Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Anwendung eines höheren Gefahrentarifs. Die Beklagte berücksichtigte bei der Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr gemäß §§ 730 ff. der Reichsversicherungsordnung (RVO) bis Ende 1971 ausschließlich diejenigen Aufwendungen, die aus Arbeitsunfällen während eines Beobachtungszeitraumes von zehn Jahren herrührten (Neulast). Das ergab für den Gewerbszweig der Klägerin "Herstellen von Porzellan" die Gefahrklasse 5,1. Im Juni 1972 beschloß die Vertreterversammlung der Beklagten ab 1. Januar 1972 einen neuen, vom Bundesversicherungsamt genehmigten Gefahrtarif. Danach werden als Berechnungsgrundlage für die Gefahrklassen nicht nur die Neulast, sondern auch 40% der Gesamtlast herangezogen. Für den Gewerbszweig: "Herstellen von Porzellan und feinkeramischen Erzeugnissen aus porzellanähnlichen Massen (einschließlich sanitäre Spülwaren)" wurde demgemäß die Gefahrklasse 6,6 festgesetzt. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1972 veranlagte die Beklagte die Klägerin für den Gewerbszweig Herstellen von Porzellan mit der Gefahrklasse 6,6. Nach erfolglosem Widerspruch (Bescheid vom 18. Januar 1973) macht die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) geltend, die von der Beklagten erstmals seit 1972 angewandte Methode der Bildung von Gefahrklassen verstoße gegen die §§ 730 ff. RVO. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. Oktober 1974 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 1. Juni 1976 zurückgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, ein Gefahrtarif könne, auch wenn er schon längere Zeit bestanden habe, geändert werden. Der Meinung der Klägerin, daß eine Annäherung an den Belastungstarif gesetzlich nicht zulässig sei, könne nicht zugestimmt werden, zumal sich der Gefahrtarif ohnehin eher wie ein Belastungstarif auswirke. Die Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft (BG) könne die Unfallbelastung auch aus einem früheren Zeitraum als den in § 731 RVO genannten fünf Jahren berücksichtigen. Dies werde sich insbesondere dann empfehlen, wenn sich anderenfalls eine ungerechte Verteilung alter Unfallasten auf die verschiedenen Unternehmensgruppen oder -teil ergäbe. Ob in einem solchen Falle die Altlast ganz oder teilweise berücksichtigt werde, unterliege dem Ermessen der Selbstverwaltung und der Genehmigungsentscheidung der Aufsichtsbehörde. Bei dem Gewerbszweig "Herstellen von Porzellan und feinkeramischen Erzeugnissen aus porzellanähnlichen Massen (einschließlich sanitäre Spülwaren)" betrage nach dem Unfallverzeichnis die Altlast mehr als das Dreifache der Neulast. Aufgrund der günstigen Entwicklung im Berufskrankheitensektor, der seit Jahren einen erheblichen Rückgang der Erkrankungen aufweise, werde ihre Neulast laufend geringer; dem stehe aber eine nicht in gleicher Weise abnehmende Gesamtlast gegenüber, die die BG laufend mit erheblichen Rentenzahlungen belaste. Wenn die Vertreterversammlung der BG bei dieser Sachlage die Zuteilung der Gewerbszweige zu den Gefahrklassen, basierend auf der Berechnungsgrundlage von Neulast zuzüglich 40 v.H. der Gesamtlast beschlossen habe, so habe sie nicht gegen Vorschriften der RVO oder höherrangiges Recht verstoßen oder ermessensfehlerhaft gehandelt.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Art. 3, 20 und 80 des Grundgesetzes (GG) und insbesondere der §§ 723 ff. RVO. Die Beklagte habe sich nicht innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung des § 723 RVO gehalten und gegen das Gewohnheitsrecht verstoßen, wonach die Beiträge allein nach dem Grad der Unfallgefahr abzustufen seien. Sie habe mit der geänderten Gefahrklasseneinteilung die Beiträge nach der Belastung abgestuft und damit die Porzellanindustrie stärker an denjenigen Aufwendungen beteiligt, die ihr aus früheren Silikoseerkrankungen erwachsen seien. Damit habe sie unzulässigerweise an eine früher zwar typische, heute aber nicht mehr bestehende Gefahr angeknüpft. Es sei ermessensfehlerhaft, auf diese Weise die "belastungstariflichen Elemente" zu verstärken und den Gesichtspunkt der Gefahr zurückzudrängen. Eine solche Durchbrechung der Beitragskontinuität verstoße gegen das Gebot der Gleichbehandlung.

