Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. März 1959 wird mit den ihm zugrunde liegender Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Kläger war seit Juni 1950 bei der Hamburger Städtischen Baubehörde, Abt. Tiefbauamt, in der Stadtentwässerung beschäftigt. Seine Tätigkeit als Sielbetriebshelfer im Revier Finkenwerder bestand in der Reinigung und Instandsetzung von Regenwasser- und Abwässerungssielen sowie Pumpstationen Am 2. Mai 1957 zeigten sich bei ihm Krankheitssymptoms, die auf eine Infektion hindeuteten. Der Verdacht auf eine Erkrankung an Paratyphus A wurde bestätigt durch das vom Gewerbearzt angeforderte Gutachten des Internisten Prof. Dr. M. vom Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten; Prof. Dr. M. führte aus, mit größter Wahrscheinlichkeit habe der Kläger den Paratyphus während seiner Tätigkeit bei der Sielreinigung mittels Übertragung durch bakterienhaltige menschliche Dejekte erworben, es handele sich somit um eine Berufskrankheit (BK). Die Untersuchung am 6. August 1957 habe jedoch keinen krankhaften Befund mehr ergeben, seit der Wiederaufnahme der Arbeit am 12. Juli 1957 liege keine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten bemerkte der Gewerbearzt, die Infektionskrankheit des Klägers sei nicht gemäß der Fünften Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf BKen (5. BKVO) vom 26. Juli 1952 zu entschädigen. Nr. 39 der Anlage zur 5. BKVO beziehe sich nur auf Erkrankungen des Personals im Gesundheitsdienst (Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, Laboratorien) und in der Wohlfahrtspflege; nicht hierunter fielen demnach zB Tätigkeiten in Sanitätsschlachthallen, Abdeckereien, Friedhofsbetrieben, Krematorien, Wasserwerken, öffentlichen Abort anlagen, Müll- und Fäkalienabfuhr oder Badeanstalten. Da der Kläger demnach nicht zum versicherten Personenkreis gehöre, sei Nr. 39 nicht anwendbar, obwohl die Möglichkeit einer berufsbedingten Infektion nicht ausgeschlossen sei; Nr. 40 der Anlage zur 5. BKVO komme gleichfalls nicht in Betracht, da Prof. Dr. Mohr zutreffend betont habe, daß die Übertragung des Paratyphus grundsätzlich nur durch menschliche Dejekte erfolge. Prof. Dr. Mohr entgegnete hierauf, eine buchstabengemäße Auslegung entspreche nicht dem Sinn und Zweck der BKVO; die Abwässerbeseitigung stelle eines der wichtigsten Probleme des öffentlichen Gesundheitsdienstes dar, wenngleich ihre Durchführung aus rein verwaltungstechnisch-praktischen Gründen der Baubehörde obliege. Durch Bescheid vom 24. Oktober 1957 lehnte die Beklagte den Entschädigungsanspruch ab mit der Begründung, der Kläger sei nicht im Gesundheitsdienst tätig gewesen.

Im Verfahren des ersten Rechtszuges hat der Kläger zunächst beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides festzustellen, daß der Kläger eine BK im Sinne der BKVO erlitten habe.

In der Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) hat er den Antrag gestellt,

unter Feststellung des Vorliegens von Paratyphus als entschädigungspflichtige BK die Beklagte zur Gewährung der gesetzlichen Entschädigungsleistung zu verurteilen.

