Beteiligte

Deutsche Angestellten-Krankenkasse

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 23. Februar 1995 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob die Klägerin in der Krankenversicherung versicherungspflichtig oder freiwillig versichert war und wie die Beiträge zu bemessen waren.

Die Klägerin war von August 1988 bis zum 3. Juli 1989 wegen Arbeitslosengeldbezugs und anschließend bis zum 30. Januar 1990 wegen der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme und des Bezugs von Verletztengeld versicherungspflichtig in der Krankenversicherung und Mitglied der Beklagten. Vom 31. Januar 1990 bis zum 19. September 1991 war sie beim Arbeitsamt ohne Leistungsbezug als arbeitssuchend gemeldet. Während dieser Zeit übte sie vom 1. Februar 1990 bis 28. Februar 1990 eine geringfügige Beschäftigung mit einem Entgelt von 450,– DM aus. Sie blieb Mitglied der Beklagten. Vom 20. September 1991 bis zum 25. Oktober 1991 bezog sie erneut Arbeitslosengeld und war versicherungspflichtig. Anschließend war sie bis zum 31. August 1993 wiederum ohne Leistungsbezug arbeitslos bzw als arbeitssuchend gemeldet. Ein Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) wurde wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt. Die Klägerin blieb weiterhin Mitglied der Beklagten. Seit dem 1. September 1993 ist sie wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Der Ehemann der Klägerin ist Beamter und nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Seine Dienstbezüge betrugen im Jahre 1989 monatlich 5.700,– DM.

Nach dem Ende des Verletztengeldbezuges stufte die Beklagte die Klägerin ab 31. Januar 1990 in die Versicherungsklasse 471 ihrer Satzung ein. Dies ist eine Versicherungsklasse ohne Krankengeldanspruch. Als beitragspflichtige Einnahmen legte die Beklagte 2.362,50 DM, dh einen Betrag in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze, zugrunde. Der monatliche Beitrag betrug 273,– DM (Bescheid vom 6. März 1990). Die Klägerin legte Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens berechnete die Beklagte den Beitrag für die Zeit nach Beendigung der geringfügigen Beschäftigung ab 1. März 1990 neu und bestätigte die Einstufung in die Versicherungsklasse 471 (Bescheid vom 3. April 1990). Die Klägerin machte im Widerspruchsverfahren geltend, daß die für die Einstufung maßgebliche Satzungsregelung (§ 15 Abs 6 Buchst d der Satzung) eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle und deshalb sowohl gegen Art 3 Abs 2 des Grundgesetzes (GG) als auch gegen das Recht der europäischen Gemeinschaft verstoße. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 1991). Nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges am 25. Oktober 1991 setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag der Klägerin bis zum 31. Dezember 1991 auf 261,– DM, vom 1. Januar 1992 bis 30. September 1992 auf 295,– DM und vom 1. Oktober 1992 bis 31. August 1993 auf 324,– DM fest.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Mai 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23. Februar 1995).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht einen Verstoß des § 5 Abs 1 Nr 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), des § 155 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und des § 240 Abs 1 SGB V gegen Art 3 GG geltend. Sie ist der Ansicht, daß sie auch in der Zeit, in der sie ohne Leistungsbezug arbeitslos gemeldet war, dh seit dem 31. Januar 1990 und erneut seit dem 26. Oktober 1991, versicherungspflichtig geblieben ist. Sie sei nach Wegfall der Alhi nicht familienversichert gewesen, weil ihr Ehemann Beamter sei und nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehört habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in der Entscheidung BVerfGE 87, 234 (= SozR 3-4100 § 137 Nr 3) zum Ausdruck gebracht, daß es mit Art 3 Abs 1 GG nicht zu vereinbaren sei, wenn Arbeitslose nur deshalb benachteiligt würden, weil sie verheiratet seien und ihr Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre. Nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V seien in die Versicherungspflicht auch Personen einzubeziehen, die nur mangels Bedürftigkeit keine Leistungsempfängerinnen nach dem AFG sind. Falls für die Zeit vom 31. Januar 1990 bis 19. September 1991 keine Versicherungspflicht angenommen werde, sei sie jedenfalls beitragsrechtlich günstiger einzustufen. § 240 SGB V iVm § 15 Abs 6 Satz 1 der Satzung der Beklagten verstoße gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG. Sie, die Klägerin, müsse Versicherungsschutz wie eine berufstätige Frau erlangen. Durch die Satzungsregelung der Beklagten würden verheiratete Frauen bzw Familien stärker belastet als alleinstehende oder geschiedene oder getrennt lebende Versicherte.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 23. Februar 1995 und das Urteil des SG vom 18. Mai 1993 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 6. März 1990 und 3. April 1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 1991 sowie die nachfolgenden Bescheide (betreffend die freiwillige Versicherung) abzuändern und für die Zeit vom 31. Januar 1990 bis 19. September 1991 und vom 26. Oktober 1991 bis 31. August 1993 einen niedrigeren Beitragssatz mit Anspruch auf Krankengeld festzusetzen bzw sie als Pflichtversicherte aufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Beiträge für die Klägerin als freiwillig Versicherte nach § 15 ihrer Satzung für die Zeiten von Februar 1990 bis zum 19. September 1991 und vom 26. Oktober 1991 bis 31. August 1993 festgesetzt hat, sind rechtmäßig.

