Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 24.04.1980; Aktenzeichen L 1 Ar 443/79)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. April 1980 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung einer Sperrzeit.

Der 1940 geborene Kläger war seit 1965 als Berufskraftfahrer tätig und dabei seit März 1969 bei einer Transport-, Speditions- und Baustoff-Firma beschäftigt; im Frühjahr 1975 hatte die Firma nach den Angaben des Klägers zehn Beschäftigte, die alle über eine Fahrerlaubnis verfügten und jeweils eines der insgesamt zehn Fahrzeuge des Unternehmens fuhren.

Am 15. April 1975 verursachte der Kläger mit einem von ihm gesteuerten Lastzug seines Arbeitgebers einen Verkehrsunfall, bei dem ein elfjähriges Mädchen getötet wurde. Nach den Feststellungen des Schöffengerichts beachtete der Kläger infolge grober Fahrlässigkeit nicht den Farbenwechsel einer Fußgängerampel von Grün auf Gelb und Rot und erfaßte mit seinem Fahrzeug das Kind, als dieses bei Grün den Fußgängerüberweg überquerte, während die Ampel für den Kläger Rot zeigte; der Kläger hätte sein Fahrzeug leicht anhalten können, wenn er auf die Ampel geachtet hätte. Nach Ansicht des Schöffengerichts handelte es sich um einen leicht vermeidbaren Unfall. Es verurteilte den Kläger wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, entzog ihm die Fahrerlaubnis und zog den Führerschein ein; die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, eine neue Fahrerlaubnis nicht vor Ablauf eines Jahres zu erteilen. Bei dieser Entscheidung ging das Schöffengericht davon aus, daß der Kläger sich nunmehr durch den dritten Verkehrsverstoß innerhalb von fünf Jahren als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe; es berücksichtigte, daß der Kläger 1970 wegen einer im Straßenverkehr begangenen Körperverletzung und 1973 wegen fortgesetzter vorsätzlicher Verkehrsunfallflucht in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit am Steuer verurteilt und 1973 auch eine Fahrerlaubnis sperre angeordnet worden war (Urteil vom 26. März 1976). Die auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Klägers hat die Große Strafkammer verworfen. Sie hob ergänzend hervor, der Kläger sei 1973, noch mit einem Bußgeld belegt worden, weil er in eine Kreuzung eingefahren sei, obwohl seine Ampel bereits Rot gezeigt habe; der Entzug der Fahrerlaubnis und die Sperrfrist seien zum Schutz der Allgemeinheit unumgänglich (Urteil vom 11. Oktober 1976).

