Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.09.1955)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. September 1955 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

I

Am 23. September 1951, einem Sonntag, unternahmen Betriebsangehörige der Firma G… AG. in Karlsruhe-Durlach, und denen sich auch der Kläger befand, eine Ausflugsfahrt nach Besigheim. Dabei erlitt der Kläger einen Unfall; er stolperte im Bahnhof Besigheim über eine Eisenbahnschiene, kam zu Fall und zog sich eine Prellung der rechten Schulter mit Lähmung der Axillarisnerven zu.

Den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus der gesetzliche Unfallversicherung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 16. Mai1952 mit der Begründung ab, die Ausflugsfahrt habe nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie nicht vom Unternehmer, sondern vom Betriebsrat veranstaltet worden sei und eine Pflicht zur Teilnahme nicht bestanden habe.

Auf die Berufung des Klägers hat der Vorsitzende der Spruchkörper des Oberversicherungsamts (OVA.) Karlsruhe durch Vorentscheidung vom 16. Januar 1953 den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, den Anspruch des Klägers aus dem Unfall vom 23. September 1951 dem Grunde nach anzuerkennen; als einmalige vorläufige Leistung hat er die Zahlung von 100.– DM angeordnet.

Der hiergegen form- und fristgerecht eingelegte Rekurs der Beklagten, der nach § 215 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung vom Landesversicherungsamt (LVamt) Württemberg-Baden auf das Landessozialgericht (LSG.) Baden-Württemberg übergangen ist, hat keinen Erfolg gehabt. Das LSG. hat im Urteil vom 14. September 1955 folgenden Sachverhalt festgestellt. Die Fahrt von Karlsruhe-Durlach nach Besigheim und zurück wurde vom Betriebsrat der Firma G… AG. mit Wissen und ausdrücklicher Zustimmung der Betriebsleitung vorbereitet und geleitet. Sie wurde mit Sonderzügen der Deutschen Bundesbahn durchgeführt welche Transparente trugen mit der Aufschrift “Betriebsausflug der Firma G… AG. Durlach”. Für die Betriebsangehörigen bestand keine Pflicht zur Teilnahme. Von den 3020 Beschäftigten des Betriebes nahmen 800 an der Fahrt teil, außerdem 380 Familienangehörige. Am Ausflugsziel Besigheim wurden den Teilnehmern verschiedene Gaststätten zur Einnahme des Mittagessens zugewiesen, weil ein einziges Gasthaus die große Zahl nicht hätte fassen können. Drei leitende Herren der Firma, Direktor K… Oberingenieur und Prokurist E… und Betriebsleiter H… nahmen in der Weise an der Veranstaltung teil, daß sie die Betriebsangehörigen in Besigheim für einige Stunden besuchten, um dadurch ihre Verbundenheit mit der Belegschaft zum Ausdruck zu bringen. Die Betriebsleitung gewährte einen Zuschuß von 4.000– DM, der ausschließlich den 800 Belegschaftsmitgliedern zugute kam. In ähnlicher Weise war im Jahre vorher ein Betriebsausflug vom Betriebsrat durchgeführt worden. Sonstige Betriebsausflüge hatten in beiden Jahren nicht stattgefunden.

Das LSG, hat die Ausflugsfahrt als eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angesehen. Es hat weiter geprüft, ob der Kläger aus dem Gesichtspunkt der Trunkenheit den Versicherungsschutz verloren habe. Dies hat es verneint unter der Feststellung, der Kläger sei zwar “angeheitert bzw. angetrunken” gewesen, es fehle jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, daß er nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich ohne fremde Hilfe verkehrsgerecht zu bewegen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen, über die zu entscheiden war, hat das LSG. die Revision zugelassen.

Das Urteil des LSG. ist der Beklagten am 10. Oktober 1955 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 29. Oktober 1955 Revision eingelegt und diese am 15. November 1955 begründet.