Das SG hat eine fachärztliche Stellungnahme des Internisten Dr. O. eingeholt; dieser hat ausgeführt, der Paratyphus, den sich der Kläger durch seine Berufstätigkeit zugezogen habe, sei keine BK, da der Kläger nach dem Wortlaut der 5. BKVO nicht zu den hierdurch geschützten Berufsgruppen gehöre; bislang sei jedoch nicht geprüft worden, ob nicht eine befriedigende Lösung durch die Annahme eines Arbeitsunfalls zu erzielen sei; dieserhalb sei eine erneute Begutachtung erforderlich, wofür Prof. Dr. H. vom Hygiene-Institut der Universität Hamburg vorgeschlagen werde. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 11. November 1958 abgewiesen: Der Versicherungsschutz gegen Infektionskrankheiten nach der 5. BKVO umfasse nur solche Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, die der Abwehr von gesundheitlichen Gefahren und Schädigungen des Einzelnen und der Allgemeinheit unmittelbar dienten; Hauptzweck des Sieldienstes sei die Beseitigung von Abfallstoffen, ähnlich der Müllabfuhr; neben diesen Reinhaltungs- und Versorgungsaufgaben stünden die gesundheitlichen Belange im Hintergrund und würden nur nebenher mit wahrgenommen.

Mit seiner Berufung hat der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der vorangegangenen Entscheidungen festzustellen; daß die Erkrankung an Paratyphus A bei ihm eine BK sei.

Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem die Berufung zurückweisenden Urteil vom 13. März 1959 das Rechtsmittel ungeachtet der Tatsache als zulässig bezeichnet, daß dem Kläger im Hinblick auf die rasche Ausheilung seiner Krankheit ein Leistungsanspruch nicht zustehe; der Kläger habe nämlich in der Berufungsverhandlung statt des ursprünglichen Leistungsantrages einen selbständigen Feststellungsantrag gestellt. Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung sei vorhanden, daß Paratyphus A erfahrungsgemäß zu den Krankheitsformen gehöre, die Spätfolgen zeitigen könnten. Trotz des unzweifelhaft gegebenen Kausalzusammenhangs zwischen der Erkrankung des Klägers und seiner Berufstätigkeit als Sielbetriebshelfer sei jedoch eine BK nicht anzuerkennen. Die in Nr. 39 der Anlage zur 5. BKVO enthaltene Aufzählung von Betrieben sei erschöpfend, eine erweiternde Auslegung (Lückenausfüllung) wie sie der Kläger anstrebe, komme nicht in Betracht. Als Tätigkeiten im Gesundheitsdienst im Sinne diese Vorschrift seien aber mit der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) nur solche anzusehen, bei denen die Sorge für die menschliche Gesundheit den Hauptzweck des Betriebs bilde. Auch durch den Umstand, das ein Mangel in der Stadtentwässerung oder ihr gänzliches Fehlen Gesundheitsgefahren mit sich bringe, werde die Stadtreinigung nicht zu einem Teil des Gesundheitsdienstes. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 16. April 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Mai 1959 Revision eingelegt und sie am 13. Mai 1959 begründet: Es bedürfe einer Überprüfung des Standpunktes, daß als Einrichtungen und Tätigkeiten im Gesundheitsdienst nur solche Institutionen anzusehen seien, bei denen die unmittelbare gesundheitliche Betreuung den Hauptzweck bilde. Dieser – für den Bereich der Wohlfahrtspflege bereits vom angerufenen Senat (BSG 6, 74) vertretene – Standpunkt berücksichtige nicht hinreichend, daß das Hauptgewicht der Fäkalienbeseitigung in Großstädten bei der Seuchenbekämpfung liege, das Unternehmen „Fäkalienbeseitigung” nicht auf Erwerb gerichtet sei und die Durchführung dieser Aufgaben seuchenpolizeilich überwacht werde. Die Tätigkeit des Klägers als Sielarbeiter habe mithin unmittelbar der Gesundheitsfürsorge gedient, sei daher in die Nr. 39 der Anlage zur 5. BKVO einzuordnen. Ferner rügt die Revision mangelnde Sachaufklärung und Verletzung des § 112 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG): Dem LSG hätte sich die Frage aufdrängen müssen, ob nicht Gesetzeskonkurrenz zwischen Arbeitsunfall und BK vorliege; denn der Kläger erstrebe zweifellos die Sicherstellung von Ansprüchen aus der Unfallversicherung, gleichgültig ob aus der BKVO oder unmittelbar aus § 542 der Reichsversicherungsordnung (RVO); deshalb hätte das LSG den Kläger zur Stellung eines sachgerechten Antrages veranlassen müssen. Für die Annahme eines Arbeitsunfalls genüge die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Infektion innerhalb einer Arbeitsschicht – die aber zeitlich nicht konkret bestimmt zu werden brauche – zugetragen habe. Bei natürlicher Betrachtung des Sachverhalts sei davon auszugehen, daß nicht die ständige Arbeit des Klägers in seuchengefährdeter Umgebung, sondern eine einzelne Arbeitsschicht die Grundlage der Infektion gebildet habe. Die – vermutlich auf Anregung des LSG erfolgte – Begrenzung des Berufungsantrags auf den Anspruch nach der BKVO stehe der Berücksichtigung des § 542 RVO nicht entgegen; denn in dieser Außerachtlassung der weiteren Anspruchsgrundlage zeige sich gerade der Verstoß des LSG gegen § 112 Abs. 2 SGG. – Im Schriftsatz vom 11. August 1960 hat der Kläger schließlich noch gerügt, das LSG habe zu Unrecht die Betriebskrankenkasse der Freien und Hansestadt Hamburg nicht zum Verfahren beigeladen, die im Falle des Obsiegens des Klägers einen Ersatzanspruch in Höhe von 700,– DM gegen die Beklagte hätte. Der Kläger beantragt,

  • unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen festzustellen, daß die Erkrankung des Klägers an Paratyphus A eine BK darstelle,
  • hilfsweise,

    die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

In der Auslegung der Nr. 39 der 5. BKVO pflichtet sie dem angefochtenen Urteil bei. Zur Frage, ob die Paratyphusinfektion des Klägers als Arbeitsunfall anzusehen sei, meint die Beklagte, die schädigende Einwirkung sei zeitlich nicht genau bestimmbar. Es sei wahrscheinlicher, daß sie sich über einen längeren Zeitraum als nur eine Arbeitsschicht erstrecke. Bei Infektionskrankheiten sei niemals nachweisbar, bei welcher Gelegenheit, zu welchem Zeitpunkt – ob während oder außerhalb der Arbeitszeit die Ansteckung eingetreten sei.

II.

Die Revision ist zulässig. Sie hatte auch zum Teil Erfolg.

Der Senat hatte zunächst von Amts wegen die Frage zu prüfen, ob das LSG über die Berufung des Klägers durch Sachurteil entscheiden durfte (vgl. BSG 2, 225). Die Frage war zu bejahen; das LSG hat im Ergebnis mit Recht angenommen, daß die Berufung nicht durch § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ausgeschlossen war, obwohl das Leistungsbegehren des Klägers nur den Zeitraum vom 2. Mai bis zum 11. Juli 1957, also weniger als 13 Wochen, betreffen konnte. Bereits aus dem angefochtenen Bescheid, mit dem die Anerkennung einer BK verweigert wurde, und der hiergegen erhobenen Klage ergab sich, daß neben dem Leistungsantrag ein Feststellungsbegehren verfolgt wurde, welches – unabhängig von dem zeitlichen Ausmaß der gegenwärtig beanspruchten Leistungen – den Grund des Anspruchs betraf. Nach Lage des Falles ist somit dem Feststellungsbegehren, das auch bei dem in der Verhandlung vor dem SG gestellten Klageantrag zum Ausdruck gekommen ist, eine selbständige Bedeutung beizumessen (vgl. BSG 9, 80, 82). Die Berufung ist demgemäß – ungeachtet des zeitlich begrenzten Anspruchs auf wiederkehrende Leistungen – als zulässig zu erachten. Das berechtigte Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung (§ 55 Abs. 1 SGG) ist vom LSG mit zutreffenden Erwägungen bejaht worden (vgl. BSG 9, 85; 10, 21, 24, 25).