Aufgrund des Urteils des Schöffengerichts kündigte der Arbeitgeber dem Kläger am 27. März 1976 das Arbeitsverhältnis zum 9. April 1976. Der Kläger meldete sich am 29. März 1976 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das ihm bis zur Aufnahme einer Tätigkeit im Strassenbau vom 8. bis 22. Mai 1976 gezahlt wurde. Mit Bescheid vom 20. April 1976 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 10. April bis 7. Mai 1976 fest; der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 30. November 1976). Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben (Urteil vom 12. September 1978). Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. April 1980).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Sperrzeitvoraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) lägen vor; der Kläger habe durch vertragswidriges Verhalten Anlaß für die Kündigung des Arbeitgebers gegeben und dadurch grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Infolge der Entziehung der Fahrerlaubnis sei es dem Kläger unmöglich geworden, seinen Arbeitsvertrag weiter zu erfüllen. Das habe dem Arbeitgeber Anlaß zur Kündigung gegeben. Die Unmöglichkeit der weiteren Leistung habe der Kläger durch den Verkehrsunfall schuldhaft herbeigeführt. Infolge der Kündigung sei der Kläger arbeitslos geworden. Diese Arbeitslosigkeit habe er grob fahrlässig herbeigeführt, da diese Folge nahegelegen und der Kläger sie dennoch außer acht gelassen habe. Es sei nicht erforderlich, daß dem Arbeitslosen ohne jede weitere Überlegung schlechthin klar sein müsse, daß sein Verhalten zur Arbeitslosigkeit führen werde; nach dem Grundgedanken der Sperrzeitregelung sei es geboten, dem Arbeitslosen bereits dann einen Teil der Aufwendungen, die er der Versichertengemeinschaft durch sein Verhalten verursache, aufzubürden, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit nahegelegen habe oder sehr wahrscheinlich gewesen sei. Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis habe der Kläger zwar nicht unbedingt schlechthin rechnen müssen, doch habe sie aufgrund des zu dem Verkehrsunfall führenden Verhaltens nahegelegen. Zwar habe der Kläger keines der in § 69 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) genannten Delikte begangen, bei denen ohne weitere Würdigung der Gesamtpersönlichkeit regelmäßig die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Die Fahrerlaubnis sei auch nicht schon zu entziehen, wenn die verkehrswidrige Fahrweise zur fahrlässigen Tötung eines Menschen führe; doch brauche um so weniger die Persönlichkeit miterwogen zu werden, je gravierender die Tat sei. Schließlich könne bei einem Mehrfachtäter schon eine verhältnismäßig geringfügige Tat seine Ungeeignetheit erweisen und zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Daher habe sich der Kläger ohne weiteres sagen müssen, daß bei ihm bereits eine verhältnismäßig geringfügige weitere Tat, jedenfalls aber die grob fahrlässige Tötung eines Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit und ganz naheliegend zur Entziehung der Fahrerlaubnis führe. Ebenso habe der Kläger davon ausgehen müssen, daß dieser Entziehung der Verlust des Arbeitsplatzes folgen werde, weil nach der erfolgten Sperre das Mindestmaß der Sperre ein Jahr betrage (§ 69 a Abs. 3 StGB) und sein Arbeitgeber nur Kraftfahrer beschäftige; daß er sofort ein neues Arbeitsverhältnis eingehen könne, habe der Kläger nicht annehmen dürfen. Einen wichtigen Grund für sein Verhalten habe der Kläger nicht gehabt. Nach den für die Sperrzeit maßgebenden Tatsachen stelle die vierwöchige Sperrzeit auch keine besondere Härte dar.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 119 AFG. Unmittelbarer Anlaß für die Kündigung sei nicht das vertragswidrige Verhalten beim Unfall, sondern die überraschende, nicht einmal von der Staatsanwaltschaft angeregte oder beantragte vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Schöffengericht gewesen. Schon deshalb habe der Kläger die Arbeitslosigkeit nicht durch den Unfall verursacht; denn Grund der Entziehung sei nicht die Tat als solche, sondern die charakterliche Ungeeignetheit. Jedenfalls habe das LSG den Begriff der grob fahrlässigen Verursachung der Arbeitslosigkeit verkannt. Nach § 119 AFG reiche nicht jedes nach objektiven Maßstäben fahrlässige Verhalten aus; der Arbeitslose müsse wenigstens das Bewußtsein der besonders naheliegenden Gefahr der Arbeitslosigkeit gehabt haben. Hieran fehle es. Die Entziehung der Fahrerlaubnis habe nicht im Raum gestanden. Die Straftat des Klägers stelle keinen Fall des § 69 StGB dar, in dem die Entziehung der Regelfall sei. Es habe auch keine Möglichkeit bestanden, mit Rücksicht auf die Vorstrafen den Kläger als charakterlich ungeeignet anzusehen. Angesichts der Fahrpraxis des Klägers und der Gründe, die zu den Vorstrafen geführt hätten, sei die Wertung durch die Strafgerichte unrichtig.

