Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschaftsvertrag als Scheingeschäft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Haftung des Gesellschafters einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR).

2. Der Gesellschafter einer GdbR kann auch ein Beschäftigungsverhältnis zu dieser Gesellschaft begründen (Anschluß an BSG vom 26.5.1966 2 RU 178/64 = BSGE 25, 51 = SozR Nr 43 zu § 537 RVO aF).

 

Orientierungssatz

Gemäß § 117 Abs 1 BGB ist ein Gesellschaftsvertrag als Scheingeschäft nichtig, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, aber die mit dem Vertrag verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollten (vgl BGH vom 22.10.1981 III ZR 149/80 = NJW 1982, 569). Kennzeichnend für das Scheingeschäft ist das Fehlen des Rechtsbindungswillens. Ob der Gesellschaftsvertrag mit oder ohne Rechtsbindungswillen geschlossen wurde, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

 

Normenkette

BGB § 705; RVO § 165 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1970-12-21; BGB § 117 Abs 1, §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 04.11.1986; Aktenzeichen L 5 Kr 24/85)

SG Lübeck (Entscheidung vom 21.05.1985; Aktenzeichen S 7 Kr 12/83)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der 1919 geborene Kläger persönlich für Verbindlichkeiten einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) haftet und ob er selbst in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu dieser Gesellschaft stand.

Der Kläger ist Tischlermeister und erhält mittlerweile von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 2) ein Altersruhegeld. Mit Datum vom 12. Mai 1978 schlossen er, W.      P. (Beigeladener zu 3) und der Sohn J.   des Klägers (Beigeladener zu 4) einen schriftlichen Vertrag über eine GdbR, deren Zweck der "Einzelhandel mit Bauelementen, Profilhölzern und Fertigfenstern einschließlich Montage" sein sollte. Gemäß § 5 des Vertrages sollte der Kläger berechtigt sein, "seiner bisherigen Tätigkeit nebenbei nachzugehen". Er hatte mit einer Bareinlage von DM 1.000 zur Gesellschaft beizutragen, die übrigen Gesellschafter mit je DM 500, darüber hinaus mit Sacheinlagen (Werkzeuge, zwei Pkw) im Wert von je DM 7.400 und mit ihrer vollen Arbeitskraft. Nach § 6 des Vertrages stand dem Kläger vom Jahresgewinn ein Festbetrag von DM 2.000 zu. Den verbleibenden Gewinn teilten sich die beiden anderen Gesellschafter zur Hälfte. Sie sollten monatlich je DM 1.600 entnehmen dürfen. Höhere Entnahmen und Entnahmen über den Gewinnanteil hinaus bedurften der Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Jeder Gesellschafter sollte berechtigt sein, die Gesellschaft nach außen allein zu vertreten (§ 8 des Vertrages). Entscheidungen "mit einem höheren materiellen Inhalt als DM 500" waren gemeinschaftlich zu treffen.

Auf Antrag des Klägers wurde die Gesellschaft am 9. November 1978 mit allen Gesellschaftern in die Handwerksrolle eingetragen. Nach Aufnahme der Geschäfte setzte der Kläger zunächst seine abhängige Beschäftigung in einem anderen Tischlerbetrieb fort. Eine Vollmacht für das Geschäftskonto der Gesellschaft besaß er nicht. Auf Rechnungen und Geschäftsbriefbögen waren nur die Vor- und Zunamen der Beigeladenen zu 3) und 4) mit dem Zusatz "Tischlereibetrieb" vorgedruckt.

1980 endete das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei seinem bisherigen Arbeitgeber. Die Beigeladenen zu 3) und 4) meldeten ihn daraufhin ab dem 1. Mai 1980 bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (Beklagte zu 1) als Arbeitnehmer an. Für ihn wurden bis zum 31. Dezember 1981 Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 1) entrichtet. Gemäß den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 1981 erhielt er in diesem Jahr einen Bruttoarbeitslohn von DM 41.050,32.

