Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung von beruflicher Umschulung und Fortbildung nach dem AFG (Fortführung von BSG 1975-09-30 7 RAr 96/73 = BSGE 40, 234-245).

2. Bezieher von Unterhaltsgeld iS AFG § 44 Abs 6 ist jeder, der durch einen zunächst bindenden Verwaltungsakt Unterhaltsgeld zuerkannt erhalten hat.

3. Die Frage, ob ein wichtiger Grund iS AFG § 44 Abs 6 zum Abbruch einer Maßnahme der beruflichen Bildung gegeben war, richtet sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalles.

4. AFG § 44 Abs 6 ist eine Ermessensvorschrift. AFuU § 11 Abs 9 (Fassung: 1969-12-18) trägt dem nicht Rechnung und ist daher wegen Überschreitens der Ermächtigung in AFG § 39 unwirksam.

5. Die Rückforderung nach AFG § 44 Abs 6 ist auch insoweit ausgeschlossen, als dem Bezieher von Unterhaltsgeld für die gleiche Zeit Berufsausbildungsbeihilfe nach AFG § 40 zugestanden hätte.

6. Der fiktive Anspruch auf Alg, Alhi oder Berufsausbildungsbeihilfe für die gleiche Zeit des Unterhaltsgeldbezuges iS AFG § 44 Abs 6 schließt den Rückforderungsanspruch nicht nur der Höhe nach, sondern dem Grunde nach aus.

 

Normenkette

AFG § 39 Fassung: 1969-06-25, § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 44 Abs. 6 Fassung: 1969-06-25, § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 151 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 152 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 11 Abs. 9 Fassung: 1969-12-18

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 23.10.1975; Aktenzeichen L 9 Al 132/74)

SG Landshut (Entscheidung vom 27.06.1974; Aktenzeichen S 9 Al 108/73)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Oktober 1975 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Juni 1974 teilweise abgeändert: Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Unterhaltsgeld im Bescheid der Beklagten vom 21. April 1972 richtet.

Im übrigen, wegen der Rückforderung von Unterhaltsgeld, wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung von Unterhaltsgeld (Uhg) in Höhe von 5.894,90 DM.

Der 1953 geborene Kläger hatte nach Abschluß der Volksschule vom 22. Juli 1967 bis zum 31. Juli 1970 im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern mitgearbeitet. Vom 1. September 1970 bis zum 28. Februar 1973 sollte der Kläger in einem Landmaschinenfachbetrieb zum Großhandelskaufmann ausgebildet werden. Die Beklagte gewährte ihm hierfür Uhg, Fahrtkosten und Leistungen für auswärtige Unterkunft und Verpflegung.

Am 13. Januar 1972 brach der Kläger die Bildungsmaßnahme ab und trat am gleichen Tage in ein Beschäftigungsverhältnis als Kabelleger ein. Hierauf hob die Beklagte mit Bescheid vom 21. April 1972 die Entscheidung über die Bewilligung von Uhg für die Zeit vom 1. September 1970 bis zum 15. Januar 1972 auf und forderte das ab September 1970 gewährte Uhg unter Berufung auf § 44 Abs 6 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zurück, da der Kläger die Förderungsmaßnahme ohne wichtigen Grund vorzeitig abgebrochen habe. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 1973).

Mit Urteil vom 27. Juni 1974 hat das Sozialgericht (SG) Landshut den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, erneut über die Rückforderung zu entscheiden. Es hat zwar die Auffassung der Beklagten geteilt, daß der Kläger keinen wichtigen Grund für den Abbruch der Bildungsmaßnahme gehabt habe. Doch beruhe der Rückforderungsbescheid auf einem Ermessensfehler, da nach § 44 Abs 6 AFG die Rückforderung des Uhg im Ermessen der Beklagten liege, diese davon aber keinen Gebrauch gemacht habe.

Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 23. Oktober 1975 das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur erneuten Entscheidung über die Rückforderung verurteilt worden war. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:

Die Voraussetzungen einer Rückforderung des vom 1. September 1970 ab gewährten Uhg seien nicht erfüllt; denn die Voraussetzungen des § 152 Abs 1 AFG lägen nicht vor. Die Rückforderung sei auch nicht nach § 44 Abs 6 AFG berechtigt; denn hierbei handele es sich um eine Sondervorschrift für das Uhg im Sinne des § 44 Abs 1 AFG; sie treffe allein Teilnehmer an Maßnahmen, für die das AFG die Gewährung von Uhg vorsehe. Der Kläger sei aber weder Teilnehmer einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung noch der einer Umschulung gewesen.

Eine Maßnahme der beruflichen Umschulung liege vor, wenn die in dem bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten nicht oder nur unwesentlich für die angestrebte andere geeignete berufliche Tätigkeit im Sinne des § 47 Abs 1 AFG Bedeutung hätten, während bei der Fortbildung die in dem bisherigen Beruf erlernten Fähigkeiten in den angestrebten Beruf inhaltlich mit übernommen würden. Die Ausbildung des Klägers zum Großhandelskaufmann sei demgegenüber als berufliche Ausbildung im Sinne des § 40 AFG zu werten; darunter sei stets die erste zu einem Abschluß führende berufliche Bildungsmaßnahme zu verstehen. Der Kläger habe nämlich vor Beginn der Bildungsmaßnahme weder einen beruflichen Abschluß erreicht noch eine "berufliche Tätigkeit" als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer oder als Selbständiger ausgeübt. Vielmehr habe er nach der Entlassung aus der Volksschule im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern mitgearbeitet - bis zum 18. Juli 1969 neben dem Besuch der landwirtschaftlichen Berufsschule - und dort freie Kost und Wohnung sowie ein Taschengeld erhalten. Damit habe der Kläger auch nicht die in § 3 Abs 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970 S 85 - AFuU 1969) für die Förderung der Umschulung verlangte Voraussetzung, eine berufliche Tätigkeit von mehr als drei Jahren, erfüllt.