Da die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht einmal vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nach Abschluß der Haupt Verhandlung beantragt worden sei, könne vom Kläger nicht verlangt werden, klüger als die mit seiner Sache befaßten Juristen sein zu müssen. Auch habe der Kläger nicht wissen können, daß sein Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis keine andere Einsatzmöglichkeit für ihn haben werde. Es treffe nicht zu, daß der Arbeitgeber ausschließlich Fahrer beschäftige. Das LSG habe dies ohne aktenkundigen Grund angenommen; eine Handelsfirma könne nicht nur mit Kraftfahrern betrieben werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, und hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie führt aus, hinsichtlich der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit sei dem Kläger grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil er bei der gebotenen sorgfältigen Überprüfung der gesamten Verhältnisse ohne weiteres zu dem Schluß hätte kommen müssen, daß weitere Verkehrsverstöße eine Arbeitslosigkeit herbeiführen könnten, zumal da er keinen Grund zu der Annahme gehabt habe, sofort einen Anschlußarbeitsplatz zu erhalten. Bei einem Mehrfachtäter könne schon ein verhältnismäßig geringfügiges Verkehrsvergehen die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen erweisen. Einem Berufskraftfahrer, der bereits mehrfach einschlägig aufgefallen sei, sei auch ein gesteigertes Maß an Sorgfaltspflichten zur Vermeidung künftiger Verkehrsverstöße aufzuerlegen. Zu dem Vorwurf des Klägers, das LSG sei ohne aktenkundigen Grund davon ausgegangen, daß der Arbeitgeber ausschließlich Fahrer beschäftige, sei auf die Mitteilung des Arbeitgebers im Widerspruchsverfahren zu verweisen, wonach er einen Kraftfahrer ohne Führerschein nicht beschäftigen könne; es fielen keine Arbeiten an, mit denen der Kläger beauftragt werden könne. Daß dem Kläger die Fahrerlaubnis nicht unmittelbar nach dem Unfall, sondern erst später entzogen worden sei, sei ohne Bedeutung. Auf die Frage, ob das vertragswidrige Verhalten schuldhaft, insbesondere ob es grob fahrlässig gewesen sei, wie das LSG festgestellt habe, komme es nicht an. Entscheidend sei, ob ein verständiger Arbeitgeber ein vertragswidriges Verhalten wie das des Klägers zum Anlaß einer Kündigung genommen hätte. Das sei hier der Fall.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 AFG in der insoweit unveränderten Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) tritt eine Sperrzeit von vier Wochen ein, wenn der Arbeitslose durch ein vertragswidriges Verhalten Anlaß für die Kündigung des Arbeitgebers gegeben und dadurch grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diesen Sperrzeittatbestand hat das LSG bejaht; das ist nicht zu beanstanden.

Ob ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitslosen Anlaß für die Kündigung gewesen ist, richtet sich nach dem tatsächlichen Geschehensablauf. Dem Kläger wäre, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, trotz des Unfalls nicht gekündigt worden, wenn ihm die Fahrerlaubnis nicht entzogen worden wäre; entsprechend hat der Arbeitgeber die Kündigung erst ausgesprochen, nachdem das Schöffengericht gem § 111 a Strafprozeßordnung (StPO) die vorläufige Entziehung ausgesprochen und den Führerschein beschlagnahmt hatte. Grund der Kündigung war mithin das seit der Entscheidung des Schöffengerichts bestehende Unvermögen des Klägers, weiter seinen arbeitsvertraglichen Pflichten als Kraftfahrer nachzukommen. Ein solches Unvermögen berechtigt, jedenfalls wenn der Arbeitnehmer es zu vertreten hat und er anderweitig nicht eingesetzt werden kann, im allgemeinen zur Kündigung (vgl. BAG AP § 1 KSchG Nr. 2; BAG AP § 626 BGB Nr. 70 = NJW 1979, 332). Das vom Arbeitnehmer zu vertretende Unvermögen ist daher vertragswidriges Verhalten iS des § 119 Abs. 1 Nr. 1 AFG (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 119 RdNr. 5. August 1972; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 119 Anm. 3. Februar 1980; Geffers/Schwarz, Kommentar zum AFG, § 119 RdNr. 5. März 1979; vgl. Eckert ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 119 RdNr. 19. Dezember 1979).

Ob nun vertragswidriges Verhalten, das der Arbeitnehmer verschuldet hat, zur Sperrzeit zu führen vermag (so Geffers/Schwarz, Kommentar zum AFG, § 119 RdNr. 6. März 1979; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 119 RdNr. 6. August 1972; Eckert ua, GK-AFG, § 119 RdNr. 19. Dezember 1979; Thiede ABA 1972, 8, 10; Gagel AuB 1978, 257, 259; aA Kröner ABA 1972, 70, 71), bedarf hier keiner Entscheidung, denn der Kläger hat den Verlust der Fahrerlaubnis zu vertreten. Als Arbeitnehmer, der zum Führen von Kraftfahrzeugen verpflichtet war, hatte er dafür Sorge zu tragen, nach Straßenverkehrsrecht hierzu berechtigt zu bleiben. Er hatte daher nicht nur wie jedermann Verkehrsverstöße zu unterlassen; gegenüber dem Arbeitgeber traf ihn – neben der Verpflichtung, mit dem ihm anvertrauten Fahrzeug ordnungsgemäß umzugehen – die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnten. Daß Maßstab der Entziehung der Fahrerlaubnis lediglich ist, ob sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat (§ 4 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz –StVG–; § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), steht dem nicht entgegen; denn die Ungeeignetheit erweist sich auch und gerade am Maß der Schuld bei einem Verkehrsverstoß. Gegen diese Nebenverpflichtung hat der Kläger verstoßen. Er hat sich durch den Unfall, der leicht vermeidbar gewesen ist, fahrlässig der Gefahr ausgesetzt, seine Fahrerlaubnis zu verlieren. Der eingetretene Verlust der Fahrerlaubnis ist ihm daher anzulasten.

