Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.11.2001; Aktenzeichen L 4 KR 3002/00)

SG Stuttgart (Urteil vom 25.01.2000)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid vom 19. Januar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 1999 aufgehoben wird.

Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten für alle Instanzen zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin ist im Jahre 1956 geboren. Nach erfolgreichem Abschluss ihres sozialpädagogischen Studiums im Jahre 1978 hat sie sich zunächst einer ehrenamtlichen Tätigkeit im sozialen Bereich gewidmet. Anschließend hat sie für einen großen Wohlfahrtsverband einen Pflegedienst aufgebaut und geführt; sie war dort von Januar 1993 bis Februar 1997 auch als Pflegekraft tätig. In dieser Zeit absolvierte sie ua ein dreimonatiges Pflegepraktikum in einem Krankenhaus. Von Oktober 1997 bis Februar 1998 arbeitete sie als Pflegekraft in einem Altenheim. Nach mehreren Fortbildungsmaßnahmen erhielt sie im Februar 1998 die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung “Rettungsassistentin”; seitdem bildet sie in diesem Bereich auch aus. Seit Frühjahr 1998 betreibt die Klägerin einen eigenen – von den Kassen bisher nicht zugelassenen – Pflegedienst mit zunächst zwei angestellten Schwesternhelferinnen, und zwar vorrangig für selbstbeschaffte Pflegeleistungen nach § 37 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI); auch häusliche Krankenpflege nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wurde bisher in einzelnen Fällen vergütet.

Im August 1998 beantragte die Klägerin eine “Abrechnungsgenehmigung” für häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da Rettungsassistenten nach dem Rahmenvertrag, den sie und zwei weitere Krankenkassen mit den Landesverbänden privatgewerblicher Pflegedienstträger geschlossen haben, als Leiter eines Pflegedienstes nicht qualifiziert seien; auch die Zulassung als Kooperationspartner eines zugelassenen Pflegedienstes setze eine qualifizierte Fachkraft iS dieses Rahmenvertrags voraus (Bescheid vom 19. Januar 1999 und Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1999).

Im Klageverfahren hat die Klägerin eine “Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen nach § 37 SGB V” beantragt. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, “mit der Klägerin einen Vertrag über die Erbringung von Leistungen der Behandlungspflege im Rahmen häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V” abzuschließen (Urteil vom 25. Januar 2000). Das Landessozialgericht (LSG) hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. November 2001). Das LSG hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 132a SGB V. Zwar könne die Frage, was eine “geeignete Pflegekraft” iS von § 37 SGB V sei, weder mit Hilfe dieser Vorschrift noch der Richtlinien über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege noch der – bisher nicht zustande gekommenen – Rahmenempfehlungen beantwortet werden, wohl aber mit Hilfe des Rahmenvertrags und dessen Anlagen; die fehlende Mitgliedschaft der Klägerin in den vertragsschließenden Verbänden stehe nicht entgegen. Nach dem Rahmenvertrag seien geeignete Pflegepersonen nur staatlich anerkannte Altenpfleger, Kranken- und Kinderkrankenschwestern. Auch nach Ausbildungsziel und -inhalt sei der Beruf der Rettungsassistentin nicht gleichwertig.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts: Das LSG habe es unterlassen zu prüfen, ob die weite Fassung des Gesetzes gegen das verfassungsrechtliche Gebot verstoße, die wesentlichen Elemente einer Regelung, die in die Berufsfreiheit eingreift, durch den parlamentarischen Gesetzgeber festzulegen (Wesentlichkeitsgebot). Da sich der Gesetzgeber in § 37 SGB V für eine großzügige Regelung entschieden habe (“geeignete Pflegekräfte”), könne die Beklagte diese nicht auf der Basis eines Rahmenvertrages einschränken, der für sie, die Klägerin, keine Gültigkeit habe. Rahmenempfehlungen seien nicht zustande gekommen; die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V sagten nichts über die Eignung der Pflegekräfte aus. Da es um die Behandlungspflege vorwiegend älterer Menschen gehe, komme es auf die in den Ausbildungsordnungen für Pflegekräfte ansonsten vorgesehenen Ausbildungsinhalte nicht an.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2000 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist im Wesentlichen unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Klage in ihrem materiellen Kern abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte mit ihr einen Vertrag über die Versorgung der Versicherten mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V abschließt.

