Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsbeitrag - Abzug - Arbeitnehmeranteil - Aufrechnung - Verjährung - Einrede

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf die Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag verjähren entsprechend § 25 Abs 1 S 1 SGB IV in vier Jahren.

2. Zur Frage, ob die Verjährung von Amts wegen oder auf Einrede zu beachten ist.

 

Orientierungssatz

Im Abzug vom Arbeitsentgelt liegt zugleich konkludent die Aufrechnung des Arbeitgebers mit einer eigenen Forderung auf die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers; der Arbeitgeber hat einen Anspruch darauf, daß der Arbeitnehmer sie duldet (vgl BSG vom 23.5.1989 12 RK 66/87 = SozR 2200 § 393a Nr 3).

 

Normenkette

SGB IV § 28g Fassung 1988-12-20; AVG § 119 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 395 Abs. 2 Fassung 1924-12-15, § 1397 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; SGB IV § 25 Abs. 1 S. 1 Fassung 1976-1

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 12.07.1989; Aktenzeichen L 9 Kr 16/87)

SG Berlin (Entscheidung vom 11.12.1986; Aktenzeichen S 75 Kr 459/85)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob noch Arbeitnehmeranteile an Beiträgen vom Gehalt der Klägerin einbehalten werden dürfen.

Die Klägerin war früher mit Unterbrechungen, zuletzt Mitte 1973, als versicherungspflichtige Angestellte bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) beschäftigt und ist es erneut seit dem 10. September 1980. Dazwischen war sie vom 2. Juli 1973 bis zum 9. September 1980 ebenfalls für die BfA tätig, jedoch "im Rahmen einer Sondermaßnahme zur Bewältigung des Arbeitsanfalls" aufgrund eines "Werkvertrages"; ähnliche Verträge hatte die BfA auch mit zahlreichen anderen Personen abgeschlossen. Während dieser Zeit gingen die Klägerin, die BfA und die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Berlin davon aus, daß die "Werkvertragsnehmerinnen" nicht versicherungs- und beitragspflichtig seien.

Einige andere "Werkvertragsnehmerinnen" hielten sich demgegenüber für versicherungs- und beitragspflichtige Arbeitnehmerinnen und begehrten eine entsprechende Entscheidung von der AOK als Einzugsstelle. Diese erteilte ihnen daraufhin Anfang 1981 Bescheide, in denen sie Versicherungs- und Beitragspflicht verneinte. In den anschließenden Klageverfahren beharrten die AOK als Beklagte und die BfA als Beigeladene auf Versicherungs- und Beitragsfreiheit. Das Sozialgericht (SG) Berlin gab den Klagen durch Urteile vom 25. Februar 1983 teilweise statt. Gegen die Urteile legten die damaligen Klägerinnen, aber auch die AOK und die BfA Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin gab in mehreren Urteilen vom 22. Februar 1984 den Berufungen der Klägerinnen statt und stellte Versicherungs- und Beitragspflicht fest; die Berufungen der AOK und der BfA wies es zurück. Gegen die im April 1984 zugestellten Urteile erhob die BfA Nichtzulassungsbeschwerden. Zu ihnen erklärte die AOK, daß eine Äußerung nicht beabsichtigt sei. Der erkennende Senat wies die Beschwerden durch Beschlüsse vom 9. Oktober 1984 als unbegründet zurück; sie wurden der BfA am 26. November 1984 zugestellt.

Nunmehr erließ die AOK gegen die BfA unter Berufung auf die genannten Urteile des LSG den Beitragsbescheid vom 20. Dezember 1984, in dem sie für die "Werkvertragsnehmerinnen" die noch nicht verjährten Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.318.863,37 DM für die Zeit von Dezember 1979 bis September 1980 nacherhob. Sie fügte Einzelberechnungsbögen für jede betroffene Mitarbeiterin bei, darunter die Klägerin des vorliegenden Verfahrens. Der für sie berechnete Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) belief sich auf 6.164,53 DM. Die BfA zahlte die nachgeforderten Beiträge an die AOK.