Trotz der Zeitspanne zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten des Klägers und der eingetretenen Arbeitslosigkeit fehlt es nicht an dem erforderlichen Kausalzusammenhang; denn jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens kam eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht. Die knapp ein Jahr nach dem verschuldeten Verkehrsunfall entstandene Arbeitslosigkeit, die allein auf die Entziehung der Fahrerlaubnis zurückzuführen ist, lag daher nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit.

Der Kläger hat damit die Arbeitslosigkeit durch vertragswidriges Verhalten herbeigeführt, und zwar, wie das LSG angenommen hat, grob fahrlässig. Diese Annahme ist, soweit sie vom Revisionsgericht nachgeprüft werden kann, nicht zu beanstanden. Nach dem Wortlaut des § 119 Abs. 1 Nr. 1 AFG muß sich der für den Eintritt der Sperrzeit erforderliche Schuldvorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit nur auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit beziehen; ob demnach – entgegen Gagel aaO und Thiede aaO – eine durch eine leicht fahrlässige Vertragsverletzung herbeigeführte Arbeitslosigkeit eine Sperrzeit nicht auszulösen vermag, bedarf hier keiner Entscheidung. Dem Kläger fällt nämlich nach dem Urteil des LSG auch hinsichtlich des Verkehrsverstoßes und der Gefährdung seiner Fahrerlaubnis grobe Fahrlässigkeit zur Last.

Was unter grober Fahrlässigkeit zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Die Rechtsprechung versteht darunter im allgemeinen ein Handeln, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt ist (BGHZ 10, 14, 16). Dies ist der Fall, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden (RGZ 163, 104, 106), wenn also dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (BGH aaO). Es bestehen keine Bedenken, diese Grundsätze, die im Bereich des AFG schon anerkannt sind (BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33 = SozR 4100 § 152 Nr. 6; SozR 4100 § 152 Nr. 10), auch für § 119 Abs. 1 Nr. 1 AFG maßgebend sein zu lassen. Hiernach hat der Arbeitslose die Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt, wenn ihr Eintritt feststand und der Arbeitslose dies schlechthin wissen mußte. Ist dies nicht der Fall, ist grobe Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen, zB, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit infolge vertragswidrigen Verhaltens so nahe lag, daß diese Möglichkeit nicht außer Betracht bleiben durfte; entscheidend ist immer, daß die drohende Entwicklung dem Arbeitslosen bekannt sein mußte, ihm mithin vorzuwerfen ist, diese Entwicklung nicht berücksichtigt zu haben. So ist auch die – vom LSG mißverstandene – Formel zu verstehen, daß dem Arbeitslosen schlechthin klar sein mußte, daß sein Verhalten zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses führen werde (Gagel AuB 1978, 257, 259); mit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist nicht erst dann zu rechnen, wenn dieser Erfolg für jedermann feststeht. Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann im übrigen nicht abschließend durch feststehende Formeln bestimmt werden; diese Frage ist vielmehr vom Tatrichter im Einzelfall zu entscheiden (BSGE 47, 28, 34 = SozR 4100 § 152 Nr. 6 mwN).

Den Unterschied der Begriffe der gewöhnlichen und groben Fahrlässigkeit hat das LSG nicht verkannt. Nach dem dargestellten Begriffsbild ist es nicht zu beanstanden, wenn eine grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit angenommen wird, wenn der Arbeitslose sich ohne weiteres sagen muß, daß schon eine verhältnismäßig geringfügige Tat, jedenfalls aber eine grob fahrlässig verursachte Tötung, mit hoher Wahrscheinlichkeit und ganz naheliegend zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis und dies zu seiner Kündigung und Arbeitslosigkeit führen wird. Dies gilt auch, wenn die Straftat, die das Strafgericht gem § 69 Abs. 1 StGB zum Anlaß nehmen kann, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis mangels Eignung zu entziehen, nicht zu den in § 69 Abs. 2 StGB genannten Vergehen gehört, bei denen der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird. Das LSG hat ferner nicht verkannt, daß nach dem subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff, wie er in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) herausgebildet worden ist (BSGE 35, 108, 112; BSGE 42, 184, 186 f = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33 = SozR 4100 § 152 Nr. 6; SozR 4100 § 152 Nr. 10), auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Klägers zu berücksichtigen sind; das LSG hat nämlich auf den Kläger abgestellt, der seit 1965 als Berufskraftfahrer tätig ist.

