Entscheidungsstichwort (Thema)

Entrichtung von Beiträgen zur Krankenversicherung während des Bezugs von Erziehungsgeld

 

Beteiligte

…, Klägerin und Revisionsbeklagte

Allgemeine Ortskrankenkasse Mittelfranken, Nürnberg 70, Frauentorgraben 49

Stadt Nürnberg - Sozialamt -, Nürnberg, Dietzstraße 4

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin während des Bezugs von Erziehungsgeld Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten hatte.

Die Klägerin erhielt von der beigeladenen Stadt Sozialhilfe und war bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse freiwillig versichert. Sie bezog in der Zeit vom 25. Mai 1986 bis 24. März 1987 Erziehungsgeld. Im Februar 1987 beantragte sie deswegen die "Freistellung von der Beitragszahlung". Mit Bescheid vom 15. April 1987 stellte die Beklagte jedoch die Beitragspflicht auch während des Erziehungsgeldbezugs fest. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 1987).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 14. Februar 1989 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1987 festgestellt, daß für die Klägerin in der Zeit des Bezugs von Erziehungsgeld keine Beiträge zu entrichten seien. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Entscheidungsformel des erstinstanzlichen Urteils neu gefaßt und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. April 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1987 verurteilt worden ist, der Klägerin die zwischen dem 25. Mai 1986 und 24. März 1987 entrichteten Krankenversicherungsbeiträge zu erstatten. Die Klägerin sei während des Bezuges von Erziehungsgeld beitragsfrei gewesen, obwohl sie Sozialhilfe weiterhin bezogen habe.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der Revision angefochten. Sie rügt die unrichtige Anwendung des § 383 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. Februar 1989 und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Juli 1990 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt, die Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die verbundene Aufhebungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) richtet sich gegen den Bescheid vom 15. April 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1987. Darin hat die Beklagte entschieden, daß die Klägerin auch während des Bezuges von Erziehungsgeld der Beitragspflicht unterlag. Dieser Bescheid ist rechtmäßig.

Auch über die Verpflichtung der Beklagten, die gezahlten Beiträge zu erstatten (§ 26 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - [SGB IV], ist sachlich zu entscheiden. Zwar hat die Klägerin eine Erstattung entrichteter Beiträge erstmals vor dem SG begehrt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar auch über den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl zuletzt SozR 3-2400 § 26 Nr 4). Dies ist indessen inzident geschehen. Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind (vgl § 383 RVO) müssen nach § 26 Abs 2 Halbs 2 SGB IV in jedem Fall erstattet werden, ohne daß die Verfallklauseln nach Halbs 1 der genannten Bestimmung zu prüfen sind. Deshalb ist hier in dem angefochtenen Bescheid, in dem die Beklagte die Beitragspflicht der Klägerin für die Zeit des Erziehungsgeldbezugs festgestellt hat, zugleich eine Ablehnung der Erstattung von Beiträgen wegen Beitragsfreiheit während des Bezugs von Erziehungsgeld zu erblicken. Dementsprechend durfte das LSG allein auf die Berufung der unterlegenen Beklagten die Entscheidungsformel des erstinstanzlichen Urteils klarstellend neu fassen und - von seinem Rechtsstandpunkt aus - die Beklagte zur Erstattung der im streitbefangenen Zeitraum entrichteten Beiträge verurteilen. Das ergibt sich aus dem Gebot der umfassenden Entscheidung über die erhobenen Ansprüche, das für die Berufungsinstanz gilt, wenn das SG rechtsirrig nicht in vollem Umfang entschieden hat (§ 157 SGG; vgl auch BSG SozR 5310 § 6 Nr 2). Die Klägerin hatte auch die Beiträge iS des § 26 Abs 2 SGB IV getragen; deren Übernahme gemäß § 13 Abs 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) durch die Beigeladene macht diese nicht zur Inhaberin eines etwaigen Erstattungsanspruchs (BSGE 64, 100, 107 = SozR 2200 § 180 Nr 44).

