Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte nachträglich Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) von der laufenden Rente des Klägers einbehalten darf.

Der 1920 geborene Kläger ist Mitglied der beigeladenen Ersatzkasse und bezieht seit dem 1. Juli 1983 von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Altersruhegeld. Diese Leistung hatte die Beklagte erstmalig mit Bescheid vom 20. Mai 1983 – ohne Berücksichtigung von Beiträgen und Beitragszuschüssen zur KVdR – in Höhe von 2.118,– DM monatlich festgesetzt. In dieser und der sich aus den Rentenanpassungen zum 1. Juli 1981 und 1. Juli 1985 ergebenden Höhe wurde die Rente laufend bis zum 30. April 1986 ausgezahlt. Im Bescheid vom 26. Mai 1983 hieß es u.a.:

„Anspruch auf einen Zuschuß zu den Beiträgen, die krankenversicherungspflichtige Rentner aufgrund der Rente zu zahlen haben, besteht zur Zeit nicht (§ 83e Abs. 1 Nr. 1 AVG). Bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht (z.B. bei Aufnahme einer Beschäftigung) wird dieser Zuschuß von Amts wegen festgestellt. Die BfA ist dann verpflichtet, die auf die Rente entfallenden Beiträge, gegebenenfalls auch rückwirkend, einzubehalten und an die Krankenversicherung abzuführen.”

Nachdem die Beigeladene der BfA auf deren Rückfrage schon im Juni 1983 mitgeteilt hatte, daß der Kläger seit 1. Juli 1983 in der KVdR pflichtversichert sei, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 1986 „neu fest”. Während sie die Berechnungsfaktoren der Rente gegenüber dem Bescheid vom 26. Mai 1983 unverändert ließ, gewährte sie nunmehr Beitragszuschüsse zur KVdR nach § 83e des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis 30. April 1986. Zugleich verlangte sie für denselben Zeitraum rückwirkend Beiträge zur KVdR nach einem Beitragssatz von 11,8%. Den Unterschiedsbetrag zwischen den nachzuzahlenden Beitragszuschüssen und den rückständigen Beiträgen zur KVdR in der – unstreitigen – Höhe von 2.057,80 DM „forderte” sie vom Kläger „zurück”. Auf dessen Widerspruch erläuterte sie mit Schreiben vom 6. Mai 1986 ihren Bescheid vom 14. März 1986 dahingehend, daß es sich dabei richtigerweise um keine Neuberechnung der Rente, sondern um die nachträgliche Festsetzung von Beiträgen und Beitragszuschüssen handele. §§ 45, 48 und 50 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB 10) fänden deswegen keine Anwendung. Zugleich schlug sie vor, die Beitragsrestschuld in monatlichen Raten von 180,– DM von der laufenden Rente einzubehalten; mangels entgegenstehender Nachricht des Klägers werde sie so verfahren. Als der Kläger diesen Vorschlag mit Schreiben vom 2. Juni 1986 ablehnte, wies sie seinen Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 1986 zurück. Den „Rückzahlungsmodus” ließ sie darin ausdrücklich offen.

