Leitsatz (amtlich)

1. Ist das Urteil eines Bayerischen OVA vor dem 1954-01-01 zwar verkündet, aber erst nach Inkrafttreten des SGG zugestellt und angefochten worden, so ist der Rechtsstreit in der Lage, in der er sich am 1954-01-01 befand, nach SGG § 215 Abs 2 auf das SG übergegangen. Eine nochmalige Verhandlung vor dem SG findet demnach nicht statt; über das Rechtsmittel entscheidet vielmehr das LSG.

2. Ein Radfahrer, der seinen Heimweg von der Arbeitsstätte (RVO § 543 Abs 1 S 1) durch einen bedeutenden Umweg verlängert, um nach der Betriebstätigkeit sich in frischer Luft zu erholen, verliert auf dem Umweg den Versicherungsschutz, wenn diese Erholung zur Erhaltung der Arbeitskraft nicht geboten war, insbesondere wenn ein dienstfreier Tag zwischen Arbeitsschluß und Beginn der neuen Arbeitsschicht lag.

 

Normenkette

SGG § 215 Fassung: 1953-09-03; RVO § 543 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1942-03-09

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 1955 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der im Jahre 1903 geborene Kläger war als Konditormeister im Hotel "…" in München am P.-platz beschäftigt. Am 28. Februar 1953, einem Sonnabend, trat er nach zehnstündiger Arbeitszeit in der Hotelküche gegen 22,30 Uhr auf seinem Fahrrad den Heimweg nach seiner Wohnung in der T.-straße Nr. 31 an. Der kürzeste Weg von der Arbeitsstätte nach Hause hätte ihn über den M.-platz durch die B- Straße in die T.-straße geführt. Diesen Weg benutzte er jedoch an diesem Abend nicht, sondern schlug einen Umweg über den Königsplatz ein. Dort wurde er von einem überholenden Personenkraftwagen angefahren und zu Boden gestoßen. Dabei erlitt er erhebliche Verletzungen, insbesondere einen Bruch des rechten Unterschenkels, und bedurfte deswegen einer längeren Krankenhausbehandlung. Über den Sonntag, den 1. März 1953, wäre er dienstfrei gewesen.

Auf Grund dieses Unfalls erhob der Kläger Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte unter Hinweis darauf, daß er nach anstrengender Arbeit am Backofen über den Königsplatz gefahren sei, um sich zu erholen.

Die Beklagte hat diese Ansprüche durch Bescheid vom 10. August 1953 mit der Begründung abgelehnt, der Unfall habe sich an einer vom unmittelbaren Heimweg des Klägers so wesentlich entfernten Stelle ereignet, daß ein Zusammenhang des zurückgelegten Weges mit der vorhergehenden Tätigkeit in der Hotelküche nicht mehr bestanden habe. Daran könne der Hinweis auf den Erholungszweck nichts ändern, da der Umweg nur privaten Zwecken gedient und daher nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe.

Auf die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Oberversicherungsamt (OVA.) München mit Urteil vom 11. November 1953 den Ablehnungsbescheid der Beklagten aufgehoben und sie verurteilt, den Unfall vom 28. Februar 1953 als Arbeitsunfall zu entschädigen. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt: Durch den vom Kläger am Unfalltage eingeschlagenen Umweg sei der Heimweg um etwa 800 bis 1000 m verlängert worden. Diesen Umweg habe der Kläger aus Gründen der Verkehrssicherheit gewählt, weil in der T.-straße zur Unfallzeit reger Kraftfahrzeugverkehr geherrscht habe und die Fahrbahn dort durch eine Baubude verengt gewesen sei. Wegen der erhöhten Gefährdung von Radfahrern durch den Kraftwagenverkehr in der T.-straße sei die Abweichung vom kürzesten Heimweg zweckmäßig gewesen und habe den ursächlichen Zusammenhang des gesamten Weges mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers nicht unterbrochen.

