Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. September 1986 – VI KRBf 17/83 – aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Umstritten ist die Verpflichtung der beklagten Ersatzkasse, die Klägerin von Krankenhauskosten für die Zeit vom 10. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1981 freizuhalten.

Die 1923 geborene Klägerin befand sich wegen einer Psychose von 1960 bis 1983 im Allgemeinen Krankenhaus 0. … (AKH 0.) in H. … Seither lebt sie in einem Pflegeheim. Sie ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Ferner steht ihr ein vertraglicher Versorgungsanspruch zu. Aufgrund einer im Rahmen erbschaftlicher Regelungen getroffenen notariellen Vereinbarung ist ihre Schwester, die Beigeladene zu 2), u.a. verpflichtet, ihr die Pflegekosten, die durch den Aufenthalt im AKH 0. oder in einer anderen staatlichen Pflegeanstalt entstehen, von der Hand zu halten und diese für sie zu tragen; dabei steht es ihrer Schwester frei, die Pflegekosten durch eigene Leistungen oder durch Leistungen aus einem Krankenversicherungsvertrag, den sie bereits für die Klägerin abgeschlossen hat und deren Beiträge sie zahlt, aufzubringen.

Vor der hier streitbefangenen Zeit hatte die Beklagte wiederholt, zuletzt ab November 1972, die Krankenhauskosten getragen, dann zwar die Einstellung ihrer Zahlung zum 1. November 1974 angekündigt, aber schließlich am 24. Juni 1975 der Schwester der Klägerin auf deren Widerspruch mitgeteilt, daß auch jetzt noch die Voraussetzungen des § 184 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erfüllt seien und deshalb, solange ein Pflege- oder Bewahrfall nicht vorliege, die Kostenzusage gegenüber dem AKH 0. über den 31. Oktober 1974 hinaus aufrechterhalten werde.

Mit Schreiben vom 9. Januar 1978 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 2) mit, daß die Klägerin nicht mehr zur Behandlung ihres Leidens, sondern nur noch zur Pflege im AKH 0. verweile und deshalb mit dem 9 Januar 1978 die Kostenübernahme eingestellt werde. Eine entsprechende Benachrichtigung erhielt auch das Krankenhaus. In der Folgezeit bis zum 31. Dezember 1981 war dann die Beigeladene zu 1) als Sozialhilfeträgerin für die Kosten eingetreten, sie verlangt aber Erstattung ihrer Aufwendungen von der Beigeladenen zu 2).

