Entscheidungsstichwort (Thema)

Entrichtung von Beiträgen zur Krankenversicherung während des Bezugs von Erziehungsgeld

 

Beteiligte

…, Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte

Barmer Ersatzkasse,Wuppertal 2, Untere Lichtenplatzer Straße 100 - 102, Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin während des Bezugs von Erziehungsgeld Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten hatte.

Die Klägerin ist nicht erwerbstätig und bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig versichert. Ihr Ehemann ist nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Mit Bescheid vom 20. Juli 1988 stufte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1. August 1988 in die Beitragsklasse 861 (monatliche Einnahmen zum Lebensunterhalt bis 1.750,-- DM) zu einem Monatsbeitrag von 201,-- DM ein. Dabei legte sie einen Teil des Bruttogehalts des Ehemannes (unter Berücksichtigung eines unterhaltsberechtigten Kindes) in Höhe von 1.748,85 DM zugrunde. Die Beiträge wurden zunächst vom Konto der Klägerin abgebucht. Im September 1988 gab der Ehemann der Klägerin die Erhöhung seines Bruttoeinkommens um 100,-- DM bekannt.

Vom 10. Oktober 1988 bis zum 9. Oktober 1989 bezog die Klägerin im Anschluß an die Geburt ihres zweiten Kindes Erziehungsgeld. Für die Zeit vom 1. bis 9. Oktober 1988 zog die Beklagte noch 67,50 DM an Beitrag ein, betrieb jedoch für die Folgezeit das Abbuchungsverfahren nicht weiter. Mit Bescheid vom 22. Februar 1989 stufte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1989 in die Beitragsklasse 871 (monatliche Einnahmen zum Lebensunterhalt bis 1.950,-- DM) zu einem Monatsbeitrag von 225,-- DM ein. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte Beitragsfreiheit während des Bezuges von Erziehungsgeld geltend. Die Beklagte teilte ihr mit, eine solche Beitragsfreiheit bestehe nach neuem Recht nicht mehr und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 1989 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 15. Februar 1991 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG mit Urteil vom 28. November 1991 aufgehoben, soweit der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 25. Februar 1989 überhaupt Beiträge zugestanden und ferner soweit für die anschließende Zeit bis zum 31. Oktober 1989 Beiträge von monatlich mehr als 176,-- DM zuerkannt worden sind. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Das LSG hat die Aufhebung des angefochtenen Bescheides für die Zeit vom 1. Januar bis 25. Februar 1989 damit begründet, daß die Beklagte den früheren Beitragsbescheid vom 20. Juli 1988 für die Zukunft aufgehoben habe, indem sie im Oktober 1988 den Beitragseinzug beendet habe, und sie nunmehr dem angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 1989 keine Rückwirkung habe beilegen dürfen. Im übrigen (dh für die Zeit nach dem 25. Februar 1989) sei die Beitragsforderung nur in Höhe von monatlich 176,-- DM Rechtens.

Klägerin und Beklagte haben dieses Urteil mit der Revision angefochten. Die Klägerin rügt die unrichtige Anwendung des § 224 Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V). Die Beklagte rügt die Verletzung des § 240 SGB V, des § 22 Abs 1 Sozialgesetzbuch -Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung- (SGB IV), des § 32 Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren-(SGB X) und des § 22 Abs 8 Ziff 11 und Abs 10 der Satzung der Beklagten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 28. November 1991 aufzuheben, soweit darin Beitragsforderungen der Beklagten für die Zeit vom 26. Februar bis zum 31. Oktober 1989 bejaht werden, und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 1989 in vollem Umfang aufzuheben, ferner die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 28. November 1991 aufzuheben, soweit darin die Beitragsforderung für die Zeit vom 1. Januar bis 25. Februar 1989 auch in Höhe von monatlich 176,-- DM verneint wird und insoweit die Berufung zurückzuweisen, des weiteren die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat den angefochtenen Bescheid insoweit zutreffend für rechtmäßig gehalten, als mit ihm Beiträge während des Bezugs von Erziehungsgeld erhoben wurden.