Die Klage hatte im ersten Rechtszug Erfolg. Mit Urteil vom 7. Mai 1987 hob das Sozialgericht (SG) die Bescheide der Beklagten insoweit auf, als Beiträge zur KVdR in Höhe von 2.057,80 DM nacherhoben worden waren. Es war der Auffassung, daß die Abänderung des Bescheides vom 26. Mai 1983 nur unter den – hier fehlenden – Voraussetzungen des § 45 SGB 10 hätte erfolgen können. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin aufgehoben. In den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 16. Juni 1988 führt es aus, der Bescheid vom 14. März 1986 enthalte entgegen seiner Begründung keine Rentenneufeststellung, sondern eine Festsetzung und Einbehaltung von Beiträgen zur KVdR i.S. des § 393a Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bereits mit Schreiben der Beklagten vom 6. Mai 1986 sei dies auch klargestellt und die Einbehaltung der festgesetzten Beitragsnachforderung „in monatlichen Teilbetragen von 180,– DM” verfügt worden. Dies Schreiben stelle insoweit einen Verwaltungsakt dar, der gemäß § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Vorverfahrens geworden sei. In materieller Hinsicht sei der Kläger trotz der in § 393a Abs. 1 RVO getroffenen, nur das Beitragseinzugsverfahren betreffenden Regelung Beitragsschuldner geblieben, was auch aus § 381 Abs. 2 Satz 1 RVO hervorgehe. „Rechtssystematisch” könne in § 393a Abs. 1 Satz 2 RVO ein Fall der gesetzlich angeordneten Verrechnung i.S. des § 52 des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil – (SGB 1) gesehen werden. Der Rentenversicherungsträger sei nach § 393a Abs. 1 RVO nicht gehindert, rückständige Beiträge von der laufenden Rente einzubehalten, da eine Beschränkung insoweit – anders als etwa in § 393a Abs. 2 Satz 5 RVO – nicht vorgesehen sei. Die §§ 45 und 50 SGB 10 seien unanwendbar, weil der Betrag der mit Bescheid vom 26. Mai 1983 festgesetzten „Bruttorente” unverändert geblieben sei. Ein Fall der Verwirkung des Anspruchs auf die nachträglich festgesetzten KVdR-Beiträge liege nicht vor.

Mit der – zugelassenen – Revision macht der Kläger geltend, aus der Systematik des Gesetzes ergebe sich, daß der Rentenversicherungsträger nur berechtigt sei, die auf die monatlichen Zahlbeträge der Rente entfallenden Beiträge bei Auszahlung der Rente einzubehalten. Eine darüber hinausgehende Einbehaltungsbefugnis des Rentenversicherungsträgers, wie sie im Falle des § 395 Abs. 2 RVO zugunsten des Arbeitgebers vorgesehen sei, stehe dem Rentenversicherungsträger – mangels einer ausdrücklichen dahinlautenden gesetzlichen Bestimmung – nicht zu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 381 Abs. 2 RVO. Im Gegenteil spreche die ausdrückliche Gestattung des rückwirkenden Beitragsabzugs von Rentennachzahlungen in § 381 Abs. 2 Satz 2 RVO dafür, daß im übrigen eine rückwirkende Erhebung von Beiträgen zur KVdR unzulässig sei. Der Gesetzgeber habe auch dem Rentenbezieher eine über die alljährliche Rentenerhöhung hinausgehende Belastung mit KVdR-Beiträgen erkennbar nicht zumuten wollen; bei dem Vorgehen der Beklagten komme es entgegen dieser Absicht des Gesetzgebers bis zur Tilgung des Beitragsrückstands zu einer Verminderung der Nettorente. Hilfsweise macht der Kläger noch geltend, der nachträgliche Beitragsabzug enthalte eine (teilweise) Aufhebung des Rentenbescheides vom 26. Mai 1983 zu seinen Lasten (§ 45 SGB 10), da Gegenstand des Vertrauensschutzes im Sinne dieser Bestimmung die aufgrund des Bescheides vom 26. Mai 1983 ausgezahlte Nettorente und nicht die damals festgestellte Bruttorente gewesen sei. Überdies verstoße die verspätete Geltendmachung der Beitragsforderung gegen Treu und Glauben.

Er beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 16. Juni 1988 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. Mai 1987 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 1988 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Sie hält jedoch wie die Beklagte das Urteil des LSG für zutreffend.

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die vom SG aufgehobenen Bescheide der Beklagten wiederhergestellt, weil die Beklagte zur nachträglichen Geltendmachung der rückständigen Beiträge zur KVdR im Wege der Aufrechnung berechtigt war.