Hiervon unterrichtete die BfA die Klägerin in einem Schreiben vom 9. Januar 1985 und kündigte ihr gleichzeitig an, sie werde die Arbeitnehmeranteile ab Februar 1985 in monatlichen Raten von 200 DM vom laufenden Gehalt einbehalten. Die Klägerin erhob Klage beim Arbeitsgericht (ArbG) Berlin, das das Verfahren bis zur Klärung sozialversicherungsrechtlicher Vorfragen aussetzte.

Die Klägerin erhob außerdem im April 1985 bei der AOK Widerspruch gegen den an die BfA gerichteten Beitragsbescheid der AOK vom 20. Dezember 1984, weil dieser auch in ihre Rechte eingreife. Im Mai 1985 machte sie ferner geltend, die AOK dürfe von der versicherungsrechtlichen Beurteilung, die sie früher gegenüber der BfA vertreten habe (Versicherungs- und Beitragsfreiheit), nicht nachträglich abweichen. Daraufhin stellte die AOK mit Bescheid vom 5. Juli 1985 gegenüber der Klägerin ausdrücklich fest, daß sie vom 1. Dezember 1979 bis zum 9. September 1980 versicherungs- und beitragspflichtig gewesen sei. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1985 wies die AOK die Widersprüche gegen die Bescheide vom 20. Dezember 1984 und vom 5. Juli 1985 zurück.

Die Klägerin hat Klage beim SG Berlin erhoben. Dieses hat nach Beiladung der BfA und der Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Klage durch Urteil vom 11. Dezember 1986 abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des SG sowie den Bescheid der beklagten AOK vom 20. Dezember 1984 (bezüglich der Beiträge für die Klägerin) und den Bescheid vom 5. Juli 1985, beide Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 1985, aufzuheben. Ferner hat sie im Wege der Klageerweiterung gegenüber der BfA die Feststellung beantragt, daß das Einbehalten nachträglich entrichteter Arbeitnehmeranteile rechtswidrig sei. Die BfA hat der hierin liegenden Klageänderung zugestimmt, das LSG hat sie für sachdienlich gehalten und die AOK als Beklagte zu 1), die BfA als Beklagte zu 2) und als Beigeladene nur noch die BA geführt. Durch Urteil vom 12. Juli 1989 hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, ihrer gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Feststellungsklage jedoch stattgegeben.

Das LSG hat ausgeführt, die Beklagte zu 1) habe zutreffend Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin festgestellt. Gleichwohl brauche die Klägerin den Einbehalt der Arbeitnehmeranteile durch die Beklagte zu 2) nicht mehr zu dulden. Dem stehe schon entgegen, daß die Beiträge nicht aus dem laufenden Beschäftigungsverhältnis der Klägerin als Angestellte, sondern aus dem früheren Beschäftigungsverhältnis als "Werkvertragsnehmerin" herrührten. Ferner sei der Anspruch auf die Arbeitnehmeranteile bereits verjährt gewesen, als der Klägerin erstmals im Januar 1985 mitgeteilt worden sei, daß die AOK die Beiträge erhoben habe und sie (die Beklagte zu 2) den Einbehalt beabsichtige. Er sei im übrigen auch verwirkt.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte zu 2) und die Klägerin haben Revision eingelegt.

Die Beklagte zu 2) rügt eine Verletzung des § 395 der Reichsversicherungsordnung (RVO), des § 119 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und des § 179 Nr 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Sie habe die Arbeitnehmeranteile noch einbehalten dürfen. Dem stehe insbesondere eine Verjährung nicht entgegen. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei § 25 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) nicht anzuwenden. Vielmehr müsse der Arbeitgeber, der noch nicht verjährte Beiträge an die Einzugsstelle abgeführt habe, berechtigt sein, unverzüglich anschließend die Arbeitnehmeranteile einzubehalten. Der Arbeitnehmer komme auch in den Genuß der Vorteile einer Beitragsentrichtung.