Als freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse war die Klägerin grundsätzlich beitragspflichtig. Die Beitragspflicht ab 1. Januar 1989 scheitert nicht schon daran, daß bei Erlaß des angefochtenen Bescheides die Satzungsänderung der Beklagten in der Fassung des 20. Nachtrags noch nicht beschlossen war. Dieser wurde erst am 17. März 1989 beschlossen; die Aufsichtsbehörde erteilte die Genehmigung am 8. Mai 1989. Er trat, abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen, gemäß Art III mit Wirkung vom 1. Januar 1989 in Kraft. Zugleich traten die ab 1. Januar 1971 geltenden Versicherungsbedingungen (VB) mit wenigen, hier nicht einschlägigen Ausnahmen, außer Kraft (Art II des Nachtrags). Durch diese Neuregelung hat sich jedoch hinsichtlich der Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte wie die Klägerin inhaltlich nichts geändert. Nach dem früheren Recht (Art II § 4 Abs 2 der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung [AufbauV]) war die Beitragsgestaltung für freiwillige Mitglieder der Ersatzkassen der Satzung überlassen. Diese galt zunächst weiter, obwohl die Ermächtigungsgrundlage durch Art 79 Abs 6 Nr 7 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz [GRG]) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) zum 1. Januar 1989 aufgehoben worden ist. Es ist anerkannt, daß das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluß auf den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung oder Satzung ist (BVerfGE 78, 179, 198 mwN; 44, 216, 226 für eine kommunale Satzung; BSG SozR 3-2200 § 180 Nr 3 mwN). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Betrachtung rechtfertigen können (vgl hierzu BVerfGE 78, 179, 199; Wilke in von Mangoldt/Klein, GG, Anm X 2 mwN), lagen nicht vor. Die (zunächst gültig gebliebene) Beitragsgestaltung für nichtversicherungspflichtige Mitglieder, deren Ehegatten nicht in der GKV versichert waren, nach der anteiligen Zurechnung des Erwerbseinkommens des Ehemanns unter Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Kinder war vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung gebilligt worden (vgl BSGE -GS- 58, 183 = SozR 2200 § 180 Nr 27; zuletzt SozR 3-5428 § 4 Nr 1 mwN). Sie wurde - nunmehr auf der Rechtsgrundlage des § 240 SGB V - durch eine rückwirkende, aber inhaltsgleiche Regelung ersetzt. Der Beitrag der Klägerin blieb - gleiche Einnahmen und gleiche Kinderzahl vorausgesetzt - gleich (Beitragstabellen der Beklagten für 1988/89).

Die Beitragserhebung mit dem angefochtenen Bescheid ist auch nicht wegen mangelnder Anhörung zu beanstanden, weil die Beklagte die Anhörung der Klägerin jedenfalls im Vorverfahren wirksam nachgeholt hat (§ 24 iVm § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X).

Die Beitragspflicht der Klägerin ist auch durch den Bezug des Erziehungsgeldes nicht entfallen. Nach § 224 Satz 1 SGB V aF - der Vorschrift ist durch Art 4 Nr 13 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 (vgl Art 85 RRG 1992) ein hier nicht interessierender Abs 2 angefügt worden - ist ein Mitglied beitragsfrei für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld oder des Bezugs von Erziehungsgeld. Die Beitragsfreiheit erstreckt sich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen (§ 224 Satz 2 aF, Abs 1 Satz 2 nF SGB V). Beiträge auf das Erziehungsgeld hat die Beklagte nicht erhoben. Die Beiträge sind allein nach dem Erwerbseinkommen ihres Ehemannes bemessen worden, das auch ihrem Unterhalt dient. Daran hat der Bezug von Erziehungsgeld nichts geändert. Unterhaltsverpflichtungen werden durch die Gewährung von Erziehungsgeld nicht berührt (§ 9 Satz 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes [BErzGG]). Einer der in § 9 Satz 2 BErzGG genannten Ausnahmefälle, bei denen die Unterhaltsgewährung im besonderen Maße unter dem Gebot der Billigkeit steht (vgl BT-Drucks 10/3792 S 18 zu § 9), liegt nicht vor.