Streitgegenstand ist die Berechtigung der Beklagten, den Unterschiedsbetrag in Höhe von 2.057,80 DM zwischen den vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli 1983 bis 30. April 1986 geschuldeten Beiträgen zur KVdR und den ihm für denselben Zeitraum zustehenden Beitragszuschüssen nach § 83e AVG ratenweise von künftigen Rentenzahlungen einzubehalten. Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 1986 sah noch eine „Rückforderung” des Beitragsrückstandes in einem Betrag und seine Einzahlung, auf ein Konto der Beklagten vor. Insoweit ist aber der Bescheid durch den Bescheid vom 6. Mai 1986 abgeändert worden, der, wie das LSG zutreffend erkannt hat, als Verwaltungsakt gemäß § 36 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte zu erkennen gegeben, daß sie die festgestellte Beitragsschuld nur noch im Wege der Einbehaltung von der laufenden Rente des Klägers einziehen will. Soweit sie in dem Bescheid vom 6. Mai 1986 zugleich (bedingt) eine bestimmte Ratenhöhe festgesetzt hatte, wurde dieser Bescheid seinerseits durch den Widerspruchsbescheid vom 5. September 1986 abgeändert (§ 95 SGG), da dieser den „Rückzahlungsmodus” nunmehr ausdrücklich offen ließ. Unter „Rückzahlungsmodus” kann nach den Umständen des Falles nur die Höhe der Einbehaltungsraten und deren Beginn verstanden werden, eine Einziehung auf anderem Wege als durch monatliche Abzüge von der laufenden Rente des Klägers wollte sich die Beklagte dadurch ersichtlich nicht offenhalten.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide war noch der inzwischen (zum 1. Januar 1989) außer Kraft getretene § 393a Abs. 1 RVO. Nach seinem Satz 1 in den ab 1. Januar 1983 (Art 2 Nr. 15 des Rentenanpassungsgesetzes -RAG- 1932 vom 1. Dezember 1981 – BGBl. I 1205) und ab 1. Januar 1984 (Art 1 Nr. 10 Haushaltsbegleitgesetz -HBegleitG- 1884 vom 22. Dezember 1983 – BGBl. T 1532) geltenden Fassungen hatten die Träger der Rentenversicherung bei der Zahlung der Renten die darauf nach § 381 Abs. 2 RVO entfallenden Beiträge einzubehalten. Nach Satz 2 des § 393a Abs. 1 RVO, der mit Wirkung vom 1. Januar 1983 durch Art 19 Nr. 16 HBegleitG 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I 1357) angefügt worden war und der Klarstellung dienen sollte (BT-Drucks. 9/2074 S. 100), waren die Beitrage von den Zuschüssen des Trägers der Rentenversicherung und, soweit sie die Zuschüsse überstiegen, von den Renten einzubehalten.

Unter der Geltung dieser Regelung war der Rentenversicherungsträger berechtigt, Beiträge, deren Einbehaltung zunächst unterblieben war und die – wie hier – noch nicht verjährt waren, auch später noch geltend zu machen. Allerdings war dieses nur im Wege des Einbehalts von der laufend gezahlten Rente und nur in den Grenzen des § 51 Abs. 2 SGB 1 zulässig.

