Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeld. Korrektur der Bemessung. Zufluß. Gehaltsnachzahlung. nachträgliche Vertragserfüllung. Änderung der Verhältnisse. Rechtsprechungsänderung. rückwirkende Aufhebung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ist auch Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das dem Arbeitslosen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zur nachträglichen Vertragserfüllung zugeflossen ist (Anschluß an BSG-Urteil vom 28.6.1995 – 7 RAr 102/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
  • Hat ein Arbeitsloser nach Erlaß eines unanfechtbar gewordenen Bewilligungsbescheides zusätzliches Arbeitsentgelt in nachträglicher Vertragserfüllung erhalten, so haben sich die Verhältnisse insoweit zu seinen Gunsten rückwirkend geändert und ist das Arbeitslosengeld gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X neu zu bemessen.
  • § 48 Abs 2 SGB X schränkt den Anwendungsbereich des § 48 Abs 1 SGB X nicht ein (Fortführung von BSGE 57, 209 = SozR 1300 § 44 Nr 13 und BSGE 58, 27, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 16).
 

Normenkette

SGB X §§ 44, 48 Abs. 1-2; AFG § 111 Fassung: 1992-12-18, § 112 Fassung: 1993-12-17, § 152 Abs. 1, § 3 Fassung: 21.12.1993

 

Verfahrensgang

Thüringer LSG (Urteil vom 31.08.1994; Aktenzeichen L 1 Ar 31/94)

SG Nordhausen (Urteil vom 07.12.1993; Aktenzeichen So 2 Ar 293/93)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 31. August 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 7. Dezember 1993 hinsichtlich der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als über Arbeitslosengeld für Oktober 1992 entschieden worden ist.

Der Bescheid des Arbeitsamtes Nordhausen vom 14. Dezember 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1993 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides des Arbeitsamtes Nordhausen vom 20. Oktober 1992 für Oktober 1992 weitere 194,40 DM Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist (noch) die Zahlung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 1992.

Der Kläger war von März 1963 bis 30. September 1992 bei den IFA-Motorenwerken in N.… beschäftigt. Bereits am 22. September 1992 hatte sich der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos gemeldet und die Zahlung von Alg ab 1. Oktober 1992 beantragt. Er wies darauf hin, eine Kündigungsschutzklage und eine Klage wegen der Lohnhöhe (tarifliche Einstufung) gegen seinen Arbeitgeber eingereicht zu haben. In der Arbeitsbescheinigung vom 15. September 1992 (erste Arbeitsbescheinigung) war für die Monate Juni bis August 1992 ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.954,-- DM bei einer tariflichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden angegeben.

Ausgehend von dem in der Arbeitsbescheinigung ausgewiesenen Bruttoarbeitsentgelt bewilligte das ArbA mit Bescheid vom 20. Oktober 1992 ab 1. Oktober 1992 Alg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 680,-- DM, der Leistungsgruppe C und einem Vomhundertsatz von 68 mit einem Zahlbetrag von 336,-- DM wöchentlich.

Am 10. November 1992 schloß der Kläger mit seinem ehemaligen Arbeitgeber einen außergerichtlichen Vergleich, wonach er mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in eine höhere Gehaltsgruppe (T 6 des Gehaltsrahmentarifvertrags der Metall- und Elektro-Industrie Thüringens vom 28. November 1990, gültig ab 1. April 1991) eingestuft und entsprechende Entgeltdifferenzen rückwirkend ausgezahlt wurden. Daraufhin legte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 3. Dezember 1992 eine zweite Arbeitsbescheinigung vor, ausweislich derer das monatliche Bruttoarbeitsentgelt des Klägers in den Monaten Juli bis September 1992 jeweils 3.397,-- DM betrug.

Das ArbA lehnte mit Bescheid vom 14. Dezember 1992 (Widerspruchsbescheid vom 8. März 1993) den – nach Ablauf der Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 10. Oktober 1992 gestellten – Überprüfungsantrag des Klägers ab: Eine Erhöhung des Alg sei nicht möglich. Denn der Bemessung des Alg sei nicht das Entgelt zugrunde zu legen, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit ein Rechtsanspruch bestehe, sondern das beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechnete Arbeitsentgelt.