  • Die Klage ist nur begründet, soweit sie auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide gerichtet ist. Die Beklagte durfte nicht hoheitlich gegenüber der Klägerin tätig werden. Nach § 37 Abs 1 bis 3 SGB V haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen ihre Krankenkassen, die von diesen “durch geeignete Pflegekräfte” (§ 37 Abs 1 Satz 1 SGB V) zu erbringen ist. Zur Erfüllung des korrelierenden Sicherstellungsauftrags für häusliche Krankenpflege (vgl zu diesem Kasseler Komm/Hess, Stand März 2001, § 132a SGB V RdNr 9) schließen die Krankenkassen – soweit sie nicht selbst geeignete Personen anstellen (§ 132a Abs 2 Satz 4 SGB V) – Verträge mit den Leistungserbringern nach § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift nennt nach ihrem Wortlaut als Regelungsgegenstände eines derartigen Vertrages nur “die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie die Preise und deren Abrechnung”, also Fragen, die nicht erst als Folge einer Zulassung eines Leistungserbringers zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege zu regeln sind. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift schon im Wortlaut von anderen Regelungen des SGB V über Leistungserbringer. Nach § 95 SGB V verlangt etwa die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung die vorherige Zulassung eines Arztes oder die Ermächtigung eines Arztes bzw einer ärztlich geleiteten Einrichtung; Entsprechendes gilt für Psychotherapeuten. Nach § 108 Nr 3 SGB V setzt die Versorgung der Versicherten mit Krankenhausleistungen eine gesetzlich fingierte (Nr 1, 2) oder sogar eine ausdrückliche Zulassung des jeweiligen Krankenhauses (Nr 3) voraus. Nach den §§ 124 bzw 126 SGB V steht vor der Versorgung der Versicherten durch einen Heil- bzw Hilfsmittelerbringer ebenfalls die Zulassung, die auf Landesverbandsebene erfolgt.

    § 132a Abs 2 SGB V setzt allerdings auch für die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege eine Entscheidung über Eignung und Zuverlässigkeit des Leistungserbringers voraus. Die Prüfung dieser Kriterien erfolgt aber nicht im Rahmen eines hoheitlichen Verfahrens, sondern beim Abschluss des Vertrages über die Dienstleistung häusliche Pflege zwischen der Pflegekraft bzw dem Pflegedienst und einzelnen Krankenkassen. § 132 Abs 1 SGB V stellt nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang keine gesetzliche Ermächtigung dar, bei der Zulassungs- oder Ablehnungsentscheidung hoheitlich, durch Verwaltungsakt, tätig zu werden. In diese Richtung weisen auch die einschlägigen gesetzgeberischen Motive zum Gesundheitsreformgesetz – GRG – (BT-Drucks 11/2237, 206): “Als Vertragspartner der Krankenkasse kommen nicht nur öffentliche und private Pflegeeinrichtungen – insbesondere Sozialstationen –, sondern auch selbständig tätige Krankenpflegepersonen in Betracht … Die Krankenkassen haben die Leistungserbringer nach fachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszuwählen …” Es ist also auch dort von “Vertragspartnern” die Rede, die nicht durch Verwaltungsakt zur Versorgung zugelassen, sondern im Wege des Vertragsschlusses nach ihrer Geeignetheit ausgewählt werden. Der Gesetzgeber hat demnach eine Entscheidung auf gleichberechtigter Ebene, dh durch einen ursprünglich privatrechtlichen, seit dem 1. Januar 2000 öffentlich-koordinationsrechtlichen Vertrag gewollt (vgl zur “Zulassung” durch Vertrag für die Zeit vor dem 1. Januar 2000 bereits BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1 sowie Urteil des Senats vom 24. September 2002 – B 3 KR 2/02 R – zur Veröffentlichung vorgesehen) – weshalb hier die ergangenen Verwaltungsakte ohne Rücksicht auf ihren sachlichen Inhalt aufzuheben waren.

  • Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte zur Abgabe eines Vertragsangebots über die Versorgung von Versicherten mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs 2 SGB V verpflichtet ist. Die Vorschrift spricht allerdings nur von einem Vertragsabschluss mit “den Leistungserbringern”, was lediglich erkennen lässt, dass ein Vertragsschluss nicht nur mit einzelnen Pflegekräften, sondern auch mit den Inhabern von Pflegediensten – wie hier – zulässig sein soll. Im Übrigen nennt die Vorschrift, ebenso wie § 37 Abs 1 Satz 1 SGB V (“geeignete Pflegekräfte”), jedoch selbst keine Anforderungsmerkmale.

    Die Entscheidung darf jedenfalls nicht nach Bedarfskriterien erfolgen. § 132a Abs 2 SGB V, insbesondere Satz 3, lässt eine gesetzgeberische Ermächtigung dazu nicht erkennen. Sie wäre auch angesichts der Monopolstellung der Kassen mit der Wertentscheidung der Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren. Deshalb hat jeder Leistungserbringer, der die qualitativ-fachlichen, personellen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt, einen Rechtsanspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages. Die Preisgestaltung ist hingegen eine “Einzelheit” iS von § 132a Abs 2 Satz 1 SGB V, die der besonderen Vereinbarung unterliegt (vgl zum Ganzen Kasseler Komm/Hess, Stand März 2001, § 132a SGB V, RdNr 7, 9; Kranig in Hauck/Haines, SGB V, Stand Mai 2002, § 132a, RdNr 10 f, 13; Peters/Hencke, Hdb der KV, Stand Januar 1998, § 132a, RdNr 6; Krauskopf/Knittel, Soziale KV/PflegeV, Stand Dezember 1997, § 132a SGB V, RdNr 7; Wannagat/Mrozynski, SGB, Stand Juni 1999, § 37 SGB V, RdNr 44; Schulin/Henninger, Handbuch des SVrechts 1994, Krankenversicherung § 41 RdNr 3 ff; Schwerdtfeger, Grundrechtsgeleitete Pflegeberechtigung der privaten Pflegedienste 2001, S 15 ff; Plagemann, Das Verhältnis von Leistungsrecht zum Leistungserbringerrecht aus der Sicht der nichtärztlichen Leistungserbringer, VSSR 1997, 453; Frings, Zum Abschluss von Verträgen nach § 132, 132a SGB V, RsDE 43, 24).

    Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs hat das LSG zutreffend dargelegt, dass als “geeignete Pflegekräfte” iS von § 132a Abs 2 Satz 1 iVm § 37 Abs 1 Satz 1 SGB V zur Durchführung umfassender Krankenpflege lediglich staatlich anerkannte Altenpfleger, Krankenpfleger oder -schwestern sowie Kinderkrankenpfleger oder -schwestern in Betracht kommen. Soweit es sich zur Begründung auf den von der Beklagten am 15. Juli 1998 mit den Landesverbänden privatgewerblicher Pflegedienstträger geschlossenen Rahmenvertrag nach § 132 Abs 1 SGB V gestützt hat (vgl zur grundsätzlichen Berechtigung zum Abschluss mit – in der Vorschrift nicht genannten – Verbänden von Leistungserbringern BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1; Urteil des Senats vom 24. September 2002 – B 3 KR 2/02 R – zur Veröffentlichung vorgesehen; Kasseler Komm/Hess aaO, RdNr 7; Schwerdtfeger aaO S 15 f), ist dem nur im Ergebnis zu folgen, weil die Klägerin nicht Mitglied in einem dieser Verbände ist und daher durch einen derartigen Vertrag nicht verpflichtet werden kann. Die Kriterien des Rahmenvertrages konkretisieren aber in zulässiger Weise materiell den in den §§ 132a Abs 2 Satz 1, 37 Abs 1 Satz 1 SGB V enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung.

