Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte - mitarbeitender Familienangehöriger - Ausbildung - Doppelversicherung - Regel-Ausnahme-System - Volljährigkeit - Gleichzeitigkeit - Versicherungspflicht - Versicherungsfreiheit - Befreiung - Rentenversicherung - rechtsgeschichtliche Entwicklung - planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes - Lückenschließung - Verhältnismäßigkeitsprinzip - unzumutbare Überversicherung - überobligatorische Pflicht - sachlicher Grund - ergänzende soziale Absicherung - Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei volljährigen mitarbeitenden Familienangehörigen, die als Auszubildende gegen geringfügiges Entgelt im landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt sind, wird die Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte nicht durch die gleichzeitig bestehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verdrängt.

2. Eine Erstreckung der Regelungen des ALG zur Versicherungsfreiheit und zur Befreiung von der Versicherungspflicht auf diesen Personenkreis ist mit Wortlaut und Konzept des Gesetzes nicht zu vereinbaren.

 

Normenkette

ALG § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 8 S. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1 Buchst. a, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 70 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2 S. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.04.2001; Aktenzeichen L 2 LW 7/00)

SG Trier (Entscheidung vom 17.01.2000; Aktenzeichen S 2 LW 89/99)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zahlung der Beiträge für seinen beigeladenen Sohn, der als Auszubildender im väterlichen Betrieb in der Zeit vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998 gegen ein monatliches Entgelt von 605,00 DM beschäftigt war.

Der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer Mitglied der Beklagten. Diese stellte mit Bescheid vom 19. Februar 1999 fest, dass er bezogen auf die Zeit vom 1. August 1997 bis 31. Oktober 1998 für den am 28. März 1979 geborenen Beigeladenen beitragspflichtig sei, da dieser im Unternehmen des Klägers als mitarbeitender Familienangehöriger beschäftigt gewesen sei. Gleichzeitig bezifferte sie die Beitragsforderung nach Abzug eines Beitragszuschusses in Höhe von 421,00 DM auf 2.074,00 DM. Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, es sei eine rechtswidrige Doppelbelastung eingetreten, da er für den Beigeladenen auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (RV) entrichtet habe. Außerdem sei dieser vom 1. August bis 25. Oktober 1998 nur geringfügig beschäftigt gewesen und habe ab 26. Oktober 1998 eine Schule besucht. Nach der dem Widerspruchsbescheid vom 17. August 1999 zu Grunde liegenden Ansicht der Beklagten hat der Kläger gemäß § 70 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) für den bei ihm als mitarbeitender Familienangehöriger beschäftigt gewesenen Beigeladenen Beiträge zu zahlen. Dessen Versicherungspflicht beruhe auf § 1 Abs 1 Nr 2 iVm § 2 Nr 1 Buchst a ALG. Der Beigeladene könne nicht gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 ALG von der Versicherungspflicht befreit werden, da er nicht regelmäßiges Arbeitsentgelt über einem Siebtel der Bezugsgröße bezogen habe.