Das LSG ist davon ausgegangen, daß die Bescheide über die Beitragseinstufung ab 26. Oktober 1991 nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Im Revisionsverfahren ist die Anwendung des § 96 SGG durch das LSG nicht zu überprüfen, denn sie ist nicht gerügt worden (vgl BSG SozR 3-1500 § 57 Nr 3; SozR 1500 § 53 Nr 2 mwN). Ob eine offensichtlich unzutreffende oder willkürliche Einbeziehung von Bescheiden nach § 96 SGG ohne Rüge zu beanstanden wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Im vorliegenden Fall ist die Einbeziehung der Beitragsbescheide, die nach Ende der zwischenzeitlich wegen des Bezuges von Alg eingetretenen Versicherungspflicht ergangen sind, jedenfalls vertretbar.

Wegen des Arbeitslosengeldbezuges war die Klägerin bis zum 3. Juli 1989 nach § 155 Abs 1 AFG, § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungspflichtig. Die Mitgliedschaft bestand wegen des Bezugs von Verletztengeld nach § 192 Abs 1 Nr 3 SGB V bis zum 30. Januar 1990 fort. Danach war die Klägerin sowohl in der Zeit vom 31. Januar 1990 bis zum 19. September 1991 als auch vom 26. Oktober 1991 bis zum 31. August 1993 freiwillig versichert. Eine nach § 191 Nr 2 SGB V vorrangige Pflichtversicherung bestand in dieser Zeit weder aufgrund der Arbeitslosmeldung ohne Leistungsbezug noch im Februar 1990, als die Klägerin geringfügig beschäftigt war.

Die Klägerin war ungeachtet ihrer Meldung als arbeitssuchend vom 31. Januar 1990 bis zum 19. September 1991 und auch seit dem 26. Oktober 1991 nicht versicherungspflichtig, denn sie bezog in dieser Zeit keine Leistung nach dem AFG. Mit Ende des Arbeitslosengeldbezuges am 25. Oktober 1991 endete auch die zwischenzeitlich seit dem 20. September 1991 bestehende Pflichtversicherung der Klägerin nach § 155 Abs 1 AFG, § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V.

Die von der Klägerin vertretene Ansicht, daß sie als Arbeitsuchende auch ohne Leistungsbezug stets pflichtversichert sei, zumindest aber dann, wenn ein Anspruch auf Alhi allein wegen anzurechnenden Einkommens des Ehegatten entfällt, findet im Gesetz keine Grundlage.