Die Klägerin beantragt,das Urteil des Bayerischen LSG abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 1972 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1973 aufzuheben,hilfsweise,unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Erlebnis für zutreffend. Der BG stehe ein erheblicher Ermessensspielraum zu; nach § 731 Abs. 1 RVO seien beim Gefahrtarif die eingetretenen - und zwar sämtliche zu berentenden - Arbeitsunfälle zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Altlast, die nur zu 40 v.H. in Rechnung gezogen worden sei, bestünden im übrigen die früheren "Gefahren" weiter. Eine Beiladung des Bundesversicherungsamtes, das die Neuordnung des Gefahrtarifs am 29. August 1972 genehmigt habe, sei nicht erfolgt. Allerdings dürfte dies einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in der Sache selbst - jedenfalls nach seiner seitherigen Rechtsprechung - nicht entgegenstehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Von der Beklagten, die selbst keine Revision eingelegt hat, wurde in Erwägung gezogen, ob das Bundesversicherungsamt zum vorliegenden Verfahren hätte beigeladen werden müssen. Diese Frage war zu verneinen. Wenn auch eine solche Beiladung - etwa auf Antrag - hätte erfolgen können (§ 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), so wäre es doch keine - hier allein beachtliche - notwendige Beiladung i.S. des § 75 Abs. 2 SGG gewesen, weil das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde (vgl. § 732 RVO) an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könnte. Denn mit der Entscheidung wird nicht zugleich in ihre Rechtssphäre unmittelbar eingegriffen (vgl. BSG SozR Nr. 17 zu § 75 SGG und im übrigen Urteil des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1976 - 8 RU 8/76 -). I

n sachlicher Hinsicht war zunächst von der Vorschrift des § 723 RVO auszugehen. Danach sind die Mittel für die Ausgaben der BGen durch Beiträge der Unternehmer aufzubringen; gemäß § 725 Abs. 1 RVO richtet sich die Höhe der Beiträge nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen und nach dem Grade der Unfallgefahr. Diese gesetzlichen Regelungen werden von der Klägerin an sich nicht beanstandet. Sie fühlt sich nur dadurch beschwert, daß die Beklagte bei der Bildung der Gefahrklasse nicht - wie früher - ausschließlich diejenigen Aufwendungen berücksichtigt hat, die aus Arbeitsunfällen während eines Beobachtungszeitraumes von zehn Jahren herrührten (Neulast), sondern ab 1. Januar 1972 zusätzlich auch 40 v.H. der Gesamtlast, wodurch sich für ihren Gewerbszweig "Herstellen von Porzellan" die Gefahrklasse von 5,1 auf 6,6 erhöht hat. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin, die Beklagte habe sich bei dieser Neuregelung nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung des § 723 RVO gehalten und gegen ein bestehendes Gewohnheitsrecht verstoßen, wonach die Beiträge allein nach dem Grad der Unfallgefahr; nicht aber nach der Belastung abzustufen seien, insbesondere sei es unzulässig bzw. ermessensfehlerhaft, an eine früher zwar typische, heute aber nicht mehr bestehende Gefahr anzuknüpfen, sind jedoch nicht begründet.