Während des anschließenden Klageverfahrens erließ die Beklagte unter dem 7. Januar 2000 Neufeststellungsbescheide an den Kläger und den Beigeladenen, wonach die Versicherungspflicht (nur) vom 1. August 1997 bis zum 31. Juli 1998 bestanden habe; für die Monate August bis Oktober 1998 forderte sie vom Kläger 114,00 DM Beitragszuschuss zurück. Das Sozialgericht (SG) Trier hat es in seinem klageabweisenden Urteil vom 17. Januar 2000 nicht für zulässig gehalten, Auszubildende, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und im elterlichen Betrieb tätig sind, abweichend vom Gesetzeswortlaut durch Rechtsfortbildung von der Beitragspflicht auszunehmen. Eine durch Rechtsprechung zu schließende Regelungslücke liege nicht vor. Die Regelungen des ALG über Versicherungspflicht und Befreiung seien vielmehr abschließend gefasst. Zwar unterlägen gleichaltrige Auszubildende mit entsprechend niedriger Vergütung in einem familienfremden Betrieb keiner Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse; das Ausbildungsverhältnis des Familienangehörigen sei jedoch durch dessen überobligatorische Mithilfe im Familienbetrieb geprägt. Da die Alterssicherung der Landwirte (AdL) auch nur eine Teilabsicherung neben der gesetzlichen RV biete, greife der Einwand einer unzulässigen Doppelversicherung nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 25. April 2001 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat auf die Urteilsgründe des SG verwiesen und sich dafür, dass hier eine abschließende, nicht verfassungswidrige Regelung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse nach dem ALG vorliege, auf die Urteile des erkennenden Senats vom 8. Oktober 1998 – B 10 LW 2/98 R – und 30. Juni 1999 – B 10 LW 17/98 R – bezogen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und trägt dazu vor: Eine überobligatorische Erbringung von Leistungen im elterlichen Betrieb könne nicht pauschal unterstellt werden. Vielmehr fehle in Fällen der vorliegenden Art ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der mitarbeitenden Familienangehörigen. Neben der umfassenden sozialen Absicherung in der allgemeinen RV sei die Mindestsicherung in der AdL nicht zu rechtfertigen. Sie sei aber auch vom Gesetzgeber nicht gewollt, dieser habe vielmehr der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV den Vorrang eingeräumt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 2001, das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 17. Januar 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 1999 sowie des Bescheides vom 7. Januar 2000 aufzuheben, soweit er danach für den Beigeladenen Beiträge zur Beklagten zu tragen hat.

Die Beklagte beantragt unter näherer Darlegung,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Vorinstanzen und Beklagte haben die Pflicht des Klägers zur Zahlung der Beiträge für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998, währenddessen der Beigeladene als mitarbeitender Familienangehöriger bei dem Kläger zur Ausbildung tätig und bei der Beklagten versichert war, zu Recht bejaht.

Da der Kläger sein Anfechtungsbegehren (vgl § 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) entsprechend beschränkt hat, ist der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 1999 sowie des Bescheides vom 7. Januar 2000 nur insoweit zu überprüfen, als der Kläger danach für den Beigeladenen Beiträge zur Beklagten zu tragen hat. Die im Bescheid vom 7. Januar 2000 ausgesprochene Rückforderung von Beitragszuschüssen ist mithin nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Der Zeitraum, auf den sich die hier streitige Beitrags- und Versicherungspflicht bezieht, ist durch den Bescheid der Beklagten am 7. Januar 2000 – während des sozialgerichtlichen Verfahrens – verkürzt worden (statt bis zum 31. Oktober 1998 nur bis zum 31. Juli 1998), nachdem festgestellt worden war, dass der Beigeladene ab dem 1. August 1998 nicht mehr hauptberuflich im väterlichen Unternehmen tätig gewesen war (§ 1 Abs 8 Satz 1 ALG).

Für die verbleibende Zeit (1. August 1997 bis 31. Juli 1998) ist der Kläger zur Beitragszahlung verpflichtet. Gemäß § 70 Abs 1 Satz 1 ALG trägt der Landwirt die Beiträge für die Versicherungspflichtigen; die in § 1 Abs 2, 4 bis 6 ALG dafür gestellten Anforderungen, wer Landwirt im Sinne dieses Gesetzes ist, erfüllt der Kläger. Versicherungspflichtig sind gemäß § 1 Abs 1 Nr 2 ALG – neben den Landwirten selbst – deren mitarbeitende Familienangehörige. Dazu gehören Verwandte bis zum dritten Grade (§ 1 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG) – mithin auch der Beigeladene als Sohn des Klägers –, vorausgesetzt – was hier insoweit allerdings nicht fraglich ist –, sie sind im Unternehmen des Landwirts hauptberuflich tätig. Eine Versicherungsfreiheit scheidet hier aus, da der im März 1979 geborene Beigeladene im streitigen Zeitraum bereits das 18. Lebensjahr vollendet hatte (vgl § 2 Nr 1 Buchst a ALG). Ebenso wenig ist der Beigeladene gemäß § 3 ALG auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit worden. Da sich nur eine durch entsprechenden Bescheid der Beklagten tatsächlich erfolgte Befreiung auf die Beitragsentrichtungspflicht des Klägers auswirkt, braucht in diesem Zusammenhang nicht darüber entschieden zu werden, ob der Beigeladene ein entsprechendes Antragsrecht hat bzw hatte.

