Leitsatz (redaktionell)

AFG § 128a findet keine Anwendung auf eine Wettbewerbsabrede, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wurde und Teil einer Vereinbarung zur Regulierung der Folgen eines unredlichen Verhaltens des Arbeitnehmers ist.

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 23.09.1986; Aktenzeichen L 7 Ar 76/84)

SG Hannover (Entscheidung vom 15.02.1984; Aktenzeichen S 3 Ar 414/83)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin der Beklagten gemäß § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) Arbeitslosengeld (Alg) zu erstatten hat.

Die Klägerin war als Vertragshändlerin der ADAM OPEL AG Arbeitgeberin des Verkaufsberaters G. Dieser wurde nach der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten ab 30. April 1982 nicht mehr für die Klägerin tätig. Verhandlungen über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses führten zu einer Vereinbarung vom 7. Juni 1982, die ua neben einer Regelung der Schadensersatzforderung der Klägerin gegen den Verkaufsberater folgende Bestimmungen enthielt:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitnehmers zum 30. April 1982 beendet worden ist.

.... 5. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, bis zum 30. Juni 1983 weder für einen Opelvertragshändler noch für einen angeschlossenen Opeldienst im Bereich der Stadt H. bzw des Landkreises H. in irgendeiner - auch nur mittelbaren - Art und Weise tätig zu werden.

Die Parteien sind sich in Kenntnis der Gesetzes- und Rechtslage darüber einig, daß der Arbeitgeber für das vorstehende Wettbewerbsverbot keine Entschädigung an den Arbeitnehmer zu zahlen hat."

Am 10. Juni 1982 meldete sich G. arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte forderte von der Klägerin die Erstattung des in der Zeit vom 26. Juni bis zum 31. Dezember 1982 an G. gezahlten Alg einschließlich der darauf entrichteten Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 22.020,53 DM (Bescheid vom 18. April 1983, Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1983).

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Februar 1984). Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Niedersachsen vom 23. September 1986, veröffentlicht in Breithaupt 1987, 76 und in NZA 1987, 214).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verfassungswidrigkeit von § 128a AFG sowie die Verletzung der §§ 74 ff des Handelsgesetzbuches (HGB), der §§ 119, 142 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des § 242 BGB im Hinblick auf die fehlerhafte Anwendung der Grundsätze über das Fehlen bzw den Wegfall der Geschäftsgrundlage.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten folgenden Sachverhalt als unstreitig bezeichnet: Dem Arbeitnehmer ist durch den Arbeitgeber am 21. Mai 1982 fristlos gekündigt worden. Er hat diese fristlose Kündigung unterschriftlich zur Kenntnis genommen. Unstreitig ist auch das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung. Innerhalb der für die Anfechtung der Kündigung maßgebenden Drei-Wochen-Frist hat es auf Betreiben des Anwalts des Arbeitnehmers eine Besprechung mit dem Ergebnis der Vereinbarung vom 7. Juni 1982 gegeben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 23. September 1986 und das jener

Entscheidung zugrundeliegende Urteil des SG Hannover vom 15. Februar 1984

sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. April 1983 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1983 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung von Alg gemäß § 128a AFG, weil dieser Fälle wie den vorliegenden nicht erfaßt.

Der durch Art 1 § 1 Nr 41 und Art 18 AFKG mit Wirkung vom 1. Januar 1982 eingefügte § 128a AFG hat folgenden Wortlaut:

"§ 128a (Erstattung von Arbeitslosengeld)

Ist der Arbeitslose durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt, so erstattet der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen für die Zeit gezahlt worden ist, in der diese Beschränkung besteht. § 128 Abs 2, §§ 146 und 152 Abs 2 gelten entsprechend."

Gemäß der Übergangsvorschrift in Art 1 § 2 Nr 16 AFKG war § 128a AFG erstmals anzuwenden, wenn die Wettbewerbsbeschränkung nach dem 31. Dezember 1981 vereinbart wurde. Dies ist hier der Fall; die Wettbewerbsvereinbarung datiert vom 7. Juni 1982.

Voraussetzung der Erstattungspflicht nach § 128a AFG ist die Beschränkung des Arbeitslosen in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer durch ein Wettbewerbsverbot. Obgleich die aus einer solchen Vereinbarung folgende Erhöhung des Vermittlungsrisikos durch die Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam bewirkt wird, belastet das Gesetz allein den Arbeitgeber. Das wurde im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, derartige Wettbewerbsabreden erschwerten allein im Interesse des bisherigen Arbeitgebers die Wiedereingliederung des Arbeitslosen; es sei deshalb nicht gerechtfertigt, die Gemeinschaft aller Beitragszahler mit diesem Risiko zu belasten (BT-Drucks 9/846 S 46 zu Nr 41).

Die alleinige Belastung des Arbeitgebers ist begründet, weil derartige Wettbewerbsabreden regelmäßig allein in seinem Interesse und auf sein Verlangen hin während des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Die Rechtsordnung geht davon aus, daß in dieser Zeit ein wirtschaftliches Übergewicht des Arbeitgebers besteht, das des Ausgleichs durch die gesetzlichen Regelungen über die Zahlung der sogenannten Karenzentschädigung und deren Mindesthöhe bedarf (vgl §§ 74 ff HGB). Das wirtschaftliche Übergewicht des Arbeitgebers und das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers dagegen rechtfertigen im Blick auf die Versichertengemeinschaft auch die in § 128a AFG angeordnete alleinige Erstattungspflicht des Arbeitgebers.