Ab 2. November 1992 nahm der Kläger an einer Bildungsmaßnahme teil, für die ihm das ArbA Unterhaltsgeld gewährte, wiederum nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 680,-- DM (Bescheid vom 24. November 1992, Widerspruchsbescheid vom 8. März 1993). Ab 9. November 1993 erhält der Kläger Alg (Bescheid vom 8. Dezember 1993).

Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) haben die Klage auf höhere Leistungen abgewiesen (Urteil des SG vom 7. Dezember 1993; Urteil des LSG vom 31. August 1994). Das LSG hat ausgeführt, die Lohnnachzahlung aufgrund des Vergleichs könne – wie dies der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden habe – für die Berechnung des Alg nicht berücksichtigt werden. An dieser ständigen Rechtsprechung des BSG sei auch im Hinblick auf die besondere Situation in den neuen Bundesländern festzuhalten.

Nach Revisionseinlegung haben die Beteiligten aufgrund der Urteile des 7. Senats des BSG vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 102/94 und 7 RAr 20/94 – über die Leistungen ab 2. November 1992 einen Vergleich geschlossen.

Mit der Revision macht der Kläger noch geltend, bei der Bemessung des Alg für Oktober 1992 müsse auch das von ihm im Bemessungszeitraum erarbeitete, aber erst nach dem Ausscheiden aus der Beschäftigung gezahlte zusätzliche Arbeitsentgelt berücksichtigt werden. Dies folge aus den Entscheidungen vom 28. Juni 1995. Einer nachträglichen Korrektur stehe die Bestandskraft des Bewilligungsbescheides nicht entgegen. Denn der nachträgliche Zufluß zusätzlichen Entgelts stelle eine wesentliche Änderung zugunsten des Betroffenen dar, so daß der Bewilligungsbescheid gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ab 1. Oktober 1992, aufgehoben werden müsse.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 31. August 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 7. Dezember 1993 hinsichtlich des Arbeitslosengeldes für Oktober 1992 sowie den Bescheid des Arbeitsamtes Nordhausen vom 14. Dezember 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides des Arbeitsamtes Nordhausen vom 20. Oktober 1992 für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 1992 weitere 194,40 DM als Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der nachträgliche Zufluß des Arbeitsentgelts könne nicht zu einer höheren Festsetzung des Alg führen. Denn eine Korrektur des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 20. Oktober 1992 richte sich nach § 48 Abs 2 1. Halbsatz iVm Abs 1 Satz 1 SGB X. Im Fall des Klägers sei durch die Gehaltsnachzahlung im Jahre 1992 in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlaß des Bewilligungsbescheides vorgelegen hätten, eine Änderung eingetreten. Die Änderung sei jedoch 1992 noch nicht rechtserheblich gewesen. Vielmehr sei eine Rechtserheblichkeit im Sinne einer wesentlichen Änderung gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X (erst) durch die Entscheidung vom 28. Juni 1995 eingetreten. Dies ergebe sich aus § 48 Abs 2 1. Halbsatz SGB X. Das BSG habe zu dieser Vorschrift in der Entscheidung vom 30. Januar 1985 (BSGE 58, 28, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 16) Beurteilungskriterien aufgestellt und darin zwei Formen nachträglicher Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschieden. Hiernach habe die mit der Entscheidung vom 28. Juni 1995 eingetretene Rechtsprechungsänderung nur Wirkung für die Zukunft entfaltet und sei gemäß § 48 Abs 2 1. Halbsatz iVm Abs 1 Satz 1 SGB X als eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse ab dem Tage der Urteilsverkündung anzusehen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers, die nur noch höheres Alg für Oktober 1992 betrifft, ist begründet.

1. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers sind § 48 Abs 1 SGB X und die §§ 100 ff Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Satz 2 Nr 1).

1.1 Die Bewilligung von Alg ab 1. Oktober 1992 mit Bescheid vom 20. Oktober 1992 enthält einen Verwaltungsakt mit “Dauerwirkung”. Dem steht nicht entgegen, daß hier das Alg tatsächlich nur kurze Zeit gewährt worden ist. Denn insoweit ist allein auf die rechtlichen Wirkungen des Verwaltungsaktes abzustellen und ihm bereits dann Dauerwirkung beizulegen, wenn er in rechtlicher Hinsicht über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw Bindungswirkung hinaus Wirkungen entfaltet (vgl BSGE 58, 27, 28 = SozR 1300 § 44 Nr 16 sowie BSGE 61, 286, 287 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X ist eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19) oder – anders ausgedrückt – wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, daß die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 22). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich damit nach dem für die Leistung von Alg maßgeblichen materiellen Recht.