Die Beklagte zu 2) beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 12. Juli 1989 aufzuheben, soweit es die

Feststellungsklage betrifft, und diese Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Revision der Beklagten zu 2) zurückzuweisen.

Sie schließt sich zur Revision der Beklagten zu 2) den Ausführungen des LSG an. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat sie sich ausdrücklich auf Verjährung berufen.

Die Beklagte zu 1) hat sich nur zur Revision der Klägerin geäußert. Die Beigeladene (BA) stimmt den Ausführungen der Beklagten zu 2) zu, stellt jedoch keinen Antrag.

Nach der Verkündung des vorliegenden Teil-Urteils hat die Klägerin ihre Revision zurückgenommen. Die Beklagte zu 2) hat sodann eine Erklärung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Rechtsstreits abgegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten zu 2) ist unbegründet.

Das LSG hat zutreffend die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage für zulässig gehalten, insbesondere für sie den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit Recht bejaht (BSGE 48, 195 = SozR 2200 § 394 Nr 1). Es hat ihr ferner in der Sache zu Recht stattgegeben. Die Beklagte zu 2) war als Arbeitgeberin im Jahre 1985 nicht mehr berechtigt, Arbeitnehmeranteile an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit von Dezember 1979 bis September 1980 vom laufenden Gehalt der Klägerin abzuziehen.

Die Zulässigkeit des Beitragsabzugs vom Arbeitsentgelt ist hier noch nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Recht zu beurteilen. Damals bestimmte für die Krankenversicherung § 394 Abs 1 Satz 1 RVO, daß sich die Versicherungspflichtigen bei der Lohnzahlung ihre Beitragsanteile vom Barlohn abziehen lassen mußten. Inhaltsgleich sah für die Rentenversicherung der Angestellten § 119 Abs 1 Satz 1 AVG (§ 1397 Abs 1 Satz 1 RVO) den Abzug vom Bargehalt vor. Waren Abzüge für Krankenversicherungsbeiträge für eine Lohnzeit unterblieben, so durften sie nach § 395 Abs 2 RVO nur für die nächste Lohnzeit nachgeholt werden, wenn nicht die Beiträge ohne Verschulden des Arbeitgebers verspätet entrichtet worden waren. Auch § 119 Abs 3 AVG (§ 1397 Abs 3 RVO) bestimmte, daß unterbliebene Abzüge für Beiträge zur Angestelltenversicherung nur bei der nächsten Gehaltszahlung nachgeholt werden durften, es sei denn, daß der Arbeitgeber Beiträge schuldlos nachentrichtete. Die genannte krankenversicherungsrechtliche Regelung (§§ 394, 395 RVO) galt nach § 179 Nr 2 AFG für die Beiträge zur BA entsprechend.