Entgegen der Ansicht des Klägers wurde die Versicherungspflicht des Beigeladenen nach dem ALG nicht durch dessen gleichzeitig nach § 1 Satz 1 Nr 1, § 5 Abs 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestehende Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV verdrängt. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es keine gesetzliche Regelung diesen Inhalts gibt. Überdies lassen die Vorschriften des ALG zur Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit und Befreiung von der Versicherungspflicht mitarbeitender Familienangehöriger – auch soweit es volljährige Auszubildende mit niedriger Vergütung betrifft – keine Gesetzeslücke erkennen, die iS des Klägers durch Auslegung geschlossen werden könnte. Schließlich vermag sich der erkennende Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Vorschriften, die hier eine Beitragstragungspflicht des Klägers begründen, verfassungswidrig sind.

  • Wie der Senat bereits mehrfach herausgestellt hat (vgl zB Senatsurteile vom 19. Oktober 2000, SozR 3-5868 § 84 Nr 2 S 2, 9; vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2; vom 30. Juni 1999, SozR 3-5868 § 3 Nr 1), besteht nach dem ALG ein differenziertes System von Regel (Versicherungspflicht) und Ausnahme (Versicherungsfreiheit bzw Befreiung auf Antrag), das grundsätzlich keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist. Dies gilt auch für die vorliegende Fallgestaltung.

    Im Rahmen des genannten Regel-Ausnahme-Systems knüpft die Beitragslast des Klägers sowohl an das Bestehen einer (aktuellen) Versicherungspflicht (des Beigeladenen) als auch an das Fehlen einer Versicherungsfreiheit an. Für eine einschränkende Auslegung des Regeltatbestands der Versicherungspflicht findet sich – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der “Doppelversicherung” – ebenso wenig eine Grundlage wie für eine erweiternde Auslegung der Bestimmungen über die Versicherungsfreiheit.

    • Der – von der Revision für sich reklamierte – Grundsatz des Ausschlusses einer Doppelversicherung schützt den Kläger nicht vor der Belastung mit Beiträgen zur AdL sowie zur gesetzlichen RV, denn seine Bedeutung beschränkt sich auf verschiedene Versicherungspflichttatbestände innerhalb der AdL, er erstreckt sich jedoch nicht über deren Grenzen hinaus (vgl Senatsurteile vom 19. Oktober 2000, aaO S 8; vom 17. August 2000, BSGE 87, 66, 71 = SozR 3-5868 § 92 Nr 1 S 6). Die vom Kläger herangezogene Literatur (Kasseler Komm-Gürtner § 1 SGB VI Rz 5) handelt lediglich von Versicherungskonkurrenzen im Rahmen des SGB VI, nicht aber von solchen zwischen SGB VI und ALG. Ein der Vorstellung des Klägers entsprechender Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Konkurrenzen von Versicherungspflichttatbeständen in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung durch eine Vorrangregelung im Sinne eines Ausschlusses von Doppelversicherungen zu lösen seien, ist auch mit der Systematik des ALG unvereinbar: Gäbe es einen solchen Grundsatz, dann bedürfte es nicht der Befreiungsregelungen in § 3 ALG, die eine Befreiung von der AdL auf Antrag ua in solchen Fällen ermöglichen, in denen Versicherungspflichttatbestände in der gesetzlichen RV auf Grund von Einkommen, Kindererziehung, Pflegetätigkeit oder Wehr- bzw Zivildienst vorliegen. Dazu passt es, dass die AdL ihrem Charakter nach nur eine Teil- bzw Grundsicherung darstellt (vgl dazu Senatsurteil vom 30. Juni 1999, aaO S 4 f; vom 8. Oktober 1998 – B 10 LW 2/98 R –, GVLAK RdSchr AH 5/99 = SdL 1999, 300; BVerwGE 74, 285, 288).

