Leitsatz (redaktionell)

Kindergeld, das mit einer Betriebsrente gezahlt wird (hier: mit einer Betriebsrente der Siemens-Altersfürsorge), ist Teil der beitragspflichtigen Versorgungsbezüge des Rentners.

 

Orientierungssatz

Übertragbarkeit - Abgrenzung nach § 180 Abs 4 RVO - Versorgungsbezüge - Beitragsbefreiung - Kindergeld - Ausnahmeregelung nach § 180 Abs 8 S 2 Nr 1 RVO:

1. Die Abgrenzung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwillig Versicherten, die die Rechtsprechung zu § 180 Abs 4 RVO vorgenommen hat, kann jedenfalls weder unmittelbar noch sinngemäß auf die für den Grundlohn versicherungspflichtiger Rentner in § 180 Abs 5 RVO getroffene Regelung und den dort in Nr 2 verwendeten, offenbar umfassend gemeinten Begriff des "Zahlbetrages" der Versorgungsbezüge übertragen werden.

2. Die Beitragsbefreiung der zur Zeit noch gezahlten Kinderzuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung, die nur wegen der Beitragsfreiheit der aufgrund des BKGG gezahlten Kindergeldes erfolgt ist, rechtfertigt nicht, das gleiche auch für Kindergelder zu fordern, die Teil von Versorgungsbezügen sind.

3. Bei dem Kindergeld der Siemens-Altersfürsorge handelt es sich nicht um einen übergangsweise gewährten Bezug, auch wenn er mit der Vollendung des 20. Lebensjahres des Kindes wegfällt. Die getroffene Ausnahmeregelung in § 180 Abs 8 S 2 Nr 1 RVO kommt deshalb nicht in Betracht (vgl BSG vom 18.12. 1984 12 RK 27/84 = SozR 2200 § 180 Nr 24).

 

Normenkette

RVO § 180 Abs. 4 Fassung 1977-06-27, Abs. 5 Nr. 2 Fassung 1981-12-01, Abs. 8 S. 2 Nr. 1 Fassung 1981-12-01, Nr. 5 Fassung 1981-12-01

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.11.1986; Aktenzeichen L 11 Kr 56/85)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 30.05.1985; Aktenzeichen S 17 Kr 27/85)

 

Tatbestand

Der Kläger bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ist deswegen bei der beklagten Ersatzkasse in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert. Außerdem bezieht er Versorgungsleistungen von der beigeladenen S. -A. GmbH (SAF). Streitig ist, ob ein mit den Versorgungsleistungen der SAF gezahltes Kindergeld zu den Bezügen gehört, von denen seit dem 1. Januar 1983 Beiträge zur KVdR zu entrichten sind.

Im August 1982 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er neben einer Rente von damals 1.311 DM eine Betriebsrente der SAF von 150 DM und ein Kindergeld von 20 DM erhalte. Nach längerem Schriftwechsel mit der SAF stellte die Beklagte durch Bescheid vom 7. Dezember 1983 ihr gegenüber fest, daß auch das Kindergeld beitragspflichtig sei. Die Widersprüche der SAF und des Klägers wies sie mit Bescheiden vom 27. August 1984 zurück; der Kläger habe für seine gesamten Versorgungsbezüge KVdR-Beiträge zu entrichten, zusammen mit dem Beitrag für das Kindergeld überschritten sie die Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 10 DM.

Der Kläger hat Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat ihr stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen (Urteile vom 30. Mai 1985 und 26. November 1986). Nach Ansicht des LSG ist auch das Kindergeld der SAF Teil des "Zahlbetrages" der Versorgungsbezüge des Klägers und deshalb - ebenso wie ein Familienzuschlag zum Arbeitsentgelt - beitragspflichtig. Daß Kinderzuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie noch zu zahlen seien, beitragsfrei blieben, hätten sie mit dem staatlichen Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gemeinsam, an dessen Stelle sie träten. Auch das Kindergeld der SAF gehöre zu den Versorgungsbezügen des Klägers, denn es stehe ihm, nicht dem Kind zu. Schließlich werde es nicht nur übergangsweise gezahlt.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt: Entgegen der Ansicht des LSG sei auch eine im "Zahlbetrag" von Versorgungsbezügen enthaltene Leistung dann nicht beitragspflichtig, wenn sie nicht wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit, sondern, wie das Kindergeld der SAF, zur Deckung eines besonderen Mehrbedarfs gezahlt werde. Solche zweckbestimmten Sozialleistungen gehörten bei freiwillig Versicherten nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen zum Lebensunterhalt. Gleiches müsse für pflichtversicherte Rentner gelten. Kindergelder der SAF dürften auch nicht anders behandelt werden als - beitragsfreie - Kinderzuschüsse zu Renten der gesetzlichen Rentenversicherung; denn das Gesetz nehme bei der Regelung der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge ausdrücklich auf die Regelung für Renten Bezug. Verfassungskonform sei allein eine Gleichbehandlung der SAF-Kindergelder mit den Kinderzuschüssen und den ebenfalls beitragsfreien staatlichen Kindergeldern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom

26. November 1986 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das

Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30. Mai 1985 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision gegen das - ihrer Ansicht nach zutreffende - Urteil des LSG

zurückzuweisen.