Ein versicherungspflichtiger Rentner wie der Kläger hatte nach § 381 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 180 Abs. 5 Nr. 1 RVO Beiträge vom Zahlbetrag seiner Rente zu tragen. Die entsprechende Forderung hatte der Rentenversicherungsträger auf dem in § 393a Abs. 1 RVO vorgeschriebenen Wege gegen ihn geltend zu machen. Dabei kann aus der Fassung des Satzes 1 dieser Vorschrift („bei der Zahlung der Renten”), die erkennbar nur eine allgemeine Regelung für die Beitragserhebung bei Renten zum Gegenstand hatte, allein nicht hergeleitet werden, ein Einbehalt sei nur bei Zahlung der jeweiligen Monatsrente zulässig gewesen. Dieses ergab sich auch nicht durch Gegenschluß aus § 381 Abs. 2 Satz 2 RVO, wonach (nur) unter den dort genannten Voraussetzungen von Rentennachzahlungen nachträglich Beiträge zu entrichten waren. Vielmehr hätte der Ausschluß jeder nachträglichen Geltendmachung der Beiträge – als Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine Forderung nicht bereits dann erlischt, wenn sie nicht sogleich bei ihrem Entstehen geltend gemacht wird – deutlich bestimmt werden müssen, wenn der Gesetzgeber das beabsichtigt gehabt hätte. Gegen einen solchen Willen spricht schon, daß bei einer solchen Regelung ein Beitragsabzug selbst dann nicht mehr nachholbar gewesen wäre, wenn die Beitragspflicht zur KVdR erst im Laufe eines Monats begann, für diesen Monat die Rente jedoch bereits ausgezahlt war. Aber auch wo der Beitragseinbehalt bei Zahlung der Rente an sich erfolgen konnte, ihn der Rentenversicherungsträger jedoch – unverschuldet oder aus (möglicherweise nur leichtem) Verschulden – versäumt hatte, wäre ein Ausschluß jeder Nachholung des Beitragsabzugs und damit die Befreiung des betreffenden Rentners von seiner Beitragslast sachlich nicht zu rechtfertigen gewesen, zumal wenn er den Versicherungsschutz der KVdR genossen hatte. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber den Fall eines versehentlich. unterbliebenen Beitragseinbehalts, der bei der großen Zahl beitragspflichtiger Rentner gelegentlich vorkommen konnte, offenbar nicht übersehen hatte. Denn er hat bei der – gleichzeitig mit Abs. 1 des § 393a RVO eingeführten – Regelung des Abs. 2 des § 393a RVO über die Beitragsentrichtung von Versorgungsbezügen in den Sätzen 5 und 6 immerhin eine nachträgliche Geltendmachung der Beitragsforderung in gewissem Umfang zugelassen. Wenn eine Regelung für die gleiche Frage in § 393a Abs. 1 RVO nicht ausdrücklich getroffen worden ist, ist daraus nicht auf den Ausschluß jeder Nachholung, sondern auf deren grundsätzliche Zulässigkeit zu schließen.