    Die Rüge der Revision, der Gesetzgeber habe mit der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Eignung gegen das verfassungsrechtliche Gebot verstoßen, die wesentlichen Voraussetzungen eines Eingriffs in die Berufsfreiheit selbst zu regeln (vgl BVerfGE 95, 267, 307; Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl 2000, Art 20 RdNr 54), greift – ungeachtet der Frage, ob es sich dabei um eine Verfahrensrüge handelt und welche Folgen sich daraus für den Klageanspruch ergeben würden – nicht durch. Der Gesetzgeber durfte die Konkretisierung des Rechtsbegriffs dem Verwaltungsvollzug überlassen, weil bei seiner Anwendung unter dem Blickwinkel der Berufsfreiheit in Abwägung mit dem Schutz der Gesundheit der Versicherten vor Gefahren und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Folgen hinreichend bestimmbar sind.

    Allerdings hat der Gesetzgeber auf dem eng mit der Krankenversicherung verflochtenen Gebiet der Pflegeversicherung die maßgeblichen Voraussetzungen für die Zulassung von ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen näher umschrieben. Nach § 72 Abs 3 SGB XI dürfen Versorgungsverträge nur mit solchen Pflegeeinrichtungen geschlossen werden, die den Anforderungen von § 71 SGB XI genügen. Nach § 71 Abs 1, 2 SGB XI gehört dazu, dass die Einrichtung unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft steht. Nach § 71 Abs 3 SGB XI setzt die Anerkennung als Pflegefachkraft eine abgeschlossene Ausbildung als Kranken- oder Kinderkrankenschwester, Kranken- oder Kinderkrankenpfleger nach dem Krankenpflegegesetz oder als Altenpfleger(in) nach Landesrecht voraus; bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, genügt auch eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger(in) oder Heilerzieher(in) nach Landesrecht und Berufserfahrung. Vor dem Inkrafttreten des SGB V waren die zur Durchführung der häuslichen Krankenpflege geeigneten Personen gesetzlich ebenfalls genauer umschrieben. Nach § 185 Abs 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung vom 14. Dezember 1987 (BGBl I, 2602) sollte die häusliche Krankenpflege nur durch “Krankenpflegepersonen mit einer staatlichen Erlaubnis oder durch andere zur Krankenpflege geeignete Personen” durchgeführt werden.

    Aus dem Wegfall der Aufführung von Krankenpflegepersonen mit einer staatlichen Erlaubnis kann nicht geschlossen werden, dass die Krankenkassen nunmehr die Zulassung zur häuslichen Krankenpflege nicht mehr von dem Abschluss einer staatlich anerkannten Ausbildung für einen Pflegeberuf abhängig machen dürften. Zu der bereits in § 37 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2477) verwendeten Formulierung “geeignete Pflegekräfte” führen die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 11/2237, 176) aus: “Da die häusliche Krankenpflege im Einzelfall auch die über eine Krankenpflegetätigkeit hinausgehende hauswirtschaftliche Versorgung (zB Zubereitung von Mahlzeiten) umfassen kann, spricht Abs 1 nicht mehr von Krankenpflegepersonen, sondern umfassender von Pflegekräften”. Diese Änderung sollte mithin lediglich berücksichtigen, dass für die hauswirtschaftliche Versorgung keine examinierten Krankenschwestern uä erforderlich sind; eine Absenkung der früheren Anforderungen für die “große” Behandlungspflege bei professioneller Pflege war damit nicht beabsichtigt. Dem widerspricht auch nicht, dass für die häusliche Krankenpflege durch bei den Krankenkassen angestellte Kräfte sogar anstelle von Pflegekräften lediglich “geeignete Personen” ausreichen (§ 132a Abs 2 Satz 4 SGB V). Denn unmittelbar bei den Kassen angestellte Personen stehen auch unter einer direkten Aufsicht derselben; dabei ist davon auszugehen, dass diese Aufsicht durch eine verantwortliche Pflegekraft mit voller Qualifikation zu erfolgen hat (vgl insgesamt zur Regelung nach der RVO bereits BSGE 50, 73 = SozR 2200 § 185 Nr 4 sowie zur Regelung im SGB V die – allerdings häufig nicht ausreichend zwischen professioneller und selbst beschaffter Laienpflege differenzierende – Kommentarliteratur: Peters/Mengert, Handbuch der KV, Stand Juni 1991, § 37 RdNr 66 ff; Kasseler Komm/Höfler, Stand März 2001, § 37 SGB V RdNr 27; Gerlach in Hauck/Haines, GKV, Stand Januar 2002, § 37 RdNr 42; GK-SGB V/Wagner, Stand Oktober 2002, § 37 RdNr 27; Zipperer GKV-Komm, Stand Juni 1995, § 37 RdNr 25 ff; Wannagat/Mrozynski, SGB, SGB V, Stand Juni 1999, § 37 RdNr 44; Schulin/Henninger, Handbuch des SV-Rechts 1994, Krankenversicherungsrecht § 41 RdNr 5 f). Der Verzicht des Gesetzgebers auf eine nähere Umschreibung der geeigneten Pflegekräfte trägt danach nur dem Umstand Rechnung, dass je nach dem abzudeckenden Versorgungsbedarf unterschiedlich qualifizierte Personen in Frage kommen.

    Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist zwischen dem Leistungserbringerrecht (§ 132a SGB V) und dem Leistungsrecht (§ 37 Abs 1 Satz 1 SGB V) zu unterscheiden. Das Leistungserbringerrecht regelt allein die Zulassung zur professionellen Pflege. Hingegen kann der Anspruch auf die Leistung “häusliche Krankenpflege” nicht nur durch professionelle Kräfte, sondern – je nach den Umständen des einzelnen Falles – auch durch “eine im Haushalt lebende Person” (§ 37 Abs 3 SGB V) oder eine “selbstbeschaffte Kraft” (§ 37 Abs 4 SGB V) erfüllt werden. Von daher erklärt sich, dass § 37 Abs 1 Satz 1 SGB V mit einem relativ weit gefassten Begriff (“geeignete Pflegekräfte”) arbeitet, weil für die Leistungserbringung nach § 37 Abs 3 und 4 SGB V auch angelernte Kräfte, nur praktisch erfahrene Kräfte und sogar nur im Haushalt lebende Personen ohne praktische Erfahrung im konkreten Fall ausreichend sein können. Der im Fall der Selbstbeschaffung derart weit auszulegende Begriff “geeignete Pflegekräfte” kann jedoch nicht dazu dienen, auch die Anforderungen bei der professionellen Pflege, insbesondere bei dem Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einem Pflegedienst, danach auszurichten. Zwar kann auch bei der professionellen Pflege zwischen einfacher hauswirtschaftlicher Versorgung, Grundpflege, einfacher (“kleiner”) Behandlungspflege und alle Aufgaben erfüllender qualifizierter (“großer”) Behandlungspflege unterschieden werden. Von daher könnte zB auch ein Versorgungsvertrag allein für eine hauswirtschaftliche Versorgung denkbar sein, der keine besonderen Anforderungen an die fachliche Qualifikation stellt. Hier geht es aber um die Durchführung aller Behandlungspflegemaßnahmen, die durch nichtärztliches Personal vorgenommen werden dürfen.

    Die Anforderungen eines Versorgungsvertrages für einen Pflegedienst, der sämtliche Bereiche der häuslichen Krankenpflege nach den §§ 132a Abs 2 Satz 1, 37 SGB V, einschließlich aller Aufgaben der (“großen”) Behandlungspflege, abdecken will, sind wegen der dabei häufig – insbesondere bei der Pflege schwer kranker, älterer Personen – auftretenden gesundheitlichen Gefahren hoch anzusetzen. Sie entsprechen den Anforderungen bei der professionellen Pflege nach dem SGB XI und können daher daran gemessen werden. Die häusliche Pflege nach dem SGB V unterscheidet sich von der Pflege nach dem SGB XI nicht so sehr, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe für die Zulassung nach § 132a Abs 2 SGB V geringere Qualifikationen in Kauf genommen. In beiden Gebieten umfasst die Pflege Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung und Behandlungspflege, wenn auch letztere in der Pflegeversicherung nur insoweit, als sie verrichtungsbezogen ist oder in Heimen stattfindet. Rettungsassistenten werden in der Pflegeversicherung nicht als Pflegefachkräfte angesehen. Sie können deshalb auch in der häuslichen Krankenpflege nicht umfassend als geeignet eingestuft werden. Die Tatsache, dass die Behandlungspflege in der Krankenversicherung auf Grund der Tatbestandsvoraussetzungen in § 37 SGB V eher akute, die Behandlungspflege in der Pflegeversicherung eher chronische Fälle umfasst, ist hinsichtlich der fachlichen Anforderungen nicht von entscheidender Bedeutung. Fälle, in denen die speziellen Kenntnisse eines Rettungsassistenten, etwa bei der Reanimation oder der Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen, zum Tragen kommen, dürften auch bei der häuslichen Krankenpflege eher selten auftreten.