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bestand während des Erziehungsgeldbezugs jedoch keine Beitragsfreiheit, so daß die Beiträge zu Recht entrichtet sind und ihre Erstattung ausscheidet. Nach der hier anzuwendenden, bis 31. Dezember 1988 geltenden letzten Fassung des § 383 Satz 1 RVO waren Beiträge nicht zu entrichten, solange Anspruch auf Krankengeld oder auf Mutterschaftsgeld bestand oder Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) bezogen wurde. Dies galt nach Satz 2 nicht, soweit der Versicherte Arbeitsentgelt erhielt oder Beiträge aufgrund des Bezuges einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, von Versorgungsbezügen oder Arbeitseinkommen oder nach § 381 Abs 3a zu entrichten waren. Beiträge auf das Erziehungsgeld hat die Beklagte nicht erhoben. Die Beiträge sind allein nach den Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des früheren § 180 Abs 4 RVO bemessen worden, die für die Klägerin vor dem Erziehungsgeldbezug maßgebend waren, dh auf der Grundlage der Sozialhilfeleistung. An dieser hat der Bezug des Erziehungsgeldes nichts geändert; seine Anrechnung auf die Sozialhilfe ist ausgeschlossen (§ 8 Abs 1 BErzGG). Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des früheren § 180 Abs 4 Satz 1 RVO, die durch die Gewährung von Erziehungsgeld nicht beeinflußt oder ersetzt werden, unterfallen dem Geltungsbereich des § 383 Satz 2 RVO, auch wenn sie dort nicht ausdrücklich genannt sind. Diese Folgerung ergibt sich in sachgerechter Ergänzung des insoweit lückenhaften Inhalts der genannten Regelung. Das Vorliegen einer Regelungslücke wird aus der Entwicklung der Vorschrift deutlich, die erkennen läßt, daß Beitragsfreiheit lediglich bei einem durch den Bezug bestimmter Sozialleistungen bedingten Lohn- oder Einkommensverlust und in dessen Umfang eintreten sollte.

Ursprünglich bestimmte § 383 der RVO vom 19. Juli 1911 (RGBl 509), daß bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer der Krankenhilfe keine Beiträge zu entrichten waren (Abs 1) und das gleiche während des Bezugs des Wochen- und des Schwangerengeldes galt (Abs 2). Diese Regelung, die dem früheren Recht entsprach (Entwurf einer RVO Verhandlungen des Reichstags XII. Legislaturperiode II. Session Anlagen zu den stenographischen Berichten Bd 274 Nr 340 und zu Nr 340 S 222 zu § 413), stellte noch keinen unmittelbaren Bezug zwischen einem Lohnausfall und der Beitragsfreiheit her. Dieses geschah jedoch erstmals durch § 35 des Gesetzes vom 27. März 1923 (RGBl I 225), wonach während des Bezugs von Wochen- und Schwangerengeld Beiträge so lange nicht zu entrichten waren, als die Versicherte nicht gegen Entgelt arbeitete (§ 383 Abs 2 idF v. 1923). Dagegen war beim Bezug von Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit weiterhin ein tatsächlich eingetretener Einkommensausfall nicht Voraussetzung der Beitragsfreiheit gemäß § 383 Abs 1 RVO [idF v. 1923] (RVA AN 1928 IV 61). Auch insofern wurde ein Entgeltausfall jedoch zwingende Voraussetzung der Beitragsfreiheit, als durch § 8 der Verordnung vom 12. Dezember 1939 (RGBl I 2414) in § 383 Abs 1 Satz 1 RVO nunmehr bestimmt wurde, daß bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer der Krankenhilfe keine Beiträge zu entrichten waren. Dies galt nach Satz 2 nicht, wenn und solange der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhielt (§ 189).