Ein verfassungsrechtliches Gebot, daß Arbeitsuchende stets versicherungspflichtig sein oder entgeltlich Beschäftigten gleichgestellt sein müßten, besteht nicht. Für ihre gegenteilige Behauptung hat die Kägerin außer dem Hinweis auf das Urteil des BVerfG vom 17. November 1992 (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) keine Begründung gegeben. Auch unter Beachtung der Entscheidungsgründe dieses Urteils besteht kein einfachrechtliches oder verfassungsrechtliches Gebot, aufgrund dessen die Klägerin in dieser Zeit versicherungspflichtig gewesen sein mußte. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach es grundsätzlich zulässig ist, daß der Anspruch auf Alhi durch die Bedürftigkeit begrenzt wird, bei fehlender Bedürftigkeit ganz entfallen kann und im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung auch Einkommen des Ehepartners anspruchsmindernd bis hin zum Ausschluß des Anspruchs berücksichtigt werden kann. Das BVerfG hat jedoch § 138 Abs 1 Nr 2 und Abs 3 Nr 9 AFG, der die Einkommensanrechnung beim Alhi-Anspruch betrifft, wegen Verstoßes gegen Art 3 iVm Art 6 GG insoweit für verfassungswidrig erklärt, als nach dieser Vorschrift nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten durch eine zu weitgehende Einkommensanrechnung ungünstiger behandelt wurden als getrennt lebende Ehegatten. Es hat zur Begründung auch darauf hingewiesen, daß dann, wenn die Einkommensanrechnung unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zum völligen Wegfall der Alhi führe, auch der Krankenversicherungsschutz entfalle. Wenn der Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre, habe der Arbeitslose nur die Möglichkeit der Weiterversicherung, für die aber Beiträge in beträchtlicher Höhe entrichtet werden müßten. Für diese nachteiligen Folgen der Einkommensanrechnung seien sachliche Gründe nicht ersichtlich. Sie benachteiligten daher in verfassungswidriger Weise nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten gegenüber den Vergleichsgruppen (vgl BVerfGE 87, 234, 262 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 34/35).

Die Klägerin hätte jedoch für die Zeit vom 26. Oktober 1991 bis zum 31. August 1993 auch unter Beachtung der vom BVerfG in der oben angeführten Entscheidung vorgeschriebenen Übergangsregelung zur Anwendung von § 138 AFG (vgl BVerfGE 87, 234, 262 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 35) keinen Anspruch auf Alhi gehabt. Das Monatseinkommen ihres Ehemannes betrug schon 1989 5.700,– DM. Es war damit so hoch, daß die Klägerin wegen fehlender Bedürftigkeit iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG keinen Anspruch auf Alhi hatte, und zwar sowohl nach der von der Arbeitsverwaltung aufgrund der Entscheidung des BVerfG zunächst praktizierten Anrechnung des Ehegatteneinkommens im Rahmen des § 138 AFG als auch nach der durch das Gesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353) geänderten Fassung des § 138 AFG. Dies ist vom LSG im einzelnen dargelegt worden und wird von der Revision nicht angegriffen.

Aus der Entscheidung des BVerfG läßt sich kein verfassungsrechtliches Gebot für die Einführung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung herleiten, und zwar weder für alle diejenigen, die ohne Leistungsbezug arbeitsuchend gemeldet sind, noch nur für diejenigen, deren Anspruch auf Alhi allein wegen fehlender Bedürftigkeit ausgeschlossen ist. Das BVerfG hatte lediglich über die Verfassungsmäßigkeit der §§ 137, 138 AFG zu entscheiden. Darauf hat das LSG schon zutreffend hingewiesen. Eine nach § 31 Abs 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) iVm § 13 Nr 11 BVerfGG mit Gesetzeskraft wirkende Entscheidung über die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ist vom BVerfG nicht getroffen worden. Der Senat vermag in der Entscheidung des BVerfG aber auch keinen Hinweis darauf zu sehen, daß Versicherte, deren Alhi-Anspruch allein wegen einer zulässigen Anrechnung von Einkommen des Ehegatten nicht mehr besteht, gleichwohl in der Krankenversicherung versicherungspflichtig sein müssen, soweit sie nicht über die Mitgliedschaft ihres Ehegatten nach § 10 SGB V versichert sind. Der Gesetzgeber darf nach der Rechtsprechung des BVerfG davon ausgehen, daß bei Ehepartnern der Unterhalt durch das gemeinsame Einkommen sichergestellt wird, und staatliche Leistungen einstellen, wenn der Unterhalt durch dieses Einkommen ausreichend gesichert ist. Diese Entscheidung des Gesetzgebers zum Umfang der staatlichen Unterstützung und zum Vorrang der Beistandsverpflichtung innerhalb der Ehe, die das BVerfG ausdrücklich gebilligt hat, geht notwendigerweise auch von der Verpflichtung der Ehepartner aus, den Teil des Unterhalts aufzubringen, der zur Vorsorge für die Krankenversicherung aufzuwenden ist. Soweit der Ehegatte, der Einkommen hat, nicht selbst Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, bedeutet dies, daß er nicht nur die eigene Krankenversicherung, sondern auch die seines Ehegatten finanzieren muß. Dies ist aber nichts anderes, als die Unterhaltsgewährung im übrigen. Aus der Sicht des unterhaltsberechtigten Ehegatten macht es keinen Unterschied, ob der unterhaltsverpflichtete Ehegatte neben den Aufwendungen für den Unterhalt im übrigen auch noch besondere Aufwendungen für die Krankenversicherung aufbringen muß. Beides ist Teil der Unterhaltsgewährung insgesamt, die vom Gesetzgeber als zumutbar angesehen wird.