Die beigeladene SAF hat sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.

Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat das Kindergeld der SAF zutreffend als einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug des Klägers angesehen.

Der Senat geht mit den Beteiligten und dem LSG davon aus, daß der Kläger, der eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, deswegen in der KVdR pflichtversichert und Mitglied der beklagten Ersatzkasse ist. Als pflichtversicherter Rentner hat er seit dem 1. Januar 1983 nach den Versicherungsbedingungen der Beklagten, die insoweit den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) entsprechen, auch vom Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) Beiträge zu entrichten (vgl § 180 Abs 5 Nr 2 RVO), und zwar nach dem halben Beitragssatz der Beklagten (vgl § 385 Abs 2a iVm § 514 Abs 2 RVO).

Nach dem ebenfalls entsprechend anwendbaren § 180 Abs 8 Satz 2 RVO gelten als beitragspflichtige Versorgungsbezüge, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, ua Renten der betrieblichen Altersversorgung (aaO Nr 5). Teil der dem Kläger von der SAF gewährten betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrente) war während der streitigen Zeit auch das darin enthaltene Kindergeld.

Nach den Richtlinien der SAF in der hier maßgebenden Fassung vom 1. Oktober 1982 werden den Begünstigten (§ 2), die bei Eintritt des Versorgungsfalles die Wartezeit erfüllt haben (§ 3), gemäß § 4 als Versorgungsleistungen "a) Ruhegeld, bestehend aus Grundbetrag und Zusatzbetrag, b) Kindergeld, c) Waisengeld" gewährt. Nach § 8 Abs 1 der Richtlinien kann das Kindergeld neben dem Zusatzbetrag gemäß § 5 Abs 3 gewährt werden; ihn können nur ehemalige Mitarbeiter, nicht ihre Hinterbliebenen erhalten. Außerdem müssen die Kinder vor dem Ausscheiden der Mitarbeiter aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Siemens AG geboren sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Das Kindergeld wird dann bis zum vollendeten 20. Lebensjahr des Kindes gezahlt. Nach dieser Regelung gehört das einem Begünstigten gezahlte Kindergeld zum Zahlbetrag seiner "Versorgungsleistungen". Da diese als Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinne der genannten Vorschriften beitragspflichtig sind, ist auch das Kindergeld der SAF - als Teil dieser Versorgungsbezüge - beitragspflichtig.

Daran ändert es nichts, daß das Kindergeld, wie der Kläger meint, einem besonderen Zweck dient, nämlich der Deckung eines durch den Unterhalt eines Kindes bedingten Mehrbedarfs. Inwieweit die besondere Zweckbestimmung einer Sozialleistung im Sozialrecht zu berücksichtigen ist, hat grundsätzlich der Gesetzgeber bzw Satzungsgeber zu entscheiden. Wenn er bei den hier anwendbaren Vorschriften die Beitragspflicht an den "Zahlbetrag" von Versorgungsbezügen geknüpft hat, so hat er damit zu erkennen gegeben, daß es insoweit auf den Zweck der im Zahlbetrag enthaltenen einzelnen Bezüge nicht ankommen soll. Demgegenüber legt die vom Kläger herangezogene Regelung des § 180 Abs 4 Satz 1 RVO zum Grundlohn der freiwillig Versicherten es schon ihrem Wortlaut nach ("Einnahmen zum Lebensunterhalt") nahe, die Zweckbestimmung der einzelnen Einnahmen bei ihrer Beitragspflicht zu berücksichtigen, was in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch geschehen ist (vgl zum Kindergeld nach dem BKGG BSG SozR 2200 § 180 Nrn 7, 9 und 44). Die Abgrenzung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwillig Versicherten, die die Rechtsprechung zu § 180 Abs 4 RVO vorgenommen hat, kann jedenfalls weder unmittelbar noch sinngemäß auf die für den Grundlohn versicherungspflichtiger Rentner in § 180 Abs 5 RVO getroffene Regelung und den dort in Nr 2 verwendeten, offenbar umfassend gemeinten Begriff des "Zahlbetrages" der Versorgungsbezüge übertragen werden.

