §§ 200 und 200a RVO führt nicht nur zur Minderung, sondern zum Wegfall des Krankengeldes (§ 200c Abs. 1 RVO, § 30 Ziff. 13 VB). In Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ergibt sich daher, daß dann, wenn für eine Krankengeldbezugszeit nachträglich ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld erworben wird, der Krankengeldanspruch rückwirkend aufgehoben werden soll. Der Krankenkasse ist damit eine Soll-Verpflichtung auferlegt (anders als in Satz 1 des § 48 Abs. 1 SGB X), die ein abweichendes Handeln in einem Ausnahmefall zuläßt. Ein Abweichen von der Regel muß jedoch rechtlich begründet sein, es muß insbesondere mit den Grundsätzen der Gesamtregelung in Einklang stehen. Die Vorschriften über die Bestandskraft des Verwaltungsaktes (§§ 39 ff. SGB X) sind u.a. geprägt von dem übergeordneten Rechtsgrundsatz des Vertrauenschutzes. So darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Eine Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit ist noch weitergehend eingeschränkt; sie ist nur zulässig, wenn der rechtswidrige Verwaltungsakt auf ein fehlerhaftes Verhalten des Begünstigten zurückzuführen ist oder wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht oder wenn Wiederaufnahmegründe i.S. des § 580 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vorliegen (§ 45 Abs. 4 SGB X). Da demgegenüber § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ein schutzwürdiges Vertrauen grundsätzlich nicht anerkannt, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, geht diese Vorschrift offensichtlich davon aus, daß die wirtschaftlichen Auswirkungen der Aufhebung des Verwaltungsaktes und das erzielte Einkommen sich in etwa entsprechen. Ist das nicht der Fall, so können sich bei Anwendung der Vorschrift Einschränkungen ergeben.

Die Lohnersatzleistungen im Rahmen der Mutterschaftsgeldgewährung nach den §§ 200 und 200a RVO sind in der Regel nicht geringer als das durch sie ausgeschlossene Krankengeld. Frauen, die Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO haben, erhalten für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 MuSchG von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 25,– DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Das Mutterschaftsgeld nach § 200a RVO wird in der Höhe des Krankengeldes nach § 182 RVO gewährt.

Die Berechtigung und Verpflichtung der Beklagten, wegen des nachträglich entstandenen Anspruchs auf Mutterschaftsgeld für die ab 17. März 1981 die Zuerkennung des Krankengelds für die Zeit vom 17. März bis 31. März 1981 rückwirkend in vollem Umfange aufzuheben, ist nicht deshalb ausnahmsweise eingeschränkt, weil der Anspruch der Klägerin gegen ihren Arbeitgeber auf den Zuschuß nach § 14 Abs. 1 MuSchG bisher nicht geklärt ist. Bezüglich dieses Anspruchs bestehen deshalb Zweifel, weil § 14 MuSchG i.d.F. des Gesetzes zur Einführung des Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl. I 797) als Anspruchszeit die „Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1” bestimmt. Die hier streitbefangene Zeit fällt aber nicht, wie oben dargelegt, in die Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG, die allein in Betracht käme, sondern geht dieser voraus. Andererseits ist jedoch folgendes zu beachten: Die frühere Fassung des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG beschränkte den Anspruch nicht ausdrücklich auf die Schutzfristen, vielmehr stellte sie allein auf den Anspruch auf Mutterschaftsgeld ab. Das Gesetz vom 25. Juni 1979 hat dem § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG die Worte „für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1” eingefügt, weil der Anspruch nicht auf den Mutterschaftsurlaub ausgedehnt werden sollte (Begründung des Regierungsentwurfes eines Gesetzes zur Einführung des Mutterschaftsurlaubs, BT-Drucks. 8/2613, S. 13 zu Art. 1 Nr. 5). Eine Einschränkung gegenüber der früheren Rechtslage war offenbar nicht beabsichtigt. Eine Klärung dieser Rechtsfrage ist den Arbeitsgerichten vorbehalten, die für einen Streit über einen Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß zuständig sind.