Wenn die Revision geltend macht, die Belastung (Nachbelastung) mit KVdR-Beiträgen, d.h. mit den jeweiligen Unterschiedsbeträgen zwischen dem Beitragszuschuß zur KVdR und dem vom Rentner zu tragenden Beitrag, hätte nicht den Betrag der jeweiligen Rentenanpassungen übersteigen dürfen, so übersieht sie, daß dieser Grundsatz nur für die Höhe der für einen bestimmten Zeitraum gesetzlich vorgesehenen Eigenbelastung des Rentners mit den den Beitragszuschuß übersteigenden Beitragsteilen, nicht jedoch für die Art und Weise und den Zeitpunkt des Beitragseinzugs von Bedeutung sein kann. Es widerspricht diesem Grundsatz also nicht, wenn sich bei einer Nachforderung von KVdR-Beiträgen die laufende „Nettorente” nicht nur nicht um den Anpassungsbetrag erhöht, sondern sich sogar gegenüber der vor der Anpassung ausgezahlten Rente vermindert. Gemäß § 385 Abs. 2 RVO i.V.m. § 180 Abs. 5 Nr. 1 und § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO in den seinerzeit geltenden Fassungen betrug der Beitragssatz für die von den krankenversicherten Rentnern ab 1. Januar 1983 von ihrer Rente zu leistenden Beiträge 11,8% des Rentenzahlbetrages (ohne Kinderzuschüsse). Damit entsprach der zu leistende Beitrag bis zum 30. Juni 1983 dem vom Rentenversicherungsträger gemäß § 83e Abs. 2 AVG (§ 1304e Abs. 2 RVO) zu leistenden Beitragszuschuß. Ab 1. Juli 1983 ermäßigte sich der Beitragszuschuß auf 10,8%, ab 1. Juli 198 auf 8,8% und ab 1. Juli 1985 auf 7,3%. Es ist richtig, daß die als Unterschiedsbetrag zwischen diesem Beitragszuschuß und dem Beitrag zur KVdR verbleibende effektive Beitragsbelastung des Rentners in den Jahren 1983 bis 1985 – 1% des Rentenzahlbetrages ab 1. Juli 1983, 3% des Rentenzahlbetrages ab 1. Juli 1984 und 4,5% des Rentenzahlbetrages ab 1. Juli 1985 – durch die Rentenerhöhungen aufgrund der Rentenanpassungsgesetze 1983, 1984 und 1985 (5,39% zum 1. Juli 1983, 3,4% zum 1. Juli 1984 und 3,0% zum 1. Juli 1985) aufgefangen und übertroffen wurde. Dies entsprach auch der Absicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 9/2140 S. 104; BT-Drucks. 10/827 S. 6; BT-Drucks. 10/2705 S. 11 und BT-Drucks. 10/2889 S. 5). Der Gesetzgeber hatte sowohl bei der Festsetzung der Eigenbeteiligung des Rentners an der Finanzierung der KVdR im HBegleitG 1983 und im Gesetz zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 16. Mai 1985 (BGBl. I 766) als auch bei den Rentenanpassungen der Jahre 1983 bis 1985 darauf geachtet, daß die Rentenerhöhungen seit 1. Juli 1983 den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil an den Beiträgen zur KVdR überstiegen. Diesen Regelungen ist jedoch keine irgendwie geartete Einschränkung der zeitlichen Geltendmachung von Beiträgen zur KVdR durch den Rentenversicherungsträger zu entnehmen. Die Revision übersieht insoweit auch, daß der Kläger in der Zeit vom 1. Juli 1983 bis 30. April 1986 von den an sich geschuldeten Beitragszahlungen zur KVdR faktisch entlastet blieb und daß bei der zeitlichen Zuordnung der Beiträge zu den entsprechenden Bezugszeiträumen der Rente das geforderte Verhältnis zwischen Rentenerhöhung und effektiver Eigenbeteiligung des Rentners gewahrt blieb.

Die hiernach im Grundsatz zulässige Nacherhebung von KVdR-Beiträgen unterlag allerdings Grenzen. Für eine von der Rentenzahlung unabhängige Geltendmachung einer solchen Beitragsforderung fehlte, jedenfalls solange Rente noch gezahlt wurde, während der Geltung des § 393a RVO, d.h. bis zum 31. Dezember 1988, eine gesetzliche Grundlage (vgl. jetzt § 255 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs = Gesetzliche Krankenversicherung – SGB 5). Vielmehr ergab sich, da andere Formen der Geltendmachung nicht vorgesehen waren, aus § 393a Abs. 1 RVO („bei der Zahlung der Renten … einzubehalten”), daß Beiträge auch nachträglich nur von noch zu zahlender, in der Regel also der laufenden Rente einbehalten werden durften. Rechtlich bedeutet dieses, daß die Beklagte den Beitragsanspruch nur im Wege einer Aufrechnung (nicht wie das LSG angenommen hat, im Wege einer „Verrechnung”) gegen den Anspruch des Rentners auf die Rente geltend machen durfte. Für eine solche Aufrechnung galten indes auch früher schon die Schranken des § 51 Abs. 2 SGB 1 (vgl. jetzt § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB 5). Danach darf gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen nur bis zu deren Hälfte aufgerechnet werden und auch dies nur, soweit der Rentner dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird.