Gegen dieses am 13. Januar 1954 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Januar 1954 Berufung eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG.) gab der Kläger an, er habe den Umweg wegen der allgemeinen Straßenglätte und der Behinderung des Verkehrs in der T.-straße gewählt. Das Bayerische LSG. hat durch Urteil vom 27. Januar 1955 die Entscheidung des OVA. aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das LSG. hat sich zur Entscheidung über das Rechtsmittel gegen das Urteil des OVA. befugt gehalten, weil die beim Bayerischen Landesversicherungsamt (LVAmt) rechtshängig gewesene Sache nach § 215 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Bayerische LSG. übergegangen sei, das nach §§ 29 und 143 SGG über das als Berufung zu behandelnde Rechtsmittel zu entscheiden habe. In sachlicher Hinsicht hat es den Standpunkt des OVA., der Unfall des Klägers sei als ein nach § 543 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geschützter Wegeunfall anzusehen, abgelehnt. Der erforderliche Zusammenhang des Weges mit der versicherten Tätigkeit in dem Unternehmen sei nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nur dann gegeben, wenn der Versicherte sich nach Beendigung seiner Arbeit unmittelbar oder auf einem unbedeutenden Umweg von der Arbeitsstätte nach Hause begebe. Hier stehe fest, daß der Unfall des Klägers auf dem Königsplatz nicht auf seinem direkten Heimweg, sondern auf einem Umweg geschehen sei, der allein die gleiche Strecke umfaßt habe wie der unmittelbare Heimweg und der deshalb so bedeutend gewesen sei, daß er nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden habe. Durch etwaige Straßenglätte sei auch der vom Kläger benutzte Weg gefährdet gewesen. Von einer nennenswerten Verkehrsbehinderung durch einen Bauschuppen in der T.-straße könne wegen des zur Unfallzeit dort nur noch spärlichen Nachtverkehrs nicht die Rede sein. Der Erholungszweck schließlich sei nur dann beachtlich, wenn sich die Arbeitsaufnahme an die Erholung unmittelbar anschließe. Der Kläger habe jedoch die Tagesarbeit beendet und am nächsten Tag ganz dienstfrei gehabt. Die mit dem Umweg bezweckte Erholung habe daher nicht der Erhaltung seiner Arbeitskraft, sondern seinem privaten Interesse gedient. Die Revision ist zugelassen worden, weil die Frage, ob ein zur Erholung nach beendeter langer Arbeitszeit eingeschlagener Umweg auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte dem Versicherungsschutz unterliegt, von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Gegen das am 14. März 1955 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. April 1955 Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des früheren OVA. München vom 11. November 1953 zurückzuweisen.

Zur Begründung der Revision wendet sich der Kläger lediglich gegen die Auffassung des LSG., daß der der Erholung von den Strapazen der langen Arbeitszeit in der Hotelküche dienende Umweg über den Königsplatz nicht als Teil des nach § 543 RVO versicherten Heimweges gelte. Vom Morgen bis zum späten Abend habe er in der Hotelküche gestanden und den ganzen Tag über die mit dem großen Küchenbetrieb notwendig verbundenen Ausdünste und Gerüche einatmen müssen. Er sei ein Freund der Natur und des Sports und habe das dringende Bedürfnis gehabt, nach der Arbeit frische Luft zu schöpfen, um die lästigen Gerüche und Dämpfe aus seiner Lunge herauszubringen und dann erfrischt schlafen gehen zu können. Dies sei nicht zu seinem Vergnügen, sondern zur Erhaltung seiner Arbeitskraft und -freudigkeit geschehen. Die Versagung des Versicherungsschutzes verstoße daher gegen § 543 RVO. Das LSG. habe verkannt, daß der Umweg nur gering gewesen sei und nicht privaten Zwecken gedient habe, weil er den Kläger gegen die Folgen der Arbeit in der ständig verunreinigten Luft bewahren konnte.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG. für zutreffend. Der Umweg sei erheblich gewesen und nicht mit dem Erholungszweck zu rechtfertigen; es gehe nicht an, jeden abendlichen Spaziergang oder jede sonstige der Entspannung dienende Betätigung nach Feierabend unter Versicherungsschutz zu stellen. Bei der Erheblichkeit des Umweges und der Tatsache, daß der Kläger am nächsten Tag dienstfrei gehabt habe, könne nur von einer Spazierfahrt am Wochenende gesprochen werden, für die der Versicherungsschutz nach § 543 RVO entfalle.