1.2 Die tatsächlichen Verhältnisse, die bei Erlaß des Bewilligungsbescheides vom 20. Oktober 1992 vorlagen, haben sich insofern geändert, als dem Kläger nach dem 20. Oktober 1992 für die Monate Juni bis August 1992, dem für das Arbeitsentgelt maßgeblichen Bemessungszeitraum, ein höheres Arbeitsentgelt gezahlt worden ist. Die Beklagte hatte der Bewilligung die in der ersten Arbeitsbescheinigung ausgewiesenen Arbeitsentgelte zugrunde gelegt, nicht auch die erst im Dezember 1992 erfolgten Nachzahlungen. Das war bei Bewilligung des Alg am 20. Oktober 1992 zutreffend; denn nach § 112 Abs 1 Satz 1 AFG ist für die Bemessung des Alg nur das tatsächlich “erzielte” Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Aufgrund der ursprünglichen Rechtmäßigkeit der Bewilligung scheidet deshalb auch eine Anwendung des § 44 SGB X aus, der zur Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes die Rechtswidrigkeit “bei Erlaß” voraussetzt (vgl BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19 – zu § 48 SGB X bei einer Gehaltsnachzahlung; anders BSG SozR 3-5870 § 2 Nr 13 – zu § 44 SGB X bei einer spezifischen materiell-rechtlichen Rückwirkung).

1.3 Die durch die Gehaltsnachzahlung im Dezember 1992 eingetretene Änderung der tatsächlichen Verhältnisse war wesentlich, dh rechtserheblich, weil das Alg in neuer Höhe zu bemessen war, der Bewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1992 also unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen.

Der Anspruch des Klägers auf höheres Alg folgt aus den §§ 111, 112 AFG in der hier noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung. Nach § 111 Abs 1 Nr 1 AFG beträgt das Alg für Arbeitslose, die – wie der Kläger – für mindestens ein Kind zu sorgen haben, 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1992 vom 19. Dezember 1991 (BGBl I 2239), in der für die verschiedenen Arbeitsentgelte nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge und unter Berücksichtigung der Nettolohnersatzquoten die jeweiligen Leistungssätze ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe C, der der Kläger gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst c AFG angehört (Lohnsteuerklasse III), für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt von 680,-- DM – wie es die Beklagte ausgehend von dem in der ersten Arbeitsbescheinigung für Juni bis August 1992 ausgewiesenen monatlichen Bruttogehältern von 2.954,-- DM zugrunde gelegt hat – als Alg nach § 111 Abs 1 Nr 1 AFG die mit Bescheid vom 20. Oktober 1992 bewilligten 336,-- DM wöchentlich vor. Nach der Nachzahlung beträgt das wöchentliche Arbeitsentgelt des Klägers indes 780,-- DM, so daß ihm der dafür vorgesehene Leistungssatz von 379,20 DM zusteht.

Arbeitsentgelt iS des § 111 Abs 1 AFG ist das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielt hat (§ 112 Abs 1 Satz 1 AFG). Den Bemessungszeitraum, dh die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (vgl § 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung), bilden nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG die Monate Juni bis August 1992. Der Bemessung des Alg ist, wie schon erwähnt, nach § 112 Abs 1 AFG nur solches Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das der Arbeitnehmer tatsächlich erzielt hat; es muß zugeflossen sein. Nach der bisherigen Rechtsprechung des 7. Senats des BSG war zusätzlich erforderlich, daß der Zufluß vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis erfolgt war. Lohnerhöhungen, die noch vor dem Bemessungszeitraum vereinbart waren, aber erst nach dem Ausscheiden für den Bemessungszeitraum ausgezahlt wurden, wirkten sich danach auf das Alg nicht aus (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 5). Gleiches sollte gelten, wenn nach dem Ausscheiden rückwirkend eine andere Lohnordnung zugrunde gelegt wurde, der Arbeitgeber zB nachträglich einräumen mußte, höheren Lohn zu schulden und diesen dann auch auszahlte (vgl Urteil vom 16. März 1983 – 7 RAr 25/82 – DBIR AFG § 112 Nr 2847). Diese Rechtsauffassung ermöglichte rasche und endgültige Entscheidungen über das Alg und war praktikabel, führte indes selbst in den Fällen, in denen Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch schließlich tatsächlich durchzusetzen vermochten, dazu, daß sich die Lohnverkürzung in der Vergangenheit im niedrigeren Alg fortsetzte. Unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte, bestimmte bisher weniger betonte Normzwecke, die vom Gesetzgeber inzwischen vorgenommenen Verlängerungen der Dauer des Anspruchs auf Alg und Auswirkungen im Rentenrecht hat der 7. Senat nunmehr durch das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 102/92 – entschieden, daß entgegen der bisherigen Rechtsprechung in nachträglicher Vertragserfüllung gewährtes zusätzliches Entgelt, das dem Arbeitslosen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis für den Bemessungszeitraum zugeflossen ist, bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen ist. Der erkennende Senat, der schon in den nicht veröffentlichten Anfragebeschlüssen vom 2. Februar 1995 – 11 RAr 1/94, 21/94 und 51/94 – die frühere Rechtsprechung in Zweifel gezogen hatte, folgt dem unter Aufgabe seines Lösungsansatzes jedenfalls für die Zeit ab 1987, als aufgrund der Neufassung des § 106 AFG (durch Gesetz vom 27. Juni 1987, BGBl I 1542) die Anspruchsdauer für Alg auf bis zu 832 Tage erhöht worden ist. Über mehr ist hier nicht zu entscheiden. Es kann offenbleiben, was für die Zeit davor zu gelten hat.