Der Senat hat geprüft, ob der in diesen Grenzen zulässige nachträgliche Einbehalt der Beiträge von Renten die betreffenden Rentner gegenüber Empfängern von Versorgungsbezügen, bei denen eine Zahlstelle den Einbehalt unterlassen hatte, in einer mit Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbaren Weise benachteiligte. Bei Versorgungsbezügen war nämlich eine Nachholung des Beitragseinbehalts durch die Zahlstelle nach § 393a Abs. 2 Satz 5 RVO nur bei der nächsten Zahlung von Versorgungsbezügen zulässig; weitere Beiträge konnten nach § 393a Abs. 2 Satz 5 RVO. durch die Krankenkasse nur eingezogen werden, wenn ihre Einbehaltung ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben war. Das führte indessen nicht zu einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Rentner, für die die dargelegte andere Nachholungsregelung galt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß auch diesen Rentnern die für sie vielfach günstigere, weil „nachholungsfeindliche” Regelung bei den Versorgungsbezügen (§ 393a Abs. 2 Sätze 5 und 6 RVO) zugute kommen konnte, wie umgekehrt auch die Empfänger von Versorgungsbezügen der für die Versicherten oft ungünstigeren, weil „nachholungsfreundlichen” Regelung bei den Renten (§ 393a Abs. 1 RVO) ausgesetzt sein konnten.

Aber auch wenn man einen Rentner, bei dem allein bei der Rente der Einbehalt unterblieben war, mit einem Rentner vergleicht, bei dem nur die Zahlstelle bei den Versorgungsbezügen (und nicht auch der Rentenversicherungsträger bei der Rente) den Einbehalt versäumt hatte, ist zu bedenken, daß sich die Regelung bei den Renten für den Versicherten nicht generell ungünstiger auswirkte als bei den Versorgungsbezügen. Zwar war bei den Renten die Nachholung selbst dann zulässig, wenn den Rentenversicherungsträger am Unterbleiben des Einbehalts ein Verschulden traf, allerdings in den beschriebenen Grenzen Des § 51 Abs. 2 SGB 1, an denen eine Nachholung u.U. ganz scheitern konnte; dagegen wurde der Empfänger von Versorgungsbezügen bei einem Verschulden der Zahlstelle (oder der Krankenkasse, vgl. das Urteil des Senats vom 23. Mai 1989 – 12 RK 30/88 –) bis auf den im nächsten Monat nachholbaren Einbehalt in jedem Falle frei. Dem standen jedoch die – wenn auch vermutlich zahlenmäßig selteneren – Fälle gegenüber, in denen der Beitragseinbehalt von der Rente bzw. den Versorgungsbezügen ohne Verschulden des Versicherungsträgers bzw. der Zahlstelle unterblieben war. Dann war der Rentner zwar ebenfalls einer Nachholung des Einbehalts von der Rente ausgesetzt, jedoch nur in den aufgezeigten Grenzen, während er sich bei den Versorgungsbezügen einer Inanspruchnahme durch die Krankenkasse gegenüber sah, die den bei Renten geltenden Einschränkungen nicht unterlag.

Bei einer Gegenüberstellung der beiden Regelungen ist ferner zu berücksichtigen, daß bei den Rentnern die eigene Belastung mit Beiträgen von der Rente erst am 1. Juli 1983 begann und durch die stufenweise Absenkung des Beitragszuschusses bis zum 1. Juli 1987 erst von diesem Zeitpunkt an eine der Belastung der Versorgungsbezüge, vergleichbare Höhe erreichte. Deswegen war hier die Gefahr, daß infolge unterbliebenen Einbehalts nachholbare Rückstände von erheblicher Höhe aufliefen, zunächst geringer als bei gleich hohen Versorgungsbezügen, für die der Rentner schon vom 1. Januar 1983 an Beiträge nach dem (halben) Beitragssatz des § 385 Abs. 2a RVO zu tragen hatte. Ob alle diese Gründe ausgereicht hätten, die unterschiedliche Regelung bei Renten und Versorgungsbezügen dauerhaft zu rechtfertigen, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Denn der Gesetzgeber hat die Nachholung eines unterbliebenen Beitragseinbehalts vom 1. Januar 1989 an in § 255 Abs. 2 und – 256 Abs. 2 SGB 5 weitgehend einander angeglichen und damit die früheren Ungleichheiten beseitigt, deren Auswirkungen für ihn zunächst offenbar nicht in jeder Hinsicht Überschaubar gewesen waren. Jedenfalls aus diesem Grunde ist im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 39, 169, 193 f.; 40, 121, 140; 46, 55, 66) für die „Übergangszeit” bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts eine Verfassungswidrigkeit zu verneinen.