      Die Zulässigkeit einer gleichzeitigen Versicherung nach dem ALG und dem SGB VI wird auch in der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats bejaht. Im Urteil vom 17. August 2000 (SozR 3-5868 § 3 Nr 3) hat er eine Doppelversicherung in einem Falle als unschädlich angesehen, in dem ein hauptberuflicher Angestellter – als solcher in der gesetzlichen RV versichert – zumindest für den Zeitraum zusätzlich als Nebenerwerbslandwirt nach dem ALG versicherungs- und beitragspflichtig war, für den er eine Befreiung im Rahmen von § 3 Abs 1 ALG nicht mit Rückwirkung ab Beginn der Versicherungspflicht erlangen konnte. Gäbe es den vom Kläger gewünschten Rechtsgrundsatz, hätte es der rückwirkenden Befreiung gar nicht erst bedurft. Dort hat der Senat im Übrigen darauf hingewiesen, dass schon nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) großzügige Regelungen einer (“lohnenden”) Doppelversicherung als nicht unerhebliche Begünstigung des betroffenen Personenkreises der Landwirte bestanden hatten (BSG aaO S 19 mwN). In einem weiteren Fall – Nebeneinander der Versicherungspflicht als Bezieher von Anschluss-Arbeitslosenhilfe und Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt (Beschluss vom 18. März 1999 – B 10 LW 9/98 B –, GVLAK RdSchr AH 21/98) – ist der Senat dementsprechend ebenfalls von einer zulässigen Konkurrenz ausgegangen.

    • Eine den Kläger entlastende Ausdehnung der Regelungen des ALG zur Versicherungsfreiheit kommt ebenfalls nicht in Betracht. Soweit der Gesetzeswortlaut des § 2 Nr 1 Buchst a ALG an die Altersgrenze des 18. Lebensjahres anknüpft, ist er eindeutig; er lässt eine – die Versicherungsfreiheit zu Gunsten des Beigeladenen – erweiternde Auslegung nicht zu. Auch soweit volljährige mitarbeitende Familienangehörige betroffen sind, die sich in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung befinden, ist keine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke feststellbar. Dies zeigt sich namentlich an der spezifischen rechtsgeschichtlichen Entwicklung, die zur Einbeziehung der mitarbeitenden Familienangehörigen in das System der AdL geführt hat.

      Den gesetzlichen Durchbruch markierte das Dritte Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (3. ASEG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2475), mit dem der Gesetzgeber ab 1. Januar 1986 die Einbeziehung der mitarbeitenden Familienangehörigen gesetzlich auf Dauer etablierte (§ 14 Abs 1 Buchst b GAL). Die Versicherungspflicht erstreckte sich nunmehr – unter Anknüpfung an die krankenversicherungsrechtliche Abgrenzung des Personenkreises – auf Familienangehörige vom vollendeten 25. Lebensjahr an (ohne Rücksicht darauf, ob ein Arbeitsvertrag vorlag). Bei Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung wurde allerdings ein Recht auf Befreiung eingeräumt (§ 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a, Abs 3 GAL). Endete das rentenversicherungspflichtige, die Befreiung aus der AdL begründende Beschäftigungsverhältnis als mitarbeitender Familienangehöriger, so fiel der Betreffende in die Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Altershilfe (LAH) zurück (vgl § 14 Abs 3 Buchst b GAL), während eine Befreiung von der LAH auf Grund einer außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zum unwiderruflichen Ausscheiden aus der LAH führte.