Die Neuregelung, die die Beitragsfreiheit mit Wirkung vom 1. Januar 1989 ausdrücklich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen erstreckt, ist als Klarstellung zu verstehen. Das wird durch den Entwurf des GRG (BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 222 zu § 233) bestätigt. Dort heißt es nämlich, die Vorschrift entspreche § 383 Reichsversicherungsordnung (RVO) Die Beitragsfreiheit erstrecke sich nur auf die in Satz 1 genannten Lohnersatzleistungen.

Nach § 383 RVO waren Beiträge nicht zu entrichten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld bestand oder Erziehungsgeld nach dem BErzGG bezogen wurde. Dies galt nach Satz 2 nicht, soweit der Versicherte Arbeitsentgelt erhielt oder Beiträge aufgrund des Bezuges einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, von Versorgungsbezügen oder Arbeitseinkommen oder nach § 381 Abs 3a RVO zu entrichten waren. § 383 RVO galt zwar nicht unmittelbar für Ersatzkassen (BSG SozR 5428 § 4 Nr 9). Doch enthielten die VB der Beklagten idF des 38. Nachtrags, die bis 31. Dezember 1988 anzuwenden waren, insoweit inhaltsgleiches Satzungsrecht (§ 9 Abs 13 iVm Abs 12 letzter Satz der VB) und waren daher wie die gesetzliche Regelung auszulegen (vgl bereits RVA EuM 50, 80, 85).

Bei richtigem Verständnis des früheren § 383 RVO begründete der Bezug von Erziehungsgeld dann keine Beitragsfreiheit, wenn die bisherige Beitragsbemessungsgrundlage durch die hinzutretende Sozialleistung Erziehungsgeld weder beeinflußt noch ersetzt wurde. In seinem Urteil vom 24. November 1992 (12 RK 24/91, zur Veröffentlichung bestimmt) führt der Senat aus, daß die in Satz 2 des § 383 RVO enthaltene Aufzählung der weiterhin beitragspflichtigen Einnahmen und Bezüge zuletzt nur noch in den Fällen "vollständig" war, in denen das Erziehungsgeld Lohnersatzcharakter hatte. Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen blieben insoweit beitragspflichtig, als sie nicht ausfielen und neben der Lohnersatzleistung weiterhin zur Verfügung standen. Das gleiche galt für fortlaufende Renten- und Versorgungsbezüge. Dagegen fehlte es an einem rechtfertigenden Grund für eine Beitragsfreiheit, wenn die für den Lebensunterhalt nötigen beitragspflichtigen Mittel neben dem Erziehungsgeld wie bisher ungeschmälert zuflossen. Deshalb unterfielen solche Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des früheren Rechts, die durch die Gewährung von Erziehungsgeld nicht beeinflußt oder ersetzt wurden, dem Geltungsbereich des Satzes 2, auch wenn sie dort nicht ausdrücklich genannt waren. Der Senat ist zu dieser Auffassung im Wege einer ausdehnenden Auslegung des Satzes 2 der genannten Bestimmung gelangt und hat in jenem anderen Verfahren entschieden, daß Sozialhilfeempfänger während des Bezugs von Erziehungsgeld gemäß § 383 Satz 2 RVO Beiträge aus der Sozialhilfe nach denselben Grundsätzen wie vor dem Erziehungsgeldbezug fortzuentrichten hatten.