Eine sachlich nicht zu begründende Ungleichbehandlung lag auch im Verhältnis von Rente und Arbeitsentgelt nicht vor. Im Beschäftigungsverhältnis durfte bis Ende 1988 der Arbeitgeber, der Arbeitnehmerbeitragsanteile nicht vom Lohn einbehalten hatte (§ 394 Abs. 1 RVO), die unterbliebenen Abzüge nur bei der Lohnzahlung für die nächste Lohnzeit nachholen, Trenn nicht die Beiträge ohne sein Verschulden verspätet entrichtet worden waren (§ 395 Abs. 2 RVO); dann konnte der Abzug auch für längere Zeit noch nachgeholt werden. Diese Regelung, der nach dem erwähnten Urteil des Senats vom 23. Mai 1989 die frühere Regelung zur nachträglichen Geltendmachung nicht einbehaltener Beiträge auf Versorgungsbezüge entsprach, ist auch über den 31. Dezember 1988 hinaus grundsätzlich erhalten geblieben, allerdings darf nunmehr der unterbliebene Abzug des Arbeitnehmeranteils auch bei Verschulden des Arbeitgebers noch bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden (§ 28g Satz 3 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung –, eingefügt durch Art 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I 2330). Die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitsentgelt und Rente, wie sie bis Ende 1988 bestand und auch unter dem neuen Recht in veränderter Form weiterbesteht, wurde und wird indessen schon dadurch gerechtfertigt, daß eine eintretende Befreiung des Arbeitnehmers zu Lasten des Arbeitgebers geht und daher in der Regel nicht zu Beitragsausfällen für die Versichertengemeinschaft führt, während bei Freiwerden des Rentners die Renten- oder die Krankenversicherung und damit letztlich andere Rentner oder Versicherte den Beitragsverlust tragen müßten.

Einem nachträglichen Einbehalt der KVdR-Beiträge steht bei dem vorliegenden Sachverhalt keine frühere Entscheidung der Beklagten entgegen; insbesondere hatte die Beklagte nicht durch Nichteinbehalt von KVdR-Beiträgen im Rentenbescheid vom 26. Mai 1983 negativ über die Beitragspflicht des Klägers entschieden. Der Vorbehalt im Rentenbescheid und die Berechnung des Rentenzahlbetrages ergeben vielmehr eindeutig, daß die Beklagte bei Erteilung des Rentenbescheides davon ausging, der Kläger sei nicht versicherungspflichtig und deshalb seien von seiner Rente keine Beiträge einzubehalten. Der Kläger mußte daher aus dem Bescheid entnehmen, daß die Beklagte, wenn entgegen ihrer Annahme Versicherungspflicht bestand und sie davon Kenntnis erhielt, noch Beiträge einbehalten werde. Das gilt auch dann, wenn Versicherungspflicht schon bei Erteilung des Rentenbescheides bestanden haben sollte und die Beklagte das hätte erkennen müssen, sie gleichwohl aber Beiträge nicht einbehalten hatte. Auch aus den jeweils zur Jahresmitte ergehenden Rentenanpassungsmitteilungen konnten Rentner wie der Kläger, denen bisher von ihrer Rente erkennbar keine Beiträge einbehalten worden waren, nicht entnehmen, die angepaßte Rente sei einerseits um den Beitragszuschuß erhöht und andererseits um den Beitrag zur KVdR vermindert worden. Dagegen sprach schon, daß diesen Rentnern die um den vollen Prozentsatz der Anpassung erhöhte Rente ausgezahlt wurde.