Auch das Lebensalter des Klägers im Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung (Vollendung des 17. Lebensjahres) sowie der Inhalt des Ausbildungsvertrages sprächen dafür, daß es sich entgegen seiner Bezeichnung als "Umschulungsvertrag" um die Erstausbildung in der Form einer betrieblichen Lehre gehandelt habe. Die Beklagte habe von vornherein anstatt Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) rechtsgrundlos Uhg geleistet. Auf diesen Fall sei § 44 Abs 6 AFG nicht anzuwenden, da der Gesetzgeber mit dieser Sondervorschrift der Beklagten das besondere Rückforderungsrecht ausschließlich gegenüber Teilnehmern an Maßnahmen der beruflichen Erwachsenenbildung eingeräumt habe. Bei diesem Personenkreis erscheine es angesichts dessen, daß bei ihm eine gewisse Lebens- und Berufserfahrung zu erwarten sei, zumutbar, im Falle eines unbegründeten Abbruchs das Uhg auch für die zurückliegende Zeit zurückzufordern. Diese einem Erwachsenen entsprechende Berufs- und Lebensreife fehle dagegen bei Berufsanfängern wie dem Kläger, die auch nicht dadurch hergestellt werde, daß die Beklagte irrtümlich statt BAB Uhg gewährte. Die Anwendung des § 44 Abs 6 AFG wäre in diesen Fällen unbillig, weil die Beklagte unberücksichtigt ließe, daß dem Teilnehmer einer beruflichen Ausbildung eine der BAB entsprechende Leistung verbleiben müßte und daß sie die Zahlung des höheren Uhg ohne Rechtsgrund selbst verursacht habe.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 39, 40, 44, 47 AFG iVm § 11 Abs 9 AFuU 1969.

Sie trägt dazu vor: Der Kläger habe nicht an einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung, sondern an einer Maßnahme der beruflichen Umschulung teilgenommen. Letztere setze nicht wie die berufliche Fortbildung eine bestimmte Qualifikation (abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung) voraus; ausreichend sei eine bisherige berufliche Tätigkeit, die nicht beitragspflichtig sein müsse, die auch in einer Hilfsarbeitertätigkeit ohne jede berufliche Qualifikation bestehen könne. Da der Kläger vom Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme eine solche bisherige Tätigkeit aufgewiesen habe, sei ihm von der Beklagten zu Recht Uhg gezahlt worden. Sollte es zur Wertung der Mitarbeit in der elterlichen Landwirtschaft als bisherige berufliche Tätigkeit auf den Umfang dieser Beschäftigung ankommen, so müsse das LSG weitere Ermittlungen zu dieser Frage anstellen.

Die Beklagte habe ferner ohne Ermessensfehler die Zurückforderung verfügen dürfen. Ebenso wie bei der Anwendung gesetzlich normierter unbestimmter Rechtsbegriffe, bei denen der Verwaltung ein eigenständiger Beurteilungsspielraum eingeräumt sei, könne im Rahmen gesetzlicher Ermessensvorschriften das Ermessen im Bereich der Förderung der beruflichen Bildung durch den Verwaltungsrat der beklagten BA als satzungsmäßiger Anordnungsgeber gemäß § 39 AFG ausgeübt werden. Von dem der Beklagten in § 44 Abs 6 AFG eingeräumten Ermessen habe der Verwaltungsrat durch den Erlaß des § 11 Abs 9 AFuU 1969 Gebrauch gemacht, wodurch eine Gleichbehandlung aller problemgleichen Fälle erreicht werde, die bei Einzelfallentscheidungen ohne generalisierende Regelung aufgrund der Kannvorschrift des § 44 Abs 6 AFG nicht im rechtspolitisch erwünschten Ausmaß gewährleistet wäre.

Da ein wichtiger Grund für den Abbruch der Maßnahme nicht vorgelegen habe und dem Kläger während der fraglichen Zeit weder Arbeitslosengeld (Alg) noch Arbeitslosenhilfe (Alhi) zugestanden hätte, weil seine mithelfende Tätigkeit in der elterlichen Landwirtschaft keine entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs 1 Nr 4 b AFG, sondern lediglich eine Dienstleistungspflicht gemäß § 1619 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dargestellte habe, sei der Rückzahlungsanspruch begründet.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 27. Juni 1974 die Klage abzuweisen sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Ergänzend führt er aus, daß es für die Bewertung der bei den Eltern ausgeübten Tätigkeit als Beruf ohne Belang sei, welchen Umfang die Beschäftigung angenommen habe. Jedenfalls habe er nicht wie ein Berufstätiger gearbeitet, da ansonsten die Eltern eine entsprechende Vergütung hätten zahlen müssen. Selbst bei Annahme einer Umschulung wäre der Rückforderungsbescheid wegen Ermessensmangels rechtswidrig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist - teilweise im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG - begründet.

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist vollinhaltlich der angefochtene Bescheid vom 21. April 1972 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 1973. Dieser Bescheid enthält zwei Verfügungssätze, nämlich die Entziehung des Anspruchs, also die Aufhebung des Bewilligungsbescheides, soweit damit dem Kläger Uhg für die Zeit vom 1. September 1970 bis zum 15. Januar 1972 zuerkannt worden war, und die Rückforderung der dadurch entstandenen Leistungsüberzahlung.