      Damit hatte der Gesetzgeber Abstand genommen von der noch als (auslaufende) Übergangslösung gedachten Versicherungspflicht für bestimmte, als besonders schutzbedürftig angesehene Jahrgänge (vgl §§ 38, 40a GAL; dazu näher GVLAK, Stellungnahme zum 3. ASEG, Kassel, oJ, S 35; Noell, Die Altershilfe für Landwirte, 10. Aufl ≪Juli 1983≫, S 185 ff). Die Annahme, beim sozialen Schutz der mitarbeitenden Familienangehörigen handele es sich um ein auslaufendes Problem, hatte sich offensichtlich als falsch erwiesen. Dieser noch immer große Personenkreis wurde als unbefriedigend geschützt angesehen, insbesondere im Hinblick auf die ursprüngliche Zielsetzung, die soziale Absicherung der Betroffenen auf der Grundlage von Arbeitsverträgen und der damit verbundenen Pflichtversicherung in der gesetzlichen RV zu lösen. Hinzu kam, dass die in den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gezahlte Vergütung als sehr niedrig angesehen wurde, sodass angesichts der danach zur gesetzlichen RV gezahlten Beiträge von dort später auch nur eine entsprechend niedrige Altersrente zu erwarten war (vgl zum Vorstehenden Noell aaO S 186 f).

      Die bisherige Versicherungspflichtregelung für mitarbeitende Familienangehörige wurde vom Gesetzgeber des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) modifiziert in das ALG übernommen. Nach dem ALG idF des ASRG wäre der Beigeladene noch als mitarbeitender Familienangehöriger bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres versicherungsfrei geblieben (§ 2 Nr 1 Buchst a ALG idF des Gesetzes vom 29. Juli 1994, BGBl I 1890; nach Entwurfsfassung ≪vgl BT-Drucks 12/5700 S 9≫ § 2 Abs 4 Nr 1 Buchst a). Für diese Regelung wurde zur Begründung ausgeführt, dass die Versicherungspflicht der mitarbeitenden Familienangehörigen als solche dem bisherigen Recht entnommen worden sei (vgl BT-Drucks 12/5700 S 69), ebenso die gesetzliche Definition dieses Personenkreises (aaO S 70), wohingegen erweiternd das “Eintrittsalter” (vom 25. Lebensjahr) auf das 20. Lebensjahr gesenkt worden sei (vgl aaO S 71). Das ASRG-Änderungsgesetz (ASRG-ÄndG) hat dann die eine Versicherungsfreiheit des Beigeladenen ausschließende Senkung der Altersgrenze auf das vollendete 18. Lebensjahr in § 2 Nr 1 Buchst a ALG (idF des Gesetzes vom 15. Dezember 1995, BGBl I S 1814) gebracht (vgl BT-Drucks 13/2747 S 13: “Der frühestmögliche Beginn der Versicherungspflicht wird vom 20. auf das 18. Lebensjahr vorverlegt”).