Dieser Zielsetzung des § 128a AFG entsprechend kann die Erstattungspflicht nicht ohne weiteres auf Fälle ausgedehnt werden, in denen die Wettbewerbsabrede erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde und nicht einseitig den Interessen des Arbeitgebers dient, sondern - zB durch die Vermeidung einer fristlosen Kündigung - auch das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers erleichtert.

Ein Schutzbedürfnis der Versichertengemeinschaft vor den Auswirkungen von Wettbewerbsabreden auf die Vermittelbarkeit und damit auf die Dauer des Arbeitslosengeldbezuges, dem § 128a AFG Rechnung trägt, besteht zwar in gleicher Weise, wenn die Vereinbarung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde. Denn für die Belastung der Versichertengemeinschaft kommt es nur auf die Auswirkung der Wettbewerbsabrede und nicht auf den Zeitpunkt an, in dem sie getroffen wurde. Da § 128a AFG die Versichertengemeinschaft jedoch durch einseitige Belastung des Arbeitgebers schützt, muß sein Anwendungsbereich auf die Fälle beschränkt werden, in denen wegen des wirtschaftlichen Übergewichts eine besondere Verantwortung des Arbeitgebers für den Abschluß der Wettbewerbsabrede besteht. Bei Wettbewerbsabreden, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurden, ist dadurch, daß nach einhelliger Ansicht für nachvertragliche Vereinbarungen die Schutzvorschriften der §§ 74 ff HGB nicht gelten (BAG AP Nrn 23 und 24 zu § 74 HGB), aber der Wegfall des wirtschaftlichen Übergewichts im Arbeitsvertragsverhältnis auf Seiten des Arbeitgebers und damit auch seiner deutlich überwiegenden Verantwortung für die Wettbewerbsabrede im Grundsatz anerkannt. Der Wortlaut des § 128a AFG steht einer dementsprechenden einschränkenden Auslegung nicht entgegen. Deshalb kann eine nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Wettbewerbsvereinbarung jedenfalls dann nicht die Rechtsfolge des § 128a AFG auslösen, wenn die Vereinbarung nicht einseitig den Interessen des Arbeitgebers Rechnung trägt, sondern Teil einer vertraglichen Regelung ist, die eine fristlose Kündigung vermeiden und dadurch das berufliche Fortkommen des Arbeitgebers erleichtern soll. Eine solche einschränkende Auslegung entspricht zudem dem Grundsatz verfassungskonformer Auslegung. Sie trägt nämlich dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Rechnung, dem auch die Erstattungsregelung nach § 128a AFG unterworfen ist, da sie eine Berufsausübung berührt (Art 12 Grundgesetz -GG-).

In dem hier zu entscheidenden Fall war bei Abschluß der Wettbewerbsabrede am 7. Juni 1982 das Arbeitsverhältnis bereits beendet. Eine Arbeitsleistung ist nach dem 30. April 1982 nicht mehr erfolgt. Die Beteiligten haben es übereinstimmend im Revisionsverfahren als unstreitig bezeichnet, daß ein wichtiger Grund zur Kündigung vorlag. Da dieser Sachverhalt sich in den vom LSG festgestellten Sachverhalt einfügt, konnte der Senat ihn bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Damit bestand das Arbeitsverhältnis bei Abschluß der Vereinbarung nicht mehr.

Außerdem war die Vereinbarung nicht darauf beschränkt, im deutlich überwiegenden Interesse des Arbeitgebers eine Wettbewerbsbeschränkung festzulegen. Dafür spricht schon das Fehlen einer Karenzentschädigung, das bei Abschluß der Wettbewerbsabrede innerhalb des Arbeitsverhältnisses zu deren Nichtigkeit geführt hätte (vgl § 74a Abs 2 Satz 1 HGB). In der Vereinbarung handelte es sich vielmehr nach ihrem Gesamtzweck vorwiegend um eine umfassende Schadensregulierung im Hinblick auf vorausgegangenes unredliches Verhalten des Arbeitnehmers, bei der der Arbeitnehmer im Interesse eines für ihn günstigeren beruflichen Fortkommens, insbesondere zur Vermeidung der bei einer fristlosen Entlassung zu erwartenden Begründung und ihrer möglichen Folgen im Zuge der Gesamtregelung der Wettbewerbsabrede zugestimmt hat. Derartige Vereinbarungen fallen aber nicht mehr vorwiegend in die Verantwortung des Arbeitgebers, wie dies § 128a AFG aus den dargelegten Gründen sinngemäß voraussetzt.

Somit kommt eine Erstattungspflicht der Klägerin hier nicht in Betracht. Die angefochtenen Bescheide und die Urteile der Vorinstanzen waren deshalb aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

RegNr, 18440 (BSG-Intern)

NZA 1989, 774-775 (LT1)

Quelle 1989, 235 (K)

ZAP, EN-Nr 304/89 (S)

Breith 1990, 65-67 (LT1)

DBlR 3494, AFG/§ 128a (LT1)

NdsRpfl 1989, 167-168 (ST)

SozR 4100 § 128a, Nr 1 (LT1)

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