Der Kläger hat, wie sich aus seinen Anträgen ergibt, den Bescheid vom 21. April 1972 zunächst mit seinem Widerspruch und sodann mit der Klage in vollem Umfange angefochten. Das SG hat der Klage in vollem Umfang und nicht nur hinsichtlich der Rückforderung stattgegeben, so daß die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Aufhebung der Bewilligung von Uhg weder der Prüfung durch das LSG noch durch das Bundessozialgericht (BSG) entzogen worden ist (vgl BSGE 11, 167, 170; 37, 155, 158). Das SG hat zwar seine Entscheidung lediglich mit einem Ermessensfehler der Beklagten bei der Entscheidung über die Rückzahlung des Uhg begründet. Gleichwohl liegt hinsichtlich der Aufhebung nicht eine teilweise Abweisung der Klage vor mit der Folge, daß die Berufung der Beklagten lediglich jenen Teil der erstinstanzlichen Entscheidung betroffen hätte, in dem diese - nämlich wegen ihres Rückforderungsanspruches - beschwert war. Zwar sind für die Frage, ob das SG, ohne dies im Tenor des Urteils auszusprechen, die Klage teilweise abgewiesen hat, die Entscheidungsgründe heranzuziehen, die grundsätzlich zu einer entsprechenden Auslegung des Urteils führen können (vgl BSGE 4, 121; 9, 17; 14, 99, 102; 37, 155, 157).

Für eine Auslegung des Tenors ist wie bei der Auslegung einer Willenserklärung jedoch nur dann Raum, sofern Auslegungsfähigkeit besteht, d.h. sofern der Tenor allein keine Klarheit ergibt, also mehrdeutig ist. Dies ist hier nicht der Fall, da im Tenor des SG-Urteils kein Anhaltspunkt dafür enthalten ist, daß die Klage nicht in vollem Umfange Erfolg haben sollte. Der angefochtene Bescheid soll eindeutig in seiner Gesamtheit, nicht nur teilweise, aufgehoben sein; die so beabsichtigte Rechtswirkung kommt auch in der Kostenentscheidung des SG zum Ausdruck, wenn es die Beklagte verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Klägers, und zwar in der gesamten Höhe, zu erstatten.

War demnach die Berufung der Beklagten nicht auf den Rückforderungsanspruch beschränkt, Rechtskraft hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung nicht eingetreten, war der angefochtene Bescheid in seinem vollen Inhalt auch Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Die in vollem Umfang klagestattgebende Entscheidung des LSG betrifft demgemäß ebenfalls die Rechtmäßigkeit von Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Uhg, auch wenn das Berufungsgericht darauf nicht im einzelnen eingegangen ist. Entsprechend ist der Streitgegenstand der Überprüfung durch das Revisionsgericht angefallen, also der gesamte Inhalt des Bescheides vom 21. April 1972. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene selbständige prozessuale Ansprüche (BSGE 6, 11, 15; Urteil vom 27. Januar 1977 - 7 RAr 121/75), die auf ihre Rechtsmittelfähigkeit gesondert zu prüfen sind (BSGE 3, 135, 139; 5, 222, 225; 6, 11, 15; 10, 264, 266, 267; SozR 1500 § 144 Nr. 4). Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen jedoch bezüglich beider prozessualer Ansprüche keine Bedenken, da das SG die Berufung ausdrücklich im Tenor zugelassen hat, abgesehen davon, daß auch ohne Zulassung die Berufung nach §§ 144, 147, 149 SGG nicht ausgeschlossen wäre.

Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Uhg gem. § 151 Abs 1 AFG aufgehoben. Nach dieser Vorschrift werden Entscheidungen, durch die Leistungen nach dem AFG bewilligt worden sind, insoweit aufgehoben, als die Voraussetzungen für die Leistungen (von Anfang an) nicht vorgelegen haben oder (später) weggefallen sind. Zu den Leistungen im Sinne des § 151 AFG gehören alle Leistungen nach dem AFG, die von einer Dienststelle der BA bewilligt worden sind, wozu auch die Förderungsmittel der beruflichen Bildung, also insbesondere das Uhg (§ 44 AFG) und die BAB, zählen (BSG SozR 4100 § 152 Nr 3; Urteil vom 24. September 1974 - 7 RAr 112/73; Hoppe, ABA 1970, 40,43).

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Uhg haben im vorliegenden Fall von Anfang an i.S. von § 151 Abs 1 AFG nicht vorgelegen, weil es sich bei der vom Kläger besuchten Bildungsmaßnahme entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine Maßnahme der beruflichen Umschulung i.S. von § 47 AFG gehandelt hat, sondern, wie das LSG zutreffend entschieden hat, um eine Maßnahme der beruflichen Ausbildung i.S. des § 40 AFG, für die das Gesetz nicht Uhg nach § 44 AFG, sondern BAB nach § 40 AFG vorsieht, eine vom Uhg nach Voraussetzungen und Höhe unterschiedliche Leistungsart. Fehlt es etwa bereits an einer Bildungsmaßnahme, für die Uhg nach § 44 AFG überhaupt in Betracht kommen kann, so fehlt es auch (von Anfang an) an einer Voraussetzung für die Bewilligung von Uhg hierfür.