Hiernach beträgt das der Bemessung zugrunde zu legende wöchentliche Arbeitsentgelt 780,-- DM. Dem Kläger ist für den Bemessungszeitraum in nachträglicher Vertragserfüllung zusätzliches Arbeitsentgelt tatsächlich zugeflossen, was auch von der Beklagten eingeräumt wird. Den Bemessungszeitraum bilden, wie schon erwähnt, die Monate Juni bis August 1992. Sie verschieben sich im Fall nachträglicher Vertragserfüllung nicht (vgl Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 102/94 –). Für diese Zeit ist dem Kläger aufgrund der höheren tariflichen Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 6 des og Tarifvertrags das hierfür im Gehaltsabkommen vorgesehene monatliche Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.397,-- DM vom Arbeitgeber zuerkannt und der entsprechende Differenzbetrag ausbezahlt worden. Nach dem Gehaltsabkommen vom 4. Oktober 1991, gültig ab 1. April 1992, entsprach das ursprünglich gezahlte monatliche Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.954,-- DM der Gehaltsgruppe T 5 (nach vollendetem 28. Lebensjahr). Insbesondere gemessen an den Tätigkeitsmerkmalen, die für die beiden Tarifgruppen T 5 und T 6 im Tarifvertrag im einzelnen aufgeführt sind, läßt sich die um eine Stufe höhere Eingruppierung ohne weiteres zu einer schon spätestens im Bemessungszeitraum bestehenden Verpflichtung zuordnen, zu deren Klärung die Vertragsparteien durch den Vergleich vom 10. November 1992 einvernehmliche Regelungen getroffen haben. Der Kläger ist danach bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in die höhere Gehaltsgruppe eingestuft worden. Es ist deshalb – wie auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird – davon auszugehen, daß er auch für den Monat Juni 1992 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 3.397,-- DM tatsächlich erhalten hat, auch wenn dieser Monat – was sich aus dem zeitlich verschobenen Lohnabrechnungszeitraum Juli bis September 1992 erklärt – in der zweiten Arbeitsbescheinigung nicht aufgeführt ist.

Hat der Kläger im Bemessungszeitraum 10.191,-- DM (= 3 × 3.397,-- DM) bei einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erzielt, beträgt das wöchentliche Arbeitsentgelt nicht 680,-- DM, sondern 780,-- DM (10.191,-- DM : 520 × 40 = gerundet 780,-- DM), woraus sich bei einer Nettolohnersatzquote von 68 vH und der Leistungsgruppe C ein Leistungssatz von 379,20 DM wöchentlich ergibt (Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1992). Da gemäß § 114 AFG das Alg für die sechs Wochentage gewährt wird und auf jeden Wochentag ein Sechstel des wöchentlichen Alg entfällt, ergibt sich ein werktäglicher Leistungssatz von 63,20 DM (379,20 : 6). Für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 1992 (= 27 Werktage) errechnet sich damit ein Zahlbetrag in Höhe von 1.706,40 DM, so daß dem Kläger abzüglich des für diese Zeit bereits erhaltenen Alg ein Restbetrag in Höhe von 194,40 DM zusteht (1.706,40 DM minus 1.512,-- DM).