Die beitragsfreie Familienversicherung des Ehegatten eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nur für den Fall, daß dieser Ehegatte ein zu geringes (Gesamt)Einkommen hat, dh, daß ein – vom Gesetzgeber unwiderleglich vermuteter – Unterhaltsbedarf dieses Ehegatten in bezug auf den Krankenversicherungsschutz besteht. Sie ist eine für den Unterhaltsfall vom Mitglied „vorgehaltene” Leistung, die die Familie insgesamt entlastet. Das Mitglied wiederum ist nach Maßgabe seines Arbeitsentgelts bzw seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beitragspflichtig. Es besteht jedoch keine Rechtfertigung, eine der beitragsfreien Familienversicherung vergleichbare Vergünstigung auch auf diejenigen zu erstreken, die zwar selbst keine Einkünfte haben, deren Ehegatten aber mit ihren Einkünften die Krankenversicherung nicht finanzieren.

Die Ausführungen des BVerfG zum Wegfall des Krankenversicherungsschutzes beim Ende des Arbeitslosenhilfebezugs (BVerfGE 87, 234, 262 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3 S 34/35) können lediglich als Hinweis auf die sich durch die aufgezeigten Folgewirkungen verschärfende Ungleichbehandlung von getrennt lebenden und nicht dauernd getrennt lebenden Ehepaaren verstanden werden. Aus diesen Hinweisen ist nicht zu erkennen, daß das BVerfG die Ansicht vertritt, der Gesetzgeber sei zwar berechtigt, die der Unterhaltssicherung dienende Hauptleistung (Alhi) einzustellen, müsse andererseits aber sicherstellen, daß die zur Alhi gewährte Nebenleistung (Krankenversicherung) kostenlos oder zu Mindestbeiträgen gewährleistet ist, wenn der unterhaltsverpflichtete Ehepartner nicht seinerseits Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Die von der Klägerin vertretene gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, daß der Staat die nach § 188 AFG vom Bund, dh aus Steuermitteln finanzierte Lohnersatzleistung Alhi einstellen darf, wenn der Unterhalt des Anspruchsberechtigten anderweitig gesichert ist. Die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung müßten aber weiterhin die Krankenversicherung beitragsfrei oder zu Mindestbeiträgen sichern. Aus Vorschriften des GG ist eine solche Lastenverteilung zwischen Beitrags- und Steuerzahlern nicht zu rechtfertigen.

Soweit die Klägerin wegen des anzurechnenden Einkommens ihres Ehemannes keinen Anspruch auf Alhi hatte und als Folge davon auch keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestand, liegt darin auch kein Verstoß gegen Art 4 der Richtlinie 79/7/EWG, zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der Sozialen Sicherheit vom 19. Dezember 1978 (Amtsbl Nr L 6/24). Art 4 dieser Richtlinie definiert den Grundsatz der Gleichbehandlung. Er beinhaltet „den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend:

  • den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,
  • die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,
  • die Berechnung der Leistung, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.”

