Leitsatz (redaktionell)

1. Das Ruhegeld eines Bezirksschornsteinfegermeisters zählt zu den Versorgungsbezügen nach § 180 Abs 8 S 2 Nr 3 RVO.

2. Seine Einbeziehung in den beitragspflichtigen Grundlohn nach § 180 Abs 5 Nr 2 und Abs 6 Nr 2 RVO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Orientierungssatz

Versorgungsbezüge - Zusatzversorgung - Versorgungsanstalt der Bezirksschornsteinfegermeister:

Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt auch nicht darin, daß die Bezirksschornsteinfegermeister - anders als die Bezieher der meisten in § 180 Abs 8 RVO genannten Versorgungsbezüge - ihre Beiträge allein aufbringen müssen. Entscheidend ist insoweit, daß die Schornsteinfegerversorgung eine gesetzlich vorgeschriebene, bundeseinheitliche Zusatzversorgung zur - ebenfalls obligatorischen und allein aus Beiträgen der Versicherten finanzierten - Handwerkerversicherung darstellt und beide deshalb als Teile eines Gesamtkonzepts nur einheitlich eingeordnet werden können.

 

Normenkette

SchfG § 29; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; RVO § 180 Abs. 8 S. 2 Nr. 3 Fassung 1981-12-01, Abs. 6 Nr. 2 Fassung 1982-12-2, Abs. 5 Nr. 2 Fassung 1981-12-01

 

Verfahrensgang

SG Münster (Entscheidung vom 17.07.1984; Aktenzeichen S 14 Kr 141/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des vom Kläger zur gesetzlichen Krankenversicherung zu entrichtenden Beitrags.

Der am 3. April 1914 geborene Kläger bezieht von der Landesversicherungsanstalt Westfalen seit dem 1. Mai 1979 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, nachdem er ab 1. Dezember 1974 zunächst Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hatte. Daneben erhält er als ehemaliger Bezirksschornsteinfegermeister seit dem 1. Dezember 1974 Ruhegeld aus der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister bei der Bayerischen Versicherungskammer ("Versorgungsruhegeld"). Ab 20. Mai 1981 ist er aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung Mitglied der Beklagten (das monatliche Bruttoarbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung schwankte im Jahre 1983 zwischen 292,50 DM und 972,-- DM).

Mit Bescheid vom 15. März 1983 setzte die Beklagte vom 1. Januar 1983 an den monatlichen Krankenversicherungsbeitrag aus dem (damals in Höhe von 1.445,30 DM bezogenen) Versorgungsruhegeld auf 93,51 DM fest; dabei legte sie den halben durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz der Ortskrankenkassen im Landesverband (6,47 vH) zugrunde. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 8. August 1983; Urteil des Sozialgerichts -SG- Münster vom 17. Juli 1984). Auch das SG hat das Versorgungsruhegeld des Klägers zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1. Dezember 1981 (RAG 1982) gerechnet und die Auffassung des Klägers, die Regelung verstoße gegen Art 3 Abs 1 und Art 14 des Grundgesetzes (GG), nicht geteilt.