Die Revision greift vor allem die Rechtsauffassung des LSG. an, die Ausflugsfahrt habe unter Versicherungsschutz gestanden. Hierzu führt sie aus: Der Versicherungsschutz müsse schon deshalb versagt werden, weil der Ausflug nicht von der Betriebsleitung veranstaltet worden sei und zudem an einem Sonntag stattgefunden habe. Die Betriebsleitung habe nicht einmal zur Teilnahme aufgerufen. Wenn ihre Billigung genügen solle, so müsse man wenigstens fordern, daß sie die Veranstaltung außerdem wesentlich gefördert habe. Das sei hier nicht geschehen, denn der Betrieb habe die Unkosten nur in Höhe von 1.– DM pro Kopf der Belegschaft getragen. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertige auch nicht die Annahme, daß die Veranstaltung von der Autorität der Betriebsleitung getragen worden sei. Dagegen sprechen daß drei Viertel der Belegschaft der Fahrt ferngeblieben seien. Fahrt habe nur unter der Autorität des Betriebsrats gestanden; daß reiche zur Annahme des Versicherungsschutzes nicht aus. Die Bezugnahme des LSG. auf § 49 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) gehe fehl. Aus dieser Vorschrift lasse sich nichts darüber entnehmen, was zur versicherten Betriebstätigkeit gehöre; sie setze auch die Handlungen des Betriebsrats nicht denjenigen der Betriebsleitung gleich. Schließlich werde die Rechtsauffassung des LSG. nicht dadurch gestützt, daß die beiden in den Jahren 1950 und 1951 vom Betriebsrat organisierten Ausflüge in dieser Zeit die einzige Gemeinschaftsveranstaltungen der Firma G… AG. gewesen seien. Es gebe weder ein Gesetz noch eine Übung, wonach jeder Betrieb in jedem Jahre einen Betriebsausflug zu machen habe oder mache.

Ferner rügt die Revision, das LSG. sei der ihm obliegenden Pflicht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Sie vermißt insbesondere Feststellungen darüber, wer die Sonderzüge der Bundesbahn bestellte, auf wessen Veranlassung die Transparente angebracht wurden und ob die Betriebsleitung hiervon vorher unterrichtet war, nach welchem Schlüssel der Zuschuß von 4.000.– DM errechnet wurde, welche Stellung die drei leitenden Herren, die an der Veranstaltung teilnahmen, im Betreib bekleidten, ob die drei Herren als Vertreter der Betriebsleitung oder aus Respekt vor dem Betriebsrat an der Veranstaltung teilnahmen, auf Grund welches Auftrages der Betriebsleitung sie teilnahmen und wer für den Fall, daß es beispielsweise zu Sachbeschädigungen in der Eisenbahn, zu Schlägereien, Zusammenrottungen oder sonstigen strafbaren Handlungen gekommen wäre, die Verantwortung hierfür getragen hätte.

Schließlich rügt die Revision, das LSG. habe nicht ausreichend geklärt, ob der Kläger im Hinblick auf seinen Zustand der Angetrunkenheit in der Lage gewesen sei, als Fußgänger am allgemeinen Verkehr, zumindest auf dem Gelände der Bundesbahn teilzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidungen des OVA. und des LSG. die Klage abzuweisen.

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen der Revision unter Hinweis auf das angefochtene Urteil und auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 22. August 1955 (BSG. 1 S. 179) entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die vom LSG, zugelassene. Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie hatte jedoch keinen Erfolg.

Der erkennende Senat hat bereits in dem angeführten Urteil vom 22. August 1955 entschieden, daß eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, die dazu bestimmt ist, die Verbundenheit von Betriebsleitung und Belegschaft zu fördern, unter gewissen Voraussetzungen dem Betriebe zuzurechnen und deshalb die Teilnahme an ihr einer Betriebstätigkeit gleichzusetzen ist. Die Revision tritt dieser Auffassung im Grundsatz nicht entgegen, sie meint aber, die hier zu beurteilende Ausflugsfahrt nach Besigheim sei keine dem angeführten Zweck dienende Gemeinschaftsveranstaltung gewesen und es fehle auch an den weiteren besonderen Voraussetzungen des Versicherungsschutzes. Diese Angriffe gegen das angefochtene Urteil sind nicht gerechtfertigt.