Nachdem der Pfleger der Klägerin gerügt hatte, daß die Beigeladene zu 2) nicht die richtige Adressatin der Einstellungsnachricht sei, richtete die Beklagte am 31. Oktober 1979 einen Bescheid gleichen Inhalts an die Klägerin (beim Pfleger der Klägerin eingegangen am 1. November 1979). Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Ansicht des Sozialgerichts (SG) könnte die Klägerin die Erstattung der Kosten an die Sozialhilfeträgerin nur verlangen, wenn sie ein schutzwürdiges Interesse daran hätte; der Klägerin fehle ein solches Interesse, denn sie müsse keinen Rückgriff der Sozialhilfeträgerin auf sich befürchten.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 1979 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 1979 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Krankenhauskosten für die streitbefangene Zeit freizuhalten. Zur Begründung führt es aus: Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i.S. des § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei zulässig. Die Klägerin sei durch die angefochtenen Bescheide beschwert; sie verliere ihren Anspruch auf Bezahlung ihres Krankenhausaufenthalts, wenn es bei den Bescheiden bleibe. In bezug auf die Leistungsklage sei das Interesse der Klägerin, sich den Schuldner auszusuchen, als rechtsschutzwürdig anzuerkennen; nach Ansicht der Klägerin habe die Beklagte vorrangig für die Kosten aufzukommen, die Beigeladene zu 2) nur subsidiär. Der Freihalteanspruch stehe der Klägerin als Mitglied der Beklagten zu. Die angefochtenen Bescheide verstießen gegen § 77 SGG. Bindend i.S. dieser Bestimmung sei die Leistungsbewilligung vom 24. Juni 1975. Über die Gewährung von Krankenhauspflege könne durch Verwaltungsakt entschieden werden. Der Bescheid vom 24. Juni 1975 sei zwar an die Beigeladene zu 2) adressiert gewesen, seine Bestandskraft erstrecke sich aber auch auf das Verhältnis zur Klägerin. Die Bestandskraft verbiete der Beklagten, die Leistungszusage einseitig zum Nachteil der Klägerin zu ändern. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klausel, „solange ein Pflege- und Bewahrfall nicht vorliegt, werden wir unsere Kostenzusage … aufrechterhalten”, eine auflösende Bedingung (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – SGB X –) oder einen Widerrufsvorbehalt (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 SGB X) darstelle. Da die Klägerin schon 1975 ein „Pflege- oder Bewahrfall” gewesen sei, könne der Leistungsbescheid weder entsprechend § 158 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seine Wirkung verlieren, noch gemäß § 47 Abs. 1 SGB X widerrufen werden. Die oben angegebene Klausel könne nicht dahin umgedeutet werden, daß der Bescheid vom 24. Juni 1975 außer Kraft treten oder widerrufen werden solle, wenn sich herausstelle, daß ein Behandlungsfall gar nicht vorgelegen habe. Denn dies sei der Streitpunkt gewesen, der mit dem Bescheid habe verbindlich geklärt werden sollen. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X (Fristwahrung, Ermessenserwägungen) seien nicht erfüllt. Schließlich berechtige auch § 48 SGB X nicht zur Änderung des Leistungsbescheides, denn die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Die Beklagte müsse ihre „Kostenzusage” über den 9. Januar 1978 hinaus erfüllen. Dies könne nicht mehr in der ursprünglichen Form direkter Zahlungen an das Krankenhaus geschehen; nun sei nach § 104 SGB X die Beigeladene zu 1) erstattungsberechtigt. Eine Änderung sei allerdings zu Gunsten der Klägerin eingetreten. Nach § 8 Abs. 5 der am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen Neufassung des zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) geschlossenen Kostenteilungsabkommens sei der Abkommensanspruch der Klägerin gegen die Krankenkasse für längstens 3 Jahre wieder aufgelebt. Die Beklagte hätte also die Krankenhausbehandlung vom Januar 1979 an auch dann zu übernehmen, wenn sie nicht schon durch ihre Zusage gebunden wäre.