Die Revision ist statthaft, da das LSG, sie zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Der Erfolg ist ihr jedoch zu versagen.

Der Senat hatte zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob das LSG. befugt war, über die Berufung gegen das vor dem Inkrafttreten des SGG ergangene Urteil des OVA. im Rahmen seiner geschäftlichen (funktionellen) Zuständigkeit zu entscheiden. Die funktionelle Zuständigkeit ist ausschließlich und in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu berücksichtigen. Gegen die funktionelle Zuständigkeit des LSG. bestehen im vorliegenden Fall indessen keine rechtlichen Bedenken. Es handelt sich um einen Überleitungsfall nach dem SGG. Zwar ist die Streitsache im Gegensatz zur Auffassung des Vorderrichters nicht nach § 215 Abs. 3 SGG auf das LSG. übergegangen. Denn für eine Überleitung nach dieser Vorschrift wäre Voraussetzung, daß die Sache beim Inkrafttreten des SGG bereits beim LVAmt rechtshängig gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall, da das Rechtsmittel gegen das Urteil des früheren OVA. München erst am 19. Januar 1954 eingelegt worden ist und das Bayerische LVAmt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestand (§ 224 Abs. 3 Nr. 7 SGG). Wohl aber ist die Sache auf Grund des § 215 Abs. 2 SGG auf die Sozialgerichtsbarkeit übergeleitet worden. Das am 11. November 1953 verkündete Urteil des OVA. München, das der Beklagten erst am 13. Januar 1954 zugestellt wurde, war beim Inkrafttreten des SGG am 1. Januar 1954 noch nicht rechtskräftig. Die Streitsache war somit am 1. Januar 1954 noch beim OVA. München rechtshängig. Sie ist daher gemäß § 215 Abs. 2 SGG beim Inkrafttreten des SGG auf das Sozialgericht (SG.) München übergegangen, und zwar in dem Verfahrensstand, in dem sie sich zu diesem Zeitpunkt befand. Denn in Fällen der vorliegenden Art kann § 215 Abs. 2 SGG nur so verstanden werden, daß der Rechtsstreit als bereits vom erstinstanzlichen Gericht entschieden auf das SG. übergegangen ist, so daß es einer erneuten Verhandlung und Entscheidung durch dieses Gericht nicht bedurfte (zu vgl. BSG. 1 S. 208/209; für den ähnlichen Fall des Übergangs nach § 215 Abs. 8 SGG auf das LSG.: Urteil des BSG. vom 4.12.1956 in SozR. SGG § 215 Bl. Da 9 Nr. 31). Das Urteil des OVA. München war daher mit der Berufung zum LSG. München unter den Voraussetzungen der §§ 143 ff. SGG anfechtbar. Dieses war somit zur Entscheidung über die Berufung befugt.