Die zu fordernde Zweckbestimmung der Veranstaltung ergibt sich bereits aus der Feststellung des LSG., daß drei leitende Herren des Unternehmens an der Veranstaltung teilgenommen hätten, um ihre Verbundenheit mit der Belegschaft zum Ausdruck zu bringen. Diese Feststellung ist verfahrensmäßig nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer Auskunft der Firma G… AG. und beantwortet die von der Revision zu Unrecht als ungeklärt bezeichnete Frage, zu welchem Zweck die drei leitenden Herren an der Veranstaltung teilnahmen, eindeutig. Auch ihre Stellung im Betrieb ist mit der Feststellung, daß es sich um einen Direktor, einen Oberingenieur und Prokuristen sowie um einen Betriebsleiter gehandelt habe hinreichend geklärt. Ob die drei Herren einen besonderen Auftrag der Betriebsleitung hatten, an dem Ausflug teilzunehmen und die Betriebsleitung zu vertreten, brauchte das LSG. nicht zu erforschen. Es lag zumindest im Rahmen der Befugnisse des Direktors und des Prokuristen, bei einer Gemeinschaftsveranstaltung der Belegschaft als Repräsentanten der Betriebsleitung aufzutreten; einer besonderen Ermächtigung durch den Vorstand als den gesetzlichen Vertreter der Aktiengesellschaft bedurfte es hierzu nicht. Kennzeichnend für die Zweckbestimmung der Veranstaltung waren auch die Transparente an den Sonderzügen mit der Aufschrift “Betriebsausflug der Firma G… AG. Durlach”. Sie zeigten, daß auch nach dem Willen des Betriebsrats, der ebensowohl als Repräsentant der Belegschaft wie auch für die Betriebsleitung auftrat, die Verbundenheit zwischen dem Unternehmen und der Belegschaft gefördert werden sollte. Ob die Betriebsleitung über die Anbringung der Transparente oder ähnliche Begleitumstände der Fahrt im einzelnen vorher unterrichtet war, ist rechtlich unerheblich; es genügt, daß der Betriebsrat sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung und Leitung der Veranstaltung mit der grundsätzlichen Billigung der Betriebsleitung handelte. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung der Veranstaltung ist es auch ohne Bedeutung, ob die Betriebsleitung oder der Betriebsrat die Sonderzüge bestellt hatte. Hieraus läßt sich allenfalls darauf schließen, wer Veranstalter war. Da dies aber nicht streitig ist, vielmehr feststeht, daß der Betriebsrat die Ausflugsfahrt veranstaltet hat, bedurfte es auch in diesem Punkt keiner weiteren Erforschung des Sachverhalts. Auf die Zweckbestimmung der Veranstaltung als einer solchen, die das Betriebsklima fördern sollte, läßt auch der von der Betriebsleitung zur Verfügung gestellte Zuschuß von 4.000.– DM eindeutig schließen.

Bei einer dem angeführten Zweck dienenden Gemeinschaftsveranstaltung setzt ihre Gleichstellung mit einer Betriebstätigkeit – wie der Senat bereits in BSG. 1 S. 179 [183] ausgeführt hat – weiter voraus, daß sie vom Betriebsleiter selbst veranstaltet oder doch von ihm gebilligt und gefördert wird und daß alle Betriebsangehörigen daran teilnehmen sollen. Der Senat hält an seiner Auffassung, daß der Betriebsleiter nicht unbedingt selbst als Veranstalter auftreten muß, trotz der hiergegen gerichteten Angriffe der Revision fest. Die gegenteilige Auffassung würde nicht nur in vielen Fällen den Betriebsleiter überfordern, sondern auch die Übung, die sich namentlich in großen Betrieben herausgebildet hat, weitgehend außer acht lassen. Ist somit davon auszugehen, daß der Betriebsleiter sowohl die Durchführung einer auf seine Initiative zurückgehenden Gemeinschaftsveranstaltung einer anderen Person oder Personengruppe übertragen als auch sich damit einverstanden erklären kann, daß eine von anderer Seite geplante Veranstaltung als Gemeinschaftsveranstaltung des Betriebes durchgeführt wird, so bestehen keine Bedenken dagegen, den Betriebsrat als Veranstalter auftreten zu lassen. Wenn schon der Arbeitgeber die Gemeinschaftsveranstaltung nicht selbst durchführen kann oder will, so ist der Betriebsrat als Repräsentant der Arbeitnehmer hierzu geradezu berufen, naturgemäß unter der Voraussetzung, daß der Betriebsleiter damit einverstanden ist. Dies läßt sich, was in den Ausführungen des LSG. mit Recht anklingt, daraus herleiten, daß der Betriebsrat in Angelegenheiten die sowohl das Wohl des Betriebes als auch der Arbeitnehmer angehen, weitgehend zur Mitbestimmung berufen ist (§§ 49 ff. BetrVG). Der Betriebsrat, der in solchen Fällen mit Billigung des Betriebsleiters handelt, tritt sowohl für diesen als auch für die Arbeitnehmerschaft auf. Das der Betriebsrat der G… AG. die Ausflugsfahrt nach Besigheim mit Billigung der Betriebsleitung veranstaltet hat, ist vom LSG. ausdrücklich festgestellt und von der Revision nicht in Zweifel gezogen worden. Die nach der Rechtsprechung des Senats erforderliche Förderung durch die Betriebsleitung liegt vor allem in der Gewährung eines Zuschusses von 4.000.– DM, der sich für jeden Teilnehmer der Belegschaft in einer Zuwendung von 5.– DM auswirkte. Das LSG. brauchte weder zu klären, nach welchem Schlüssel der Zuschuß bemessen war, noch brauchte es zu prüfen, ob von einer nennenswerten Förderung der Veranstaltung auch dann gesprochen werden könnte, wenn sich alle Belegschaftsmitglieder an der Fahrt beteiligt hätten und demgemäß die Zuwendung an den Einzelnen nur wenig mehr als eine DM betragen hätte. Selbst wenn der Betriebsleitung im Zeitpunkt der Bewilligung des Zuschusses die Teilnehmerzahl nicht bekannt gewesen sein sollte, ergab sich aus den Erfahrungen einer im Jahre vorher in ähnlicher Weise durchgeführten Veranstaltung, daß ein Betrag von 4.000.– DM als ein angemessener Unkostenbeitrag gelten konnte.