Im vorliegenden Fall scheiterte bisher eine Klärung des Zuschußanspruches gegen den Arbeitgeber allein am Verhalten der Klägerin. Diese muß sich deshalb so behandeln lassen, als stünde ihr dieser Anspruch zu. Die Beklagte konnte demnach auch bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X davon ausgehen, daß der Klägerin für die hier streitige Zeit neben dem Mutterschaftsgeld auch der Arbeitgeberzuschuß zugestanden hat.

Die Beklagte hat während des Verwaltungsverfahrens (des Widerspruchsverfahrens) der Klägerin gegenüber erklärt, sie werde von der Rückforderung des Krankengelds absehen, wenn die Klägerin den Zuschußanspruch gegen ihren Arbeitgeber (ihren Ehemann) an sie abtritt und es ihr damit ermöglicht, die Rückforderung gegen den Arbeitgeber zu betreiben. Die Klägerin hat dies abgelehnt und dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie sowohl das erhaltene Krankengeld als auch den Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß zum Mutterschaftsgeld für sieh beansprucht. Ein solcher doppelter Einkommensbezug soll aber gerade durch § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ausgeschlossen werden.

In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, daß das Versicherungsverhältnis den Versicherten nicht nur zur Inanspruchnahme der Leistungen und der Betreuung durch den Versicherungsträger berechtigt, sondern ihn als Mitglied der Solidargemeinschaft auch zur Mitwirkung im Rahmen des Versicherungsverhältnisses verpflichtet. Der Senat hat daraus für eine Zeit vor Inkrafttreten des SGB X gefolgert, daß zu dieser dem Versicherten obliegenden Mitwirkung die Mitteilung und Anzeige aller für die ordnungsgemäße Abwicklung der Versicherung notwendigen Umstände gehört, insbesondere soweit diese dazu dient, die Interessen des Versicherungsträgers und damit der Versichertengemeinschaft zu wahren (BSGE 45, 119, 121 – SozR 2200 § 1542 RVO Nr. 1). Zwischenzeitlich sind die Mitwirkungspflichten des Sozialleistungsberechtigten Gegenstand genereller gesetzlicher Regelungen geworden (§§ 60 ff. SGB I). Auch hinsichtlich der Abtretung bzw. des Überganges von Ansprüchen gibt es im Sozialleistungsbereich neue generelle Regelungen (z.B. §§ 53 ff. SGB I, §§ 115 ff. SGB X). Diese ausdrücklichen Regelungen bestätigen die allgemeine Verpflichtung des Versicherten, an der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses im Rahmen seines Verantwortungsbereiches mitzuwirken. Dazu gehört im vorliegenden Fall, daß die Klägerin der Beklagten die Klärung des Anspruches auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 14 MuSchG möglich macht.

Verbliebe der Klägerin sowohl der eventuelle Anspruch gegen ihren Arbeitgeber als auch das Krankengeld in Höhe dieses Anspruches, so ginge dieser rechtswidrige Vermögensvorteil der Klägerin zu Lasten der Beklagten, die an sich nur zur Zahlung des Mutterschaftsgeldes verpflichtet war. Der Vermögensvorteil auf leiten der Klägerin und der Vermögensnachteil auf leiten der Beklagten verlangt nach einem Ausgleich. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes rechtfertigt es nicht, der Klägerin neben dem infrage stehenden Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß auch das Krankengeld zu belassen. Die Berufung auf den Vertrauensschutz verstößt gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin einerseits wegen der Fragwürdigkeit des Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber die Rückzahlung bzw. Verrechnung des Krankengelds ablehnt und sich andererseits weigert, durch eine Abtretung an die Beklagte dieser die Klärung des Anspruchs zu ermöglichen. Zur Vermeidung eines solchen Rechtsmißbrauchs muß sich die Klägerin so behandeln lassen, als stünde ihr der Zuschußanspruch gegen ihren Arbeitgeber tatsächlich zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI582841

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