Gleiches hatte nach dem früheren Recht auch für die Beitragspflicht freiwillig versicherter, nicht erwerbstätiger Mitglieder zu gelten, deren Beitragsbemessung auf der (anteiligen) Zurechnung von Erwerbseinkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten beruhte. Auch insoweit fehlte dem Erziehungsgeld der "Lohnersatzcharakter" (vgl das erwähnte Urteil vom 24. November 1992), weil der Unterhalt aus dem Verdienst des Ehegatten, nach dem der Beitrag bemessen wurde, nicht entfiel (§ 9 Satz 1 BErzGG), das Erziehungsgeld mithin "zusätzlich" gewährt wurde. Die Klägerin war in Anwendung des § 9 Abs 13 iVm Abs 12 letzter Satz der VB entsprechend § 383 RVO während des Bezugs von Erziehungsgeld vor dem 1. Januar 1989 nicht beitragsfrei.

An dieser Rechtslage hat das GRG in § 224 SGB V nichts geändert (vgl auch Wasem in Grintsch/Piepersberg/Schermer/Stephan/Viethen/Wasem/Zipperer, Sozialversicherungsrecht für die Betriebspraxis 4000 § 224 SGB V RdNr 5; derselbe in GKV-Komm 1200 § 224 SGB V RdNr 5; ebenso Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Bundeserziehungsgeldgesetz 1992, Komm, § 1 BErzGG 92 RdNr 18; vgl auch Heiland in von Maydell, GK SGB V § 224 RdNrn 20, 21; Gerlach in Hauck/ Haines, SGB, Komm, SGB V k § 224 RdNr 9). Dies gilt auch, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kraft Gesetzes (vgl § 240 Abs 4 SGB V) in einer Mindesthöhe fingiert wird; dann ist während des Erziehungsgeldbezugs der Mindestbeitrag fortzuentrichten (BSG, Urteil vom 24. November 1992 - 12 RK 44/92, zur Veröffentlichung bestimmt).

Die fortbestehende Beitragspflicht freiwillig Versicherter während des Bezuges von Erziehungsgeld verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Eine Benachteiligung freiwillig versicherter Ehefrauen gegenüber pflichtversicherten Ehefrauen mit Erziehungsgeldbezug liegt nicht vor. Auch pflichtversicherte Mitglieder haben weiterhin Beiträge aus etwa vorhandenen beitragspflichtigen anderweitigen Einnahmen gemäß § 226 Abs 1 Nrn 2 bis 4 SGB V zu entrichten. Beitragsfreiheit tritt auch bei ihnen nur ein, soweit das Erziehungsgeld an die Stelle der vorher beitragspflichtigen Einnahme tritt, mithin Lohnersatzcharakter hat.

Allerdings sind die beitragspflichtigen Einnahmearten bei den verschiedenen Mitgliedergruppen (freiwillig Versicherte und Pflichtversicherte) unterschiedlich. Während bei versicherungspflichtig beschäftigten Ehefrauen das Erwerbseinkommen des Ehemannes beitragsrechtlich ohne Bedeutung ist, findet bei freiwillig versicherten Ehefrauen, wenn diese aus den Einnahmen des Ehegatten mitunterhalten werden, eine Zurechnung statt. Auch hierin liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Eine ungleiche Behandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, wenn zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Ungleiche Behandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 82, 126, 146 mwN). Der Gesetzgeber hat nach generellen Merkmalen bestimmte und heute im Katalog des § 5 Abs 1 SGB V aufgeführte Personengruppen als besonders schutzbedürftig angesehen und sie deshalb der Versicherungspflicht unterworfen (BSGE 70, 13 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6 und SozR 3 aaO Nr 7). Ihm steht ein Gestaltungsspielraum in der Frage zu, welche das jeweilige Pflichtversicherungsverhältnis typischerweise prägende Einnahmearten der Beitragspflicht unterworfen werden sollen. Er durfte Gesichtspunkte der sozialen Schutzbedürftigkeit und der Beitragsäquivalenz ebenso berücksichtigen wie Erfordernisse einer Massenverwaltung und hierbei eine personengruppenbezogene Gliederung zugrunde legen. Dementsprechend ist die in §§ 226 bis 239 SGB V enthaltene abschließende Aufzählung der beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Mitglieder nicht zu beanstanden; insbesondere durfte der Gesetzgeber vorsehen, daß die Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte (soweit diese nicht zugleich Renten- oder Versorgungsbezieher sind, vgl § 226 SGB V) - entsprechend dem Rechtsgrund ihrer Versicherungspflicht, dem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis - allein von dem aus dieser Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelt erhoben werden, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl SozR 2200 § 180 Nrn 16, 18).