Der Ausflugsfahrt nach Besigheim ist der Charakter einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht deshalb abzusprechen, weil nur 26,5 % der Belegschaft teilnahmen. Daß Teilnahmepflicht nicht gefordert werden darf, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 22. August 1955 (a.a.O.) ausgesprochen; es genügt, daß die Veranstaltung für den gesamten Betrieb oder – unter gewissen Umständen – für einen bestimmten Teil des Betriebes gedacht ist. Allerdings wird man nicht jedem auch noch so geringen Teil einer Belegschaft die Fähigkeit zusprechen können, sich zu seiner Gemeinschaftsveranstaltung zusammenzufinden. Im vorliegenden Falle war jedoch schon der Hundertsatz der Teilnehmer nicht unbedeutend, vor allem aber war die absolute Teilnehmerzahl so hoch, daß keine Bedenken bestehen, in ihr eine Gemeinschaft des Betriebes zu sehen.

Der Charakter einer Gemeinschaftsveranstaltung wurde auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß Familienmitglieder teilnahmen und die Fahrt an einem Sonntag durchgeführt wurde. Auch insoweit hält der Senat an seiner im Urteil vom 22. August 1955 zum Ausdruck gekommenen Auffassung fest. Ebenso, wie jede andere Betriebstätigkeit nicht schon deshalb des Versicherungsschutzes entbehrt, weil sie an einem Sonntag ausgeübt wird, gilt dies auch für eine einer Betriebstätigkeit gleichzuerachtende Gemeinschaftsveranstaltung.

Endlich hängt der Versicherungsschutz für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung, wie der Senat im Urteil vom 22. August 1955 ausgeführt hat, davon ab, daß die Veranstaltung von der Autorität des Unternehmers getragen ist. Die Revision rügt zu Unrecht, daß es im vorliegenden Falle an dieser Voraussetzung gefehlt habe. Von der Autorität des Unternehmers ist eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung nicht nur getragen, wenn jener selbst oder – falls das Unternehmen eine Aktiengesellschaft ist – sonstige leitende Personen anwesend sind, sondern auch zu einer Zeit, in welcher der Unternehmer nicht zugegen ist, der Betriebsrat aber die Veranstaltung leitet und dabei nicht oder nicht nur aus seiner eigenen Machtstellung, sondern im Einvernehmen mit dem Unternehmer und für diesen handelt. Deshalb war auch die Rückfahrt von Besigheim nach Karlsruhe, auf welcher der Kläger verunglückt ist, von der Autorität der Betriebsleitung der Firma G… AG. und nicht etwa nur – wie die Revision meint – von der Autorität des Betriebsrates getragen. Für die Beurteilung dieser versicherungsrechtlichen Frage ist es unerheblich, wer bei Sachbeschädigungen und ähnlichen Gewalttätigkeiten die Verantwortung für die Veranstaltung zu tragen gehabt hätte. Diese letztere, von der Revision aufgeworfene Frage ist eine vornehmlich auf dem Gebiet des Strafrechts und des Haftpflichtrechts liegende Rechtsfrage, deren Klärung die dem LSG. obliegende Erforschung des Sachverhalts nicht zu dienen brauchte. Deshalb ist auch die insoweit von der Revision erhobene Verfahrensrüge unbegründet.