1.4 Dieser materiellen Rechtslage ist verfahrensrechtlich nach § 48 Abs 1 SGB X zu entsprechen. Durch die Gehaltsnachzahlung ist auch eine Änderung der Verhältnisse “zugunsten des Betroffenen”, hier des Klägers, erfolgt, so daß die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X erfüllt sind.

Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist hier der Leistungsbeginn ab 1. Oktober 1992. Dem steht nicht entgegen, daß die Nachzahlung erst im Dezember 1992 erfolgt ist. Denn für jeden Anspruch auf Alg gibt es nach dem AFG nur ein zutreffendes anfängliches Bemessungsentgelt oder – anders ausgedrückt – die Gehaltsnachzahlung wirkt materiell-rechtlich wegen der durch sie erforderlich gewordenen Neuberechnung des im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts auf die Zeit ab Anspruchsbeginn zurück (vgl BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19). Für die Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ist ferner unerheblich, daß nach der früheren Rechtsprechung eine Gehaltsnachzahlung nach § 112 AFG als unerheblich und für eine ausgesprochene Bewilligung folgerichtig nicht als wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen angesehen wurde. Denn ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist nach der wahren Rechtslage zu beurteilen, hier also nach der oben dargestellten Auslegung des § 112 AFG. Daß die wahre Rechtslage erst nach Erlaß des Bescheides vom 14. Dezember 1992 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1993) erkannt worden ist bzw erkannt wird, ist unbeachtlich.

1.5 Der Senat kann offenlassen, ob im vorliegenden Fall Prüfungsmaßstab allein § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X ist oder der während des Gerichtsverfahrens in Kraft getretene § 152 Abs 3 AFG idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2353) Anwendung findet. Denn beide Bestimmungen führen hier zu demselben Ergebnis. § 152 Abs 3 AFG, wonach in Fällen des § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben “ist”, unterscheidet sich von der Regelung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, wonach der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden “soll”, nur durch den Wegfall der Pflicht zur Ermessensausübung der Verwaltung in sog “atypischen” Fällen. Da für einen “atypischen Fall” im Rahmen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X keinerlei Anhaltspunkte vorliegen (vgl dazu Steinwedel, KassKomm, § 48 SGB X RdNr 41 mwN), konnte der Senat die Beklagte zur Leistung verurteilen.

2. Zu Unrecht macht die Beklagte gegen die Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X geltend, die dem Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 102/94 – zugrundeliegende Rechtsauffassung zu § 112 AFG könne nach § 48 Abs 2 SGB X und nach § 152 Abs 1 AFG idF des 1. SKWPG (nF) nur für Bezugszeiten nach Urteilsverkündung, also nicht vor dem 28. Juni 1995, berücksichtigt werden.

2.1 Gemäß § 48 Abs 2 SGB X ist der Verwaltungsakt im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlaß des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 SGB X bleibt unberührt.

Ob schon mit dem Urteil des 7. Senats vom 28. Juni 1995 eine ständige Rechtsprechung des BSG vorliegt, obwohl dieser Senat nicht allein für Rechtsstreitigkeiten nach dem AFG zuständig ist, kann dahinstehen (vgl zum Begriff der ständigen Rechtsprechung BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 5). Ebenfalls bleibt offen, ob § 48 Abs 2 SGB X, der nach seinem Wortlaut nur die Herausbildung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anspricht, die im Gegensatz zu der bisherigen Rechtspraxis der Verwaltungsbehörden steht, auch die Fallgestaltung der nachträglichen Änderung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in Kombination mit einer tatsächlichen Änderung, hier der Gehaltsnachzahlung, umfaßt. Denn unabhängig von seiner Anwendbarkeit stellt § 48 Abs 2 SGB X nur klar, daß ein Verwaltungsakt jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung anzupassen ist, wenn sich dies zugunsten des Berechtigten auswirkt. Die Anwendung der geläuterten Rechtsauffassung für die Vergangenheit verbietet § 48 Abs 2 SGB X nicht. Die Vorschrift steht daher einer Rücknahme oder Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit nicht entgegen, wie sie durch § 44 SGB X oder, wie hier, § 48 Abs 1 SGB X, vorgesehen ist.

