Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. kein Einkommenseinsatz. Ausbildungsgeld im Berufsbildungsbereich der WfbM. keine zweckbestimmte Leistung iS § 83 SGB 12. Absetzung des Ausbildungsgeldes gem § 82 Abs 3 S 3 SGB 12. kein Einkommenseinsatz und keine abweichende Festlegung des Regelbedarfs wegen kostenlosem Mittagessen in WfbM. Anspruch auf Eckregelsatz des Haushaltsvorstandes trotz Zusammenleben mit Mutter. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen von der Bundesagentur für Arbeit an behinderte Menschen gezahlte Ausbildungsgeld ist zwar keine zweckbestimmte Leistung, es bleibt jedoch zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung mit Beschäftigten im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen in voller Höhe als Einkommen unberücksichtigt.

2. Das in der Werkstatt für behinderte Menschen im Rahmen einer von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Maßnahme kostenlos zur Verfügung gestellte Mittagessen mindert nicht den Sozialhilfeanspruch des behinderten Menschen (Abgrenzung zu BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R = BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3).

 

Orientierungssatz

1. Zu fehlenden Feststellungen des LSG zum Vorliegen der vollen Erwerbsminderung auf Dauer bei einem schwerbehinderten Menschen, für den der Fachausschuss einer WfbM eine Stellungnahme dahin gehend abgegeben hat, dass eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf absehbare Zeit nicht möglich sei und der Verbleib im Arbeitsbereich der WfbM empfohlen werde.

2. Ein volljähriger, unverheirateter Hilfebedürftiger, der im Jahre 2005 zwar mit seiner Mutter zusammenlebt, aber mit dieser weder eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB 2 noch eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 SGB 12 bildet, ist kein Haushaltsangehöriger iS der RSV, sondern hat Anspruch auf den Eckregelsatz eines Haushaltsvorstandes, der auch für Alleinstehende gilt. Seit dem Inkrafttreten des SGB 2 und des SGB 12 am 1.1.2005 sind Einsparungen bei gemeinsamer Haushaltsführung nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen SGB 2 und SGB 12 nur anzunehmen, wenn die Zusammenlebenden bei Bedürftigkeit eine Bedarfs- oder Einsatzgemeinschaft iS der Vorschriften bilden.

 

Normenkette

SGB XII § 41 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 2003-12-27, Abs. 2 Fassung: 2003-12-27, § § 41 ff., § 42 S. 1 Nr. 1 Fassung: 2003-12-27, § 45 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Fassung: 2005-03-21; SGB VI § 43 Abs. 2 S. 3; SGB XII § 28 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2004-12-09, S. 2 Fassung: 2004-12-09, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2004-12-09; RSV § 2 Fassung: 2004-06-03, § 3 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2004-06-03, S. 3 Fassung: 2004-06-03; SGB XII § 19 Abs. 1 Fassung: 2003-12-27, Abs. 2 Fassung: 2003-12-27; SGB 2 § 7 Abs. 3 Fassung: 2004-07-30; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2005-03-21, Abs. 2 Nr. 5 Fassung: 2005-03-21, Abs. 3 S. 2 Fassung: 2005-03-21, S. 3 Fassung: 2005-03-21, § 83 Abs. 1 Fassung: 2003-12-27; BSHG§76DV § 2 Fassung: 2005-03-21; SGB III § 102 Abs. 2 Fassung: 2001-06-19, § 104 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 2001-06-19, § 107 Fassung: 2001-06-19, § 108 Abs. 1 Fassung: 2001-06-19; SGB IX § 40 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 2004-04-23, § 43 Fassung: 2002-04-27, § 45 Abs. 5 Nr. 1 Fassung: 2003-12-23, § 138 Abs. 2 Fassung: 2003-12-23; SGG § 103; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 28.08.2009; Aktenzeichen L 8 SO 10/08)

SG Stendal (Urteil vom 04.06.2008; Aktenzeichen S 4 SO 11/06)

 

Tatbestand

Im Streit sind um 67 Euro pro Monat höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.5. bis 31.10.2005.

Der 1984 geborene Kläger ist behindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 bis 31.8.2005 und von 70 ab 1.9.2005; Nachteilsausgleiche sind nicht festgestellt. Im streitigen Zeitraum nahm er an einem von der Bundesagentur für Arbeit (BA) geförderten Lehrgang im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) teil; er erhielt von der BA Ausbildungsgeld in Höhe von 67 Euro monatlich. Außerdem bezog er eine Halbwaisenrente; diese betrug in den Monaten Mai und Juni 2005 je 184,09 Euro, ab Juli 2005 183,18 Euro monatlich. Weiteres Einkommen oder Vermögen war nicht vorhanden. Er lebte in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, an die das Kindergeld gezahlt wurde.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf dessen Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 32,45 Euro für die Monate Mai und Juni 2005 und in Höhe von monatlich 33,36 Euro für die Monate Juli bis Oktober 2005; als Regelbedarf legte der Beklagte dabei den Regelsatz eines Haushaltsangehörigen zugrunde (80 % des Regelsatzes von 331 Euro = 265 Euro), das Ausbildungsgeld und die Halbwaisenrente wurden voll als Einkommen angerechnet (Bescheid vom 19.8.2005; Widerspruchsbescheid vom 9.2.2006).