Die Entscheidung der Frage, ob die Erkrankung des Klägers an Paratyphus als BK anzusehen ist, hängt davon ab, ob die Beschäftigung bei der Stadtentwässerung, durch die sich der Kläger diese Infektionskrankheit zugezogen hat, dem in Nr. 39 der Anlage zur 5. BKVO angeführten Kreis von Unternehmen zuzurechnen ist. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, kommt hiervon im vorliegenden Fall allein die Untergruppe der „Einrichtungen und Tätigkeiten im Gesundheitsdienst” in Betracht, da die Stadtentwässerung der Begriffsbestimmung der Wohlfahrspflege im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BSG 6, 74) von vornherein nicht entspricht. Es bedurfte mithin der Prüfung, ob die Dienststelle des Klägers – das Städtische Tiefbauamt, Abt. Stadtentwässerung – eine Einist von der Revision nicht entkräftet worden. Die Revision hat insoweit auf § 12 des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Juli 1961 (BGBl I 1012) und die darin nach ihrer Meinung zum Ausdruck gebrachte gesundheitswahrende Bedeutung der Fäkalienbeseitigung hingewiesen. Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, ist die Beseitigung fester öder flüssiger Abfall- oder Schmutzstoffe – also Müllabfuhr und Stadtentwässerung – so durchzuführen, daß gesundheitliche Gefahren durch Krankheitserreger nicht entstehen; die gesundheitsamtliche Überwachung, der diese kommunalen Dienstleistungen – wie nach § 11 des Bundes-Seuchengesetzes auch die Wasserversorgungsanlagen – unterliegen, besagt indessen lediglich, daß diese kommunalen Aufgaben in einer den seuchenpolizeilichen Erfordernissen genügenden Weise durchzuführen sind, nicht dagegen, daß die Wahrung der Gesundheit den Hauptzweck der entsprechenden Einrichtungen bildet. Demgemäß folgt aus dem Revisionsvorbringen nur die – unbestreitbare – Eigenschaft der Stadtentwässerung, daß sie – ähnlich der gemeindlich organisierten Müllabfuhr – durch ihr Bestehen zugleich eine Abwehr von möglicherweise drohenden Seuchengefahren als bedeutsame Nebenwirkung erzielt. Derartige Nebenwirkungen genügen jedoch nicht, um im vorliegenden Fall die Arbeit des Klägers als Sielbetriebshelfer als eine Tätigkeit im Gesundheitsdienst anzuerkennen. Da, wie das LSG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, eine erweiternde Auslegung der Nr. 39 der Anlage zur 5. BKVO nicht angängig ist, sind die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK beim Kläger nicht gegeben.

Mit Recht hat die Revision jedoch gerügt, daß das LSG die Frage nicht geprüft hat, ob die Paratyphusinfektion etwa eine Körperschädigung darstellt, welche die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsanfalls im Sinne des ist von der Revision nicht entkräftet worden. Die Revision hat insoweit auf § 12 des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Juli 1961 (BGBl I 1012) und die darin nach ihrer Meinung zum Ausdruck gebrachte gesundheitswahrende Bedeutung der Fäkalienbeseitigung hingewiesen. Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, ist die Beseitigung fester öder flüssiger Abfall- oder Schmutzstoffe – also Müllabfuhr und Stadtentwässerung – so durchzuführen, daß gesundheitliche Gefahren durch Krankheitserreger nicht entstehen; die gesundheitsamtliche Überwachung, der diese kommunalen Dienstleistungen – wie nach § 11 des Bundes-Senchengesetzes auch die Wasserversorgungsanlagen – unterliegen, besagt indessen lediglich, daß diese kommunalen Aufgaben in einer den seuchenpolizeilichen Erfordernissen genügenden Weise durchzuführen sind, nicht dagegen, daß die Wahrung der Gesundheit den Hauptzweck der entsprechenden Einrichtungen bildet. Demgemäß folgt aus dem Revisionsvorbringen nur die – unbestreitbare – Eigenschaft der Stadtentwässerung, daß sie – ähnlich der gemeindlich organisierten Müllabfuhr – durch ihr Bestehen zugleich eine Abwehr von möglicherweise drohenden Seuchengefahren als bedeutsame Nebenwirkung erzielt. Derartige Nebenwirkungen genügen jedoch nicht, um im vorliegenden Fall die Arbeit des Klägers als Sielbetriebshelfer als eine Tätigkeit im Gesundheitsdienst anzuerkennen. Da, wie das LSG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, eine erweiternde Auslegung der Nr. 39 der Anlage zur 5. BKVO nicht angängig ist, sind die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK beim Kläger nicht gegeben.