Das Lohnausfallprinzip wurde weiter verdeutlicht, als § 383 Abs 1 Satz 1 RVO im Jahre 1943 ergänzt wurde; danach waren während der ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit und solange keine Beiträge zu entrichten, als die Kasse dem Versicherten Krankengeld zu gewähren hatte oder Krankengeld oder Krankenhauspflege gewährte (Abschnitt I Ziff 6 des Erlasses vom 2. November 1943, AN 1943, 485). Zu dieser Fassung des § 383 Abs 1 RVO hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 19. März 1970 (BSGE 31, 109 = SozR Nr 3 zu § 383 RVO) entschieden, daß Beitragsfreiheit für die Dauer einer Krankenhauspflege auch für einen freiwillig versicherten Selbständigen bestand und dieses im wesentlichen mit einem Einkommensverlust begründet. Die Abhängigkeit der Beitragsfreiheit von einer Verschlechterung der Einkommenssituation wurde weiter durch das Einfügen des Abs 3 in § 383 RVO im Jahre 1956 bestätigt (Art 1 Nr 26 des Gesetzes über Krankenversicherung der Rentner vom 12. Juni 1956 [BGBl I 500]). Mit ihm wurden die Rentner, die ohnehin keinen Krankengeldanspruch hatten (§ 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO damaliger Fassung), klarstellend von der Beitragsfreiheit nach Abs 1 und 2 ausgenommen, weil auch während der Krankheit des Rentners die Rente weitergezahlt werde und sein Lebensunterhalt nicht durch die Gewährung eines Krankengeldes sichergestellt zu werden brauche (vgl BT-Drucks II/1234 S 10 zu Nr 4). Rentenbewerber dagegen, die bei Arbeitsunfähigkeit zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts regelmäßig auf das (als Nettobezug bemessene) Krankengeld angewiesen blieben, waren für die Dauer ihres auf den Krankengeldbezug beschränkten Einkommens beitragsfrei (BSG SozR Nr 4 zu § 383 RVO). Nach der gesetzlichen Entwicklung und der ständigen Rechtsprechung des BSG sollte die Beitragsbefreiung also nach Sinn und Zweck denjenigen Versicherten zugute kommen, deren Beiträge von dem Arbeitsverdienst bezahlt worden waren, der infolge der Arbeitsunfähigkeit entfiel (BSG USK 7775).

Ein Entgeltausfall blieb auch in der Neufassung des § 383 RVO durch § 21 Nr 29 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) Voraussetzung der Beitragsfreiheit. Nunmehr waren Beiträge nicht zu entrichten, solange Anspruch auf Krankengeld oder auf Mutterschaftsgeld bestand. Dies galt nach Satz 2 nicht, soweit der Versicherte Arbeitsentgelt erhielt (§ 189) oder Beiträge nach § 381 Abs 3a zu entrichten waren. Zwar war es hinsichtlich der beitragsbefreienden (§ 383 RVO) als auch hinsichtlich der mitgliedschaftserhaltenden Wirkung (§ 311 RVO) des Anspruchs auf Krankengeld nach dem RehaAnglG nunmehr gleichgültig, um welchen Anspruch auf Krankengeld es sich handelte (§ 182 Abs 1 Nr 2, §§ 185c, 186 RVO). Dies bedeutete aber wegen der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes keine konzeptionelle Änderung der Beitragsfreiheit. Eine solche Änderung war auch nicht damit verbunden, daß nach der Neufassung Beitragsfreiheit nicht eintrat, wenn ein Rehabilitationsträger wegen des Bezuges von Übergangsgeld Beiträge (allein) zu tragen hatte. Die Beschränkung der Beitragsfreiheit auf entsprechende Einkommenseinbußen wird schließlich auch durch die ab 1. Januar 1983 eingeführte Änderung des § 383 Satz 2 RVO bestätigt (Art 2 Nr 12 RAG 1982 vom 1. Dezember 1981, BGBl I 1205). Danach waren auch die nunmehr grundsätzlich beitragspflichtigen Renten, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen (vgl BSGE 58, 1 = SozR 2200 § 180 Nr 23) nicht von der Beitragsfreiheit ausgenommen, weil diese Bezüge von den Beitragsfreiheitstatbeständen des § 383 S 1 RVO unberührt blieben (vgl die Begründung BT-Drucks 9/458 S 36 zu Nr 12 = § 383 RVO). Ebensowenig galt die Beitragsfreiheit für Einmalzahlungen, die während des Krankengeldbezuges anfielen (Art 1 Nrn 3, 8 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1532).