So ist es hier. Die Förderung beruflicher Bildungsmaßnahmen ist nach der gesetzlichen Regelung in die drei Kategorien der Ausbildung, Fortbildung und Umschulung eingeteilt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frage, in welcher dieser Kategorien eine berufliche Bildungsmaßnahme einzuordnen ist, im Rahmen des AFG weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch nach den in anderen Rechtsgebieten vorhandenen Begriffsbestimmungen zu beantworten, sondern nach den besonderen Bestimmungen und Zielsetzungen des AFG selbst zu entscheiden (Urteil vom 19. März 1974 - 7 RAr 9/73 - SozR 4100 § 41 Nr 1). Ausbildung im Sinne des AFG (§ 40) ist stets nur die erste zu einem Abschluß führende berufliche Bildungsmaßnahme. Alle späteren Schritte zur weiteren beruflichen Bildung sind entweder als Fortbildung oder als Umschulung zu werten (BSG SozR 4100 § 40 Nr 1, § 41 Nr 11 und 13; zuletzt Urteil vom 27. Januar 1977 - 7/12/7 RAr 42/74 m.w.N.). Nach § 41 Abs 1 AFG ist berufliche Fortbildung die Teilnahme an einer Maßnahme, die das Ziel hat, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern oder der technischen Entwicklung anzupassen oder einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen.

Ebenso wie bei der Fortbildung ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt bei der Umschulung (§ 47 AFG) der bisherige Beruf mit den erlernten Fertigkeiten. Aus den Worten "Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit" folgt zwingend, daß der Bildungswillige vor der Umschulung im Sinne des § 47 Abs 1 AFG eine andere als die durch die Teilnahme an der Maßnahme angestrebte Berufstätigkeit ausgeübt haben muß. Im Gegensatz zur Fortbildung, die den Zweck hat, den Bildungswilligen in seinem bisherigen Beruf weiter zu qualifizieren, zielt aber die Umschulung darauf ab, "eine andere geeignete Tätigkeit" nach Abschluß der Umschulungsmaßnahme ergreifen zu können. Für die Unterscheidung zwischen Fortbildung und Umschulung ist nach alledem entscheidend, ob die in dem bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten in den angestrebten Beruf inhaltlich mit übernommen werden (Fortbildung) oder ob diese Fertigkeiten entweder nicht oder nur unwesentlich für die andere geeignete berufliche Tätigkeit im Sinne des § 47 Abs 1 AFG Bedeutung haben (Umschulung), insoweit also ein Beruf mit neuem Inhalt erlernt wird (BSG aaO; ferner SozR 4460 § 3 Nr 4; Urteil vom 31. August 1976 - 12/7 RAr 22/75).

Danach ergibt sich, daß es sich bei der in Frage stehenden Maßnahme nicht um eine berufliche Fortbildung (§ 41 AFG) gehandelt hat. Selbst wenn unterstellt wird, der Kläger habe bis zur Teilnahme an der Bildungsmaßnahme eine für die Fortbildung ausreichende berufliche Tätigkeit ausgeübt, so kann doch eine Fortbildung schon deshalb nicht angenommen werden, weil die vom Kläger erlernten Fertigkeiten, die er ausschließlich im landwirtschaftlichen Bereich erworben hat, nicht in den von ihm angestrebten Beruf eines Großhandelskaufmanns übernommen werden.

Aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen ist es jedoch auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Teilnahme des Klägers an der vorliegenden Bildungsmaßnahme nicht als eine berufliche Umschulung, sondern als berufliche Ausbildung i.S. des § 40 AFG angesehen hat. Der Kläger verfügte bei Beginn der Maßnahme nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung, die die Bewertung der Teilnahme an einer weiteren Bildungsmaßnahme als Berufsausbildung i.S. von § 40 AFG ausschlösse (BSG vom 27. Januar 1977 - 7/12/7 RAr 42/74 m.w.N.). Das allein ermöglicht allerdings noch keine abschließende Entscheidung über die Art der infrage stehenden Bildungsmaßnahme für den betreffenden Teilnehmer. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist nämlich das Vorliegen (oder Nichtvorliegen) eines förmlichen Lehrabschlusses noch nicht ohne weiteres das für die Abgrenzung von Ausbildung einerseits und Fortbildung oder Umschulung andererseits ausreichende Merkmal (BSGE 40, 234, 236; SozR 4100 § 44 Nr 8). Der Senat hat aus den Vorschriften des § 41 AFG, der neben die abgeschlossene Berufsausbildung gleichrangig die angemessene Berufserfahrung stellt, und des § 43 Abs 1 Nr 4 AFG, der das Nachholen einer bisher fehlenden Abschlußprüfung als förderungsfähiges Fortbildungsziel ausweist, auf den Grundgedanken des Gesetzes geschlossen, nach dem Ausbildungsförderung nach § 40 AFG grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt, falls der Bildungswillige vor Eintritt in die Maßnahme in einer bestimmten Berufsrichtung schon einen Status erlangt hat, der ihn zur verantwortlichen Ausübung des gewählten Berufs befähigt (BSG aaO). Nicht entscheidend ist demzufolge, ob der hiernach erforderliche Wissens- oder Kenntnisstand durch eine ordnungsgemäße Lehre oder durch langdauernde Berufstätigkeit erreicht wird.