Eine Nacherhebung von Beiträgen zur KVdR unterlag ferner nicht den Einschränkungen des SGB 10 für die Rücknahme oder Änderung von Rentenbescheiden, mag die Beklagte auch, vor allem in der ersten Zeit, in der über Fälle unterbliebenen Einbehalts von ihr zu entscheiden war, aus verständlicher Unsicherheit bei Anwendung des § 393a Abs. 1 RVO von einer Neufeststellung („Neuberechnung”) der Rente und von einer Pflicht zur Rückzahlung „überzahlter” Rente gesprochen haben. In Wahrheit handelt es sich, wenn nachträglich Beiträge zur KVdR von der Rente einbehalten werden, nicht um eine rückwirkende Herabsetzung der früher – ohne Abzug der Beiträge – ausgezahlten Rente, sondern um eine nachträgliche Erhebung der Beiträge durch Einbehaltung von der derzeit laufenden Rente. Die Rente selbst und ihre Berechnungselemente bleiben davon unberührt.

Gründe, weshalb die Beitragsforderung der Beklagten gegen Treu und Glauben verstoßen könnte, sind im vorliegenden Verfahren nicht erkennbar. Insbesondere hat die Beklagte ihren Beitragsanspruch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist zwar als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (BSGE 47, 194, 196 m.w.N.). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aber voraus, daß der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände” liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, daß dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und auch tatsächlich darauf vertraut und sein Verhalten demgemäß darauf eingerichtet hat, so daß ihm durch die verspätete Geltendmachung ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG a.a.O.). An allen diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Insbesondere sind – über den bloßen Zeitablauf hinaus – keine Maßnahmen oder sonstigen Verhaltensweisen der Beklagten erkennbar, die den Kläger hätten zu der Annahme veranlassen können, daß die Beklagte die fragliche Beitragsforderung nicht mehr geltend machen werde; im Gegenteil hat die Beklagte im Rentenbescheid vom 26. Mai 1983 sich die – ggf. auch rückwirkende – Erhebung von Beiträgen zur KVdR ausdrücklich vorbehalten. Überdies hat der Kläger nichts dafür vorgetragen, daß er sich in seinem Verhalten darauf eingestellt habe, daß die Beklagte die fragliche Beitragsforderung auf sich beruhen lassen werde. Dem Kläger entstehen aus der nachträglichen Erfüllung seiner Beitragsschuld auch keine unzumutbaren Nachteile. Eher könnten der Versichertengemeinschaft (soweit eine nachträgliche Erfüllung nicht oder nicht mehr voll vom Kläger gefordert werden könnte) aus dem Unterbleiben des rechtzeitigen Einbehalts der Beiträge Nachteile erwachsen.

Prozeßrechtliche Hindernisse standen einer Entscheidung in der Sache nicht entgegen. Das LSG hat insbesondere zutreffend entschieden, daß die Berufung nicht nach § 149 SGG ausgeschlossen war, weil es sich nicht um eine Streitigkeit um Rückerstattung von Leistungen im Sinne dieser Bestimmung gehandelt hat und zudem die insoweit für den Beschwerdewert geltende Grenze von 1.000,– DM überschritten war. Auch der Berufungsausschließungsgrund des § 146 SGG lag nicht vor, weil nicht um Rente, sondern um Beiträge gestritten wurde.

Hiernach konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben. Bei der ratenweisen Einbehaltung des streitigen Beitragsrückstandes wird die Beklagte die in diesem Urteil dafür aufgezeigten Einschränkungen zu beachten haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI582828

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