Mit Recht hat die Revision jedoch gerügt, daß das LSG die Frage nicht geprüft hat, ob die Paratyphusinfektion etwa eine Körperschädigung darstellt, welche die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 542 RVO erfüllt. Dies würde erfordern, das der Kläger die zur Paratyphuserkrankung führende Infektion innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten – wenn auch nicht kalendermäßig genau, bestimmbaren – Tage erlitten hat (vgl. EuM 16, 83; 18, 185; 38, S. 162 und Fußnote S. 163; ferner LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1958, 316; LSG Niedersachsen, BG 1960, 288). Im angefochtenen Urteil wird zutreffend hervorgehoben, daß der Kläger im Grunde vor allem an einer Sicherstellung seiner künftigen Entschädigungsansprüche wegen etwaiger Spätfolgen des Paratyphus interessiert ist. Durch diese richtige Erkenntnis hätte sich das LSG veranlaßt sehen müssen, die Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalls zu prüfen und den Kläger zur Stellung eines sachdienlichen, d. h. diese Frage berücksichtigenden Antrags anzuregen (§§ 106 Abs. 1, 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Arbeitsunfall und BK stehen hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind rechtlich miteinander verknüpft (vgl. § 545 Abs. 1 Satz 2 RVO, § 3 Abs. 1 der 5. BKVO). Es bedarf keiner Erörterung, ob wegen dieser Verknüpfung schlechthin in jedem Fall einer umstrittenen BK – oder wenigstens allgemein bei den Infektionskrankheiten – die Frage einer unfallweisen Entstehung der Krankheit zu berücksichtigen ist. Der vorliegende Fall ist nämlich dadurch besonders gekennzeichnet, daß der vom SG gehörte Sachverständige Dr. O. das Gericht auf diese Alternative hingewiesen und angeregt hat, die Frage einer unfallmäßigen Entstehung des Paratyphus durch fachärztliche Gutachten klären zu lassen. Daraus mußte der Vorderrichter die – zweifellos nicht bei allen BKen gleich naheliegende – Möglichkeit entnehmen, daß die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung, falls sie aus rechtlichen Gründen nicht als BK anzusehen war, durch ein als Arbeitsunfall zu wertendes plötzliches Ereignis verursacht worden sein konnte. Ein Anlaß zu der Vermutung, der Kläger wolle seinen Anspruch bewußt nur auf die BKVO beschränken, war für das LSG in keiner Weise gegeben. Die Revision ist hiernach in diesem Umfang begründet und mußte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

Mangels tatsächlicher Feststellungen war der Senat nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Desgleichen konnte er die auf tatsächlichem Gebiet liegenden Ausführungen der Beteiligten zur Frage, ob eine Paratyphusinfektion innerhalb einer Arbeitsschicht hinreichend wahrscheinlich ist, nicht berücksichtigen. Das LSG wird diese Frage bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung eingehend zu prüfen haben.

Die nach Ablauf der Revisionsbegrundungsfrist vorgetragene Rüge, die Krankenkasse sei zu Unrecht nicht beigeladen worden, bedurfte keiner Prüfung (vgl. BSG 1, 158).

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Unterschriften

Brackmann, Hunger, Dr. Baresel

 

Fundstellen

Haufe-Index 674113

BSGE, 41

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