Während die Klage erstinstanzlich erfolglos geblieben ist (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 4.6.2008), hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 weitere Regelleistungen von insgesamt 402 Euro, monatlich 67 Euro, zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, beim Bedarf seien die Regelsatzleistungen für den Haushaltsvorstand in Höhe von 331 Euro zu berücksichtigen, weil weder eine Einsatzgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) noch eine Bedarfsgemeinschaft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vorliege. Der Regelsatz sei aber abweichend festzulegen, weil ein Teil des (monatlichen) Bedarfs durch kostenfreies Mittagessen in der WfbM (im streitigen Zeitraum zwischen 17,82 Euro und 36,96 Euro) gedeckt sei. Als Einkommen sei neben der Halbwaisenrente grundsätzlich auch das monatlich von der BA gezahlte Ausbildungsgeld zu berücksichtigen, weil dieses keine zweckbestimmte Leistung nach § 83 Abs 1 SGB XII sei. Allerdings sei wegen des mit der Gewährung des Ausbildungsgelds verbundenen Zwecks, einen Anreiz für die Teilnahme an der Maßnahme zu geben und den behinderten Menschen zu motivieren, hiervon wie bei einem Entgelt aus einer Beschäftigung in einer WfbM in entsprechender Anwendung von § 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 % des diesen Betrag übersteigenden Entgelts - insgesamt 47,79 Euro monatlich - abzusetzen. Das Ausbildungsgeld sei folglich nur im Umfang von 19,21 Euro als Einkommen einzusetzen. Der Kläger habe danach einen Anspruch auf höhere Leistungen, der sich im streitigen Zeitraum zwischen 76,83 Euro und 95,97 Euro bewege. Da er nur eine um 67 Euro höhere monatliche Leistung geltend gemacht habe, ergebe sich so jedenfalls ein Gesamtzahlungsanspruch von 402 Euro.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 82 Abs 3 SGB XII. Das Ausbildungsgeld diene demselben Zweck wie die Sozialhilfe und sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Auch § 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII sei nicht anwendbar. Der Anwendung dieser Norm stehe entgegen, dass es sich bei dem Ausbildungsgeld gerade nicht um Arbeits- oder Erwerbseinkommen auf Grund einer entgeltlichen Beschäftigung in einer WfbM handele. Ihrem Charakter nach handele es sich bei den Maßnahmen im Berufsbildungsbereich einer WfbM um berufsvorbereitende Maßnahmen mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, sodass der behinderte Mensch in die Lage versetzt werde, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen und später in den Arbeitsbereich einer WfbM zu wechseln.

Der Beklagte hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zur dauerhaften vollen Erwerbsminderung des Klägers, die Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII ist. Liegt diese Voraussetzung für einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen vor, hat der Kläger allerdings einen um mehr als 67 Euro monatlich höheren Anspruch. Das LSG ist zu Recht von einem Regelsatz von 100 vH bei der Berechnung des Bedarfs ausgegangen. Das während der Teilnahme im Berufsbildungsbereich einer WfbM von der BA gezahlte Ausbildungsgeld ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen; ebenso wenig ist der Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt durch die Einnahme des Mittagessens - wie vom LSG angenommen - in der WfbM von dem Regelsatz abweichend (niedriger) festzulegen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.2.2006 (§ 95 SGG), soweit der Beklagte damit höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (67 Euro monatlich) für den Zeitraum vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 abgelehnt hat; hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG). Über Kosten für Unterkunft und Heizung ist nicht (mehr) zu befinden, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 7.4.2009) ausdrücklich erklärt hat, diese seien nicht im Streit, und insoweit den Streitgegenstand zulässigerweise beschränkt hat (zur Abtrennbarkeit dieser Leistungen als eigenständigen Streitgegenstand: BSGE 101, 219 = SozR 4-3500 § 133a Nr 1 RdNr 14).

Richtiger Beklagter ist der Landkreis Jerichower Land. Landesrechtlich ist keine Beteiligtenfähigkeit der Behörde (§ 70 Nr 3 SGG) bestimmt (vgl Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 19.3.1992 - Gesetz- und Verordnungsblatt ≪GVBl≫ des Landes Sachsen-Anhalt 292 -, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuordnung der Gerichtsstrukturen vom 14.2.2008 - GVBl 50). Der Beklagte ist als Landkreis auch der für die Leistung örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe (§ 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - ≪AG SGB XII≫ vom 11.1.2005 - GVBl 8) und als solcher für die streitgegenständlichen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sachlich zuständig (§§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII); eine sachlich Zuständigkeit des überörtlichen Trägers ist landesrechtlich nicht begründet worden (§ 3 AG SGB XII).

Ob vor Erlass des Widerspruchsbescheids entsprechend § 116 Abs 2 SGB XII sozial erfahrene Dritte beteiligt wurden, lässt sich weder dem Urteil des LSG noch den Verwaltungsakten entnehmen. Das Erfordernis der Beteiligung sozial erfahrener Personen ist kein bloßes Ordnungserfordernis. Vielmehr stellt die Nichtbeteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren einen erheblichen Mangel des Vorverfahrens dar, der überdies wegen der Bedeutung der Beratung für die Entscheidungspraxis der Behörden im Allgemeinen nicht der Disposition der unmittelbar Beteiligten überlassen werden kann und mithin von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BVerwGE 21, 208 ff). Ein ggf von Amts wegen zu beachtender Verfahrensmangel führt allerdings nur dann zu einer Aufhebung des Widerspruchsbescheids im Klageverfahren, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 42 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ≪SGB X≫). Dies ist hier - unbeschadet der Anwendung des § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII, der die Ausübung von Ermessen bei der Nichtberücksichtigung von Einkommen in begründeten Fällen vorsieht - der Fall, weil das Ermessen auf Null reduziert wäre (siehe dazu unten) und deshalb nur eine Entscheidung denkbar ist (vgl zur Anwendung von § 42 SGB X auf Ermessensentscheidungen: Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 42 RdNr 9).

Gemäß § 19 Abs 2 SGB XII iVm § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII (beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben) erhalten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Der Kläger hat am 31.5.2005 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gestellt; auf Grund dieses Antrags können Leistungen ab dem 1.5.2005 gewährt werden (§ 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII). Ob der Kläger aber auf Dauer voll erwerbsgemindert ist und deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen dem Grunde nach erfüllt, lässt sich mangels Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Auf Dauer voll erwerbsgemindert ist gemäß § 41 Abs 3 SGB XII iVm § 43 Abs 2 SGB VI, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, oder bei dem die Voraussetzungen des § 43 Abs 2 Satz 3 SGB VI erfüllt sind und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Zwar geht das LSG davon aus, dass diese Voraussetzungen gegeben seien, trifft aber keine eigenen Feststellungen, die nachvollziehbar diesen Schluss rechtfertigen könnten. Das LSG folgert dies vielmehr allein aus der Stellungnahme des Fachausschusses der WfbM vom 10.10.2005, in der jedoch (ohne weitere Begründung) nur angegeben wird, dass eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf absehbare Zeit nicht möglich sei, und der Verbleib des Klägers im Arbeitsbereich der WfbM empfohlen werde.