    Der Rahmenvertrag und damit auch die darauf gestützte Auslegung der §§ 132a Abs 2 Satz 1, 37 SGB V durch die Beklagte sowie das LSG berücksichtigen diese Anforderungen und sind daher – im Wesentlichen – nicht zu beanstanden. Der Rahmenvertrag nimmt eine vierfache Differenzierung vor. Für die “große” Behandlungspflege kommen nur Krankenpfleger/-schwestern, Kinderkrankenpfleger/-schwestern und Altenpfleger/-innen, für die “kleine” Behandlungspflege darüber hinaus auch Kranken- oder Altenpflegehelfer/-innen in Betracht; auch die Grundpflege kann nur von den vorgenannten Gruppen geleistet werden. Lediglich bei der bloßen hauswirtschaftlichen Versorgung können auch “andere geeignete” Mitarbeiter/-innen eingesetzt werden. Im vorliegenden Zusammenhang kann dahinstehen, ob eine derartige Differenzierung in allen Fällen ausreicht. Zum Erbringen der “großen” Behandlungspflege, um die der vorliegende Rechtsstreit geht, ist jedenfalls nur eine Pflegefachkraft im genannten Sinne geeignet. Daher muss bei der Zulassung eines Pflegedienstes, der auch die “große Behandlungspflege” leisten will wie hier, entweder die Inhaberin oder eine als verantwortlich bestellte Leiterin die volle Qualifikation entsprechend den §§ 71 f SGB XI besitzen.

  • Die genannten Voraussetzungen erfüllt die Klägerin – jedenfalls derzeit – nicht. Sie hat bislang keine verantwortliche Leiterin mit einer Ausbildung in einem Pflegefachberuf bestellt und genügt auch selbst den Kriterien nicht in ausreichendem Maße. Sie hat keinen der genannten Abschlüsse und auch keinen gleichwertigen Abschluss vorzuweisen, wie das LSG festgestellt und nachvollziehbar gewertet hat. Die Ausbildung einer Rettungsassistentin ist primär auf Rettung, also beherztes Eingreifen im akuten Notfall, nicht aber auf Pflege ausgerichtet. Nach den Feststellungen des LSG umfasst die Ausbildung in der Krankenpflege zudem nur 620 Stunden, bei den genannten Pflegeberufen aber 4280 Stunden. Den formalen Qualifikationsanforderungen muss die langjährige Erfahrung und engagierte Praxis der Klägerin im Pflegebereich nicht gleichgestellt werden. Der Gesetzgeber hat – wie ausgeführt – in anderen Bereichen selbst das Erfordernis eines formalen Qualifikationsnachweises aufgestellt. Er trägt damit den Anforderungen des Verwaltungsvollzugs Rechnung, der nicht mit Prüfungs- und Ermittlungsaufgaben darüber belastet werden soll, ob im Einzelfall hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen außerhalb der geregelten Berufsausbildung erworben worden sind.

    Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat mitgeteilt hat, dass sie inzwischen zusätzlich drei examinierte Krankenschwestern beschäftigt, konnte dieser neue Tatsachenvortrag in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und Abs 4 Satz 2 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG vom 17. August 2001 (BGBl I, 2144) am 2. Januar 2002 geltenden alten Fassung. Diese kommt hier noch zur Anwendung, da es sich vorliegend um ein Verfahren nach § 197a SGG nF handelt, das noch vor Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG rechtshängig geworden ist (Art 17 Abs 1 Satz 2 6. SGG-ÄndG; vgl BSG Urteile vom 11. April 2002 – B 3 KR 25/01 R – zur Veröffentlichung vorgesehen – und vom 30. Januar 2002 – B 6 KA 12/01 R – SozR 3-2500 § 116 Nr 24).
 

Fundstellen

BSGE 2003, 150

PflR 2003, 211

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