Leitsatz (amtlich)

Die Freistellung von der Beitragszahlung (RVO § 381 Abs 3 S 2 Nr 3) tritt nur ein, wenn der Rentenbewerber auch ohne die Versicherung in der KK auf Grund eines Rentenantrags Anspruch auf Familienkrankenpflege nach RVO § 205 hätte.

 

Leitsatz (redaktionell)

"Familienkrankenpflege" iS von RVO § 381 Abs 3 S 2 Nr 3.

Beitragsfreiheit in der Krankenversicherung der Rentner nach RVO § 381 Abs 3 S 2 Nr 3 besteht bei einem Rentenantragsteller nur dann, wenn er persönlich einen Anspruch auf "Familienkrankenpflege" gegen eine gesetzliche KK hat. Die Mitversicherung des Rentenantragstellers als Familienmitglied bei einem privaten Versicherungsunternehmen hat keine Beitragsfreiheit iS der genannten Vorschrift zur Folge.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1969-07-27, § 205 Fassung: 1930-07-26

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Mai 1971 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Die Klägerin beantragte 1967 bei der Landesversicherungsanstalt H... ihr eine Rente zu gewähren. Der Versicherungsträger lehnte den Rentenantrag ab. Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Während des Rentenverfahrens wurde die Klägerin von 1968 bis 31. August 1970 bei der Beklagten als Pflichtmitglied der KVdR geführt. In der gleichen Zeit war sie bei ihrem Ehemann auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten als Familienangehörige mitversichert.

Im Juli 1970 beantragte die Klägerin, ihr den Beitrag zur KVdR seit dem 1. August 1969 zurückzuerstatten, weil ihre Zahlungspflicht nach § 381 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juli 1969 (BGBl I 946) entfallen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Juli 1970 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. März 1971), weil die Freistellung von der Beitragszahlung nach § 381 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 RVO nur für diejenigen Rentenbewerber gelte, denen Ansprüche auf Familienkrankenpflege nach § 205 RVO zustünden.

Die Berufung der Klägerin an das Landessozialgericht (LSG) Hamburg ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 4. Mai 1971): Der Schutz, den die Klägerin als mitversicherte Ehefrau in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten genieße, gehöre nicht zum Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Er könne weder zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht noch zur Gewährung eines Beitragszuschusses führen und demgemäß bestehe auch kein Anlaß, die Beitragspflicht der Klägerin wegfallen zu lassen. Auch die Regelung der Kassenzuständigkeit in § 257 a Abs. 1 Satz 3 RVO zeige, daß die Beitragspflicht nur dann wegfalle, wenn der Rentenbewerber durch die in der RVO geregelten Leistungen der Familienhilfe geschützt werde.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 381 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 RVO. Sie hält diese Vorschrift für eine Ausnahmeregelung. Der Gesetzgeber habe das Ziel erreichen wollen, diejenigen Rentenbewerber von der Beitragsleistung freizustellen, denen hinreichend Krankenschutz in einem anderweitigen Rahmen zustehe und die nicht über genügend Einkommen für die Beitragszahlung verfügten.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung, das Urteil des SG Hamburg vom 3. März 1971, den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1970 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30. September 1970 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von der Klägerin vom 1. August 1969 bis 31. Mai 1970 gezahlten Beiträge zur Rentnerkrankenversicherung zurückzuzahlen und festzustellen, daß die Klägerin vom 1. Juni 1970 bis 31. August 1970 beitragsfreies Mitglied in der Rentnerkrankenversicherung bei der Beklagten gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des angefochtenen Urteils an.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin nach § 315 a Abs. 1 RVO der KVdR als Formal-Versicherte angehört hat. Sie hatte eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter beantragt, ohne, wie sich aus der bindenden Ablehnung ihres Rentenantrags ergibt, die Voraussetzungen zum Bezuge der Rente zu erfüllen. Auf Grund der Mitgliedschaft zur KVdR war sie nach § 381 Abs.3 Satz 2 RVO verpflichtet, die Beiträge dafür allein zu tragen. Da zwischen den Beteiligten nur Streit über die Beitragspflicht der Klägerin für die Zeit vom 1. August 1969 bis zum 31. August 1970 besteht, ist die Vorschrift in der Fassung anzuwenden, die sie durch Art. 2 Nr. 16 des Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 1969 mit Wirkung vom 1. August 1969 an (Art. 4 § 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes) erhalten hat.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren von der mit der Rentenantragstellung beginnenden Beitragspflicht nur die Witwen und die noch nicht 18 Jahre alten Waisen eines der Versicherungspflicht nach § 163 Abs. 1 Nr. 3 RVO unterliegenden Rentners befreit gewesen. Für alle anderen Rentenbewerber hatte die Pflicht bestanden, die Beiträge selbst zu tragen. Diese Beitragspflicht war eingeführt worden, um die Krankenkassen vor unberechtigter Inanspruchnahme in den Fällen zu schützen, in denen kein Rentenanspruch bestand und in denen die Kassen daher auch keine Beitragszahlungen von den Trägern der Rentenversicherung nach § 381 Abs. 2 HVO zu erwarten hatten (vgl. Jantz, Krankenversicherung der Rentner, 2. Aufl. 1970, § 381, Anm. V). Die Witwen und Waisen hingegen konnten deshalb von der eigenen Beitragsverpflichtung freigestellt werden, weil für sie auf Grund der durch den früheren Rentenbezug des Versicherten geklärten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen die Bewilligung der Rente vom Antragszeitpunkt an von vornherein mit Sicherheit zu erwarten war (vgl. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, zu Drucks. V/2341 Nr. 5 Buchst. a 1 Seite 6; Jantz aaO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl. 1973, § 381, Anm. 5 a bb). Damit war gewährleistet, daß der Krankenkasse Beiträge auch für die Dauer des Rentenverfahrens zuflössen und das Verhältnis zu den durch die Mitgliedschaft begründeten Risiken ausgewogen blieb. Die Befreiung von der Beitragszahlung führte mithin im Ergebnis lediglich zu einer Vereinfachung der Zahlungsvorgänge.