Soweit der Gesetzgeber demgegenüber dem Satzungsgeber gestattet und aufgetragen hat, die Einzelheiten der Beitragsbemessung für die freiwilligen Mitglieder - ausgerichtet an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Mitglieds - in der Satzung näher zu regeln, ist dies gleichfalls nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 15. September 1992 - 12 RK 51/91, zur Veröffentlichung bestimmt). Denn für die Beitragsbemessung kommt bei vielen freiwillig versicherten Mitgliedern, von denen manche eine selbständige Tätigkeit ausüben oder nicht erwerbstätig sind, das Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage nicht in Betracht (vgl BSG SozR 2200 § 180 Nr 18). Wenn der Gesetzgeber andererseits aber eine unterschiedliche Regelung für verschiedene Gruppen freiwillig Versicherter je nach Art ihrer Einkünfte vermeiden wollte, so lag es im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit, die Beitragsbemessung grundsätzlich an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten (BSG SozR 2200 § 180 Nrn 16, 18). Soweit danach bei versicherungspflichtig beschäftigten Ehefrauen das Erwerbseinkommen des Ehemannes beitragsrechtlich ohne Relevanz ist, ist dies Folge der aufgezeigten personengruppenbezogenen Gliederung in Anknüpfung an den sozialen Grundtatbestand des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der (einkommenslosen) Hausfrau, die aus dem Arbeitsverdienst des Ehegatten mitunterhalten wird, bemißt sich andererseits typischerweise nach dessen Einnahmen. Es ist nicht sachfremd, wenn die Beitragsbemessung an diese unterschiedlichen Verhältnisse anknüpft. Die Zugehörigkeit zum jeweiligen System der Pflichtversicherten bzw der freiwilligen Mitglieder ist von solchem Gewicht, daß sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen kann. Daran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Die gesetzliche Krankenversicherung ist auch heute noch im Kern eine Versicherung der abhängig Beschäftigten. Einer versicherungspflichtigen Arbeitnehmerin, deren Beitragspflicht aus dem Arbeitsentgelt während des Erziehungsgeldbezugs entfallen ist, sind deshalb nicht "ersatzweise" Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann zuzurechnen. Denn die gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V (vgl aber § 192 Abs 1 Nr 2 idF des Art 3 des 2. ÄndG des BErzGG vom 6. Dezember 1991, BGBl I 2142, und Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung [Gesundheits-Strukturgesetz], BT-Drucks 12/3608, Art 1 Nr 103 S 26 und zu Nr 103 S 114) während des Erziehungsgeldbezugs erhalten gebliebene Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger soll nach Sinn und Zweck des § 224 SGB V insoweit beitragsfrei sein, als die Mittel, aus denen vorher die Pflichtbeiträge entrichtet wurden, entfallen sind. Auch Art 6 Abs 1 und 4 GG ist nicht verletzt, soweit die Beitragsfreiheit gemäß § 224 SGB V einen konkreten Einkommensverlust voraussetzt. Denn die Beitragsbefreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung hat nicht zum Ziel, die Zuwendung zum Kind abstrakt zu belohnen.

Nach alledem hat das Berufungsgericht, weil Beitragsfreiheit während des Bezuges von Erziehungsgeld nicht bestand, die Beitragsforderung zutreffend für grundsätzlich begründet gehalten.