Die Klägerin verkennt dabei zunächst Wesen, Sinn und Zweck der Gefahrklassen. § 730 RVO bestimmt hierzu, daß die Vertreterversammlung zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden hat. § 731 RVO schreibt in Abs. 1 ferner vor, daß der Vorstand den Gefahrtarif mindestens alle fünf Jahre mit Rücksicht auf die eingetretenen Arbeitsunfälle, die einen Leistungsanspruch begründen (Abs. 2), nachzuprüfen hat. Aus einer Würdigung dieser beiden Vorschriften ergibt sich, daß bei der Bildung der Gefahrklasse zwar von der "Unfallgefahr" auszugehen ist, daß die Gefahrklasse jedoch nicht nach einer einmal festgelegten "abstrakten" Gefahr zu bilden, sondern daß sie - soweit erforderlich - laufend, mindestens alle fünf Jahre, an die Ausgaben der BGen, d.h. vor allem an die durch die Arbeitsunfälle (und Berufskrankheiten) entstehenden und entstandenen Belastungen (dazu kommen noch Beträge für die Rücklage und für Betriebsmittel, vgl. § 724 Abs. 1 RVO) anzupassen ist. Diese Anpassung verstößt nicht etwa gegen § 730 RVO, wonach die Beiträge "nach dem Grad der Unfallgefahr" abzustufen sind. Denn § 730 RVO wird in der geschilderten Weise durch § 731 RVO ergänzt und dahin erläutert, daß sich die "Unfallgefahr" nach den Erfahrungen bemißt, die aus den in den verschiedenen Unternehmenszweigen tatsächlich sich ereignenden Arbeitsunfällen, d.h. aus Häufigkeit, Art und Umfang der vorkommenden Gesundheitsschäden mit den dadurch bedingten Unfallentschädigungsleistungen gewonnen werden. Diese Erfahrungen geben den erforderlichen Aufschluß über das jeweilige Ausmaß der Unfallgefahr, nach der dann die entsprechende Gefahrklasse gebildet wird. Diese dem Begriff der "Gefahrklasse" innewohnende enge Verknüpfung zwischen "Gefahr" und "Belastung" ist in BSG 27, 237, 243 durch die Worte angedeutet, daß "der Gefahrtarif sich ohnehin eher wie ein Belastungstarif auswirkt" (mit weiteren Nachweisen). Zutreffend betont deshalb Lauterbach (Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 5 zu § 731 RVO), daß der Gefahrtarif auf dem Gedanken der Lastentragung aufbaut. Demgemäß entspricht die Berücksichtigung der Unfallasten bei der Bildung von Gefahrklassen auch einer schon seit vielen Jahrzehnten bestehenden Übung. So ist bereits zu § 49 des früheren Gewerbeunfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1900 (RGBl. 585) klargestellt worden, daß für die Ermittlung der Gefahrenziffern die während eines bestimmten, möglichst langen - tunlichst bis zum Beginn des Bestehens der BG zurückreichenden - Zeitraums verdienten anrechnungsfähigen Löhne und Gehälter mit den während dieser Zeit gezahlten Entschädigungsbeträgen verglichen werden (ähnlich Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Dezember 1976, Bd. II S. 540). Neben dem Verfahren der Gegenüberstellung der Löhne und der gezahlten Entschädigungsbeträge kann auch, wie schon vor Jahrzehnten anerkannt war, das Verfahren der Gegenüberstellung der Löhne und der vollständigen Unfallbelastungswerte angewendet werden, wobei sich diese aus den bis zu einem gewissen Zeitpunkt gezahlten Entschädigungsbeträgen und dem Kapitalwert der dann noch laufenden Renten zusammensetzen (Handbuch der Unfallversicherung, Bd. I, 3. Aufl., 1909, S. 418 Anm. 1).

Diese Grundsätze gelten - jedenfalls hinsichtlich der hier streitigen Frage, ob beim Gefahrtarif die Unfallasten bzw. die gezahlten Entschädigungen zu berücksichtigen sind - im wesentlichen auch heute noch. Denn das Gesetz sieht die Berücksichtigung der eingetretenen Arbeitsunfälle in § 731 Abs. 1 RVO ausdrücklich vor und verweist durch die Worte "Arbeitsunfälle, die einen Leistungsanspruch begründen" in Abs. 2 nicht etwa nur auf die Zahl der Unfälle, sondern auf die dadurch tatsächlich entstehenden Lasten. Da das Gesetz zudem in keiner Weise zwischen einer "Neulast" und einer "Altlast" unterscheidet, könnte die BG im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums (vgl. BSGE 27, 237, 240) auch sämtliche noch laufende Unfallasten, somit auch die gesamte Last, bei der Bildung der Gefahrklasse berücksichtigen (s. dazu auch Lauterbach a.a.O. Anm. 5 zu § 731, der betont, daß die BG auch die Unfallbelastung aus einem früheren Zeitraum berücksichtigen kann). Nach den Feststellungen des LSG wurden nur 40 v.H. der Gesamtlast zuzüglich der Neulast der Berechnung der Gefahrklasse zugrunde gelegt. Daß damit etwa insgesamt eine höhere Summe als die volle Gesamtlast erreicht würde, behauptet die Klägerin nicht. Somit kann nicht festgestellt werden, daß die Beklagte die Vorschriften der §§ 723 ff. RVO unrichtig angewendet bzw. die in diesen RVO-Bestimmungen erteilte Ermächtigung überschritten hätte.

Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht auf ein Gewohnheitsrecht berufen. Denn der Bildung eines solchen würde schon die Vorschrift des § 731 RVO entgegenstehen. Auch der weitere Einwand der Klägerin, die Beklagte habe zu Unrecht an eine früher zwar typische, heute aber nicht mehr bestehende Gefahr angeknüpft, greift nicht durch. Denn einerseits kommt es - wie dargelegt - nicht auf eine einmal festgelegte abstrakte Gefahr an, vielmehr ist der Gefahrtarif laufend - mindestens alle fünf Jahre - an die gegebenenfalls veränderten - Unfallasten anzupassen. Und zum anderen wirken sich die früheren Unfälle auch dann noch aus und erhöhen sich sogar bei laufender Rentenanpassung, wenn die heutigen Unfallgefahren auf Teilgebieten geringer geworden sind. Dies kann gerade eine Veränderung der Gefahrklasse rechtfertigen, wie weiter unten noch darzulegen ist. Deshalb kann auch nicht von einer "Beitragskontinuität" gesprochen werden, an die sich die Beklagte halten müsse.