Es mag angesichts des GdB von 50 bzw 70 und der Stellungnahme des Fachausschusses der WfbM (aussagekräftiger könnte ggf das Protokoll bezüglich der Aufnahme des Klägers in den Eingangs- bzw Berufsbildungsbereich der WfbM sein) wahrscheinlich sein, dass die Voraussetzungen einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer vorliegen. Regelmäßig ist der Sozialhilfeträger nach § 45 Abs 1 SGB XII verpflichtet ("ersucht"), den Rentenversicherungsträger zur abschließenden Prüfung der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung zu ersuchen, wenn - wie hier - zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Eine eigene Prüfungskompetenz des Sozialhilfeträgers sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Die Prüfung der nicht auf Dauer bestehenden Erwerbsfähigkeit darf der Sozialhilfeträger hingegen selbst vornehmen. Dies zeigt schon das Zusammenspiel mit § 44a SGB II, wonach in einem mehrstufigen Verfahren bei einem Streit zwischen dem SGB-II- und dem SGB-XII-Leistungsträger über die Erwerbsfähigkeit zunächst die Einigungsstelle angerufen wird und bis zu deren Entscheidung der SGB-II-Leistungsträger Leistungen nach dem SGB II zu erbringen hat (§ 44a Abs 1 Satz 3 SGB II). § 44a SGB II enthält insoweit nach dem Vorbild des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) eine Nahtlosigkeitsregelung (BSGE 97, 231 ff RdNr 19 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Entscheidet die Einigungsstelle, dass Erwerbsunfähigkeit vorliegt, muss der SGB-XII-Leistungsträger (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) von nun an Leistungen nach dem SGB XII erbringen und, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Erwerbsunfähigkeit auf Dauer besteht, den Rentenversicherungsträger insoweit um Prüfung ersuchen. An dessen Entscheidung ist er gebunden (Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 8 RdNr 19, § 44a RdNr 45).

Ein Ersuchen des Rentenversicherungsträgers findet nach § 45 Abs 1 Satz 3 SGB XII allerdings dann nicht statt, wenn ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat (Nr 1) oder - wie hier - der Fachausschuss einer WfbM - im Hinblick auf § 43 Abs 2 Satz 3 Nr 1 SGB VI - über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme abgegeben hat (§§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung) und der Leistungsberechtigte kraft Gesetzes nach § 43 Abs 2 Satz 3 Nr 1 SGB VI als voll erwerbsgemindert gilt (Nr 2). § 45 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB XII soll (nur) verfahrensmäßig eine aufwändige Prüfung der Erwerbsfähigkeit für in einer WfbM Beschäftigte vermeiden und den Sozialhilfeträger und den Rentenversicherungsträger im Rahmen bestehender Massenverwaltung entlasten. Die Regelung enthält allerdings selbst keine Fiktion der Erwerbsminderung bzw deren Dauerhaftigkeit. Insoweit bezieht sich ihr Wortlaut ("gilt") auf die rentenversicherungsrechtliche Regelung; selbst dort ist zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um eine Fiktion handelt. § 45 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB XII besagt nur, dass bei Vorliegen einer Stellungnahme des Fachausschusses der WfbM das Ersuchen an den Rentenversicherungsträger unterbleibt. Ob und in welchem Umfang der Sozialhilfeträger - entsprechend § 45 Abs 1 Satz 2 SGB XII - an die Stellungnahme des Fachausschusses gebunden ist, muss hier nicht entschieden werden. Eine Bindung des Gerichts ergibt sich keinesfalls - weder rechtlich noch tatsächlich; dies gilt ebenso für eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, die auf Ersuchen des Sozialhilfeträgers ergangen ist und (nur) letzteren bindet. Denn wenn ein Antragsteller entgegen der "Entscheidung" des Rentenversicherungsträgers, die zur Ablehnung von Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII geführt hat, geltend macht, er sei auf Dauer erwerbsgemindert, müssen die Gerichte die verminderte Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes auch in vollem Umfang von Amts wegen selbst überprüfen können (vgl dazu im Rahmen des § 44a SGB II: Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44a RdNr 56 f).

Im Übrigen sind die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII dem Grunde nach gegeben; insbesondere ist der Leistungsanspruch nicht wegen etwaiger Unterhaltsansprüche nach § 43 Abs 2 iVm § 2 SGB XII ausgeschlossen (dazu später). Der Umfang der Leistungen bestimmt sich nach dem maßgeblichen Regelsatz (§ 42 Satz 1 Nr 1 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch iVm § 28 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 9.12.2004 - BGBl I 3305) und dem auf diesen Bedarf anzurechnenden Einkommen (§§ 82 ff SGB XII idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch).

Der für den Kläger maßgebliche Regelsatz beträgt nicht - wovon der Beklagte zu Unrecht ausgeht - 265 Euro, sondern 331 Euro. Nach § 28 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm §§ 2, 3 Abs 1 Satz 2 der auf der Grundlage des § 40 SGB XII erlassenen Regelsatzverordnung (idF vom 3.6.2004 - BGBl I 1067 - ≪RSV≫) hat ein Haushaltsvorstand Anspruch auf 100 vH des Eckregelsatzes; dieser betrug nach § 1 Nr 1 der Verordnung zur Festsetzung der Regelsätze nach dem SGB XII im Land Sachsen-Anhalt vom 21.12.2004 (GVBl 877) in der Zeit vom 1.1.2005 bis 31.12.2006 331 Euro; der Regelsatz für den Haushaltsvorstand gilt auch für Alleinstehende (§ 3 Abs 1 Satz 3 RSV). Die Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige betragen nach § 3 Abs 2 RSV bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs 60 vH (Nr 1) und ab Vollendung des 14. Lebensjahrs 80 vH des Eckregelsatzes (Nr 2).

Der Kläger ist kein Haushaltsangehöriger im Sinne der RSV. Die abgestufte Höhe des Regelsatzes beruht auf der Erwägung, dass bei einer gemeinsamen Haushaltsführung Ersparnisse die Annahme eines geringeren Bedarfs rechtfertigen. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hielt vor dem 1.1.2005 die Zuordnung als Haushaltsvorstand oder Haushaltsangehöriger in allen Konstellationen des Zusammenlebens für möglich und machte dies allein von einer gemeinsamen Wirtschaftsführung im Sinne einer "Wirtschaftsgemeinschaft" abhängig, deren Vorliegen allerdings bei nicht miteinander verwandten oder verschwägerten Personen besonders sorgfältig zu prüfen war (Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫, Beschluss vom 30.12.1965 - V B 152.65 -, FEVS 14, 241, 242; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl 2006, § 3 RSV RdNr 12).