Zu Unrecht hat das LSG allerdings die Beitragsforderung im Bescheid vom 22. Februar 1989 für die Zeit vom 1. Januar bis 25. Februar 1989 wegen unzulässiger Rückwirkung insgesamt für rechtswidrig gehalten, weshalb die Revision der Beklagten begründet ist.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe den früheren Beitragsbescheid vom 20. Juli 1988 schon im Oktober 1988 durch Einstellen der Abbuchung aufgehoben und deshalb dem angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 1989 mit der Neufestsetzung des Beitrags keine Rückwirkung (ab seiner Bekanntgabe) zum 1. Januar 1989 beimessen dürfen. Dies hält einer Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte hat dadurch, daß sie für die Zeit vom 1. bis 9. Oktober 1988 67,50 DM an Beitrag eingezogen und für die Folgezeit das Abbuchungsverfahren nicht weiter betrieben hat, keinen Verwaltungsakt des Inhalts erlassen, daß Beitragsfreiheit wegen Erziehungsgeldbezugs bestehe. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung die Qualifikation der Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt danach bestimmt, wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls vor und bei Ergehen einer behördlichen Maßnahme zu deuten hatte (SozR 5755 Art 2 § 1 Nr 3 mwN; Urteil vom 29. Oktober 1992 [10 RKg 4/92], zur Veröffentlichung bestimmt). Für die Klägerin war auf ihrem Kontoauszug lediglich erkennbar, daß für die Zeit vom 1. bis 9. Oktober 1988 67,50 DM abgebucht worden sind. Für die Folgezeit, für die Abbuchungen nicht vorgenommen und dementsprechend auf den Kontoauszügen keine Bewegungen verzeichnet waren, setzt die Annahme eines Verwaltungsakts die Schlußfolgerung durch die Klägerin voraus, der fehlenden Abbuchung liege die Feststellung der Beitragsfreiheit infolge Erziehungsgeldbezugs zugrunde. Eine solche Annahme ist aber nicht zwingend; eine unterbliebene Abbuchung kann mannigfache Gründe haben. Insbesondere legt sie nicht den Schluß auf eine verbindliche, die entschiedene Sache abschließende und auf Rechtsbeständigkeit abzielende Maßnahme nahe.

Aber selbst wenn man annehmen wollte, durch die Beendigung des Abbuchungsverfahrens habe die Beklagte konkludent einen Verwaltungsakt erlassen (§ 33 Abs 2 SGB X), fehlt es an einer hinreichenden Bekanntgabe (§ 37 SGB X). Zwar ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, daß der das Krankengeld gewährende Verwaltungsakt durch Ausweisung des Krankengeldes bzw Überweisung an den Betroffenen ausreichend bekanntgegeben wird (BSG SozR 2200 § 183 Nr 51; 2200 § 182 Nr 103; vgl auch Wiesner SGb 1982, 229, 231, 232; Bley DOK 1978, 805, 866, 867; Krasney BKK 1981, 2). Doch läßt die Ausweisung bzw Überweisung des Krankengelds an den Betroffenen ohne weiteres den Schluß auf die erlassende Behörde zu. Anders verhält es sich, wenn eine Krankenkasse, die Beiträge im Lastschriftverfahren einzieht, von der ihr erteilten Einzugsermächtigung keinen Gebrauch mehr macht, nachdem sie vom Erziehungsgeldbezug des Mitglieds Kenntnis erlangt hat. In diesem Fall kann der Beitragsschuldner erst durch weitere Rückfragen Klarheit gewinnen. Demgemäß bedarf der Widerruf des Einverständnisses des Gläubigers mit dem Lastschrifteinzug zivilrechtlich der Erklärung gegenüber dem Schuldner (vgl Canaris in Großkomm HGB - Bankvertragsrecht, Erster Teil, Stand 1.5.1988 - RdNr 649). Zwar ist das Einverständnis des Gläubigers mit dem Lastschrifteinzug grundsätzlich frei widerruflich, doch ist der Widerruf eine inhaltsändernde Gestaltungserklärung, durch die sich die Schuld von einer Holschuld in eine Schick- oder Bringschuld zurückverwandelt (Canaris aaO).