Die Veränderung, die § 381 Abs. 3 Satz 2 RVO durch Hinzufügung einer weiteren Personengruppe mit Wirkung vom 1. August 1969 an erfahren hat, hat Sinn und Zweck der Regelung unverändert gelassen. Nunmehr sind auch diejenigen Rentenbewerber beitragsfrei gestellt worden, für die - ohne Rücksicht auf ihre Rentnerkrankenversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO) - ein Versicherter einen Anspruch auf Familienkrankenpflege geltend machen könnte.

Nach der durch das Krankenversicherungs-Änderungsgesetz ebenfalls neu geschaffenen Vorschrift des § 257 a Abs. 1 Satz 3 (Art. 2 Nr. 13 a des Gesetzes) ist die Durchführung der Krankenversicherung dieser Rentenbewerber der Kasse übertragen, der jener Versicherte angehört, dem der Anspruch auf die Familienkrankenpflege zustünde. Beide Regelungen - § 381 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und § 257 a Abs. 1 Satz 3 RVO - stehen in untrennbarem Zusammenhang (vgl. Jantz aaO, § 257 a, Anm. II 2; Peters aaO, § 257 a, Anm.3 f; Becher in BABl 1969, 551, 557), und dieser macht deutlich, daß unter "Familienkrankenpflege" i.S. beider Vorschriften nur die Ansprüche zu verstehen sind, die § 205 RVO bestimmt (vgl. Jantz aaO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Aufl. 1972, Seite 450 b II; Peters aaO, § 381, Anm. 5 a bb). Die für den Versicherten zuständige Kasse ist bereits auf Grund von § 205 RVO verpflichtet, für den Rentenbewerber - auch ohne Rentenantragstellung - die vorgeschriebenen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Durch seinen Antrag auf Rente (und den dadurch ausgelösten Eintritt der Versicherungspflicht) wird demnach ihre Leistungspflicht nicht verändert. Damit erweist es sich als ungerechtfertigt, wenn diesen Rentenbewerbern eine Beitragspflicht auferlegt bliebe. So ist jene Verpflichtung in der Vergangenheit von den dadurch Belasteten auch empfunden worden und hat deshalb Anlaß zu der Neuregelung gegeben (vgl. Jantz aaO; Brackmann aaO, Seite 450 b I; Peters aaO). Erst die Freistellung von der Beitragszahlung führt somit zu der Ausgewogenheit der versicherungsrechtlichen Regelung, zumal dem Rentenbewerber für die Beitragszahlung auch kein zusätzliches Einkommen zur Verfügung stand (vgl. Becher aaO).

Die Ausgewogenheit ist jedoch nur dann gegeben, wenn der versicherte Angehörige des Rentenbewerbers als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungsansprüche nach § 205 RVO erheben kann. Nur in diesem Fall besteht die Identität zwischen der für ihn und der für den Rentenbewerber zuständigen Kasse, und nur dann decken sich die Leistungsansprüche aus der Familienkrankenpflege und aus der Rentnerkrankenversicherung. Ist hingegen, wie im vorliegenden Rechtsstreit, der Angehörige nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, so würde der zuständige Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auf - Grund der Pflichtmitgliedschaft des Rentenbewerbers mit einem Leistungsrisiko belastet, für das ihm kein Äquivalent zur Verfügung steht. Für eine solche einseitige Begünstigung der in § 381 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 RVO aufgeführten Rentenbewerber fehlt aber jeder ersichtliche Grunde.

Da das LSG die Regelung des § 381 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 RVO zutreffend angewandt hat, war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669175

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