Bei der Bestimmung des Begriffs des Haushaltsangehörigen in der RSV muss ab 1.1.2005 aber berücksichtigt werden, dass die Annahme einer Haushaltsersparnis nach den Regelungen des SGB II einer gegenüber den bisherigen Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) abweichenden gesetzgeberischen Konzeption folgt. Der Gesetzgeber des SGB II hat die Annahme einer Haushaltsersparnis und Kürzung der Regelleistung nicht mehr mit einer individuellen Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse der zusammenlebenden Personen verbunden, sondern in § 20 SGB II typisierend prozentuale Abschläge von der Regelleistung wegen Haushaltsersparnis nur bei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft vorgenommen und insofern bewusst auf die Normierung der Rechtsfigur eines "Haushaltsvorstands" verzichtet (BSGE 97, 211 ff RdNr 19 = SozR 4-4200 § 20 Nr 2). Da aber bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw der Regelleistung wegen Annahme einer Haushaltsersparnis für eine unterschiedliche Behandlung zwischen der Personengruppe der SGB-XII- und SGB-II-Leistungsempfänger im Hinblick auf die identische sozialrechtliche Funktion beider Leistungen (Sicherstellung des Existenzminimums) keine sachlichen Gründe erkennbar sind, hat der Senat bereits früher entschieden (BSGE 103, 181 ff = SozR 4-3500 § 42 Nr 2), dass seit dem 1.1.2005, mit dem Inkrafttreten des SGB XII (Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) und des SGB II (Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - BGBl I 2954), nach Maßgabe des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB II und dem SGB XII Einsparungen bei gemeinsamer Haushaltsführung nur dann anzunehmen sind, wenn die zusammenlebenden Personen bei Bedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft iS des § 19 SGB XII bilden.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum bereits volljährig. Er lebte deshalb nicht in einer eine Bedarfs- oder eine Einsatzgemeinschaft rechtfertigenden Beziehung zu seiner Mutter. Nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II (in der hier maßgebenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt) gehören nur die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder (der in § 7 Abs 3 Nr 1 bis 3 SGB II genannten Personen) zur Bedarfsgemeinschaft. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II in der ab dem 1.7.2006 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) auch volljährige bedürftige Kinder bis zum 25. Lebensjahr - wie der Kläger - in Bedarfsgemeinschaften einbezogen wurden (vgl BT-Drucks 16/688, S 13). Betroffen ist hier ein Zeitraum vor der Änderung des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II. Die Regelung gilt nicht rückwirkend, was nicht zuletzt § 68 Abs 1 SGB II belegt, wonach § 7 SGB II in der bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung sogar weiterhin für Bewilligungszeiträume anzuwenden ist, die vor dem 1.7.2006 beginnen (Senatsurteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 15/08 R).

Ohne Bedeutung ist es, ob die Mutter des Klägers Leistungen nach dem SGB II bezieht oder hilfebedürftig ist, wie dies die Formulierung des § 7 Abs 3 SGB II nahelegen könnte, weil diese immer von einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen - ggf über die Fiktion des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II - ausgeht. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber die prozentualen Regelsatzabschläge des § 20 SGB II nur bei den familiären Konstellationen des § 7 Abs 3 SGB II unterstellt. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor; ebenso wenig lebt der Kläger mit seiner Mutter in einer Einsatzgemeinschaft des SGB XII. Nach § 19 SGB XII bilden Kinder, die dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils angehören, mit diesen nur dann eine Einsatzgemeinschaft, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, sodass dem Kläger - unterstellt, er hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - für den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 durchgängig statt 265 Euro (80 % des Eckregelsatzes für Haushaltsangehörige vom Beginn des 15. Lebensjahrs an) nominal 331 Euro zustehen.

Auf diesen Bedarf ist die vom Kläger bezogene Halbwaisenrente nach § 82 SGB XII als Einkommen anzurechnen. Zu Unrecht hat der Beklagte aber das an den Kläger gezahlte Ausbildungsgeld als Einkommen berücksichtigt. Das von der BA nach § 104 Abs 1 Nr 3, § 107 SGB III geleistete Ausbildungsgeld wird auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ebenso wenig angerechnet wie das kostenlose Mittagessen in der WfbM; sonstiges Einkommen ist nicht vorhanden. Etwaige Unterhaltsansprüche gegen Eltern sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Sie stellen - anders als tatsächliche Unterhaltsleistungen, die nach den Feststellungen des LSG nicht erbracht werden - Vermögen iS von § 90 SGB XII dar, das nach § 43 Abs 2 Satz 1 iVm § 2 SGB XII unberücksichtigt bleibt, wenn das jährliche Gesamteinkommen unter 100 000 Euro liegt, was nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB XII gesetzlich vermutet wird (BSGE 99, 137 ff RdNr 23 = SozR 4-1300 § 44 Nr 11). Auf die Frage, inwieweit sie bereites Vermögen sind, kommt es damit nicht an.

Bei dem Ausbildungsgeld handelt es sich um Einkünfte in Geld und damit um Einkommen iS des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch). Es ist auch nicht als zweckbestimmte Einnahme iS des § 83 SGB XII von der Einkommensanrechnung freigestellt. Eine nach § 83 Abs 1 SGB XII auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährte Leistung ist nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt wird (BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 16), der über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehen und zudem ein anderer als derjenige sein muss, für den die im Einzelfall in Frage stehende Sozialhilfe gewährt wird. Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften - ggf aber auch in dem Bescheid, der die Leistung bewilligt, oder auch nur in der Gesetzesbegründung - ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist (enger zu der vor dem 1.1.2005 geltenden Rechtslage nach dem BSHG noch: BVerwGE 69, 177 ff = Buchholz 436.0 § 77 BSHG Nr 7; anders auch zum Recht des SGB II: BSGE 101, 281 ff RdNr 15 = SozR 4-4200 § 11 Nr 14, weil dort - angeblich abweichend - keine "ausdrückliche" Zweckbestimmung verlangt werde). Der Verwendung des Worts "Zweck" bedarf es dabei jedenfalls nicht. Der ausdrückliche Zweck kommt schon durch Worte wie "zur Sicherung", "zum Ausgleich" etc ausreichend deutlich zum Ausdruck. Es kann auch genügen, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt (BSGE 90, 172, 175 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 13). Lässt sich danach ein "ausdrücklich genannter" Zweck der anderen Leistung feststellen, ist in einem zweiten Schritt der Zweck der konkret in Frage stehenden Sozialhilfeleistung zu ermitteln. In einem dritten Schritt sind die Zwecke der beiden Leistungen einander gegenüberzustellen. Nur wenn es dann an der Identität der Zwecke fehlt, ist die andere Leistung bei der Gewährung der Sozialhilfe nicht als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen (BVerwG aaO).