Diese gesamte Entstehungsgeschichte der Vorschrift weist das Regelungskonzept des Gesetzgebers auf: Danach sollte die Beitragsfreiheit für Bezieher von Krankengeld und Mutterschaftsgeld gewährleisten, daß die Lohnersatzleistungen, die als Nettobezüge bemessen waren, den Versicherten unbelastet mit Krankenversicherungsbeiträgen zuflossen. Dagegen waren beitragspflichtige Bezüge und Einnahmen, die bei Anspruch auf Kranken- oder Mutterschaftsgeld fortgezahlt wurden, auch weiterhin beitragspflichtig. Dementsprechend diente auch die Erwähnung des Arbeitseinkommens durch das Rentenanpassungsgesetz (RAG) 1982 lediglich der Klarstellung. Die Regelungen über die Beitragsbefreiung (§ 383 RVO) bzw die Erhaltung der Mitgliedschaft bei Anspruch auf Kranken- oder Mutterschaftsgeld (§ 311 RVO) waren ausschließlich auf die Lohnersatzfunktion dieser Sozialleistungen zugeschnitten.

Mit diesem Regelungskonzept steht die hier maßgebliche Gesetzesänderung, die Beitragsfreiheit auch bei Bezug von Erziehungsgeld begründete (§ 22 Nr 6 des BErzGG vom 6. Dezember 1985, BGBl I 2154), nur in den Fällen in Einklang, in denen das Erziehungsgeld zumindest in einem weiteren Sinne Lohnersatzcharakter hat. Zwar ist die Rechtsnatur des Erziehungsgeldes nicht eindeutig; zum einen kann es nicht den typischen Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld, dem Verletztengeld oder dem Arbeitslosengeld zugeordnet werden, hat aber andererseits Lohnersatzcharakter (BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1). Das BErzGG soll es nach der amtlichen Begründung ermöglichen oder erleichtern, daß sich ein Elternteil in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase eines Kindes dessen Betreuung und Erziehung widmet, indem für Mütter und Väter mehr Wahlfreiheit zwischen der Tätigkeit für die Familie und einer Erwerbstätigkeit geschaffen wird (BT-Drucks 10/3792; BSGE 67, 238, 240 = SozR 3-7833 § 1 Nr 1). Damit soll das Erziehungsgeld den wirtschaftlichen Nachteil der Einschränkung der Erwerbsmöglichkeit wegen der Betreuung eines Kindes in der ersten Lebensphase teilweise ausgleichen, nicht aber Unterhaltsaufwendungen ersetzen oder - abstrakt - die Zuwendung zum Kind "belohnen" (BSGE 67, 238, 240). Doch steht das Erziehungsgeld allen Berechtigten zu, die die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs 1 Nrn 1 bis 4 BErzGG erfüllen. Damit sind - neben pflichtversicherten Arbeitnehmern - selbständig Tätige oder im Betrieb ihres Ehemannes helfende Frauen ebenso einbezogen wie Mütter, die vor der Geburt ihres Kindes nicht erwerbstätig waren (BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1). Die in § 1 Abs 1 Nr 4 BErzGG niedergelegte Voraussetzung für den Bezug von Erziehungsgeld, daß nämlich keine oder keine volle Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG) ausgeübt wird, bedeutet für vor dem Bezug von Erziehungsgeld erwerbstätige Anspruchsinhaber einen weitgehenden Verzicht auf Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen, weil anders die mit dem BErzGG intendierte Betreuung der Kinder in der ersten Lebensphase (vgl amtliche Begründung aaO) gefährdet wäre. Für diesen Personenkreis hat das Erziehungsgeld demnach "Lohnersatzcharakter".