      Im Zuge der Senkung der für die Versicherungsfreiheit maßgebenden Altersgrenze, die gleichermaßen eine Erweiterung des tatsächlich versicherungspflichtigen Personenkreises wie eine Stärkung der sozialen Sicherung ua für mitarbeitende Familienangehörige zum Ziel hatte, lag es für den Gesetzgeber nahe, hinsichtlich der Betroffenen das Zusammenspiel von AdL und gesetzlicher RV in den Blick zu nehmen. Die Einbeziehung der jüngeren Jahrgänge musste zwangsläufig auch Zeiten der für diese Altersgruppe typischen Berufsausbildung erfassen. Anzunehmen, dem Gesetzgeber könnte der Umstand, dass landwirtschaftliche Auszubildende auch in der gesetzlichen RV pflichtversichert sind, entgangen sein, entbehrt der Grundlage. Die gesetzliche RV erstreckt sich auf Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, ohne dass es hierfür auf den Bezug oder die Höhe eines Arbeitsentgelts ankommt (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI). Personen in betrieblicher Berufsausbildung sind nicht wegen Geringfügigkeit iS des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) versicherungsfrei (§ 5 Abs 2 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl I 1014); der Gesetzgeber geht damit auch und gerade bei Auszubildenden mit geringfügigem Entgelt von einer sozialen Schutzbedürftigkeit aus. Dafür, dass er diesen Sachverhalt bei der hier in Rede stehenden Erweiterung (“Verjüngung”) des versicherungspflichtigen Personenkreises in der AdL übersehen haben könnte, fehlt schon wegen der Klarheit der Rechtslage im Bereich der gesetzlichen RV jeder Anhalt. Hinsichtlich des Eintritts einer doppelten Versicherungspflicht von in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung befindlichen mitarbeitenden Familienangehörigen ist jedenfalls die Annahme nicht gerechtfertigt, der Gesetzgeber habe den verstärkten sozialen Schutz im Bereich der AdL in Unkenntnis des rentenversicherungsrechtlichen Regelungszusammenhanges entwickelt. Nicht ein absichtliches oder versehentliches Schweigen des Gesetzgebers (zu Verpflichtung und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung vgl BSG vom 16. April 2002 – B 9 VG 1/01 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN), sondern im Gegenteil dessen erkennbarer Wille zur Erweiterung von Versicherungspflicht und -schutz kennzeichnen den vorliegenden Sachverhalt.

  • Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die gesetzlichen Bestimmungen, die im vorliegenden Fall zu einer doppelten Beitragstragungspflicht des Klägers führen, mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Insofern besteht kein Anlass für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) iS von Art 100 Abs 1 GG.

    • Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung der Belastungssituation des Klägers ist von folgenden tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten auszugehen:

      Ein Landwirt ist nicht generell und auf Dauer, sondern nur unter bestimmten, zeitlich begrenzten Voraussetzungen und auch dann nicht unentrinnbar verpflichtet, für einen mitarbeitenden Familienangehörigen gleichzeitig Beiträge zur AdL und zur gesetzlichen RV zu zahlen. Nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ist ein mitarbeitender Familienangehöriger nur dann versicherungspflichtig, wenn er bei dem Landwirt gegen Arbeitsentgelt oder zu seiner Berufsausbildung beschäftigt ist. Bei der Abgrenzung zwischen einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis und einer nicht sozialversicherten familienhaften Mithilfe kommt es ua darauf an, ob das Entgelt einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt (vgl zB BSGE 74, 275, 279 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37). Mit Ausnahme ua von Personen, die sich in der betrieblichen Berufsausbildung befinden, sind geringfügig Beschäftigte (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) gemäß § 5 SGB VI versicherungsfrei. Demgemäß ist ein mitarbeitender Familienangehöriger mit niedriger Entlohnung praktisch nur dann rentenpflichtversichert, solange er als Auszubildender beschäftigt ist. Da die idR dreijährige landwirtschaftliche Berufsausbildung typischerweise vor der Volljährigkeit begonnen wird, unterfällt sie im Hinblick auf die Altersgrenze in § 2 Nr 1 Buchst a ALG normalerweise nur zum Teil einer beitragswirksamen Versicherungspflicht des mitarbeitenden Familienangehörigen in der AdL.

      Nicht in der Berufsausbildung befindliche mitarbeitende Familienangehörige mit höherem Entgelt sind zwar ausnahmslos in der gesetzlichen RV versicherungspflichtig, können sich jedoch gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 ALG von der Versicherungspflicht in der AdL befreien lassen. Diese Möglichkeit hatte der Beigeladene hier nicht, da seine monatliche Ausbildungsvergütung mit 605 DM knapp unter einem Siebtel der Bezugsgröße (1997: 610 DM, 1998: 620 DM) lag. Allerdings wäre der Kläger nicht gehindert gewesen, dem Beigeladenen ein entsprechend höheres Entgelt zu zahlen, wenn er diesem ein Befreiungsrecht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG hätte eröffnen wollen, bei dessen Ausübung für ihn eine Beitragstragung nach dem ALG entfallen wäre.