Das LSG hat aber auch bei dieser Rechtslage nicht verkannt, daß der Kläger durch seine gerade dreijährige Mithilfe als Jugendlicher in der elterlichen Landwirtschaft (noch) nicht den hiernach erforderlichen Wissens- und Kenntnisstand an beruflicher Erfahrung erworben hatte, nämlich den Gleichstand mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in diesem Bereich (vgl BSGE 40, 234, 236), die für den landwirtschaftlichen Gehilfen nach der Bayerischen Verordnung über die Berufsausbildung in der Landwirtschaft, der Saatzucht und der landwirtschaftlichen Hauswirtschaft vom 29. November 1967 (GVBl. S 484) drei Jahre beträgt und nach § 108 Abs 1 Berufsbildungsgesetz einen Ausbildungsberuf vermittelt. Zwar bedarf es hierfür entgegen der Auffassung des LSG nicht stets der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer oder als Selbständiger. Auch unselbständige Tätigkeiten, die ihrer besonderen Gestaltung nach nicht der Versicherungspflicht unterliegen, können in besonders gelagerten Fällen, z.B. wenn sie entsprechend intensiv gestaltet sind und über einen langen Zeitraum hinweg ausgeübt werden, die hier erforderliche Berufserfahrung vermitteln. Das ist ein Frage des Einzelfalles. Vorliegend durfte das LSG jedoch aus dem Gesamtergebnis der von ihm festgestellten Tatsachen ohne Rechtsfehler darauf schließen, daß es dem Kläger beim Eintritt in die Ausbildung zum Großhandelskaufmann noch an dem eines in der Landwirtschaft regelförmig und vollwertig Ausgebildeten gleichwertigen beruflichen Status fehlte. Zu Recht hat das LSG dabei die Art der Tätigkeit (Mithilfe bei den Eltern), ihre Dauer (drei Jahre und neun Tage) und Entlohnung (freie Kost und Wohnung, Taschengeld), ihre regelmäßige Unterbrechung durch den Besuch der Berufsschule und das jugendliche Alter des Klägers herangezogen, ohne daß das Berufungsgericht sich gedrängt fühlen mußte, gem. § 103 SGG weitere Ermittlungen anzustellen. Wenn nämlich die Dauer einer bestimmten Tätigkeit - wie hier - gerade nur der für die regelförmige Berufsausbildung erforderlichen Zeit entspricht, muß sie nach Inhalt, Art und Ausgestaltung so stattfinden, daß sie dem Berufsunerfahrenen nicht nur Kenntnisse in der Ausübung der anfallender Arbeiten vermittelt, sondern auch die im Arbeitsleben darüber hinaus erforderlichen Erfahrungen, um davon sprechen zu können, daß der so Beschäftigte dadurch den Status erworben hat, der ihn zur verantwortlichen Ausübung des gewählten Berufs befähigt. Das LSG hat dies im Fall des Klägers ohne Rechtsfehler verneint.

Infolgedessen stellt sich die vom Kläger am 1. September 1970 begonnene Ausbildung zum Großhandelskaufmann für ihn als Berufsausbildung i.S. des § 40 AFG dar, weil sie ihm erstmals einen bis dahin i.S. des AFG nicht vorhandene abgeschlossene Berufsausbildung vermitteln sollte. Im Ergebnis rechtfertigt sich daraus die Aufhebung der Bewilligung von Uhg im Bescheid vom 21. April 1972 gem. § 151 Abs 1 AFG. Da es sich insoweit um einen eigenen prozessualen Streitgegenstand handelt, ist der Rechtsstreit in dieser Beziehung entscheidungsreif. Die Klage ist unter entsprechender Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile bezüglich der Aufhebung der Bewilligung von Uhg abzuweisen.

Die Entscheidung des LSG ist darüber hinaus auch insoweit aufzuheben, als sie die Rückforderung von Uhg betrifft. Insoweit reichen die Feststellungen des LSG für eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts jedoch nicht aus.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die geltend gemachte Rückforderung nicht auf § 152 Abs 1 AFG gestützt werden kann. In Betracht kämen allenfalls die Tatbestände nach § 152 Abs 1 Nr 1 oder Nr 2 AFG. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163) hat der Kläger die Gewährung des Uhg nicht dadurch herbeigeführt, daß er vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 148 Abs 1 AFG vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat (§ 152 Abs 1 Nr 1 AFG). Desgleichen hat er ebensowenig gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, daß die Voraussetzungen für die Leistungen bis zum Abbruch der Maßnahme nicht vorlagen (§ 152 Abs 1 Nr 2 AFG); nach Abbruch der Maßnahme hat der Kläger kein Uhg mehr erhalten.

Die Rückforderung kann jedoch nach § 44 Abs 6 AFG begründet sein. Nach dieser Vorschrift kann die BA das Uhg vom "Bezieher" dieser Leistung in bestimmtem Umfang zurückfordern, wenn er die Teilnahme an der Maßnahme vor deren Beendigung ohne wichtigen Grund abbricht. Unabhängig von einer Rückzahlungsverpflichtung des ehemaligen Maßnahmeteilnehmers für Leistungen, die der Teilnehmer nach Abbruch der Teilnahme unter Umständen noch erhalten hat, regelt § 44 Abs 6 AFG eine solche Pflicht auch in Bezug auf die ihm davor gewährten Mittel. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus Sinn und Zweck des § 44 Abs 6 AFG, die dem Teilnehmer aus Mitteln der Versichertengemeinschaft gewährten Leistungen dieser wieder zufließen zu lassen, wenn das Uhg durch das ungerechtfertigte Verhalten des Teilnehmers für ein sinnvolles Ergebnis nicht wirksam werden konnte (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. zum AFG, § 44 Rdnr. 20).