2.2 Daß § 48 Abs 2 SGB X nicht im Sinne einer Sonderregelung zu verstehen ist, die bei Änderung der Rechtsprechung eine Aufhebung des Verwaltungsaktes nur mit Wirkung für die Zukunft vorsieht, ergibt sich – abgesehen von der Gesetzesgeschichte (vgl BT-Drucks 8/2034, S 15, 35, 50, 62 sowie 8/4022 S 30 f zu § 46 Abs 1 Satz 2 bzw Abs 1a des Entwurfs) – schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft “auch dann” aufzuheben und besagt § 48 Abs 2 2. Halbsatz SGB X im weiteren ausdrücklich: “§ 44 SGB X bleibt unberührt”. Demgemäß hat der 11. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 1984 (BSGE 57, 209, 211 = SozR 1300 § 44 Nr 13) bereits ausgeführt, daß der Anwendungsbereich des § 44 Abs 1 SGB X durch § 48 Abs 2 SGB X nicht geschmälert worden ist. Mit dieser Rechtsauffassung stimmt auch die – von der Beklagten zitierte – Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 30. Januar 1985 (BSGE 58, 28, 33 = SozR 1300 § 44 Nr 16) überein. Danach hat der 1. Senat der in der Literatur vertretenen Rechtsauffassung, wonach im Falle einer nachträglichen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft die Regel und seine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit die Ausnahme sei, eine ausdrückliche Absage erteilt. Nach der Rechtsansicht des 1. Senats stellt § 48 Abs 2 SGB X klar, daß eine nachträgliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Änderung der rechtlichen Voraussetzungen iS des § 48 Abs 1 SGB X darstellen kann, und zwar dann, wenn die Änderung der Rechtsprechung nicht auf der Erkenntnis beruht, daß die bisherige Rechtsprechung – im wertungsfrei technischen Sinne – von Anfang an “unrichtig” gewesen ist, sondern eine spätere Änderung ihrer Grundlagen oder der bei ihrer Schaffung geltenden sozialen, soziologischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und Anschauungen entscheidend war. Auch bei diesem Verständnis der Norm wird der Anwendungsbereich des § 48 Abs 1 SGB X und § 44 Abs 1 SGB X nicht eingeschränkt.

2.3 Da ein Wandel der Rechtsprechung nicht allein die Korrektur früherer Entscheidungen bedeuten muß, sondern auch veränderten sozialen oder rechtlichen Anschauungen Rechnung tragen will, ist gerade bei der Aufgabe einer bisherigen Rechtsprechung deren Begründung insbesondere daraufhin zu analysieren, ob die Änderung der Rechtsprechung auch die zurückliegende Zeit erfaßt oder Wirkung lediglich ab einem bestimmten Zeitpunkt oder nur für die Zukunft entfaltet (vgl BSGE 58, 27, 33 f = SozR 1300 § 44 Nr 16). Der 7. Senat des BSG hat in dem Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 102/94 – die Änderung seiner Rechtsprechung vornehmlich mit verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten in Verbindung mit dem Normzweck des § 112 Abs 1 Satz 1 AFG begründet, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Außerdem trage die modifizierte Zuflußtheorie auch den seit 1986 eingetretenen sachlichen und rechtlichen Änderungen besser Rechnung. Es kann offenbleiben, ob dem erstgenannten Aspekt ausschlaggebende Bedeutung zukommt und wieweit die Änderung der Rechtsprechung nach Auffassung des 7. Senats zurückwirkt. Denn auch wenn nicht allein auf ein geändertes Normverständnis, sondern auf die geänderten sachlichen und rechtlichen Grundlagen abgestellt wird, erfaßt das Urteil nicht nur den hier zur Beurteilung stehenden Zeitraum ab 1. Oktober 1992, sondern nach seinem Begründungszusammenhang erhebliche Zeit davor. Denn jedenfalls seitdem die maximale Anspruchsdauer Alg 832 Tage beträgt (vgl § 106 AFG idF des Gesetzes vom 27. Juni 1987, BGBl I 1542), können sich Lohnverkürzungen – wie der 7. Senat ausgeführt hat – über einen erheblichen Zeitraum nachteilig für den Arbeitslosen auswirken.