Mit der - vom SG im Urteil zugelassenen - Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO: Bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift fielen die Versorgungsbezüge der Bezirksschornsteinfegermeister nicht unter den Begriff der "Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für Berufsgruppen". § 180 Abs 8 RVO sei als allgemeines Gesetz, das nicht ausdrücklich Grundrechte beschränken wolle, im Rahmen des GG auszulegen und damit "teleologisch zu reduzieren". Bezirksschornsteinfegermeister unterschieden sich wesentlich von den im Katalog des § 180 Abs 8 Satz 2 Nrn 1 bis 5 RVO aufgezählten Gruppen von Versorgungsempfängern. Im Gegensatz zu den in Nrn 1, 2 und 5 genannten Gruppen sei ihr Versorgungsruhegeld durch eigene Beiträge erkauft. Die Gruppe der Ärzte und Rechtsanwälte (Nr 3) sei strukturell von einer anderen Systematik gekennzeichnet, weil es dort nicht die Pflichtversicherung in demselben Umfang gebe. Die in Nr 4 erfaßte Gruppe der Landwirte unterscheide sich dadurch, daß hier eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung neben die Altershilfe treten könne, bei den Bezirksschornsteinfegermeistern aber die Rente neben die Bezüge aus der Versorgungsanstalt treten müsse. Für vergleichbar hält der Kläger hingegen seine Versorgungsbezüge mit den in § 180 Abs 8 Satz 1 RVO neben den Renten der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung genannten (und wie diese nicht mit dem halben Krankenversicherungsbeitrag belasteten) Renten der Knappschaftsversicherung. Die Gruppen der Bergleute und Schornsteinfeger seien auch tatsächlich, nämlich hinsichtlich der mit ihren Berufen verbundenen Gefahr, vergleichbar. Gemäß Art 3 GG sei deshalb eine Gleichbehandlung mit den Bergleuten geboten. Ein sachlicher Grund für eine Gleichbehandlung mit den Gruppen des § 180 Abs 8 Satz 2 Nrn 1 bis 5 RVO sei dagegen nicht ersichtlich und ergebe sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung des RAG 1982. Sofern aber § 180 Abs 8 RVO auch die Leistungen der Zusatzversorgungskasse der Bezirksschornsteinfegermeister erfasse, verstoße die Vorschrift gegen die Verfassung. Neben der Verletzung des Gleichheitssatzes liege auch ein Verstoß gegen Art 14 GG vor. Die Versorgungsansprüche aus der eigenen Anstalt seien wegen der unabdingbaren Zwangsversicherung wie die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung vom Schutzbereich des Art 14 GG umfaßt. Die Einbeziehung der Zusatzversorgung in die Beitragsbemessung sei ein ohne nähere Begründung einer Gruppe abverlangtes Sonderopfer und damit kein verhältnismäßiger Eingriff mehr. Die Benachteiligung gegenüber anderen Berufsgruppen sei offenkundig. Da im Schornsteinfegerhandwerk eine Gesamtrente gezahlt werde, deren Aufteilung bei jedem Leistungsbezieher unterschiedlich sei, ergäben sich trotz gleicher Höhe der Bruttobezüge die unterschiedlichsten Krankenkassenbeiträge und damit auch Nettobezüge.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. März 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 1983 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, daß § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO verschiedenartige Fallgruppen umfasse, deren Einbeziehung auf ganz unterschiedlichen Motiven beruhe; es sei nicht zu erkennen, weshalb der Gesetzgeber gerade Versorgungsbezüge der Bezirksschornsteinfegermeister von seiner Regelung hätte ausgenommen sehen wollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten über die Einbeziehung des Versorgungsruhegeldes des Klägers in die Beitragspflicht zur Krankenversicherung bestätigt. Diese Versorgungsleistung beruht auf § 29 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen (SchfG) vom 15. September 1969 (BGBl I 1634 und 2432) - zuletzt geändert durch das 20. Rentenanpassungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040, 1066) - iVm den §§ 33, 34 der Satzung der Versorgungsanstalt und gehört als Rente der Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe zu den der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) iS des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO. Sie ist damit Teil des Grundlohns sowohl der in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichneten Versicherten (§ 180 Abs 5 Nr 2 RVO) als auch der nach § 165 Abs 1 Nrn 1 oder 2 RVO Versicherungspflichtigen, die - wie der Kläger - neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezügen noch Arbeitsentgelt erhalten und deshalb nicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versichert sind (§§ 165 Abs 6 Satz 1 Nr 1, 180 Abs 6 Nr 2 RVO). Daß das SG im Gegensatz zur Beklagten (vgl Bl 20 der VerwAkte) den Kläger trotz seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung anscheinend als nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO versichert angesehen hat (im Urteil ist nicht auf den Abs 6, sondern den Abs 5 des § 180 RVO verwiesen, wirkt sich sonach nicht aus und macht das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht unrichtig.