Aus den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen ist das Kindergeld der SAF auch nicht deswegen auszunehmen, weil es, wie der Kläger meint, nicht wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung (§ 180 Abs 8 Satz 2 RVO) gewährt werde. Auch die Zahlung des Kindergeldes der SAF setzt - neben der Erfüllung der Wartezeit - bei dem Begünstigten den Eintritt eines Versorgungsfalles und damit eine Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit voraus. Dies genügt, um auch das Kindergeld - neben dem aus Grund- und Zusatzbetrag bestehenden Ruhegeld - zu den Einkommensersatzleistungen zu rechnen, mit denen eine Minderung des Einkommens infolge eingeschränkter Erwerbsfähigkeit ausgeglichen werden soll.

Wenn der Kläger schließlich noch auf die ungleiche Behandlung des Kindergeldes der SAF und der Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung verweist - letztere sind mit Wirkung vom 1. Juli 1984 ausdrücklich aus dem Rentenzahlbetrag des § 180 Abs 5 Nr 1 RVO und damit aus der Beitragspflicht ausgenommen worden (Art 2 Nr 1 iVm Nr 4 des Gesetzes vom 27. Juni 1984, BGBl I 793) -, so hatte der Gesetzgeber für diese Ausnahmeregelung einen besonderen Grund, der für ein mit Versorgungsbezügen gezahltes Kindergeld nicht zutrifft. Die Ausnahmeregelung sollte nämlich verhindern, daß Rentner, die einen Kinderzuschuß zu ihrer Rente erhalten - dies gilt noch für Rentner, die bereits vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch darauf hatten, alle übrigen erhalten nunmehr Kindergeld nach dem BKGG (vgl § 1262 Abs 1 Satz 1 RVO idF des Art 1 Nr 39 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1532) -, deswegen gegenüber Rentnern benachteiligt werden, die Kindergeld nach dem BKGG erhalten (vgl BT-Drucks 10/1379, S 14). Dies wäre aber geschehen, wenn sie auch von ihrem Kinderzuschuß einen (ab 1. Juli 1984 auf 3 vH erhöhten) eigenen Beitrag zur KVdR hätten zahlen müssen, obwohl der Kinderzuschuß bereits seit Mitte 1977 auf einen festen Betrag begrenzt und damit von den jährlichen Rentenanpassungen ausgenommen ist (vgl § 1262 Abs 4 RVO). Demgegenüber hatten und haben kindergeldberechtigte Rentner für ihr - beitragsfreies - Kindergeld nach dem BKGG keinen eigenen KVdR-Beitrag zu zahlen. Die Beitragsbefreiung der zur Zeit noch gezahlten Kinderzuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung, die nur wegen der Beitragsfreiheit der aufgrund des BKGG gezahlten Kindergeldes erfolgt ist, rechtfertigt hiernach nicht, das gleiche auch für Kindergelder zu fordern, die Teil von Versorgungsbezügen sind. Solche Kindergelder werden unabhängig von etwaigen Kinderzuschüssen der gesetzlichen Rentenversicherung und vom Kindergeld nach dem BKGG gezahlt. Beitragsbefreiungen für die letztgenannten Leistungen können deshalb nicht auf die erstgenannten übertragen werden.

Das LSG hat schließlich zutreffend entschieden, daß allein der Kläger für das Kindergeld der SAF anspruchsberechtigt ist. Auch wird das Kindergeld, weil es mit der Vollendung des 20. Lebensjahres des Kindes wegfällt, deswegen nicht nur "übergangsweise" gezahlt; eine entsprechende Anwendung der für "lediglich übergangsweise gewährte Bezüge" getroffenen Ausnahmeregelung in § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 1 RVO (vgl zu ihr BSG SozR 2200 § 180 Nr 24) kommt deshalb hier nicht in Betracht. Insoweit hat auch der Kläger keine Einwände mehr erhoben.

Der Senat hat nach alledem seine Revision als unbegründet zurückgewiesen und über die Kosten nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes entschieden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60334

RegNr, 18352 (BSG-Intern)

KVRS, A-3120/30 (LT1)

BR/Meuer RVO § 180, 25-10-88, 12 RK 10/87 (OT1-3)

BetrAV 1989, 182-182 (L1)

NZA 1989, 486-487 (LT1)

USK 88146 (LT1, OT2)

ZTR 1989, 332-332 (T)

Die Beiträge 1989, 168-171 (OT1-3)

ErsK 1989, 242-244 (T)

SozR 2200 § 180, Nr 45 (LT1)

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