Eine ausdrückliche genannte Zweckbestimmung ist mit der Leistung hier nicht verbunden. Eine solche lässt sich weder dem Wortlaut der Regelungen über das Ausbildungsgeld entnehmen, noch gibt es sonst Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Gewährung von Ausbildungsgeld eine besondere Zwecksetzung verfolgt hätte, die er in §§ 104 ff SGB III zum Ausdruck gebracht hätte. Dies gilt insbesondere für die Annahme, dass es sich bei dem Ausbildungsgeld nach der Vorstellung des Gesetzgebers um eine Mehraufwandsentschädigung handeln solle (so aber: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.2.2009 - L 8/13 SO 7/07; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.2.2008 - L 23 SO 269/06). Dagegen spricht, dass ausbildungsbedingte Mehrkosten ohnehin nach Maßgabe der §§ 109 f SGB III übernommen werden. Hinweise darauf, dass das Ausbildungsgeld den Charakter einer daneben noch zu zahlenden zusätzlichen (pauschalen) Mehraufwandsentschädigung haben sollte, finden sich anders als beim Bundesausbildungsförderungsgesetz (hierzu BSG, Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R) nicht.

Auch kommen als Zweck des Ausbildungsgelds eine "fürsorgerische Leistung mit Taschengeldcharakter" (BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 8 S 21) und eine damit beabsichtigte Stärkung der Motivation zur Aufnahme oder Fortsetzung der Ausbildung (BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 1) weder in den maßgebenden Bestimmungen, noch in der Gesetzesbegründung oder sonst unzweideutig zum Ausdruck. Bei dem Anreizcharakter des Ausbildungsgelds handelt es sich vielmehr nur um ein Motiv für die Leistungserbringung seitens des Leistungserbringers, dem eine bestimmte Verhaltenserwartung beim Leistungsempfänger - allerdings nicht im Zusammenhang mit der Verwendung der Leistung - zugrunde liegt.

Eine Zweckbestimmung lässt sich nicht einmal dem Wortlaut der §§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB III entnehmen. Zwar werden danach die Leistungen "zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben" erbracht; hierin liegt aber keine Zweckbestimmung iS von § 83 Abs 1 SGB XII. Der Gesetzgeber statuiert mit jener Formulierung nur ein allgemeines, abstrakt-generelles Ziel für alle - damit eine Vielzahl von - Einzelleistungen oder gar nur eine Kategorisierung der Leistungen, die der Orientierung bei der Auslegung der Vorschriften über die allgemeinen (§§ 100, 101 SGB III) und die besonderen Leistungen (§§ 102 ff SGB III) dient. Eine Zweckbestimmung iS von § 83 SGB XII muss hingegen einen konkret-individuellen Bezug zu der jeweiligen Einzelleistung herstellen (vgl auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 83 SGB XII, RdNr 6).

Auch gesetzeshistorisch lässt sich eine Zweckbestimmung des Ausbildungsgelds nicht begründen. Die Vorschriften der §§ 104 ff SGB III über das Ausbildungsgeld im Rahmen der Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und damit auch § 107 SGB III knüpfen an die Regelungen der Anordnungen des Verwaltungsrates der BA über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha) des Arbeitsförderungsgesetzes an (vgl BT-Drucks 13/4941, S 174). Eine solche Anordnung wurde am 2.7.1970 erlassen (ANBA 637). Für die Förderung der beruflichen Ausbildung behinderter Menschen wurde danach Berufsausbildungsbeihilfe erbracht, die sich aus einem Bedarf für den Lebensunterhalt (§§ 17, 18 AReha 1970) und dem Bedarf für die Ausbildung oder für die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme zusammensetzte (§ 15 AReha 1970). Eine spezielle Regelung für in Werkstätten für behinderte Menschen tätige Personen gab es (noch) nicht. Als unmittelbare Vorläuferregelungen zu den heute geltenden §§ 104 ff SGB III können die Regelungen der AReha 1975 vom 31.7.1975 angesehen werden (ANBA 994). Diese Anordnung brachte Anpassungen, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7.8.1974 (RehaAnglG, BGBl I 1881) erforderlich geworden waren; insbesondere wurden die Vorschriften über die "Leistungen zum Lebensunterhalt" (so ausdrücklich die Überschrift zu den §§ 24 ff AReha 1975 bis zum Außerkrafttreten am 31.12.1997, mittlerweile wieder aufgegriffen in der Überschrift zu § 45 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ≪SGB IX≫) an die Vorgaben des RehaAnglG angepasst. Für an Bildungsmaßnahmen, die auf die Tätigkeit in einer WfbM ausgerichtet waren, teilnehmende behinderte Menschen sah § 24 Abs 5 AReha 1975 ein monatliches Ausbildungsgeld in Höhe von 60 DM im ersten Jahr der Maßnahme und von 80 DM im zweiten Jahr vor. Diese Regelung, die mit der 7. Änderungsanordnung vom 16.3.1982 (ANBA 575) als § 24 Abs 3 Nr 4 AReha und mit der 12. Änderungsanordnung vom 1.10.1986 (ANBA 1649) als § 24 Abs 5 AReha fortgeschrieben wurde, hatte - wie die festgesetzten Beträge zeigen - als Bezugspunkt für die Höhe des Ausbildungsgelds die Höhe eines künftig einmal zu erwartenden Werkstattentgelts (BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 1 S 4). Die Verbindung zwischen Ausbildungsgeld und Werkstattentgelt wurde später normativ ausdrücklich aufgegriffen, zunächst in § 13 Abs 2 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) vom 13.8.1980 (BGBl I 1365), dann in § 54b SchwbG idF des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23.7.1996 (BGBl I 1088) und gegenwärtig in § 138 Abs 2 SGB IX. Dieses Konzept hat der Gesetzgeber mit den §§ 104 ff SGB III fortgeführt. Eine besondere, über die Gewährung einer entgeltorientierten Leistung zur teilweisen Deckung des Lebensunterhalts hinausgehende Zweckbestimmung des Ausbildungsgelds nach den §§ 104 ff SGB III lässt sich dieser Entwicklung nicht entnehmen.

Gleichwohl bleibt das Ausbildungsgeld nach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII anrechnungsfrei. § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII sieht bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung neben den in § 82 Abs 2 SGB XII aufgeführten Absetzbeträgen für auf das Einkommen entrichtete Steuern etc auch die Absetzung bestimmter Freibeträge vor (30 vH, höchstens 50 vH des Eckregelsatzes); abweichend hiervon ist nach § 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII bei einer Beschäftigung in einer WfbM von dem Entgelt ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 vH des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. In begründeten Fällen kann nach Abs 3 Satz 3 dieser Vorschrift schließlich ein anderer als in Satz 1 (für das Einkommen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit) festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden.