Die Einbeziehung von Versorgungsbezügen aus der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister in den für die Beitragsbemessung maßgeblichen Grundlohn war vom Gesetzgeber gewollt. Das ergibt sich eindeutig aus der Gesetzesbegründung zum RAG 1982 (BT-Drucks 9/458, S 35, linke Sp). Dort ist ausgeführt: "Unter Nummer 3 fallen insbesondere Leistungen öffentlich-rechtlicher Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen der kammerfähigen freien Berufe (zB Architekten, Notare, Apotheker, Ärzte), der Zusatzversorgung der Bezirksschornsteinfeger und der Zusatzversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft." Damit verbietet sich die vom Kläger für möglich gehaltene einschränkende Auslegung ("teleologische Reduktion") des § 180 Abs 8 Satz 2 Nr 3 RVO, denn das Gericht ist nicht befugt, den Wortlaut des Gesetzes entgegen dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers durch eine gesetzesüberschreitende Rechtsfortbildung zu korrigieren (vgl dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl, S 313 ff).

Entgegen der Auffassung des Klägers hält der Senat die angegriffene Gesetzesvorschrift auch nicht für verfassungswidrig. Sie verletzt weder den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG noch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur vor, wenn der Gesetzgeber tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse nicht berücksichtigt, die so bedeutsam sind, daß sie - auch unter Anerkennung eines weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers - bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen, der Gesetzgeber diesen Spielraum also überschritten hat (BVerfGE 17, 319, 330; 50, 177, 186). Die vom Kläger angeführten Unterschiede zwischen seiner Berufsgruppe und den von § 180 Abs 8 Satz 2 RVO erfaßten anderen Berufsgruppen sind nicht so bedeutsam, daß sie den Gesetzgeber hätten veranlassen müssen, Versorgungsleistungen aus der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister anders als die in § 180 Abs 8 Satz 2 RVO genannten Bezüge zu behandeln, dh für die Bemessung des Grundlohns außer Betracht zu lassen. Ausgehend von dem Grundgedanken der Abs 5 und 6 des § 180 RVO, die dort genannten Versicherten entsprechend dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidarprinzip nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen, hat der Gesetzgeber bei der Konkretisierung dieses Gedankens in § 180 Abs 8 RVO die beitragspflichtigen Bezüge danach abgegrenzt, ob sie (noch) Beziehung zum Erwerbsleben der Versicherten (Lohnersatzfunktion) haben. Letzteres trifft auch für die hier streitigen Bezüge zu. Ihrer Gleichbehandlung mit den Versorgungsbezügen der in § 180 Abs 8 Satz 2 RVO genannten Berufsgruppen steht nicht entgegen, daß die Versorgung der Bezirksschornsteinfegermeister auf einer Zwangsmitgliedschaft zur Versorgungsanstalt beruht und daß die Höhe der Zusatzversorgung im Rahmen eines Höchstbetrages (§ 30 SchfG) von der Höhe der jeweiligen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig ist (§ 29 Abs 5 SchfG). Diese Merkmale widersprechen weder dem Grundgedanken der Beitragsregelung in § 180 Abs 5 und 6 RVO, wonach die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten Maßstab ihrer Beitragsbelastung sein soll, noch stehen sie außerhalb der Beziehung zum Berufsleben des Versicherten. Sie sind - zumindest teilweise - auch bei den übrigen Berufsgruppen zu finden.

Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt auch nicht darin, daß die Bezirksschornsteinfegermeister - anders als die Bezieher der meisten in § 180 Abs 8 RVO genannten Versorgungsbezüge - ihre Beiträge allein aufbringen müssen. Entscheidend ist insoweit, daß die Schornsteinfegerversorgung eine gesetzlich vorgeschriebene, bundeseinheitliche Zusatzversorgung zur - ebenfalls obligatorischen und allein aus Beiträgen der Versicherten finanzierten - Handwerkerversicherung darstellt und beide deshalb als Teile eines Gesamtkonzepts nur einheitlich eingeordnet werden können (vgl auch BSGE 58, 10, dort für verschiedene Teile eines betrieblichen Versorgungssystems).

Eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen, in § 180 Abs 8 RVO nicht genannten Einkünften (insbesondere aus Lebensversicherungen) wäre, sofern sie vorliegt, hier nicht für die Entscheidung bedeutsam, weil nach der Grundorientierung der Rentnerkrankenversicherung (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beitragszahler, Beziehung der Einkünfte zum Berufsleben) auch bei einer andere Einkünfte einbeziehenden Regelung die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus gesetzlichen Zusatzversorgungen wie der hier streitigen nicht außer acht bleiben könnten.

Die vom Kläger angestrebte Gleichstellung seiner Versorgungsbezüge mit den in § 180 Abs 8 Satz 1 RVO aufgeführten Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung scheitert schon daran, daß es sich bei den Knappschaftsrenten - wie bei den Renten der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten - um Renten der gesetzlichen Rentenversicherung handelt, während dies bei dem Ruhegeld des Klägers aus seiner Versorgungsanstalt nicht der Fall ist. Aus der nach seiner Auffassung gleichartigen beruflichen Gefahrenlage der Bergleute und der Schornsteinfeger können keine beitragsrechtlichen Folgerungen gezogen werden, weil die gesetzliche Krankenversicherung eine Beitragseinstufung nach Gefahrklassen nicht kennt. Im übrigen fallen auch die Renten der Bergleute aus der hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung unter die Vorschrift des § 180 Abs 8 Satz 2 RVO (vgl Nr 5).

Daß die Versorgungsbezüge des Klägers trotz ihrer - im Rahmen der Gesamtversorgung erfolgenden - Zusammenrechnung mit seiner Rente nicht mit dem für die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Beitrag belegt werden (darauf läuft das Begehren des Klägers letztlich hinaus), liegt daran, daß für seine Versorgungsbezüge ein Beitragszuschuß des Versorgungsträgers nicht gezahlt wird und daß sie deshalb dem vom Gesetzgeber für die Renten gewählten Weg der Beitragsbemessung (zeitliche Streckung der Beitragsmehrbelastung der Rentner durch stufenweise Abschmelzung des Beitragszuschusses der Rentenversicherungsträger) nicht zugänglich sind. Wie der Senat bereits entschieden hat, begegnet dieser - lediglich für eine Übergangszeit bestehende - Unterschied in der Beitragsbelastung von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgungsbezüge keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 18. Dezember 1984, BSGE 58, 1, 9 f).

Daß von den Versorgungsbezügen bereits seit dem 1. Januar 1983 Beiträge erhoben werden, von den Renten aber erst seit dem 1. Juli 1983 ein eigener Beitragsanteil der Rentner einbehalten wird, der zunächst 1 vH des Rentenzahlbetrages betrug, ab 1. Juli 1984 auf 3 vH, ab 1. Juli 1985 auf 4,5 vH stieg und nach der Planung des Gesetzgebers auf 5,9 vH steigen wird, ist im übrigen nur scheinbar eine Bevorzugung der "Nur-Rentner" gegenüber den Versicherten mit Versorgungsbezügen. Die Rentner haben nämlich mit ihren früher zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen auch Leistungen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) mitfinanziert und so eine Vorleistung erbracht, die ihnen nach Bewilligung einer eigenen Rente in Gestalt von Beitragszuschüssen des Rentenversicherungsträgers wieder zugute kommt (vgl dazu BSGE 54, 293, 299). Auch die durch solche Beitragszuschüsse gedeckten Beitragsanteile der Rentner sind deshalb zu ihren Gunsten mit zu berücksichtigen. Dann sind aber "Nur-Rentner", die seit dem 1. Januar 1983 den KVdR-Beitrag in Höhe von 11,8 vH der Rente selbst zu tragen haben (§§ 381 Abs 2 Satz 1, 385 Abs 2 RVO), gegenüber denjenigen, deren Beiträge - wie die des Klägers - von einem aus Rente und Versorgungsbezügen zusammengesetzten Ruhestandseinkommen erhoben werden, nicht bevorzugt, sondern eher benachteiligt, weil für die Versorgungsbezüge nur der halbe Beitragssatz gilt. Daß der Krankenversicherungsträger von den Versorgungsbezügen nur diesen "halben" Beitrag erhält, während ihm von der Rente der volle, von dem Rentenversicherungsträger und dem Rentner gemeinsam getragene Beitrag zufließt, beschwert allenfalls den Krankenversicherungsträger. Ob dieser Nachteil, wie schon öfter gefordert worden ist, durch einen Beitragszuschuß der die Versorgungsbezüge zahlenden Stelle ausgeglichen werden sollte, hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden (vgl dazu auch BSGE 55, 67, 75 f und 58, 1, 9 f).