      Angesichts dieser Verhältnisse fehlt es – auch soweit es Befreiungsmöglichkeiten betrifft – an einer “planwidrigen Unvollständigkeit” des Gesetzes. Mithin ist diesbezüglich eine erweiternde Auslegung ebenfalls ausgeschlossen. Zu der Erwägung der Revision, der Beigeladene sei im Wege einer lückenfüllenden Erweiterung der Befreiungsregelung in § 3 Abs 1 Nr 1 ALG so zu stellen, dass im Hinblick auf das bestehende Ausbildungsverhältnis die das Arbeitsentgelt betreffende Befreiungsgrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße nicht überschritten sein muss, haben die Vorinstanzen zutreffend auf die einschlägige Rechtsprechung des Senats zu der genannten Norm hingewiesen (Urteil vom 30. Juni 1999, aaO). Eine Ausdehnung der Befreiungsregelung auf diejenigen volljährigen mitarbeitenden Familienangehörigen, die mit geringem Entgelt als Auszubildende im landwirtschaftlichen Unternehmen der Eltern tätig sind, ist danach mit dem eindeutigen Wortlaut des § 3 ALG und dem klaren Konzept dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren. Der Kläger vermag keine Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass der Gesetzgeber hier entweder der Rechtsprechung ein Einschreiten zur Regelung der vorliegenden Fallgestaltung überlassen wollte oder dass das Fehlen einer Befreiungsmöglichkeit für die Betroffenen auf einem Versehen oder Übersehen beruht (dazu näher Senatsurteile vom 19. Oktober 2000, SozR 3-5868 § 85 Nr 3 S 16, 18; vom 12. Februar 1998, aaO S 13 f). Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit dem ASRG-ÄndG lediglich für bestimmte Personenkreise eng begrenzte weitere Befreiungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Härten, die sich aus dem ASRG ergeben hatten, geschaffen wurden (vgl Senatsurteile vom 12. Februar 1998, aaO S 14; vom 19. Oktober 2000, SozR 3-5868 § 84 Nr 2 S 9).

    • In Ansehung dieser tatsächlichen und rechtlichen Umstände ist die sich im vorliegenden Fall ergebende doppelte Beitragstragungspflicht des Klägers von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

      Ein Verstoß gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art 2 Abs 1 GG) iVm dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) unter dem Gesichtspunkt einer – im Hinblick auf die Höhe der Beiträge – unzumutbaren Übersicherung (vgl dazu das Senatsurteil vom 12. Februar 1998, BSGE 81, 294, 299 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 S 1, 7 mwN), ist nicht zu erkennen. Naturgemäß stellt die Heranziehung des Arbeitgebers zu Leistungen für die Alterssicherung seiner Beschäftigten, zumal wenn es sich um Beiträge zur gesetzlichen RV und AdL nebeneinander handelt, einen die betriebliche Rentabilität beeinflussenden Kostenfaktor dar. Da diese Belastung den Kläger nur für einen vorübergehenden Zeitraum und – im Hinblick auf die bei etwas höherem Entgelt bestehende Befreiungsmöglichkeit – auch nicht zwangsläufig traf, kann sie jedoch nicht als unverhältnismäßig eingestuft werden. Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass im Falle wirtschaftlicher Härten die Subventionierung des Beitrages zur AdL durch den Beitragszuschuss (§ 32 ALG) greifen würde. Schließlich liegt hier eine unzulässige Übersicherung auch insoweit fern, als die AdL nur eine Teilversorgung darstellt.