Um einen solchen "begründeten Fall" handelt es sich bei dem dem Kläger gewährten Ausbildungsgeld, selbst wenn es kein Einkommen aus einer Tätigkeit im eigentlichen Sinn ist. Einkommen knüpft an eine Beschäftigung (des Behinderten) und an das dabei erzielte Arbeitsentgelt an. Als Arbeitsentgelt bezeichnet § 14 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; ferner gilt als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (§ 7 Abs 2 SGB IV).

Diese Voraussetzungen erfüllt eine Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer WfbM nicht. Leistungen im Berufsbildungsbereich einer WfbM werden erbracht, wenn sie erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136 SGB IX zu erbringen (§ 40 Abs 1 Nr 2 SGB IX). Die Maßnahme soll den behinderten Menschen also erst befähigen, eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen und in den Arbeitsbereich der Werkstatt (oder auf den allgemeinen Arbeitsmarkt) überzuwechseln (BSGE 73, 83, 88 = SozR 3-4100 § 58 Nr 5 S 15; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 8 S 17); sie hat nach Inhalt und Zielsetzung ausschließlich rehabilitativen Charakter (BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 8 S 20). Erst bei der im Anschluss an die Maßnahme im Arbeitsbereich erbrachten Arbeitsleistung in der Werkstatt handelt es sich um eine "entlohnte Beschäftigung" (SozR 3-8575 Art 2 § 10 Nr 1 S 6).

§ 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII findet allerdings bereits nach seinem Wortlaut nicht zwingend nur bei Einkommen aus einer selbstständigen oder nichtselbstständigen Tätigkeit Anwendung. Die Regelung ist vielmehr als Öffnungsklausel oder Auffangtatbestand (Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 82 SGB XII RdNr 106, Stand März 2007) zu verstehen, die es dem Sozialhilfeträger insbesondere zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung ermöglicht, von einer Einkommensanrechnung ganz oder teilweise abzusehen. Offen bleiben kann, ob die Vorschrift als generelle Härteklausel für alle denkbaren Einkommen zu verstehen ist, was nahe liegt, oder nur auf § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII rekurriert. Jedenfalls kommt sie für das Ausbildungsgeld zur Anwendung, weil dieses dem Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung - also der Konstellation des § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII - nahekommt. So begründet die Tätigkeit im Berufsbildungsbereich die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung außer in der Arbeitslosenversicherung (BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 9; SozR 3-2500 § 5 Nr 19), wird mithin als eine einer Beschäftigung vergleichbare Tätigkeit gewertet, bei der - wie bei der Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM - ohnehin nicht die üblicherweise sozialversicherungsrechtlich relevanten und kennzeichnenden Kriterien maßgebend sind. Die besondere Nähe zur Beschäftigung zeigt sich auch darin, dass sich das Ausbildungsgeld am späteren Verdienst orientiert.

Eine Berücksichtigung des Ausbildungsgelds als Einkommen würde vor diesem Hintergrund zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung gegenüber behinderten Menschen, die im Arbeitsbereich einer WfbM tätig sind und Werkstatteinkommen beziehen, führen. Von dem Arbeitsentgelt eines im Arbeitsbereich einer WfbM Beschäftigten bleibt das Arbeitsförderungsgeld (§ 43 SGB IX) in Höhe von 26 Euro monatlich nach § 82 Abs 2 Nr 5 SGB XII von vornherein und darüber hinaus nach Abs 3 Satz 2 der Vorschrift ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25 vH des diesen Betrag übersteigenden Arbeitsentgelts (ausgehend von einem Durchschnittseinkommen von damals 135 Euro; vgl Vater in Lachwitz/Schellhorn/Welti, Handkommentar zum SGB IX, 1. Aufl 2002, § 138 RdNr 16) anrechnungsfrei. Danach verbleibt dem behinderten Menschen, der im Arbeitsbereich einer WfbM beschäftigt ist, ein über dem Ausbildungsgeld liegender anrechnungsfreier Betrag.

Ein relevanter Unterschied zwischen behinderten Menschen im Arbeitsbereich einer WfbM und denen im Berufsbildungsbereich sowie dem Werkstattentgelt und dem Ausbildungsgeld existiert nicht. Die Tätigkeit im Berufsbildungsbereich und die sich anschließende Beschäftigung im Arbeitsbereich ist als ineinandergreifende und kontinuierliche Rehabilitationsleistung zu verstehen. Dies zeigt sich gerade bei dem von der BA geleisteten Ausbildungsgeld während der Tätigkeit im Berufsbildungsbereich (§ 104 Abs 1 Nr 3, § 107 SGB III) und dem Arbeitsentgelt iS des § 138 Abs 2 SGB IX nach Übergang in den Arbeitsbereich. Das nach Übergang in den Arbeitsbereich gezahlte Entgelt setzt sich nämlich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgelds, das die BA nach den für sie geltenden Vorschriften behinderten Menschen im Berufsbildungsbereich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammen (§ 138 Abs 2 Satz 1 SGB IX). Die Zusammensetzung des Entgelts aus leistungsunabhängigem Grund- und leistungsabhängigem Steigerungsbetrag (dazu Cramer, Werkstätten für behinderte Menschen, 5. Aufl 2009, § 138 SGB IX RdNr 34 ff) macht deutlich, dass es sich bei dem Werkstattentgelt - jedenfalls was den leistungsunabhängigen Grundbetrag angeht - nicht um ein Entgelt handelt, das den Marktwert einer erbrachten Leistung widerspiegelt, sondern dass insoweit nur sichergestellt werden soll, dass die behinderten Menschen nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs im Arbeitsbereich keine geringere Zahlung erhalten als im Berufsbildungsbereich (Cramer, aaO, RdNr 36). Hierdurch wird die zentrale Bedeutung der Werkstattbeschäftigung als Rehabilitationsleistung zementiert. Diese Nähe des Ausbildungsgelds zum Werkstatteinkommen rechtfertigt es nicht, nur letzteres zu privilegieren. Würde das Ausbildungsgeld auf den Bedarf des Klägers angerechnet, stünde er sich aber schlechter als ein im Arbeitsbereich einer WfbM Beschäftigter.