Die Neuregelung des § 180 Abs 6 und 8 Satz 2 Nr 3 RVO verstößt auch nicht gegen Art 14 GG. Der Gesetzgeber war durch diese Verfassungsvorschrift nicht gehindert, die Versorgungsbezüge aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen mit Beiträgen zu belasten. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG schützt Art 14 GG grundsätzlich nicht gegen Zugriffe auf das Vermögen oder Einkommen durch Auferlegung von Geldleistungspflichten; das gilt auch für Zwangsbeiträge (vgl Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 6. Aufl, Art 14 Anm 7). Daß der Gesetzgeber von ihm selbst gewährte Rechtspositionen (einschließlich von Anwartschaften) ganz oder teilweise wieder zurücknehmen kann (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG), wenn sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen wesentlich ändern und es das öffentliche Interesse, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Regelungssystems erfordert, hat der Senat für die 1977 erfolgte Einschränkung des Kreises der bisher beitragsfrei versicherten Rentenberechtigten (§ 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des Gesetzes vom 27. Juni 1977) schon entschieden (BSGE 54, 293; vgl dazu auch das Urteil des BVerfG vom 16. Juli 1985, SozR 2200 § 165 Nr 81). Das gleiche gilt für den Fall, daß solche Gewährungen in anderer Weise eingeschränkt werden, insbesondere dadurch, daß die - bisher und auch weiterhin - Begünstigten erstmals mit Beiträgen belastet werden oder daß ihre Beitragslast später wesentlich erhöht wird. Dabei ist jedoch - wie bei der (teilweisen) Rücknahme von Gewährungen - der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; auch sind die Interessen der Bürger, vor allem ihr Vertrauen auf den Fortbestand der ihnen verliehenen Rechtspositionen, gebührend zu berücksichtigen (nach BVerfG 64, 87, 104 hat der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für vermögenswerte Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren). Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben hält der Senat die Neuregelung des Beitragsrechts auch im Hinblick auf die Ausdehnung der Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge aus der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister für unbedenklich (vgl dazu BSGE 58, 10, 15 f, dort für Betriebsrenten).

Da somit die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Einbeziehung seiner Versorgungsbezüge in die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung unbegründet, die einschlägigen Regelungen nach Ansicht des Senats auch sonst mit dem GG vereinbar sind und die Beitragsforderung der Beklagten im übrigen nach Grund und Höhe unter den Beteiligten nicht streitig ist, hat der Senat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60361

RegNr, 16474

Das Beitragsrecht Meuer RVO § 180, 22-04-86, 12 RK 50/84 (T)

KVRS, A-3120/16 (LT1-2)

USK, 8661 (LT1-2)

VdKMitt 1986, Nr 8, 23-24 (SP1-2)

EzS, 55/82 (LT1-2)

SozR 2200 § 180, Nr 29 (LT1-2)

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