Die von der Revision erhobene Rüge, die Vorschrift des § 543 RVO sei verletzt, ist unbegründet. Nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle auf einem mit der Tätigkeit in dem Unternehmen zusammenhängenden Wege nach und von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger auf einem solchen Wege den Unfall erlitt, war mit dem Vorderrichter in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß der Kläger nach etwa zehnstündiger Arbeitszeit in einer Hotelküche gegen 22,30 Uhr den Heimweg von seiner am P.-platz gelegenen Arbeitsstätte nach seiner Wohnung in der T.-straße mit dem Fahrrad angetreten, aber nicht auf dem kürzesten Wege dorthin über die B. Straße fortgesetzt, sondern einen Umweg über die Karlstraße, Luisenstraße und den Königsplatz eingeschlagen hatte. Dieser Gesamtweg, der über die L.-straße und Th.-straße zur T.-straße weiterführen sollte, infolge des Unfalls auf dem Königsplatz aber nicht fortgesetzt werden konnte, war etwa doppelt so lang wie die unmittelbare Wegverbindung zwischen Arbeitsstätte und Wohnung. Angesichts dieser das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) kann zunächst nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger am Unfallabend auf einem Wege nach Hause gelangen wollte, der sich, rein örtlich gesehen, als ein großer Umweg darstellte. Solche Umwege sind im Gegensatz zu unbedeutenden, kleinen, nach ständiger Rechtsprechung dem Versicherungsschutz unschädlichen Abweichungen vom kürzesten Wege von und zur Arbeitsstätte im allgemeinen nicht versichert (zu vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., Stand Dezember 1956, S. 78 a, Anm. 4 c zu § 543 RVO mit den dort angeführten Nachweisen; Schulz, "Der Begriff des Wegeunfalls" in Essener Schriften zur Sozialversicherung, 1950, S. 54; OVA. Karlsruhe, Breith. 1953, S. 959). Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich auch im vorliegenden Streitfall nicht.

Zwar hängt die Frage, ob ein Umweg im Verhältnis zur kürzesten Wegverbindung als erheblich anzusehen ist, nicht allein von der Länge der zu vergleichenden Wegstrecken ab. Es sind dabei vielmehr alle nach der allgemeinen Verkehrsanschauung maßgeblichen Umstände in Betracht zu ziehen, insbesondere das gewählte Verkehrsmittel und die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, im Hinblick auf dieses Verkehrsmittel einen bestimmten Weg einzuschlagen, um möglichst schnell und sicher die Arbeitsstätte oder die Wohnung zu erreichen (Reichsversicherungsamt - RVA. -, EuM. Bd. 25 S. 5 (6); LSG. Hamburg, Breith. 1956 S. 132). Derartige Umstände waren noch im Berufungsverfahren vom Kläger mit dem Hinweis auf Straßenglätte und sonstige Verkehrsgefahren seines normalen Heimweges geltend gemacht worden; das LSG. hat dieses Vorbringen jedoch mit zutreffenden Erwägungen, die auch von der Revision nicht mehr angegriffen werden, als ungeeignet zur Erhaltung des Versicherungsschutzes bezeichnet. Hiernach war der Umweg des Klägers über den Königsplatz jedenfalls als so bedeutend anzusehen, daß der Gesamtweg nicht ohne weiteres als der mit der Tätigkeit in dem Unternehmen gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO zusammenhängende Weg von der Arbeitsstätte angesehen werden kann (vgl. hierzu RVA., EuM. Bd. 23 S. 168).