Mit der Revision rügt die Beklagte, das LSG habe § 1531 RVO in der bis zum 30. Juni 1983 geltenden Fassung, § 77 SGG sowie §§ 47, 48 und 104 SGB X verletzt. Ein schutzwürdiges Interesse für den hier umstrittenen Freistellungsanspruch habe das SG mit überzeugender Begründung verneint. Die von der Beigeladenen zu 1) gemäß § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bewirkte Überleitung des Anspruchs der Klägerin gegen ihre Schwester bedeute, daß die Beigeladene zu 1) in die volle Gläubigerstellung der Klägerin eingetreten sei. Im übrigen sei der Freistellungsanspruch unbegründet. Nach den insoweit zutreffenden Feststellungen des LSG seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Krankenhauspflege in der hier strittigen Zeit nicht gegeben gewesen. Der Bescheid vom 24. Juni 1975 habe sie (die Beklagte) nicht gehindert, die Leistungszusage zum Nachteil der Klägerin zu ändern. Die Gewährung der als Sachleistung zu erbringenden Krankenhauspflege sei wie die Krankenpflege in der Regel nicht von einer gegenüber dem Versicherten durch Verwaltungsakt zu erteilenden Kostenzusage abhängig. Der Wegfall der (Krankenhaus-)Behandlungsbedürftigkeit beende zugleich die Leistungsgewährung (Entlassung aus dem Krankenhaus). Die hier erfolgte ausdrückliche Kostenzusage sei darauf zurückzuführen, daß Meinungsverschiedenheiten bestanden hätten, sie (die Beklagte) jedoch nach Auswertung vorliegender medizinischer Erkenntnisse zu dem Ergebnis gelangt sei, bis auf weiteres – „solange ein Pflege- oder Bewahrfall nicht vorliegt” – Krankenhauspflege gewähren zu müssen. Schon dieser Vorbehalt habe es ihr erlaubt, die Kostenzusage mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen. § 47 SGB X sei auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte entsprechend anwendbar. Das LSG verneine auch zu Unrecht die Voraussetzungen des § 48 SGB X. Für die Kostenzusage seien die seinerzeit objektiv vorliegenden Verhältnisse maßgebend gewesen, insbesondere die ärztlichen Äußerungen, nach denen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse liege in der abweichenden ärztlichen Beurteilung. Entgegen der Ansicht des LSG sei sie nicht nach § 3 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 5 des ab 1. Januar 1979 gültigen Kostenteilungsabkommens leistungspflichtig gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. September 1986 – VI KRBf 17/83 – aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. April 1983 – 21 KR 4/80 – zurückzuweisen.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 2) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie lassen durch ihren gemeinsamen Prozeßbevollmächtigten vortragen: Soweit die Beklagte ein schutzwürdiges Interesse für die Verpflichtungsklage verneine, gingen ihre Ausführungen ins Leere. Gegenstand des Rechtsstreits sei der Bescheid vom 31. Oktober 1979, durch den die Beklagte ihre Leistungszusage vom 24. Juni 1975 rückwirkend ab 10. Januar 1978 aufgehoben habe. Wegen der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht sei der Freistellungsantrag im Hinblick auf die weiter verfolgte Anfechtung überflüssig. Solange die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides in Frage stehe, sei ein schutzwürdiges Interesse immer gegeben. Das SG hätte ein schutzwürdiges Interesse auch deshalb bejahen müssen, weil mit der Überleitung des Versorgungsanspruchs in die Rechte der Klägerin eingegriffen worden sei. Schließlich bleibe festzustellen, daß die im Verhältnis zur Leistungspflicht der Beklagten nachrangige Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) gleichfalls umstritten sei. Die Beigeladene zu 2) habe ihre Unterhaltsverpflichtung durch das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Krankenversicherungsverhältnis erfüllen wollen. Den Ausführungen der Beklagten zur Anwendung der §§ 47 und 48 SGB X könne ebenfalls nicht gefolgt werden. § 47 SGB X dürfe nicht zur Aushöhlung des durch § 45 SGB X anerkannten Vertrauensschutzes führen. Ein (Widerrufs-)Vorbehalt sei hier nicht nach § 32 SGB X zulässig gewesen. Die Klausel, solange ein Pflege- und Bewahrfall nicht vorliege, beinhalte nur eine Wiederholung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungspflicht. Diese Voraussetzungen könnten nicht gleichzeitig zum Gegenstand eines Vorbehalts gemacht werden, sonst wäre der Verwaltung im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen jederzeit die Möglichkeit eröffnet, die Bestandskraft von Verwaltungsakten zu unterlaufen. Soweit die Beklagte mit den Vorinstanzen der Ansicht sei, daß schon im Juni 1975 ein Pflege- und Bewahrfall vorgelegen habe, werde nicht eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 48 SGB X geltend gemacht. Ein Verwaltungsakt, der von Anfang an auf einem unzutreffend bewerteten medizinischen Sachverhalt beruhe, sei lediglich ein von Anfang an rechtswidriger Verwaltungsakt. Dieser könne nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden.

Die Beigeladene zu 1 hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Streitsache an das LSG begründet.

Das LSG bejaht zu Recht die Zulässigkeit der Klage. In diesem Rechtsstreit ist über eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage i.S. des § 54 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Die Klägerin hat den Antrag gestellt, den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 1979 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie von Krankenhauskosten für die Zeit vom 10. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1981 freizuhalten. Hinsichtlich der Anfechtungsklage steht die Zulässigkeit der Klage außer Frage. Hinsichtlich der Leistungsklage wird von der Beklagten ein schutzwürdiges Interesse verneint, weil die Klägerin keinen Rückgriff der Sozialhilfeträgerin auf sich befürchten müsse. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Klägerin nicht die Möglichkeit genommen werden darf, die Inanspruchnahme eines Familienangehörigen, ihrer Schwester, abzuwenden. Auch insoweit hat sie ein schutzwürdiges Interesse. Der Zulässigkeit der Leistungsklage steht schließlich nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entgegen, wonach für diese Klage ein Rechtsschutzinteresse zu verneinen ist, soweit sich die Verpflichtung zur Leistung bereits aus der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes – eines Entziehungsbescheides – ergibt, also das Klageziel schon allein durch eine isolierte Anfechtungsklage i.S. des § 54 Abs. 1 SGG erreicht werden kann (BSGE 59, 227 = SozR 4100 § 134 AFG Nr. 29; BSGE 61, 62 = SozR 2200 § 116 RVO Nr. 9; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand: März 1987, Seite 185/13-4/6-). Im vorliegenden Fall ist gerade umstritten, ob es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Entziehungsbescheid handelt. Die Beklagte wendet ein, über die Gewährung von Krankenhauspflege sei nicht durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Sie verneint damit das Vorliegen eines rechtsverbindlichen Bewilligungsbescheides, der mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides über die Einstellung der Krankenhauspflege in seiner ursprünglichen Fassung wieder hergestellt werden könnte. Bei diesem Streitverhältnis besteht für die Klägerin auch für die Leistungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis.