Im Abzug vom Arbeitsentgelt liegt zugleich konkludent die Aufrechnung des Arbeitgebers mit einer eigenen Forderung auf die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers; der Arbeitgeber hat einen Anspruch darauf, daß der Arbeitnehmer sie duldet. Daß es sich insoweit um eine Aufrechnung handelt, hat der erkennende Senat schon in seinem Urteil vom 23. Mai 1989 (SozR 2200 § 393a Nr 3) für den ähnlich zu beurteilenden Abzug des Eigenanteils des Rentners an seinen Krankenversicherungsbeiträgen von der Rente angenommen. Für den Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Arbeitsentgelt ist dieses bei der zusammenfassenden Neuregelung des Beitragsabzugs in dem vom 1. Januar 1989 an geltenden § 28g SGB IV klargestellt worden. Danach hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den von dem Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 1). Der Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden (Satz 2), ein unterbliebener Abzug kann nunmehr allerdings noch bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (Satz 3). Daß der Abzug eine Aufrechnung enthält, ergibt sich auch aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu der genannten Vorschrift, wo es heißt, der Arbeitgeber habe bei einem nachträglichen Abzug den Grundsatz des § 394 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu beachten (BT-Drucks 11/2221 S 24 zu § 28g aE), dh den Ausschluß der Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu 2) als Arbeitgeberin der versicherungs- und beitragspflichtigen Klägerin in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis zum 9. September 1980 Arbeitnehmeranteile weder bei der Zahlung des beitragspflichtigen Gehalts noch bei der folgenden Gehaltszahlung abgezogen. Nur wenn dieses schuldlos unterblieben war, durfte der Abzug später noch nachgeholt werden. Ob der Abzug schuldlos unterblieben war, wofür die Bestätigung der Versicherungs- und Beitragsfreiheit durch die Einzugsstelle spricht, läßt der Senat mit dem LSG offen. Auch wenn nämlich der Abzug nicht schon am Nachholungsverbot (§ 395 Abs 2 RVO, § 119 Abs 3 AVG) scheiterte, war jedenfalls der Anspruch der Beklagten zu 2) auf die Arbeitnehmeranteile verjährt, als sie ihn der Klägerin erstmals im Januar 1985 für die Zeit ab Februar 1985 ankündigte. Ob auch der weiteren Begründung des LSG zuzustimmen wäre, der Nachholung des Abzugs habe außerdem entgegengestanden, daß es sich bei dem "Werkvertragsverhältnis" und dem späteren Angestelltenverhältnis um verschiedene Beschäftigungsverhältnisse gehandelt habe, kann unentschieden bleiben.

Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Mit diesen Ansprüchen sind in erster Linie die Beitragsforderungen der Versicherungsträger gegen Versicherte und Arbeitgeber gemeint (vgl auch die Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks 7/4122, S 34 zum damaligen § 26). Eine bewußte Beschränkung auf solche Forderungen ist jedoch dem Wortlaut und den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Vielmehr lassen sie es zu, unter den Ansprüchen auf Beiträge auch die Ansprüche der Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer auf die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zu verstehen. Sinn und Zweck der Regelung gebieten dieses sogar. Wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Natur scheidet für sie die Anwendung kurzer zivilrechtlicher Ausschluß- oder Verjährungsfristen aus. Andererseits kann, wenn sogar die Beitragsforderungen der Einzugsstellen gegen die Arbeitgeber in vier Jahren verjähren, für die Ansprüche der Arbeitgeber gegen die eher schutzbedürftigen Arbeitnehmer keine längere Verjährungsfrist gelten. Vielmehr verjähren in zumindest entsprechender Anwendung des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV auch diese Ansprüche in vier Jahren. Ob im Verhältnis von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern auch die für Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge geltende dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV anwendbar sein könnte, ist hier nicht zu entscheiden, weil die Klägerin die Arbeitnehmeranteile nicht vorsätzlich vorenthalten hat (zum Begriff des vorsätzlichen Vorenthaltens vgl das Urteil des Senats vom 21. Juni 1990 - 12 RK 13/89).