Schließlich rügt die Klägerin auch zu Unrecht eine Verletzung der Art. 3, 20 und 80 GG. Zwar ist der Gefahrtarif seiner Rechtsnatur auch objektives Recht und ist deshalb, ungeachtet der autonomen Rechtsetzungsbefugnis der BG, bei Streit über die Rechtmäßigkeit eine Verwaltungsaktes, der die Veranlagung eines Unternehmens zu einer bestimmten Gefahrklasse zum Inhalt hat, durch die Gerichte auf seine Rechtsgültigkeit und insbesondere darauf nachzuprüfen, ob er Normen höherrangigen Rechts verletzt (BSGE 27, 237, 240). Eine Verletzung des Art. 20 GG (Grundsatz der Rechts- bzw. Sozialstaatlichkeit) oder des Art. 80 GG (Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung) ist jedoch weder dargetan noch ersichtlich, zumal der angefochtene Verwaltungsakt nicht auf einer etwa nach §§ 730, 731 RVO erlassenen Rechtsverordnung beruht. Allenfalls könnte eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) in der Rüge erblickt werden, die Beklagte habe mit der geänderten Gefahrklasse die Porzellanindustrie stärker an denjenigen Aufwendungen beteiligt, die ihr aus früheren Silikoseerkrankungen erwachsen seien. Diese Rüge ist jedoch ebenfalls nicht begründet. Das LSG hat festgestellt, bei dem Gewerbszweig "Herstellen von Porzellan und feinkeramischen Erzeugnissen aus porzellanähnlichen Massen (einschließlich sanitäre Spülwaren)" betrage nach dem Unfallverzeichnis die Altlast mehr als das Dreifache der Neulast; aufgrund der günstigen Entwicklung im Berufskrankheitensektor - erheblicher Rückgang der Erkrankungen seit Jahren - werde ihre Neulast laufend geringer, wobei aber dieser Erscheinung eine nicht in gleicher Weise abnehmende Gesamtlast gegenüberstehe, die die BG laufend mit erheblichen Rentenzahlungen belaste. Diese Feststellungen hat die Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen; sie sind daher nach § 163 SGG für das BSG bindend. Hatte sich sonach herausgestellt, daß die Porzellanindustrie an der Gesamtlast erheblich höher beteiligt ist als andere Unternehmenszweige, so entsprach es dem Gebot des § 731 RVO, eine Überprüfung des Gefahrtarifs vorzunehmen und einen Teil der Gesamtlast (d.h. auch der Altlast) bei der Ermittlung der Gefahrklasse für die Unternehmen der Porzellanindustrie miteinzubeziehen. Denn eine solche - ganze oder nur teilweise - Berücksichtigung der Unfallbelastung aus einem früheren Zeitraum ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, insbesondere dann am Platze, wenn sich anderenfalls eine ungerechte Verteilung alter Unfallasten auf die verschiedenen Unternehmensgruppen oder -teile ergeben würde (vgl. Lauterbach a.a.O., Anm. 5 zu § 731 RVO). Der Sinn des berufsgenossenschaftlichen Prinzips liegt gerade darin, daß möglichst jeder Gewerbezweig, der eine BG bildet, entsprechend der für ihn eigentümlichen Gefahr (= Unfallträchtigkeit) belastet wird. Darin liegt kein Widerspruch zu dem auch die gesetzliche Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz der gemeinsamen Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit (vgl. Urteil des erkennenden Senats in SozR Nr. 4 zu § 725 RVO Aa 5 mit weiteren Nachweisen auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Bei der Bildung von Gefahrklassen kommt vielmehr der in weiten Bereichen des Sozialversicherungsrechts geltende Grundsatz, das Versicherungsrisiko durch möglichst einheitliche, nach den gleichen Berechnungsmaßstäben bemessene Beiträge der Versicherten zu decken, kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zum Zuge. Denn hier ist im Gegenteil jeweils nach dem Grad der dem Unternehmenszweig eigentümlichen Unfallgefahr, d.h. der Unfallbelastung, zu differenzieren.

Die Beklagte konnte deshalb im vorliegenden Fall ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG die Gefahrklasse für die Porzellanindustrie neu festsetzen und sie aus den genannten Gründen erhöhen. Daß ihr dabei rechnerische Fehler unterlaufen seien, behauptet die Revision nicht. Da das angefochtene Urteil sonach im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 289

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