Der Senat geht davon aus, daß Alhi-Ansprüche wegen anzurechnenden Einkommens des Ehegatten häufiger bei Frauen als bei Männern entfallen. Eine mittelbare Diskriminierung hinsichtlich des Endes des Anspruchs auf Alhi iS von Art 4 der Richtlinie 79/7/EWG liegt darin jedoch nicht, denn die Einstellung der Leistung wegen anzurechnender Unterhaltsansprüche ist durch hinreichende sozialpolitische Ziele gerechtfertigt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dies für eine vergleichbare Regelung des belgischen Rechts bestätigt (Rechtssache C/229/89, Urteil vom 7. Mai 1991, EuGHE 1991 I, 2205 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 3). Der Senat hat keine Bedenken, daß die Berechtigung, die Sozialleistung wegen anderweitiger Unterhaltsansprüche einzustellen, auch die Berechtigung umfaßt, einen im Rahmen der Sozialleistung gewährten kostenlosen Krankenversicherungsschutz zu beenden. Dieser ist Teil der Sozialleistung und von ihr nicht unabhängig.

Wegen der geringfügigen Beschäftigung (§ 8 des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ≪SGB IV≫) im Februar 1990 war die Klägerin nach § 7 SGB V versicherungsfrei. Soweit eine geringfügige Beschäftigung in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung nicht in die Versicherungs- bzw Beitragspflicht einbezogen ist, verstößt dies nicht gegen Vorschriften des europäischen Rechts. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen die Richtlinie 79/7/EWG vor. Eine unzulässige mittelbare Diskriminierung im Sinne des Art 4 dieser Richtlinie hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung oder des Zugangs zu diesem System besteht nicht. Der Senat unterstellt dabei zugunsten der Klägerin, daß von der Versicherungsfreiheit wegen einer geringfügigen Beschäftigung erheblich mehr Frauen als Männer betroffen sind. Der EuGH hat dies ebenfalls unterstellt und in zwei Urteilen vom 14. Dezember 1995 (Rechtssache C/317/93 und C/444/93 = NJW 1996, 445 und 446) festgestellt, daß das in Art 4 der Richtlinie 79/7/EWG ausgesprochene Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts durch die deutschen Vorschriften über die Versicherungs- bzw Beitragsfreiheit bei geringfügigen Beschäftigungen in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht verletzt wird.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, während der freiwilligen Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld versichert zu sein. Abgesehen davon, daß sie diesen Anspruch erstmals während des Gerichtsverfahrens am 21. Juni 1994 nach Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung für einen zurückliegenden Zeitraum geltend gemacht hat, lagen auch die satzungsrechtlichen Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld nicht vor. Nach § 44 Abs 2 SGB V kann die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen. Die Satzung der Beklagten enthält nur für die Gruppen der Angestellten oder Arbeiter „nach Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze” (§ 15 Abs 4 und 5 der Satzung) und der „Selbständigen einschließlich Angehöriger freier Berufe” (§ 15 Abs 7 der Satzung) besondere Versicherungsklassen mit bzw ohne Anspruch auf Krankengeld. § 15 Abs 6 der Satzung sieht für Mitglieder, für die keine andere Versicherungsklasse maßgebend ist, ausschließlich Versicherungsklassen ohne Krankengeldanspruch vor. Die Klägerin gehörte in eine dieser Versicherungsklassen, weil für sie keine andere Versicherungsklasse vorgesehen war.