Die vierjährige Verjährungsfrist war abgelaufen, als die Beklagte zu 2) erstmals Anfang 1985 wegen der Nachholung des Abzugs an die Klägerin herantrat. Die Frist begann, weil der Anspruch auf die Arbeitnehmeranteile mit der Auszahlung des beitragspflichtigen Gehalts zwischen dem 1. Dezember 1979 und dem 9. September 1980 fällig wurde, für die letzten Arbeitnehmeranteile mit Ablauf des Jahres 1980. Die Verjährung ist nicht unterbrochen worden, insbesondere nicht durch eine Beiladung der Klägerin zu den Prozessen, in denen andere "Werkvertragsnehmerinnen" die Versicherungs- und Beitragspflicht erstritten haben (vgl zu ähnlichen Fragen im Verhältnis zwischen Arbeitgeber, Einzugsstelle und Arbeitnehmer das Urteil des Senats vom 21. Februar 1990, BSGE 66, 222 = SozR 3 - 2400 § 25 Nr 1). Auch fehlt ein - vor Ablauf der Verjährungsfrist schriftlich erfolgter - Vorbehalt des späteren Abzugs durch die Beklagte zu 2) als Arbeitgeberin, der möglicherweise die Verjährung hätte unterbrechen können. Die Geltendmachung der Beitragsforderung durch die Beklagte zu 1) als Einzugsstelle gegenüber der Beklagten zu 2) als Arbeitgeberin mit dem Bescheid vom 20. Dezember 1984 und die Erfüllung der Beitragsforderung durch die Beklagte zu 2) waren auf die Fälligkeit des Anspruchs der Beklagten zu 2) gegen die Klägerin und den Lauf der Verjährung ohne Einfluß. Damit lief die Verjährungsfrist im Verhältnis der Beklagten zu 2) als Arbeitgeberin zur Klägerin als Arbeitnehmerin Ende 1984 ab.

Die Verjährung ist hier von Amts wegen zu beachten. Unerheblich ist deshalb, daß sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch ausdrücklich auf sie berufen hat, was im übrigen im Revisionsverfahren nicht mehr wirksam geschehen konnte (BSGE 6, 283, 288). Vor Inkrafttreten des § 25 SGB IV am 1. Juli 1977 war die damals geltende zweijährige Verjährung (§ 29 Abs 1 RVO) nach Praxis und Rechtsprechung (vgl BSGE 22, 173, 176 ff = SozR Nr 8 zu § 1399 RVO; BSGE 25, 73, 74 f = SozR Nr 12 zu § 29 RVO) von Amts wegen zu beachten. Ob hieran festzuhalten ist, nachdem für die Wirkung der - nunmehr vierjährigen - Verjährung jetzt ausdrücklich die Vorschriften des BGB sinngemäß gelten (§ 25 Abs 2 SGB IV), somit auch § 222 Abs 1 BGB, wonach der Schuldner lediglich zur Leistungsverweigerung berechtigt ist, wird unterschiedlich beantwortet, überwiegend allerdings bejaht (vgl - mit zahlreichen Nachweisen zum Meinungsstand - Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band I/1, S 202cI/202d; ferner Schwerdtfeger/Schimpf, SGb 1979, 130 ff, die es für zulässig halten, daß die Versicherungsträger die Verjährung nach Ermessen von Amts wegen beachten). In der Rechtsprechung ist die Frage andeutungsweise ebenfalls eher bejaht worden (vgl BSG SozR 2200 § 29 Nr 14; SozR 2200 § 393a Nr 3), jedoch nicht ausdrücklich entschieden, sondern offen gelassen worden (BSGE 56, 266, 269 = SozR 2200 § 1418 Nr 8). Jedenfalls haben bisher die Bundesverbände der Krankenkassen, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und die Bundesanstalt für Arbeit von sich aus verjährte Beitragsforderungen nicht mehr geltend gemacht (Die Beiträge 1977, 218, 222 unter 4.4. und Die Beiträge 1978, 71, 75/76 unter 7.). Hieran ist auch nach einer Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 7. Februar 1978 (veröffentlicht im Rundschreiben VB 22/78 des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften) und trotz Bedenken des Bundesrechnungshofs bis heute festgehalten worden (dazu ausführlich Figge in Jahn, Sozialgesetzbuch für die Praxis, Stand September 1990, § 25 SGB IV Anm 2.3; ferner Seewald im Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 1990, § 25 SGB IV RdNr 11).