In der Sache ist mit dem LSG davon auszugehen, daß die Beklagte über die seit 1972 fortlaufend gewährte Krankenhauspflege einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erlassen hatte. Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, daß die Inanspruchnahme von Krankenhauspflege ebenso wie die Inanspruchnahme von ambulanter ärztlicher Behandlung keinen Verwaltungsakt voraussetzt (vgl. § 188, §§ 368d, 368e sowie § 184 Abs. 2 und § 368 Abs. 2 Satz 2 RVO; BSGE 59, 172, 177 SozR 2200 § 368 RVO Nr. 9). Das schließt aber eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht aus. So hat auch im vorliegenden Fall die Beklagte eine ausdrückliche Entscheidung getroffen. In einem an die Schwester der Klägerin gerichteten Schreiben vom 24. Juni 1975 hat sie zur Erledigung eines Widerspruchs mitgeteilt, daß sie, solange ein Pflege- und Bewahrfall nicht vorliegt, die Kostenzusage gegenüber dem AKH 0. über den 31. Oktober 1974 hinaus aufrechterhält. Diese Mitteilung enthält eine Entscheidung, die zur Regelung eines Einzelfalls getroffen worden und auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet gewesen ist (§ 31 SGB X). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Verwaltungsakt der Klägerin selbst ordnungsgemäß bekanntgegeben worden ist, insbesondere, wie sie behauptet, ob ihr Pfleger die Beigeladene zu 2) zur Entgegennahme des Verwaltungsaktes bevollmächtigt hatte. Jedenfalls konnte sich die Klägerin auf diese „Kostenzusage” verlassen, die Beklagte ist an sie gebunden. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sich die Beklagte nicht daran halten wollte (Schroeder-Printzen, SGB X; Kommentar, 1981, § 39 Anm. 4; Hauck/Haines, SGB X, Stand: Februar 1987, § 39 Rdnr. 17; BVerwGE 44, 294).

Diesen Verwaltungsakt durfte die Beklagte aber, wenn die Voraussetzungen für die Krankenhauspflege nicht mehr vorlagen, mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Dazu war sie auch dann berechtigt, wenn die Klägerin schon bei Erteilung des Bescheides vom 24. Juni 1975 nicht mehr einer Krankenhausbehandlung bedurfte. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Klausel, „solange ein Pflege- oder Bewahrfall nicht vorliegt”, einen rechtswirksamen Widerrufsvorbehalt i.S. des § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB X darstellt. Der Widerruf ist durch Gesetz zugelassen und daher nicht von einem in den Verwaltungsakt aufgenommenen Widerrufsvorbehalt abhängig. Eine solche Zulassung durch Gesetz setzt nicht eine ausdrückliche Bestimmung voraus. Sie kann sich auch aus der jeweiligen gesetzlichen Gesamtregelung ergeben (Peters/Sautter/Wolff a.a.O., Seite 172/35 und 172/48; vgl. ferner: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, Kommentar, 1978, § 48 Rdnr. 2 und § 49 Rdnr. 11; Kopp, VwVfG, Kommentar, 4. Aufl., § 49 Rdnr. 24ff.; Obermayer, Kommentar zum VwVfG, 1983, § 49, Rdnr. 23ff.). Allerdings sind an eine dahingehende Auslegung strenge Anforderungen zu stellen. Es genügt nicht, daß das Gesetz genau bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Leistung zu gewähren ist. Wollte man bereits darin eine gesetzliche Zulassung des Widerrufs für den Fall annehmen, daß die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen, würde man die gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Bestandskraft unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte unterlaufen. Es muß sich vielmehr aus dem Gesetz ergeben, daß die Verwaltung jederzeit die Möglichkeit haben soll, eine den jeweiligen Gegebenheiten entsprechende Regelung zu treffen und dem Betroffenen insoweit ein Vertrauensschutz nicht zusteht. Das ist hier der Fall. Der Umstand, daß der Verwaltungsakt eventuell von Anfang an rechtswidrig war, schließt das Widerrufsrecht nicht aus (Schroeder-Printzen/Wiesner a.a.O., § 47 Rdnr. 3; Kopp a.a.O., § 49 Rdnr. 7).