      Dem LSG ist auch darin zuzustimmen, dass eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG verstoßende Benachteiligung des Klägers nicht vorliegt. Anders als wenn er einen nicht verwandten Auszubildenden mit gleichem Arbeitsentgelt in seinem landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt hätte, hat der Kläger zwar für den Beigeladenen – neben den Beiträgen zur RV – auch die Beitragskosten für die AdL zu tragen. Den sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung hat das LSG darin gesehen, dass typischerweise mitarbeitende Familienangehörige in der Landwirtschaft gering entgolten und deshalb besonders schutzbedürftig seien. Dazu hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass die Mithilfe mitarbeitender Familienangehöriger regelmäßig von überobligatorischen – über das Ausbildungsverhältnis hinausgehenden – Pflichten geprägt sei. Die Beklagte hat diese Gedanken dahin zusammengefasst, dass gerade mitarbeitende Familienangehörige in der Landwirtschaft sozial besonders schutzbedürftig seien, da sie regelmäßig für ein geringeres Entgelt und – wegen der familienhaften Bindung und des damit einhergehenden Eigeninteresses am Fortbestand bzw der Weiterentwicklung des Betriebes – in größerem Umfang Arbeitsleistungen erbrächten. Diese Gesichtspunkte, die ersichtlich auch bei der Gesetzesentwicklung eine Rolle gespielt haben, legt der Senat ebenfalls seiner Beurteilung zu Grunde, zumal der Kläger die betreffenden Tatsachenfeststellungen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat. Sein Vortrag erschöpft sich vielmehr in der Gegenbehauptung, diese Annahmen seien nicht verallgemeinerungsfähig.

      Insgesamt gesehen lässt sich die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit von in der landwirtschaftlichen Berufsausbildung befindlichen mitarbeitenden Familienangehörigen dementsprechend mit den Gegebenheiten eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes rechtfertigen. Diese familienhaften Beziehungen bilden gleichzeitig auch die Grundlage für die Pflicht des Landwirts, die Beiträge zur AdL für die mitarbeitenden Familienangehörigen zu tragen (§ 70 Abs 1 Satz 1 ALG). Hinzu kommt, dass bei diesem Personenkreis das Nebeneinander von gesetzlicher RV als Auszubildender (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) und AdL als mitarbeitender Familienangehöriger (§ 1 Abs 1 Nr 2 ALG) auch unter dem Gesichtspunkt einer sich ergänzenden Absicherung als sachlich gerechtfertigt erscheint. Denn – wie bereits gezeigt – bietet die AdL nur eine Teilversorgung, neben der sinnvoller Weise auch in der gesetzlichen RV (oder anderswo) Anwartschaften zum Zwecke der Alterssicherung aufgebaut werden können und sollten (vgl Senatsurteil vom 30. Juni 1999, aaO S 4 mwN). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es gerade systemkonform ist, dem Zweck des ALG also auch nicht widerspricht, neben der Absicherung nach dem ALG eine weitere Altersvorsorge zu treffen. Dies gilt namentlich in Fällen, bei denen sich der Verdienst – wie hier – im unteren Grenzbereich bewegt. Dazu hat der Senat bereits entschieden, dass jedenfalls dann, wenn infolge des Bezugs – im dortigen Ausgangsfall – von Erwerbsersatzeinkommen die Anwartschaften in der RV auf noch geringerem Niveau als in der AdL aufrechterhalten werden (Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 – B 10 LW 2/98 R –, aaO), die unbedingte Versicherungspflicht nach dem ALG ohne Befreiungsmöglichkeit greift. Dieser Schutzgedanke trifft auch im Falle des Beigeladenen zu, dessen Anwartschaften in der gesetzlichen RV als Auszubildender nach dem ihm gezahlten geringen Arbeitsentgelt, mindestens 1 vH der Bezugsgröße, bemessen werden (vgl §§ 161, 162 Nr 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

SozR 3-5868 § 2, Nr. 2

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