Die Anwendung des § 44 Abs 6 AFG scheitert nicht daran, daß der Kläger das ihm bewilligte Uhg von Anfang an deshalb zu Unrecht bezogen hat, weil es sich bei der Ausbildung zum Großhandelskaufmann gar nicht um eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung gehandelt hat, für die allein Uhg rechtmäßig gewährt werden darf. Der Kläger war gleichwohl "Bezieher von Unterhaltsgeld" i.S. des § 44 Abs 6 AFG. Hierunter sind jedenfalls alle Personen zu verstehen, die durch einen zunächst bindenden Verwaltungsakt Uhg zuerkannt erhalten haben. § 44 Abs 6 AFG stellt zwar eine von der allgemeinen Regelung über das Recht zur Rückforderung von Leistungen nach § 152 AFG abweichende Sonderregelung dar. Ihr Sinn besteht aber darin, den Erfolg langfristiger Bildungsmaßnahmen sicherzustellen (BT-Drucks. V/1420 S 3). Dieser Sinn erschöpft sich nicht nur gegenüber Teilnehmern an solchen Maßnahmen, denen Uhg rechtmäßig zugebilligt worden ist, sondern auch gegenüber denjenigen, die infolge einer falschen Rechtsanwendung durch die BA zu Unrecht Uhg erhalten haben, sofern die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 44 Abs 6 AFG erfüllt sind. Eine andere Auslegung würde dazu führen, daß der unrechtmäßige Bezug von Uhg besser gestellt wäre als der rechtmäßige; denn jener unterläge bei Nichtanwendung des § 44 Abs 6 AFG lediglich der für den vorliegenden Sachverhalt eingeschränkten Rückzahlungspflicht nach § 152 Abs 1 AFG. Das ließe sich mit dem dargestellten Sinn dieser Regelung nicht vereinbaren. Es ist deshalb vom Wortlaut des § 44 Abs 6 AFG auszugehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Materialien zur Entstehungsgeschichte des § 44 Abs 6 AFG, der der Fassung des früheren § 133 a Abs 6 des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) entspricht. Ebensowenig ließe sich eine Unterscheidung in der Rückzahlungspflicht danach rechtfertigen, ob der Bezug des Uhg deshalb rechtswidrig war, weil eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung inhaltlich gar nicht vorgelegen hat, oder ob dies zwar der Fall war, jedoch andere Förderungsvoraussetzungen gefehlt haben. Auch im letzteren Fall fehlte es nur an einer (von mehreren) Anspruchsvoraussetzungen. Demgegenüber kämen die Überlegungen, die nach Auffassung des LSG gegen die Anwendung des § 44 Abs 6 AFG sprechen, nicht zum Tragen. Denn hierbei handelt es sich durchaus - jedenfalls im Regelfall - um Teilnehmer an einer beruflichen Erwachsenenbildung, also um einen Personenkreis mit gewisser Lebens- und Berufserfahrung, für den auch das LSG die Rückzahlung von Uhg bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 44 Abs 6 AFG für zumutbar erachtet.

Auch ein besonderes Schutzbedürfnis jugendlicher und damit unerfahrener Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, die fälschlich mit Uhg gefördert worden sind, steht entgegen der Auffassung des LSG der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 44 Abs 6 AFG nicht entgegen. Solchen Umständen kann einmal bei der Frage Rechnung getragen werden, ob der Abbruch ohne wichtigen Grund erfolgt ist, zum anderen auch bei der Frage, ob und wie weit die Beklagte selbst bei Vorliegen aller Voraussetzungen des § 44 Abs 6 AFG ihr Rückforderungsrecht verwirklichen darf.

Die Rechtmäßigkeit der nach § 44 Abs 6 AFG grundsätzlich möglichen Rückforderung von Uhg auch im Fall des Klägers hängt einmal davon ab, ob er für den Abbruch der Teilnahme an der vorliegenden Bildungsmaßnahme einen wichtigen Grund gehabt hat. Das LSG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen getroffen. Es wird diese nachzuholen haben. Dabei wird es die Gründe des Klägers für den Abbruch im einzelnen ermitteln müssen und diese unter Berücksichtigung der Gesamtumstände dieses Einzelfalles auch im Sinne der vorstehenden Erwägungen also auch unter Berücksichtigung des Alters und der Einsichtsfähigkeit des Klägers, zu prüfen haben.

Sofern das LSG danach zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger für den Abbruch keinen wichtigen Grund i.S. des § 44 Abs 6 AFG gehabt hat, kann die geltend gemachte Rückforderung jedoch aus anderen Gründen rechtswidrig sein.

§ 44 Abs 6 AFG ist eine Ermessensvorschrift. Dies ergibt sich eindeutig aus der Fassung der Bestimmung als "Kann" - Vorschrift. Die Verkoppelung der Ermessensregelung mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes macht diese Norm nicht zu einer zwingenden Vorschrift in dem Sinne, daß bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in jedem Fall als Rechtsfolge die Rückforderung erfolgen muß (so auch Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. zum AFG, § 44 Rdnr. 20; Hennig/Kühl/Heuer, Komm. zum AFG, § 44 Anm. 10; Krebs, Komm. zum AFG, § 44 Rdnr. 14). Die aufgrund der Ermächtigung des § 39 AFG, an deren - wie das BSG (BSGE 35, 164, 166; Urteil vom 19. Februar 1976 - 12/7 RAr 126/74) mit ausführlicher Begründung entschieden hat - Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestehen, ergangene AfuU 1969 bestimmt in ihrem § 11 Abs 9, daß bei Abbruch ohne wichtigen Grund das gewährte Uhg vom Teilnehmer zurückzufordern ist, demnach der Teilnehmer ausnahmslos die gewährten Mittel zurückzuzahlen hat. Diese Regelung widerspricht dem Gesetz; sie ist von der Ermächtigung des § 39 AFG nicht mehr gedeckt und deshalb unwirksam. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, daß ebenso wie bei der Rechtsanwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der der Verwaltung einen eigenständigen Beurteilungsspielraum einräumt, welcher durch Anordnungen des Verwaltungsrates zulässigerweise ausgefüllt werden kann (vgl. BSGE 38, 138; SozR 4100 § 36 Nr 7; Urteil vom 22. September 1976 - 7 RAr 20/75 -), für gesetzliche Ermessensvorschriften gelten muß, daß der Ermessensspielraum durch den satzungsgemäßen Anordnungsgeber der Beklagten konkretisiert werden kann (vgl. BVerwG DÖV 1969, 500). In diesem Fall beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung des Ermessens grundsätzlich nur noch darauf, ob die Voraussetzungen der Verwaltungsanordnung vorgelegen haben.