Zudem besteht die sozialpolitische Funktion des § 82 Abs 3 SGB XII darin, einen Anreiz zu schaffen, Arbeit aufzunehmen, die Arbeitsleistung zu steigern und den Arbeitswillen zu erhalten (BVerwG Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr 13; Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 82 RdNr 76 Stand 6/08; Brühl in Lehr- und Praxiskommentar ≪LPK≫-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 82 SGB XII RdNr 75). Die Auffangregelung des Abs 3 Satz 3 der Vorschrift soll dem Hilfeträger die Möglichkeit eröffnen, flexibel zu reagieren (vgl Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, BT-Drucks 15/1514, S 65 zu § 77 des Entwurfs aE; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 82 SGB XII RdNr 50; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 82 SGB XII RdNr 82 f, Stand Dezember 2009). Dabei stellt ein Beispiel in der Gesetzesbegründung (aaO) ausdrücklich auf das "Erfordernis eines besonderen Anreizes" ab. Der - gerichtlich voll nachprüfbare - unbestimmte Rechtsbegriff "in begründeten Fällen" ist im Sinne dieser Zweckbestimmung der Norm ausfüllungsbedürftig. Da dem Ausbildungsgeld ebenso wie dem Werkstatteinkommen - wie oben dargestellt - Anreizfunktion - bezogen auf die berufliche Bildung - zukommt (BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 1) und das Werkstatteinkommen gemäß § 108 Abs 1 SGB III auf den Bedarf bei Maßnahmen in einer WfbM (ebenfalls) nicht angerechnet wird, liegt ein "begründeter Fall" vor. Es bestünde ein Wertungswiderspruch, wenn das Ausbildungsgeld - und sei es nur teilweise - auf die dem behinderten Menschen zustehende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Anrechnung fände. Das dem Beklagten durch die Vorschrift ("… kann …") eingeräumte Ermessen ist bei einer Sachlage wie der vorliegenden auf die eine richtige Entscheidung der Nichtanrechnung des Ausbildungsgelds - mithin auf Null - reduziert. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber das Ausbildungsgeld - anders als das Arbeitsförderungsgeld (s § 82 Abs 2 Nr 5 SGB XII) - nicht ausdrücklich privilegiert hat.

Zu Unrecht hat das LSG schließlich unter Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII das dem Kläger kostenlos zur Verfügung gestellte Mittagessen in der WfbM bedarfsmindernd berücksichtigt. Nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII werden die Bedarfe abweichend - geringer - festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 99, 252 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 3) kommt eine solche bedarfsmindernde Berücksichtigung von Zuwendungen nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII nur in Betracht, wenn diese von einem Träger der Sozialhilfe als Leistung nach dem SGB XII erbracht werden. Eine Berücksichtigung als Einkommen scheidet dann nämlich schon deshalb aus, weil nach § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII Leistungen nach dem SGB XII von dem Einkommensbegriff ausdrücklich ausgenommen sind. Dies ist der maßgebende Gesichtspunkt für die Abgrenzung beider Vorschriften (BSG, aaO, RdNr 19). Der Anwendungsbereich des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII ist deshalb zur Vermeidung von Doppelleistungen dann eröffnet, wenn es bei der Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt - etwa als Teil der Eingliederungshilfeleistung - (vgl dazu grundlegend BSGE 102, 126 ff = SozR 4-3500 § 54 Nr 3) zu Überschneidungen mit den durch den Regelsatz nach § 28 Abs 1 Satz 1 SGB XII pauschal abgegoltenen tatsächlichen Bedarfen kommt. Einer solchen Überschneidung kann nicht im Rahmen der Einkommensberücksichtigung, sondern allein durch Minderung des Bedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII begegnet werden, soweit die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Absenkung des Regelsatzes vorliegen. In anderen Fällen, in denen - wie hier - die Leistung nicht (institutionell) als Sozialhilfe erbracht wird, ist im Rahmen der normativen Abgrenzung eine Berücksichtigung als Einkommen iS von § 82 SGB XII zu prüfen; Einkommen mindert also im Sinne der gesetzlichen Regelung nicht bereits den Bedarf.

Im Hinblick auf die Rechtslage im Rahmen des SGB II ist das Mittagessen aus Harmonisierungsgründen aber - wie dort - nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dort fehlte es - bei einer dem SGB XII im Übrigen ähnlichen Rechtslage - bis 31.12.2007 an einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage (§ 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - ≪SGB I≫). Nach § 96 Abs 1 SGB XII bzw bis 31.12.2004 nach § 76 Abs 3 BSHG kann bzw konnte die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung Näheres über die Berechnung des Einkommens bestimmen. Auf Grund des Wortlauts und der Struktur der Verordnungsermächtigung muss selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass die Gewährung von Verpflegung eine Einnahme in Geldeswert iS des § 82 Abs 1 SGB XII ist - was jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit erbracht wird -, in der Verordnung zu § 82 SGB XII ausdrücklich geregelt werden, wie dieses Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) im Recht des SGB II zur fehlenden Rechtsgrundlage für eine Berücksichtigung anderweitig bereitgestellter Vollverpflegung (Verköstigung während eines stationären Krankenhausaufenthalts als Einkommen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen: BSGE 101, 70 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 11; zur kostenfreien Verpflegung durch Familienangehörige in der Haushaltsgemeinschaft: BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R; ebenso zur Verpflegung in der Justizvollzugsanstalt: BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 9/08 R).

Wie die (in der WfbM) bereitgestellte Verpflegung im Einzelnen als Einkommen zu berechnen ist, regelt die Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 82 SGB XII (hier idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) bei sachgerechter Auslegung nicht. Zwar enthält § 2 DVO zu § 82 SGB XII eine Regelung über die Bewertung von Sachbezügen. Danach sind für die Bewertung von Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Kost, Wohnung und sonstige Sachbezüge), die auf Grund des § 17 Abs 2 SGB IV für die Sozialversicherung zuletzt festgesetzten Werte der Sachbezüge maßgebend. Sachbezüge werden durch die Sachbezugsverordnung (hier idF vom 22.10.2004 - BGBl I 2663; ab 1.1.2007 Sozialversicherungsentgeltverordnung) festgesetzt. Nach dessen § 1 Abs 1 beträgt der Wert des als Sachbezug zur Verfügung gestellten Mittagessens monatlich 78,25 Euro. Die Vollverpflegung wird dort mit einem Wert von monatlich 200,30 Euro festgesetzt. § 2 der DVO zu § 82 SGB XII und die in Bezug genommene Sachbezugsverordnung sind aber erkennbar auf die Bewertung von Sachbezügen aus nichtselbstständiger Tätigkeit gerichtet. So regelt § 2 Abs 2 der DVO zu § 82 SGB XII die Anwendbarkeit von Abs 1 auch in den Fällen, in denen der Wert der Sachbezüge in einem Tarifvertrag, einer Tarifordnung, einer Betriebs- oder Dienstordnung, einer Betriebsvereinbarung, einem Arbeitsvertrag oder einem sonstigen Vertrag festgesetzt worden ist, und zeigt damit deutlich, dass die Vorschrift (nur) auf nichtselbstständige Beschäftigungen zielt. Dies macht außerdem die Sachbezugsverordnung deutlich, die mehrfach von Beschäftigten eines Arbeitgebers spricht, etwa in § 1 Abs 2, § 3 Abs 2 und § 6 Abs 3. Andernfalls wäre auch nicht zu erklären, weshalb die DVO zu § 82 SGB XII den Wert, der für die Vollverpflegung in Ansatz zu bringen ist, mit mehr als 60 % des Regelsatzes von 331 Euro bestimmt, während der Bedarfsanteil für Ernährung, Getränke und Tabakwaren im Regelsatz nur etwa 38 % beträgt (BSGE 99, 252 ff RdNr 24 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3).