Im übrigen liegen der Rechtsprechung des BSG zur Krankengeldgewährung als Verwaltungsakt Besonderheiten der Krankengeldbewilligung zugrunde, die eine Übertragung auf andere Bereiche der GKV nicht ohne weiteres zulassen. Denn bei Arbeitnehmern geht der Krankengeldzahlung regelmäßig eine Lohnfortzahlung voraus, während der die Krankenkasse von der Arbeitsunfähigkeit Kenntnis erlangt. Sie kann deshalb in der Regel die dafür erforderlich gehaltene Prüfung einleiten und entsprechend vorschußweise (§ 42 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - [SGB I]) oder vorläufig bzw endgültig Leistungen erbringen. Der Inhalt der Krankengeldbewilligung läßt sich aus den Umständen, insbesondere aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, hinreichend inhaltlich bestimmen (BSG SozR 2200 § 182 Nr 103). Anders ist die Rechtslage bei einem Bescheid, mit dem die Krankenkasse den Betroffenen für die Dauer des Bezugs von Erziehungsgeld von der Beitragsleistung ganz oder teilweise freistellt. Zwar erhält die Krankenkasse gemäß § 203 SGB V (früher § 318d Abs 2 RVO) von der Zahlstelle des Erziehungsgeldes Mitteilung vom Erziehungsgeldbezug. Ob und inwieweit dieser zur Beitragsfreiheit gemäß § 224 SGB V führt, ist aber zunächst offen und bedarf ggf noch weiterer Ermittlungen seitens der Kasse im Hinblick auf S 2 der genannten Bestimmung (vgl früher § 383 S 2 RVO).

Der damit über den Monat Oktober 1988 hinaus fortgeltende Beitragsbescheid vom 20. Juli 1988 über einen Monatsbeitrag von 201,-- DM durfte, da es sich bei Beitragsbescheiden nach der Rechtsprechung um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 13; BSGE 70, 13 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6), nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X geändert werden. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte den Beitrag der Klägerin auf der Grundlage der Mitteilung über die Gehaltserhöhung von September 1988 neu festgesetzt. Über die rechtmäßige Beitragshöhe kann der Senat allein aufgrund der erhobenen Aufhebungsklage entscheiden; eines weiteren Klageantrags bedarf es nicht (BSGE 64, 100, 102 = SozR 2200 § 180 Nr 44; Urteil vom 15. September 1992 - 12 RK 51/91, zur Veröffentlichung bestimmt). Der angefochtene Bescheid geht zwar vom zutreffenden Bruttoeinkommen aus, trägt aber nicht der Tatsache Rechnung, daß nunmehr ein weiteres Kind beitragsmindernd zu berücksichtigen war. Dies führt nach der Beitragstabelle der Beklagten zu einem Monatsbeitrag von 176,-- DM, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt und die Beteiligten im Revisionsverfahren außer Streit gestellt haben. Dieser Beitrag ist auch bereits ab 1. Januar 1989 Rechtens; die eingetretenen Änderungen wirken sich für die Klägerin insgesamt günstig aus (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X; vgl BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19). Die Zeit vom 10. Oktober 1988 bis 31. Dezember 1988 ist nicht im Streit.

Im übrigen haben die Beteiligten dieses Rechtsstreits vereinbart, daß die Beitragshöhe im einzelnen noch außerhalb dieses Rechtsstreits überprüft wird; in diese Überprüfung könnte die Beklagte auch einbeziehen, ob ihre Ansicht zutrifft, eine Familienversicherung der Kinder in der Versicherung der Klägerin komme nicht in Betracht.

Hiernach war auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG teilweise aufzuheben und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

BSGE, 244

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