Die Ausfüllung eines Ermessensrahmens setzt jedoch voraus, daß die Grenzen dieses Rahmens nicht überschritten werden. Die Entscheidung, wann diese Grenzen überschritten worden sind, ist unter Beachtung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen zu treffen. Als eine solche Grundentscheidung des Gesetzgebers ist die Ausgestaltung des § 44 Abs 6 AFG als Ermessensnorm zu werten. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit anderen Vorschriften des AFG, in denen zunächst durch Leistungen der BA Begünstigte mit einer Rückzahlung zu rechnen haben. So ist etwa § 152 AFG als Mußvorschrift ausgestaltet, desgleichen ist der Arbeitgeber ausnahmslos verpflichtet, bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen Schadensersatz zu leisten (§§ 72 Abs 3 Satz 4, 79 Abs 5 AFG; vgl. ferner § 46 Abs 2 Satz 2 AFG in der am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Neufassung). Wählt aber der Gesetzgeber im Gegensatz zu diesen eindeutigen Ausgestaltungen der Forderungsrechte der BA in § 44 Abs 6 AFG eine andere ebenso eindeutige Formulierung, so muß dies als bewußte Entscheidung dafür gelten, daß nicht in jedem Fall des Fehlens eines wichtigen Grundes das Uhg zurückgefordert werden soll. So wäre beispielsweise nicht einzusehen, weshalb nach einem unberechtigten Abbruch der Teilnahme an der Maßnahme bei der Ermessensausübung nicht mehr berücksichtigt werden dürfte, inwieweit die Aufwendungen für die bisher geförderte Bildungsmaßnahme trotzdem noch als sinnvolle Investition erachtet werden können, weil etwa bisher erlernte Kenntnisse und Fertigkeiten die berufliche Beweglichkeit des Teilnehmers verbessern oder die bisherige Teilnahme auf eine anschließend aufgenommene Ausbildung angerechnet wird. Ebenso könnten andere individuelle Gründe dafür sprechen, von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen. Wenn der Gesetzgeber mit der bewußten Entscheidung zugunsten einer Kannvorschrift Differenzierungen zugelassen hat, dann darf der Anordnungsgeber diese nicht beseitigen oder unbeachtet lassen (vgl BSGE 38, 274, 276), die Grundentscheidung nicht zunichte machen, indem er eine Ermessensnorm in eine zwingende Vorschrift umwandelt (so auch Hennig/Kühl/Heuer aaO; a.A. offenbar Schönefelder/Kranz/Wanka aaO). Dadurch wird im Gegensatz zur Meinung der Beklagten nicht eine Gleichbehandlung gewährleistet, sondern gerade verhindert, weil Ungleiches gleich behandelt wird.

Mithin kommt es für die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides auch darauf an, ob die Beklagte vom Ermessen des § 44 Abs 6 AFG Gebrauch gemacht hat. Eigene Feststellungen des LSG zu dieser Frage, die vom SG verneint worden ist, fehlen. Selbst wenn das LSG zu dem Ergebnis gelangt, daß auch kein Ermessensfehlgebrauch von Seiten der Beklagten vorliegt, kann noch keine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung getroffen werden. Eine Rückzahlung des gewährten Uhg kommt nämlich dann nicht in Betracht, wenn dem Kläger für die gleiche Zeit dem Grunde nach ein Anspruch auf Alg oder Alhi zugestanden hat. Nach § 44 Abs 6 AFG kann das gewährte Uhg nur insoweit zurückgefordert werden, als dem Kläger für die Zeit des Bezuges von Uhg weder Alg oder Alhi zugestanden hätte.

Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich zwar, daß er einen Anspruch auf Alg nicht hatte. Ob auch für einen Anspruch auf Alhi das gleiche gilt, ist nicht zweifelsfrei festgestellt. Die Feststellungen des LSG zu den Gegenleistungen, die der Kläger für seine Mithilfe im elterlichen Betrieb erhalten hat sowie zu der Art dieser Tätigkeit lassen keinen endgültigen Schluß darauf zu, ob es sich insoweit um eine entlohnte Beschäftigung entsprechenden Umfangs i.S. des § 134 Abs 1 Nr 4 d AFG gehandelt hat, umso mehr, als das LSG diese Feststellungen im Zusammenhang mit einer anderen Rechtsfrage getroffen hat. Das LSG wird daher gegebenenfalls auch bzgl. eines etwaigen Anspruchs des Klägers auf Alhi ergänzend ermitteln müssen. Dabei wird es für den etwaigen Anspruch auf Alhi des Klägers sowohl Arbeitslosmeldung als auch Antragstellung zu unterstellen haben und die Frage der Verfügbarkeit unabhängig von der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme beurteilen müssen (vgl Hennig/Kühl/ Heuer aaO, § 44 Anm. 11).