Selbst wenn der Verordnungsgeber in § 2 DVO zu § 82 SGB XII alle Sachbezüge erfasst wissen wollte, wäre die Regelung zur Harmonisierung mit der Einkommensberücksichtigung im Recht des SGB II durch die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V vom 20.10.2004 - BGBl I 2622) nur auf Sachbezüge aus nichtselbstständiger Tätigkeit anzuwenden. Für Sachbezüge aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit fand sich eine § 2 DVO zu § 82 SGB XII vergleichbare Regelung in § 2 Abs 4 Alg II-V. Sachleistungen aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit waren danach nach der Sachbezugsverordnung (bis 31.12.2006) bzw der Sozialversicherungsentgeltverordnung (ab 1.1.2007) in der jeweils geltenden Fassung zu bewerten. Für die Berechnung des Einkommens aus Einnahmen, die keine Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit sind, regelte § 2b Alg II-V (idF der Ersten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22.8.2005 - BGBl I 2499) eine entsprechende Anwendung des § 2 Alg II-V. Das BSG hat hierzu allerdings zu Recht ausgeführt, dass die Berücksichtigung von im Krankenhaus oder von Verwandten gewährter kostenloser Nahrung nicht "entsprechend" bewertet werden könne wie die innerhalb einer abhängigen Beschäftigung (als Lohnbestandteil) gewährte kostenfreie Ernährung (BSG, aaO, RdNr 17).

Nichts Anderes gilt für das in der WfbM zur Verfügung gestellte kostenlose Mittagessen aus Mitteln der BA. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88; 93, 386, 397). Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Gesetzgeber also, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 112, 164, 174 = SozR 4-7410 § 32 Nr 1 RdNr 13, unter Bezug auf BVerfGE 98, 365, 385). Zwar hat der Gesetzgeber bei Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 16). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen aber in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 51). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal reichen die Anforderungen an den Differenzierungsgrund dabei vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (BVerfGE 107, 27, 45 f; 112, 164, 174 = SozR 4-7410 § 32 Nr 1 RdNr 14; BVerfG SozR 4-2500 § 240 Nr 11 RdNr 12). Differenzierungen, die dem Gesetzgeber verboten sind, dürfen auch von den Gerichten im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften nicht für Recht erkannt werden (BVerfGE 84, 197, 199; 112, 164, 174 = SozR, aaO, RdNr 13). Ist von mehreren Auslegungen nur eine mit dem Grundgesetz vereinbar, muss diese gewählt werden (BVerfGE 112, 164, 182 f = SozR 4-7410 § 32 Nr 1 RdNr 32; vgl auch BSG SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 19 mwN). Entsprechend sind unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und nach dem SGB XII bei der Bewertung von Sachbezügen gleich zu behandeln, soweit kein (rechtfertigender) Grund für eine unterschiedliche Behandlung erkennbar ist. Insoweit existiert bei der Bewertung von kostenlosem Essen als Einkommen im Recht des SGB II kein Bezug zu der dem SGB II immanenten Erwerbsbezogenheit.

Für die Zeit ab 1.1.2008, für die die Alg II-V vom 17.12.2007 (BGBl I 2942) dann eine genaue Regelung enthält (vgl § 2 Abs 5 iVm § 4 Alg II-V, wonach Vollverpflegung pauschal in Höhe von monatlich 35 % der nach § 20 SGB II maßgebenden monatlichen Regelleistung als Einkommen zu berücksichtigen war), wurden vom 14. Senat des BSG deutliche Zweifel an der Ermächtigungskonformität angemeldet (BSGE 101, 70 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 11; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R). Unter Hinweis hierauf (vgl die nichtamtliche Begründung, abgedruckt bei Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 13 RdNr 259, Stand März 2010) wurde die Verordnung dann später - rückwirkend zum 1.1.2008 - wieder dahin geändert, dass die - erneut geänderte - Regelung des § 2 Abs 5 Alg II-V für kostenlos bereitgestellte Verpflegung nur noch für Einkommen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Arbeit sowie bei Wehr- und Ersatzzeiten Anwendung findet (§ 1 Abs 1 Nr 11 Alg II-V). Keine dieser Varianten ist vorliegend einschlägig. Wollte man schließlich zur Berücksichtigung kostenloser Verpflegung als Einkommen die gegenteilige Auffassung vertreten, wäre zu prüfen, ob dann nicht zur Harmonisierung der Grundsicherungssysteme SGB II und SGB XII auf § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII im Sinne einer generellen Härteregelung zurückgegriffen werden müsste.

Ist das Mittagessen aber, obwohl Einkommen, nicht als solches zu berücksichtigen, kann dieses Ergebnis nicht wieder durch einen Rückgriff auf § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII konterkariert werden. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII insoweit nur zur Anwendung gelangt, wenn eine Bewertung der Sachbezüge deshalb ausscheidet, weil es sich um Leistungen nach dem SGB XII handelt. Für eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wenn ein Bedarf anderweitig gedeckt ist, weil "der Leistungsberechtigte einzelne Leistungen von dritter Seite erhält, zB unentgeltliches Essen" (BT-Drucks 15/1514, S 59), bleibt dann immer noch ein Anwendungsbereich.

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2347466

NVwZ-RR 2010, 983

DVP 2011, 260

FEVS 2011, 345

NZS 2011, 195

SGb 2011, 153

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