Selbst wenn schon mit dem Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 102/94 – eine ständige Rechtsprechung des BSG vorliegen würde, läßt dieses Urteil damit die Feststellung zu, daß diese Änderung der Rechtsprechung auch die zurückliegende Zeit erfassen würde und nicht lediglich für die Zukunft Wirkung entfaltet. Dies bestätigt im übrigen auch das weitere, ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des 7. Senats vom 28. Juni 1995 – 7 RAr 20/94 –. Dort ist bei einer Sachverhaltsgestaltung, die ebenfalls die Überprüfung eines bindend gewordenen Bewilligungsbescheides zum Gegenstand hatte, ausgeführt worden, daß, falls der Zufluß zusätzlichen Entgelts nach Erlaß des bindenden Bescheides erfolgt sei, vieles für eine Anwendung des § 48 SGB X spreche. Der nachträgliche Zufluß “dürfte eine wesentliche Änderung zugunsten des Arbeitslosen darstellen, ohne den Bewilligungsbescheid zu einem iS des § 44 SGB X von Anfang an rechtswidrigen zu machen”. Diese Ausführungen machen einerseits deutlich, daß auch nach der Rechtsansicht des 7. Senats der nachträgliche Zufluß zusätzlichen Entgelts nach Erlaß eines bindenden Bescheides ein Anwendungsfall des § 48 SGB X, nicht des § 44 SGB X darstellt, und andererseits bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X zu erfolgen hat. Wäre der 7. Senat von der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ausgegangen, hätte er die Klage für die Zeit bis zum 28. Juni 1995 (Urteilsverkündung) ohne weitere Prüfung abweisen müssen, statt – wie geschehen – eine insgesamt zurückverweisende Entscheidung zu treffen.

2.4 § 152 Abs 1 AFG nF findet im vorliegenden Fall ebenfalls keine Anwendung. Denn unabhängig von der – bereits angesprochenen – Frage der zeitlichen Anwendbarkeit dieser ab 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Regelung greift diese Vorschrift schon deshalb nicht ein, weil sie voraussetzt, daß ein Fall des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall; die Erstbewilligung war, wie ausgeführt, bei Erlaß des Bescheides vom 20. Oktober 1992 rechtmäßig.

Die jetzige Neufassung des § 152 Abs 1 AFG sieht eine Abweichung von der Rechtsfolge des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in Fällen vor, in denen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlaß des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Bundesanstalt für Arbeit ausgelegt worden ist; in diesen Fällen ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

Soweit die Beklagte geltend macht, diese Vorschrift erinnere in Ausgestaltung und Anknüpfung an die in § 48 Abs 2 SGB X für den Fall der Rechtsprechungsänderung vorgesehene Aufhebung (nur) für die Zukunft, wird damit letzterer Vorschrift eine Ausschlußwirkung beigemessen, die sie – wie ausgeführt – gerade nicht hat. Die Neuregelung des § 152 Abs 1 AFG knüpft nicht an § 48 Abs 2 SGB X, sondern an den Rechtsgedanken des § 79 Abs 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz an. Auch die Überlegungen, die Anlaß für die Neuregelung des § 152 Abs 1 AFG waren, nämlich vorrangig eine Vereinfachung des Verwaltungsaufwands (vgl BT-Drucks 12/5502, S 37 zu Nr 43 = § 152 AFG), lassen sich – jedenfalls nach geltendem Recht – nicht als Argumente für die von der Beklagten vorgenommene Interpretation des § 48 Abs 2 SGB X verwenden. Es führt auch nicht zu einem unbilligen oder unsachgerechten Ergebnis, bei dem Kläger die Alg-Bemessung rückwirkend ab Leistungsbeginn zu korrigieren, während dies bei einer Gehaltsnachzahlung vor der bindenden Leistungsbewilligung oder für den Fall, daß der Überprüfungsbescheid der Beklagten ebenfalls bindend geworden wäre, nach § 152 Abs 1 AFG ausgeschlossen sein könnte.

3. Als Ergebnis ist damit festzustellen, daß bei dem Kläger die Voraussetzungen für eine rückwirkende Neubemessung des Alg ab 1. Oktober 1992 gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X vorlagen. Auf die Revision des Klägers waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. Ebenso war der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 1993, mit dem eine Korrektur der Bemessung abgelehnt worden war, aufzuheben. Die Beklagte hat dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 20. Oktober 1992 für Oktober 1992 weitere 194,40 DM Alg zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 956129

BSGE, 109

Breith. 1997, 160

SozSi 1997, 280

SozSi 1997, 69

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