Die Entscheidung der Tatsacheninstanz, daß eine Fahrlässigkeit im Einzelfall grob ist, kann darüber hinaus vom Revisionsgericht nur begrenzt nachgeprüft werden (BSG SozR 2200 § 1301 Nr. 7; BSGE 47, 180 = SozR 2200 § 1301 Nr. 8; BSGE 48, 190, 192 = SozR 2200 § 1301 Nr. 11; BGHZ 10, 14; BGH LM § 932 BGB Nr. 9; BVerwG ZBR 1963, 89 und AP § 78 BBG Nr. 1; BAGE 7, 290, 301; vgl. BAGE 23, 151, 154 ff). Danach greifen die Rügen der Revision nicht durch.

Mit dem Einwand, dem Kläger habe die Fahrerlaubnis überhaupt nicht entzogen werden dürfen, ist die Revision im Ergebnis ausgeschlossen. Der Kläger hat im Berufungsverfahren zwar beiläufig bemerkt, daß das Strafurteil seine Ungeeignetheit nicht konkret begründet habe, hat aber nicht die Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, daß die auf das Fehlen des erforderlichen Verantwortungsbewußtseins gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis zu Unrecht erfolgt ist. Neue Tatsachen können im Revisionsverfahren nicht mehr vorgebracht werden. Die Behauptung des Klägers, die 1973 erfolgte Verurteilung beruhe auf einer einmaligen Konfliktsituation, die ein Vergleich mit dem 1975 erfolgten Unfall nicht zulasse, kann daher im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Warum das LSG dem Umstand, daß dem Kläger die Fahrerlaubnis nicht alsbald nach dem Verkehrsunfall vorläufig entzogen worden ist, hinsichtlich der Frage, daß der Kläger mit der Entziehung hat rechnen müssen, keine Bedeutung beigemessen hat, hat es dargelegt. Diese Ausführungen weisen einen Rechtsfehler nicht auf; die auf tatsächlichem Gebiet liegende Entscheidung, daß der Kläger schon bei einer verhältnismäßig geringfügigen Tat, dh sowohl vor als auch nach dem Unfall mit der Entziehung hat rechnen müssen, ist daher nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger rügt, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Arbeitgeber nur Kraftfahrer beschäftigt habe, hat die Revision einen Verfahrensfehler des LSG nicht dargetan. Die Revision übersieht, daß das LSG insoweit Angaben des Klägers (vgl. Niederschrift des SG vom 12. September 1978) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, die mit der von der Beklagten hervorgehobenen Angabe des Arbeitgebers über den Kündigungsgrund übereinstimmen. Nachdem der Kläger die wegen mangelnder Verwendbarkeit im Betrieb erfolgte Kündigung nicht angefochten hat, mußte sich dem LSG nicht aufdrängen, daß der Kläger in dem hier maßgeblichen Jahr dennoch annehmen durfte, auch ohne Fahrerlaubnis im Betrieb eingesetzt werden zu können.

Hat der Kläger somit durch ein vertragswidriges Verhalten seinem Arbeitgeber Anlaß zu der Kündigung gegeben und hierdurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ist gem § 119 Abs. 1 Nr. 1 AFG eine vierwöchige Sperrzeit eingetreten. Das LSG hat keinen Sachverhalt festgestellt, demzufolge nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine Sperrzeit von vier Wochen für den Kläger eine besondere Härte bedeuten würde, wie das zB der Fall wäre, wenn er sich in Kenntnis der Gefahr, seine Fahrerlaubnis zu verlieren, bis zur Haupt Verhandlung vor dem Schöffengericht vergeblich bemüht hätte, durch das Suchen einer anderen Arbeitsstelle oder die Sicherung eines eventuellen Anschlußarbeitsplatzes eine drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden. Es ist daher nicht nach § 119 Abs. 2 AFG eine Sperrzeit von nur zwei Wochen eingetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI925866

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