Verneint das LSG den Bestand eines Alhi-Anspruchs des Klägers während des Uhg-Bezuges, so kommt es ferner darauf an, ob dem Kläger für diese Zeit nicht ein Anspruch auf BAB zugestanden hätte. Nach Auffassung des Senats widerspräche die Rückforderung in diesem Fall dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser auch im öffentlichen Recht anwendbare Grundsatz (BSG NJW 1958, 1607; BSGE 18, 263, 264) besagt, daß die gegen Treu und Glauben verstoßende Rechtsausübung unzulässig ist, so daß mithin seine Anwendung zur Einschränkung oder gar zum Wegfall eines Rechts führen kann. Die Wirkung des Prinzips der unzulässigen Rechtsausübung ist auch im Sozialrecht anerkannt (BSGE 15, 259, 263; 22, 257, 259; 24, 278, 280).

Es widerspräche Treu und Glauben, wenn der Kläger als Teilnehmer an einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung den gesamten Förderungsbetrag erstatten soll, weil die Behörde infolge ihres Fehlers von einer Maßnahme der Umschulung ausgegangen ist und darum Uhg anstelle der zustehenden BAB gewährt hat. Im Falle einer beruflichen Ausbildung darf sich aber nach der gesetzlichen Systematik der Teilnehmer darauf verlassen, daß er im Falle eines vorzeitigen Abbruchs der Teilnahme Förderungsmittel nicht zurückzahlen muß. Diese Ansicht steht in Übereinstimmung mit dem in § 44 Abs 6 AFG enthaltenen Rechtsgedanken, daß der Teilnehmer die gewährten Mittel soll behalten dürfen, sofern er andere Leistungen (Alg/Alhi) hätte beanspruchen können.

Der Senat hat keine Bedenken, diese in § 44 Abs 6 AFG ausdrücklich vorgenommene Einschränkung des Rückforderungsrechts auch auf einen ansonsten bestehenden (etwaigen) Anspruch auf BAB auszudehnen, jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - die Ursache für eine fälschliche Uhg-Bewilligung ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt.

Soweit dem Kläger nach den ggf. noch zu treffenden Feststellungen des LSG für die gleiche Zeit des Uhg-Bezuges ein Anspruch auf Alhi oder BAB zugestanden hätte, wäre der Rückforderungsanspruch nicht nur in der Höhe dieser (fiktiven) Ansprüche, sondern für deckungsgleiche Zeiten dem Grunde nach ausgeschlossen (a.A. Krebs, aaO; ebenso offenbar die im vorliegenden Fall noch nicht anwendbare Regelung in § 10 Abs 5 AFuU idF vom 23. März 1976 - ANBA S 559). Nach Auffassung des Senats bezieht sich das Wort "insoweit" in § 44 Abs 6 AFG der Wortfassung nach auf die Zeit und nicht auf die Höhe des fiktiv festzustellenden anderweitigen Anspruchs. Die Rückforderung darf sich jeweils nur auf einen Zeitabschnitt beziehen, für den dem Uhg-Bezieher weder Alg noch Alhi (oder hier: BAB) zugestanden hätten (vgl Schönefelder/Kranz/Wanka aaO, § 44 Rdnr. 20; Hennig/Kühl/Heuer aaO, § 44 Anm. 11). Für diese Auslegung spricht, daß angesichts der ohnehin regelmäßig nicht erheblichen Unterschiedsbeträge der Verwaltungsaufwand gering gehalten wird. Es erscheint sinnvoll, daß derjenige, der, wenn auch unberechtigt, in den Genuß einer Leistung mit Lohn- oder Unterhaltsersatzfunktion kommt, diese nicht zurückzahlen muß, falls er an sich eine andere Leistung mit einer gleichen Funktion beanspruchen kann. Diese Auffassung stimmt im übrigen mit der für den anhängigen Rechtsstreit maßgeblichen Regelung in § 11 Abs 9 der AFuU 1969 überein, ebenso in § 11 Abs 9 des AFuU vom 9. September 1971 (ANBA S 797). Danach ist das Uhg bei Abbruch ohne wichtigen Grund (nur) zurückzufordern, wenn dem Bezieher des Uhg weder Alg noch Alhi während der Zeit des Uhg-Bezuges zugestanden hätte. In den vorläufigen Durchführungsanweisungen des Präsidenten der BA zu § 11 AFuU 1971 - Teilziffer 11.91 - heißt es hierzu u.a.: "Bestand ein Anspruch auf Alg oder Alhi, ein Anspruch dem Grunde nach genügt bereits, kommt eine Rückforderung nach der o.a. Vorschrift nicht in Betracht" (abgedruckt bei Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, 10. Lfg - Dezember 1975 - C II(DA) S. 33). Entsprechend wurde auch die gleichlautende Regelung in § 133 a AVAVG durch die BA ausgelegt (vgl. Erlaß des Präsidenten der BA Nr. 46/68.4.1.6.8 vom 24. Januar 1968, I 9, abgedruckt bei Fangmeyer/Überall, AVAVG, Stand 1. April 1969 zu § 133 a, S 800/1).

Da sich die Rechtmäßigkeit der gegen den Kläger erhobenen Rückforderung von Uhg nach § 44 Abs 6 AFG richtet, das LSG insoweit aber noch nicht entschieden und demgemäß hierfür auch nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat, kommt insoweit nur die Zurückverweisung der Sache an das LSG in Betracht.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1652076

BSGE, 173

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