Die gesetzliche Ausgestaltung der Ansprüche des Versicherten auf ärztliche Behandlung und Krankenhauspflege wird von dem Grundsatz geprägt, daß die Behandlungsmaßnahmen dem jeweiligen Bedürfnis anzupassen sind. Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung sieht vor, daß die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen von dem die Behandlung durchführenden Arzt bzw. Krankenhaus aktuell zu bestimmen sind. Der Versicherte nimmt die ihm zustehende Krankenpflege dadurch in Anspruch, daß er nach seiner Wahl einen an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt bzw. – aufgrund einer ärztlichen Verordnung (§ 368 Abs. 2 Satz 2 RVO) – ein zur Behandlung von versicherten zugelassenes Krankenhaus aufsucht (§ 368d Abs. 1 bzw. § 184 Abs. 2 RVO). Die ihm vom Arzt bzw. Krankenhaus zu gewährende Behandlung muß ausreichend und zweckmäßig sein und darf das Maß des Notwendigen nicht über schreiten (§ 182 Abs. 2 und § 368e sowie § 184 Abs. 1 Satz 2 RVO). Hält sich der Arzt bzw. das Krankenhaus nicht an diesen gesetzlichen Leistungsrahmen, so schränkt das seinen Vergütungsanspruch ein. Die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, Leistungen zu vergüten, die dem Versicherten nicht zustehen. Die Abrechnungen des Arztes sind gegebenenfalls zu berichtigen oder wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise zu kürzen (§ 368n Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 und Abs. 5 RVO, § 368a Abs. 4 und 5 368g RVO i.V.m. §§ 33ff. des Bundesmantelvertrages-Ärzte). Auch das Krankenhaus ist zur Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit verpflichtet (§ 373 Abs. 2 RVO). Der Krankenkasse ist es untersagt, nicht zustehende Leistungen nachträglich zu bewilligen (§ 368e Satz 2 Halbsatz 2 RVO). Schon daraus folgt, daß die Krankenkasse zum Widerruf von Leistungszusagen mit Wirkung für die Zukunft nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, soweit Krankenpflege bzw. Krankenhauspflege nicht mehr zusteht.

Es ergibt sich aus der Natur der Sache, daß der Versicherte einen Anspruch auf diejenige Behandlung hat, die gerade zur gegebenen Zeit erforderlich ist. Der Anspruch ist also stets abhängig von den aktuellen Verhältnissen, von dem gegenwärtigen Krankheitszustand und den gegenwärtigen Behandlungsmöglichkeiten. Eine Verwaltungsentscheidung, die einen Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Krankenhauspflege anerkennt, kann daher nur in diesem zeitbezogenen Sinne verstanden werden. Auch bei gleichbleibenden objektiven Verhältnissen können sich die diagnostischen Beurteilungen und die therapeutischen Erwartungen ändern. Es liegt auf der Hand, daß auch in diesen Fällen der Behandlungsanspruch der Versicherten sich nach dem gegenwärtigen Behandlungsbedarf richtet. Die Anerkennung eines Anspruchs auf Krankenhauspflege steht deshalb unter dem Vorbehalt der Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten. Die Weitergewährung von Krankenhauspflege setzt zunächst voraus, daß diese Leistung überhaupt noch erbracht werden kann. Das Gesetz beschreibt die Krankenhauspflege als eine zielgerichtete Behandlung. Bezweckt die Aufnahme in ein Krankenhaus nicht, die Krankheit zu erkennen oder zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, sondern wird sie lediglich wegen einer Hilfsbedürftigkeit veranlaßt, so handelt es sich nicht um eine Krankenhauspflege i.S. des Krankenversicherungsrechts. Die in § 184 Abs. 1 RVO genannten Behandlungsziele sind nicht nur Voraussetzungen des Anspruchs, sondern auch Wesensmerkmale der Leistung. Die Krankenhauspflege kann nicht mehr erbracht werden, wenn die ärztlichen Erkenntnisse ergeben, daß der Zustand des Versicherten dieser Behandlung nicht mehr zugänglich ist. Die Anerkennung eines Anspruchs auf Krankenhauspflege steht ferner unter dem Vorbehalt, daß sie auch weiterhin notwendig ist. Ist die erforderliche und mögliche Krankenbehandlung nicht (mehr) auf die besonderen Mittel des Krankenhauses angewiesen, so hat die Krankenkasse auch diesem Umstand Rechnung zu tragen. Eine begonnene Krankenhauspflege ist demgemäß zu beenden, wenn sich herausstellt, daß die erforderliche und mögliche Krankenbehandlung ambulant erbracht werden kann.