Entsprechend ist im vorliegenden Fall auch die Beklagte zu 1) als Einzugsstelle gegenüber der Beklagten zu 2) als Arbeitgeberin verfahren und hat im Beitragsbescheid vom 20. Dezember 1984 von vornherein nur die noch nicht verjährten, dh die innerhalb der vierjährigen Frist liegenden Beiträge erhoben. Ebenso ist sie auch bei den Rentenversicherungsbeiträgen verfahren, die die Beklagte zu 2) als Arbeitgeberin für die von ihr als Rentenversicherungsträger repräsentierte Versichertengemeinschaft zu zahlen gehabt hätte. Unter diesen Umständen kann die Beklagte zu 2) nicht ihrerseits erwarten, daß ihre Arbeitnehmer einem Abzug verjährter Arbeitnehmeranteile nur auf Einrede entgehen könnten.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten zu 2), sie habe den Abzug auch im Jahre 1985 noch vornehmen dürfen, weil die Beklagte zu 1) als Einzugsstelle gegenüber ihr als Arbeitgeberin die Beitragsforderung erst mit Bescheid vom 20. Dezember 1984 geltend gemacht habe. Die Fälligkeit der Beitragsforderung der Einzugsstelle gegenüber dem Arbeitgeber tritt erst nach Ablauf des Monats ein, für den der Beitrag geschuldet wird (§ 23 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGB IV), die Fälligkeit des Anspruchs des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf dessen Beitragsanteil hingegen schon bei Auszahlung des Arbeitsentgelts, auf das die Beiträge zu entrichten sind. Nach der früheren, hier noch anzuwendenden Regelung, wonach der Abzug in der Regel nur bei der nächsten Zahlung von Arbeitsentgelt nachgeholt werden durfte, konnte - bei Vorauszahlung des Monatsgehalts - ein verschuldet unterbliebener Abzug sogar schon ausgeschlossen sein, wenn die Beitragsforderung der Einzugsstelle fällig wurde. Bestand und besteht hiernach hinsichtlich der Fälligkeit keine rechtliche Verknüpfung zwischen der Beitragsforderung der Einzugsstelle und dem Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, so kann ein solcher Zusammenhang auch bei Beginn und Ablauf der an die Fälligkeit anschließenden Verjährung nicht hergestellt werden. Auch deshalb muß es hingenommen werden, daß bei gleichzeitiger Verjährung der beiden Forderungen (hier: Ende 1984) die eine (die der Einzugsstelle) noch kurz vor Jahresende rechtzeitig geltend gemacht wird, der Arbeitgeber jedoch mit einem erst anschließend beabsichtigten Abzug beim Arbeitnehmer im Folgejahr zu spät kommt. Die Beklagte zu 2) war im übrigen in den Prozessen anderer "Werkvertragsnehmerinnen" gegen die Einzugsstelle beigeladen und hatte von den ihr ungünstigen Entscheidungen des LSG vom 22. Februar 1984 Kenntnis. Sie hatte zwar - allerdings nunmehr ohne Unterstützung durch die Einzugsstelle - Nichtzulassungsbeschwerden erhoben, die jedoch durch die ihr am 26. November 1984 zugestellten Beschlüsse des Senats vom 9. Oktober 1984 zurückgewiesen worden sind. Unter diesen Umständen hätte sie, wenn sie der Verjährung ihrer Ansprüche auf die Arbeitgeberanteile entgehen wollte, mit dem vorsorglichen Abzug noch 1984 beginnen oder den Abzug bis dahin wenigstens schriftlich ankündigen müssen.

Hiernach erwies sich die Revision der Beklagten zu 2) als unbegründet und war zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hat der Senat im vorliegenden Teil-Urteil nicht getroffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60313

BSGE 67, 290-295 (LT1-2)

BSGE, 290

RegNr, 19637 (BSG-Intern)

BR/Meuer SGB IV § 25, 25-10-90, 12 RK 27/89 (LT1-2, OT1)

NZA 1991, 493-495 (LT)

USK, 90110 (LT1)

DBlR 3762a, IV/§ 25 (LT1-2)

Die Beiträge 1991, 314-320 (LT1-2)

EzS 50/192 (LT1-2, OT1)

SozR 3-2400 § 25, Nr 2 (LT1-2)

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