Die Beklagte hat die Beiträge der freiwillig versicherten Klägerin unter Beachtung von § 15 Abs 6 Buchst d ihrer Satzung zutreffend festgesetzt. Diese Vorschrift lautet: „Bei nicht oder nur geringfügig erwerbstätigen Mitgliedern, deren Ehegatte (seit 1. Juli 1990: deren Ehegattin oder deren Ehegatte) nicht einer Krankenkasse (§ 4 Abs 2 SGB V) angehört, setzen sich die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den nachzuweisenden Bruttoeinnahmen des Ehegatten (seit 1. Juli 1990: der Ehegattin oder des Ehegatten) zusammen. Für die Einstufung in die Versicherungsklassen 421 bis 491 und 801 ff wird die Hälfte (seit 4. April 1992: Für die Einstufung wird die Hälfte …) dieses Betrages berücksichtigt, höchstens bis zur halben Beitragsbemessungsgrenze. Dies gilt nicht, wenn die eigenen beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die halbe Beitragsbemessungsgrenze überschreiten oder über den Bruttoeinnahmen des Ehegatten (seit 1. Juli 1990: der Ehegattin oder des Ehegatten) liegen. Soweit andere Unterhaltsberechtigte vorhanden sind, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Betrag um ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, auf volle zehn DM aufgerundet, für jeden Unterhaltsberechtigten gekürzt wird. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.” Die tatsächliche Einstufung in die Versicherungsklassen und die aufgrund der Einstufung festgesetzten Beiträge entsprechen der Satzung. Dies ergibt sich für die Zeit von Februar 1990 bis zum 19. September 1991 aus den Feststellungen des LSG. Die beitragspflichtigen Einnahmen ermittelte die Beklagte zunächst, indem sie von der Summe der Einnahmen der Klägerin aus der geringfügigen Beschäftigung und der Bruttoeinnahmen ihres nicht gesetzlich krankenversicherten Ehemannes (5.700,– DM) für zwei unterhaltsberechtigte Kinder jeweils ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (insgesamt 1.100,– DM) abzog und diesen Betrag halbierte. Der sich daraus ergebende Betrag (2.525,– DM) wurde auf die halbe Beitragsbemessungsgrenze (1990: 2.362,50 DM) beschränkt. Nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung betrugen die beitragspflichtigen Einnahmen 2.300,– DM (Bruttoeinkommen des Ehegatten 5.700,– DM abzüglich 1.100,– DM: 2 ≪Bescheide vom 6. März 1990 und 3. April 1990≫). Für die Zeit vom 25. Oktober 1991 bis 31. August 1993 hat das LSG festgestellt, daß die geforderten Beiträge der Satzung entsprechen, soweit diese die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder regelt. Diese Feststellungen sind von der Revision nicht angegriffen.

§ 15 Abs 6 Buchst d der Satzung der Beklagten verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die Vorschrift beruht auf der in § 240 SGB V erteilten Ermächtigung, für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung zu regeln. Nach Abs 1 Satz 2 dieser Vorschrift ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Soweit die Beklagte bei freiwilligen Mitgliedern ohne eigenes Einkommen oder mit nur geringfügigen Einkünften aus einer Beschäftigung nicht nur deren Einkünfte, sondern auch die Einkünfte des Ehegatten mitheranzieht, verstößt dies nicht gegen die in § 240 SGB V erteilte Ermächtigung. Dies hat der Senat schon in mehreren Entscheidungen für die hier maßgebende und für früher geltende Satzungsvorschriften der Beklagten sowie für vergleichbare Satzungsregelungen entschieden (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nrn 1 und 15, SozR 3-5428 § 4 Nr 1 und SozR 3-2200 § 180 Nr 3). Darauf wird Bezug genommen.

In den genannten Entscheidungen ist schon dargelegt, daß die Satzung der Beklagten, auch soweit sie die Beitragsbemessung von freiwillig Versicherten betrifft, Art 6 oder Art 3 GG nicht verletzt. Die Satzung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, soweit die Beitragsbemessung nach § 15 Abs 6 Buchst d für den einkommens- und arbeitslosen Ehegatten in einer sogenannten Doppelverdienerehe gilt. Auch hier wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten durch das Einkommen des anderen Ehegatten mitbestimmt. Dies ist eine ausreichende Rechtfertigung dafür, das Einkommen des nichtversicherten Ehegatten bei der Beitragsbemessung mitzuberücksichtigen. Die Verteilung der Aufgaben bei der Haushaltsführung sowie der Versorgung und Erziehung der Kinder zwischen den Ehegatten ist dabei unerheblich.

Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht darauf hin, daß die Beitragsbelastung der Versicherten je nach Status des Versicherten – pflichtversichert oder freiwillig versichert – und Familienstand unterschiedlich ist, auch wenn im Einzelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vergleichbar erscheinen mag. Dies ist aber Folge der unterschiedlichen Prinzipien der Beitragsbemessung bei Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten. Bei Pflichtversicherten sind Bemessungsgrundlage in der Regel das (Brutto)Arbeitsentgelt und daneben Entgeltersatzleistungen sowie Erwerbseinkommen (vgl § 226 SGB V; früher § 180 Abs 6 RVO). Der Gesetzgeber geht zulässigerweise davon aus, daß diese Einkünfte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der als Arbeitnehmer Pflichtversicherten typischerweise wesentlich bestimmen, auch wenn dies im Einzelfall nicht zutrifft, sondern gemessen an den gesamten wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten – ggf mit Berücksichtigung von Familieneinkünften – eine höhere Beitragsbelastung angemessen erscheinen könnte. Bei freiwillig Versicherten ist für die Beitragsbemessung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten insgesamt zu berücksichtigen, wozu bei Ehepaaren auch das Einkommen des Ehegatten gehört. Die unterschiedlichen Prinzipien der Beitragsbemessung können dazu führen, daß ein bisher einkommensloser freiwillig Versicherter, der wegen des hohen Einkommens seines Ehegatten selbst hohe Beiträge zu zahlen hat, durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie insgesamt erhöht und gleichzeitig nur noch nach seinem Arbeitsentgelt bemessene niedrigere Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung zu entrichten braucht. Dieses ist aber notwendige Folge davon, daß die Arbeitnehmer, soweit sie nicht geringfügig beschäftigt oder wegen der Höhe des Arbeitsentgelts versicherungsfrei sind, grundsätzlich versicherungspflichtig sind und zwar unabhängig von der individuellen Schutzbedürftigkeit. Damit werden Arbeitnehmer begünstigt, die neben dem Arbeitsentgelt noch andere nicht beitragspflichtige Einkünfte haben oder deren nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherter Ehegatte über eigene höhere Einkünfte verfügt. Darin liegt aber kein Grund dafür, bei freiwillig Versicherten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht auch unter Berücksichtigung der Einkünfte des Ehegatten zu beurteilen.

Die ungleiche Beitragsbelastung von einkommenslosen Mitgliedern bzw Versicherten abhängig davon, ob der Ehegatte selbst Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist – dann beitragslose Versicherung nach § 10 SGB V – oder nicht – dann Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nur durch Beitragszahlung -ist Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, die Familien von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Familienversicherung (§ 10 SGB V) mit in den Versicherungsschutz einzubeziehen.

Durch die Berechnung der Beiträge wird auch Art 4 der Richtlinie 79/7/EWG nicht verletzt. Es entspricht der Beitragsgerechtigkeit, daß bei einkommenslosen Ehegatten, die freiwillig krankenversichert sind, für die Beitragserhebung auch das Einkommen des nicht versicherten Ehegatten berücksichtigt wird. Eine Krankenversicherung, die sich in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Versicherten finanziert, muß diese insgesamt berücksichtigen und kann dabei auch das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Ehegatten ansetzen. Ein Verstoß gegen die Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen vom 9. Februar 1976 (Amtsbl Nr L 39/40), wie er von der Klägerin geltend gemacht wird, liegt ebenfalls nicht vor. Nicht diese Richtlinie ist für den hier in Frage stehenden Zugang zur Sozialversicherung bzw die Beendigung der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung maßgebend, sondern die Richtlinie 79/7/EWG. Der Senat hat angesichts der dargestellten Rechtsprechung des EuGH keinen Zweifel, daß die Vorschriften des SGB V über die freiwillige Versicherung und die Satzungsregelung der Beklagten über die Berechnung der Beiträge mit europäischem Recht vereinbar sind. Eine Vorlage an den EuGH nach Art 177 des EWG-Vertrages scheidet daher aus.

Die Revision erwies sich demnach als unbegründet und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1997, 112

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