Hiernach hat das LSG. im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die gemeinschaftliche Ausflugsfahrt von Angehörigen der Firma G… AG. am 23. September 1951 dem Betrieb dieser Firma zuzurechnen war und somit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Deshalb ist es unerheblich, ob das LSG. sich bei der rechtlichen Würdigung – was die Revision beanstandet – auch auf den Umstand stützen durfte, daß der Ausflug nach Besigheim im Jahre 1951 und ein Ausflug im Jahre 1950 die einzigen Gemeinschaftsveranstaltungen der Firma G… AG. in diesen beiden Jahren waren.

Der Kläger hat somit Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sofern er nicht – wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat – im Zeitpunkt des Unfalls infolge Trunkenheit unfähig war, sich den Erfordernissen des Verkehrs entsprechend zu bewegen. Nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist zwar die von der Beklagten behauptete Verkehrsuntüchtigkeit des Klägers nicht widerlegt, andererseits fehlt es aber auch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, daß der Kläger infolge Trunkenheit außerstande gewesen wäre, sich ohne fremde Hilfe an der Heimfahrt zu beteiligen bzw. als Fußgänger nach Hause zurückzukehren. An die Feststellung des LSG., daß nicht positiv geklärt und auch nicht mehr aufklärbar sei, ob der Kläger verkehrstüchtig oder verkehrsuntüchtig war, ist das Bundessozialgericht gebunden (§ 163 SGG). Die Bindung entfiele nur dann, wenn die Revision in Bezug auf die getroffene Feststellung zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht hätte. Dazu hätte es vor allem der Angabe von Beweismitteln bedurft (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG), die geeignet gewesen wären eine Verletzung der dem LSG. obliegenden Pflicht zur Sachaufklärung darzutun. Solche Rügen hat die Revision jedoch nicht erhoben. Die somit bestehende und nicht schließbare Lücke in der Erforschung des Sachverhalts hat das LSG. mit Recht zum Nachteil der Beklagten gewertet. Zwar ist grundsätzlich der ursächliche Zusammenhang zwischen der unfallbringenden und der versicherten Tätigkeit ein anspruchsbegründendes Merkmal, dessen Nichterweislichkeit zu Lasten desjenigen geht, der hieraus ein Recht herleitet (vgl. BSG. in SozR. SGG § 128 Bl. Da 8 Nr. 23; BSG. vom 31.10.1956 – 4 RJ 267/55 –) Auch die Verkehrsuntüchtigkeit wegen Trunkenheit betrifft den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit, aber nicht im positiven, sondern im negativen Sinne; der ursächliche Zusammenhang ist im vorliegenden Falle zu bejahen, wenn die Verkehrsuntüchtigkeit zu verneinen ist. Nach der Auffassung des Senats handelt es sich hierbei jedoch nicht um ein negatives Tatbestandsmerkmal, vielmehr ist die Verkehrsuntüchtigkeit als sogenannte rechtshindernde Tatsache anzusehen. Dafür spricht, daß ohne einen solchen Umstand alle für den Eintritt der Rechtsfolge notwendigen Tatbestandsmerkmale vorhanden wären und nur ein der versicherten Tätigkeit fremdes Moment diese wirkung unterdrückt. Außerdem kann nicht unbeachtet bleiben, daß die Ausübung einer an sich versicherten Tätigkeit unter Trunkenheit die Ausnahme darstellt gegenüber der von Trunkenheit unbeeinflußten Beschäftigung. Hinsichtlich der rechtshindernden Tatsache der Verkehrsuntüchtigkeit trifft zwar den Versicherungsträger nicht die Beweisführungspflicht, jedoch geht die Nichterweislichkeit einer solchen Tatsache nach einem allgemeinen Grundsatz des Prozeßrechts zu seinen Lasten, weil er sich auf die Tatsache beruft (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 15.1.1958, Bd. I S. 244 1; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., S. 482, 538).

Der Unfall des Klägers vom 23. September 1951 ist somit als Arbeitsunfall im Sinne des § 342 der Reichsversicherungsordnung anzusehen.

Die Revision der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

…, …, …

 

Fundstellen

BSGE, 249

NJW 1958, 1511

MDR 1958, 718

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