Trotz erheblichen Abweichens des Versicherten vom kürzesten Weg zur Wohnung kann ausnahmsweise der nach § 543 RVO erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen Betriebstätigkeit und Heimweg gegeben sein, wenn der Umweg wesentlich der Zurücklegung des Weges nach und von der Arbeitsstätte und nicht privaten Zwecken dient (zu vgl. Lauterbach a. a. O.; Sächs. LVAmt, EuM. Bd. 25 S. 428; LSG. Hamburg a. a. O.). Der Kläger nimmt für sich einen solchen Ausnahmefall in Anspruch, und zwar will er den Zusammenhang des Umwegs über den Königsplatz mit seiner vorangegangenen Betriebsarbeit dadurch gewahrt wissen, daß er den längeren Weg nach Hause gewählt habe, um sich zur Erhaltung seiner Arbeitskraft durch den Aufenthalt an der frischen Luft vor dem Schlafengehen eine Weile von den Strapazen seiner anstrengenden Arbeit zu erholen. Die Frage, ob und inwieweit ein der Erholung dienender Weg dem Schutz der Unfallversicherung unterliegt, hat das RVA. vor allem im Zusammenhang mit der Beurteilung von Unfällen, die sich während der Arbeitspause und der Unterbrechung des Heimwegs von der Arbeit zum Zwecke der Nahrungsaufnahme sowie des Ausruhens in Wirtshäusern und bei Angehörigen ereignet haben, wiederholt entschieden. Das RVA. hat diese Frage stets dann bejaht, wenn der Weg erforderlich war, um die Arbeitsfähigkeit des Versicherten zu erhalten (zu vgl. RVO Mitgl. Komm., Bd. III, 2. Aufl., S. 83, Anm. 5 b II zu § 545 a; Lauterbach a. a. O., S. 78, Anm. 4 b zu § 543 RVO; EuM. Bd. 21 S. 281; Bd. 22 S. 6; Bd. 23 S. 355 und S. 424; Bd. 31 S. 529; Bd. 47 S. 415 und die dort mitgeteilten weiteren Entscheidungen des RVA.). Insbesondere in EuM. Bd. 21 S. 281 ist grundlegend ausgesprochen, daß der Versicherungsschutz bei Wegen von und zur Arbeitsstätte gewährt wird, weil sie zurückgelegt werden müssen, damit die Arbeit überhaupt ausgeführt werden kann, sei es, daß der Arbeiter erst durch sie zur Arbeitsstätte gelangt, sei es, daß sie notwendig sind, damit er wieder die nötige Ruhe und Ernährung findet, um sich seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Von dieser einschlägigen Rechtsprechung ausgehend, hat das LSG. die Auffassung vertreten, daß ein auf Erholung gerichtetes Verhalten des Versicherten nur dann nicht einem rein privaten Zweck diene, wenn sich an die Erholung unmittelbar die Arbeitsaufnahme anschließt. Diese Ansicht hält der erkennende Senat allerdings für zu eng, zumal da sie dem heute das gesamte Arbeitsleben beherrschenden Gedanken nicht gerecht wird, daß den Maßnahmen, die der Wiederherstellung der Arbeitskraft und der Gesunderhaltung des Erwerbstätigen überhaupt gelten, eine gesteigerte Bedeutung zukommt. Ob es gerade unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes naheliegen könnte, den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Umweg des Klägers und seiner Betriebstätigkeit anzunehmen, wenn er nur wenige Stunden Zeit zur Nachtruhe gehabt hätte, etwa weil er trotz spät abends beendeter anstrengender Berufsarbeit schon in der Frühe des nächsten Tages die neue Arbeitsschicht hätte fortsetzen müssen, braucht hier nicht entschieden zu werden; denn der vorliegende Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger am folgenden Tage - einem Sonntag - nicht zu arbeiten brauchte und sich nach Belieben erholen konnte. Es lag für ihn deshalb kein Grund vor, den Heimweg zum Zwecke der notwendigen Befriedigung seines Erholungsbedürfnisses im betrieblichen Interesse in der geschehenen Weise auszudehnen. Zur Erhaltung und Stärkung seiner Arbeitskraft war die Erholungsfahrt auf dem Umweg über den Königsplatz jedenfalls nicht geboten. Der Umstand allein, daß der längere Weg an der frischen Luft nach dem anstrengenden Aufenthalt in der Hotelküche bei schlechter Luft dem Kläger zuträglich und angenehm gewesen sein mag, rechtfertigt nicht die Annahme, daß der Umweg in diesem Fall nicht wesentlich privaten Zwecken diente. Andernfalls würde jede nach Feierabend unternommene Spazierfahrt in den Versicherungsschutz einzubeziehen sein und die Folge eintreten, daß die Grenzen des Versicherungsschutzes in einem mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung unvereinbaren Maße ausgeweitet würden. Der Umweg des Klägers über den Königsplatz hing nach alledem auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Erholungszwecks mit seiner Tätigkeit im Unternehmen zusammen. Infolgedessen war der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zuzustimmen.

Die Revision war demnach unbegründet und mußte deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1957, 807

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