Bei anderen Berechtigten, denen während des Bezuges von Erziehungsgeld keine Einnahmen verlorengehen, scheidet dagegen eine Lohnersatzfunktion des Erziehungsgeldes aus; ihnen wird das Erziehungsgeld insoweit "zusätzlich" gewährt, als die bisherige Beitragsbemessungsgrundlage durch die hinzutretende Sozialleistung weder beeinflußt noch ersetzt wird (vgl Bundesverband der Betriebskrankenkassen BKK 1989, 526). Dies ist bei Empfängern von Sozialhilfe stets gegeben, weil eine Anrechnung des Erziehungsgeldes auf die Sozialhilfe ausgeschlossen ist (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 BErzGG). Gleiches trifft für freiwillig versicherte, nicht erwerbstätige Mitglieder zu, deren Beitragsbemessung auf der (anteiligen) Zurechnung von Erwerbseinkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten beruht. Auch insoweit fehlt dem Erziehungsgeld der "Lohnersatzcharakter",

weil der Unterhalt aus dem Verdienst des Ehegatten, nach dem der Beitrag bemessen wird, nicht entfällt (vgl § 9 Satz 1 BErzGG). In diesen Fällen würde eine Beitragsfreiheit des Bezuges von Erziehungsgeld gemäß § 383 Satz 1 RVO zu einem schwerwiegenden und kaum hinzunehmenden Wertungswiderspruch führen. Denn die Bevorzugung des angesprochenen Personenkreises gegenüber solchen Anspruchsinhabern, bei denen das Erziehungsgeld "Lohnersatzcharakter" hat und die daneben Beiträge aus einer kurzzeitigen Beschäftigung (vgl § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG) oder aufgrund des Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von Versorgungsbezügen oder Arbeitseinkommen zu entrichten haben, ist sachlich nicht gerechtfertigt.

Die in Satz 2 des § 383 RVO enthaltene Aufzählung der weiterhin beitragspflichtigen Einnahmen und Bezüge war zuletzt entgegen dem Regelungskonzept des Gesetzgebers durch die Einfügung des Erziehungsgeldbezugs in Satz 1 der Bestimmung nur noch in den Fällen "vollständig", in denen das Erziehungsgeld Lohnersatzcharakter hatte. Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen bleiben beitragspflichtig, soweit sie nicht ausfallen und neben der Lohnersatzleistung weiterhin zur Verfügung stehen. Das gleiche gilt für fortlaufende Renten und Versorgungsbezüge. Ebenso fehlt es an einem rechtfertigenden Grund, Beitragsfreiheit vorzusehen, wenn die zur Bestreitung des Lebensunterhalts nötigen beitragspflichtigen Mittel neben dem Erziehungsgeld wie bisher ungeschmälert zufließen. Deshalb unterfallen solche Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des früheren § 180 Abs 4 Satz 1 RVO, die durch die Gewährung von Erziehungsgeld nicht beeinflußt oder ersetzt werden, dem Geltungsbereich des Satzes 2 des § 383 RVO, auch soweit sie dort nicht ausdrücklich genannt sind. Sozialhilfeempfänger wie die Klägerin haben mithin während des Bezugs von Erziehungsgeld nach dieser Vorschrift Beiträge aus der Sozialhilfe nach denselben Grundsätzen fortzuentrichten wie vor dem Erziehungsgeldbezug.

Soweit die Beigeladene mit Schriftsatz vom 10. September 1992 sinngemäß eine frühere Beitragsbefreiung der Klägerin durch Verwaltungsakt zu erwägen gibt und auf einen Schriftwechsel mit der Beklagten vom August 1986 verweist, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren unbeachtlich bleiben muß (vgl § 163 SGG).

Danach hatte die Revision der Beklagten Erfolg. Deshalb war unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage abzuweisen und über die Kosten nach § 193 SGG zu entscheiden.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517804

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