Dieser Auslegung des Gesetzes stehen Gründe des Vertrauensschutzes nicht entgegen. Dem Versicherten wird der Versicherungsanspruch auf umfassende Krankenbehandlung nicht genommen. Die Anpassung der Behandlung an die jeweils gegebenen Verhältnisse betrifft nur die Frage, ob die Erkrankung des Versicherten (noch) einer Behandlung zugänglich ist, gegebenenfalls welche Mittel hierfür einzusetzen sind. Der Versicherte kann kein schutzwürdiges Interesse an einer bestimmten Krankenbehandlung oder Krankenhauspflege haben, wenn eine zielgerichtete medizinische Behandlung überhaupt nicht mehr oder mit geringerem Aufwand möglich ist. Sein berechtigtes Interesse kann sich nur darauf erstrecken, daß er die jeweils erforderliche Krankenbehandlung erhält. Würde man der Krankenkasse das Recht vorenthalten, ihre Krankenpflegeleistungen den jeweiligen Behandlungsbedürfnissen anzupassen, müßte sie unter Umständen eine kostenlose Unterbringung und Versorgung in einem Krankenhaus auf Lebenszeit gewähren, auch wenn eine zielgerichtete Krankenhauspflege nicht mehr möglich ist oder eine ambulante Behandlung ausreicht (z.B. wenn – wie im vorliegenden Fall vom LSG angenommen – wegen Fristablaufs eine Rücknahme nach § 45 SGB X oder wegen Unbeweisbarkeit einer wesentlichen Änderung eine Aufhebung nach § 48 SGB X ausgeschlossen ist).

Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil noch weitere Tatsachenfragen zu klären sind, mit denen sich das LSG aufgrund seiner Rechtsansicht nicht befassen mußte. Da die Bewilligung der Krankenhauspflege nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden durfte, kommt es darauf an, wann der Widerruf der Klägerin zugegangen ist oder als zugegangen gilt. Es ist nicht allein auf den Zugang des an die Klägerin gerichteten Bescheides vom 31. Oktober 1979 abzustellen. Es liegen Hinweise vor, daß der (frühere) Pfleger der Klägerin schon vorher von dem an die Schwester der Klägerin gerichteten Bescheid vom 9. Januar 1978 oder von dem an das Krankenhaus gerichteten Widerruf der Kostenzusage Kenntnis erlangt hatte. Zwar setzt die wirksame Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes grundsätzlich voraus, daß sie an den richtigen Adressaten erfolgt (§ 37 SGB X). Im vorliegenden Fall sind aber besondere Umstände in Betracht zu ziehen, die es eventuell rechtfertigen können, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Pfleger der Klägerin von der Einstellung der Krankenhauspflege durch die Beklagte Kenntnis erlangt hatte (vgl. Schroeder-Printzen a.a.O. § 39 Anm. 4; Kopp a.a.O. § 43 Rdnr. 9). Schließlich sind noch Meinungsverschiedenheiten zu klären, die hinsichtlich der Annahme des LSG bestehen, die Beklagte habe unabhängig von der „Bindungswirkung” des Bescheides vom 24. Juni 1975 aufgrund des zwischen dem VdAK und der beigeladenen Sozialhilfeträgerin geschlossenen Teilungsabkommens die Krankenhauspflege der Klägerin jedenfalls wieder ab Januar 1979 übernehmen müssen.

Dem Berufungsgericht bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 107

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