Wegen Zahlungsunfähigkeit wurde der Betrieb im Frühjahr 1982 eingestellt. Der Kläger zeigte die Aufgabe des Gewerbes (19. März 1982) an und teilte der Handwerkskammer mit Schreiben vom 5. März 1982 mit, daß er aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Daraufhin wurde die Eintragung in der Handwerksrolle gelöscht. Der Kläger meldete sich arbeitslos und erhielt seit dem 27. März 1982 Arbeitslosengeld.

Nachdem die DAK (Beklagte zu 1) im Juni 1982 Kenntnis vom Gesellschaftsvertrag erhalten hatte, stellte sie mit Bescheid vom 6. Oktober 1982 gegenüber dem Kläger fest, er sei ab dem 1. Mai 1980 nicht abhängig beschäftigt, sondern als Gesellschafter selbständig erwerbstätig gewesen. Sie stufte ihn rückwirkend in eine andere Versicherungsklasse ein und entschied über die Erstattung von Pflichtbeiträgen zur Angestelltenversicherung und von Beiträgen zur Beigeladenen zu 1). Sie errechnete einen Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von DM 1.426,10.

Die Innungskrankenkasse Lübeck (Beklagte zu 2) forderte den Kläger mit Bescheid vom 2. Juni 1982 auf, ihr gegenüber bestehende Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufgrund der Beschäftigung von Arbeitnehmern in Höhe von DM 34.862,31 zu begleichen. Wegen dieser Forderung vollstreckte sie mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 18. Juni 1982 in den von der Beklagten zu 1) ermittelten Erstattungsanspruch.

Die Widersprüche des Klägers gegen den Haftungsbescheid der Beklagten zu 2) und gegen den Bescheid der Beklagten zu 1) wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid der Beklagen zu 2) vom 19. Oktober 1982 und der Beklagten zu 1) vom 17. Januar 1983). Das Sozialgericht (SG) vernahm den Sohn des Klägers als Zeugen und gab den verbundenen Klagen statt (Urteil vom 21. Mai 1985). Der Gesellschaftsvertrag sei als Scheingeschäft nichtig. Nach den tatsächlichen Verhältnissen sei der Kläger im Betrieb seines Sohnes und des weiteren Gesellschafters abhängig beschäftigt gewesen.

Auf die Berufungen der Beklagten zu 1) und 2) hat das Landessozialgericht (LSG) den weiteren Gesellschafter im Wege der Rechtshilfe durch das SG Lübeck als Zeugen vernehmen lassen. Sodann hat es diesen und den Sohn des Klägers zum Rechtsstreit beigeladen (§ 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). In der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1986 haben der Kläger sowie die Beigeladenen zu 3) und 4) erklärt, "Grund und Höhe" der von der Beklagten zu 2) erhobenen Forderung würden "nicht in Abrede gestellt".

Mit Urteil vom selben Tag hat das LSG die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Um ein Scheingeschäft habe es sich nicht gehandelt, weil die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages Voraussetzung für die von den Gesellschaftern angestrebte Eintragung des Betriebes in die Handwerksrolle gewesen sei. Der Kläger als einziger Gesellschafter mit Meisterprüfung habe die Funktion eines "Konzessionsträgers" übernommen und damit einen wesentlichen, zum Erreichen des Gesellschaftszwecks erforderlichen Beitrag erfüllt. Der Vertrag könne nicht zugleich als handwerksrechtlich gewollt und zivilrechtlich nicht gewollt angesehen werden. Als Mitunternehmer und -arbeitgeber habe der Kläger nicht gleichzeitig sein eigener Arbeitnehmer sein können.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 117, 705 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das LSG habe verkannt, daß ihm bei Vertragsschluß der Rechtsbindungswille gefehlt habe. Falls der Vertrag dennoch wirksam geworden sei, dann sei er nur Innengesellschafter im Verhältnis zu den Beigeladenen zu 3) und 4) gewesen und hafte nicht nach außen. Im übrigen hafte der Gesellschafter einer GdbR Dritten gegenüber nur dann persönlich, wenn er selbst an der verpflichtenden Rechtshandlung mitgewirkt habe oder der daraus folgenden Schuld beigetreten sei oder aber, wenn andere ihn aufgrund Vertrages oder Rechtsscheines wirksam mitverpflichtet hätten. Keine dieser Varianten sei gegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. November 1986 aufzuheben und die Berufungen der Beklagten zu 1) und 2) zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Darüber hinaus ist die Beklagte zu 1) der Ansicht, der Kläger hafte auch bei Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages aufgrund Rechtsscheines.

Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Der vom LSG festgestellte Sachverhalt bietet keine hinreichende Grundlage für eine abschließende Entscheidung darüber, ob der Kläger als Mitgesellschafter für Beitragsschulden der Gesellschaft haftet und ob er bei der Gesellschaft abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig war.

Die Funktion, die der Kläger im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses wahrgenommen hat, ist bei dem bisherigen Sachstand nicht eindeutig geklärt. Das LSG hat zwar zutreffend erkannt, daß der Gesellschaftsvertrag nicht nur zum Schein abgeschlossen wurde. Gemäß § 117 Abs 1 BGB ist ein Gesellschaftsvertrag als Scheingeschäft nichtig, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, aber die mit dem Vertrag verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollten (BGH, NJW 1982, 569). Kennzeichnend für das Scheingeschäft ist das Fehlen des Rechtsbindungswillens (Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl, § 117 Anm 2b mwN). Ob der Gesellschaftsvertrag mit oder ohne Rechtsbindungswillen geschlossen wurde, ist durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Auch die Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt, ist anhand jener Vorschriften zu prüfen (BAG AP § 133 BGB Nr 36 Bl 664; Palandt/Heinrichs aaO § 133 Anm 2a). Das LSG hat den Vertrag vom 12. Mai 1978 als rechtsgeschäftlich gewollt und wirksam zustandegekommen erachtet. Seine Auslegung ist für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG), soweit es festgestellt hat, was die Erklärenden geäußert und was sie entsprechend ihrem "inneren" Willen tatsächlich gemeint haben. In dieser Hinsicht kann revisionsgerichtlich nur geprüft werden, ob das Berufungsgericht die materiellen Vorschriften der §§ 133, 157 BGB und Verfahrensvorschriften, insbesondere die Denkgesetze und Erfahrungssätze, verletzt hat (BSGE 43, 37, 39 mwN). Das ist nicht der Fall.

Zutreffend hat das LSG ein besonderes Gewicht der Tatsache zugemessen, daß der Kläger als einziger der Vertragsunterzeichner die Meisterprüfung bestanden und seine Teilnahme für die Gründung des Unternehmens eine besondere handwerksrechtliche Bedeutung hatte. Von der Revision ungerügt und für den Senat bindend hat das LSG festgestellt, daß das mit Hilfe des Klägers gegründete Unternehmen in erheblichem Umfang handwerksmäßig tätig wurde. Gemäß § 16 Abs 3 und 4 Handwerksordnung -HandwO- kann der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe untersagt und die Betriebsräume können geschlossen werden, wenn das Handwerk entgegen den Vorschriften der HandwO ausgeübt wird. Der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe ist gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 HandwO nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften (selbständige Handwerker) gestattet. Die Eintragung einer GdbR setzt nach § 7 Abs 4 HandwO voraus, daß für die technische Leitung des Betriebes ein persönlich haftender Gesellschafter verantwortlich ist, der mit seiner Person die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt (§ 7 Abs 1, 2, 3, 7 HandwO). Das ist ua dann der Fall, wenn der persönlich haftende Gesellschafter - wie der Kläger - die Meisterprüfung bestanden hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 HandwO). Die persönliche Haftung des technischen Leiters ist "unerläßliche" Voraussetzung der Eintragung (Kübler/Aberle/Schubert, Die Deutsche Handwerksordnung, Kommentar, § 7 Rz 31). Bei der durch das Gesetz zur Änderung der HandwO vom 9. September 1965 (BGBl I S 1254) eingeführten Möglichkeit der Eintragung einer Personengesellschaft hielt der Gesetzgeber bewußt am Grundsatz des Befähigungsnachweises für den maßgebenden Gesellschafter fest (Bericht der Abg Schulhoff und Lange zu BT-Drucks IV 3461 S 10). Durch das Erfordernis persönlicher Haftung sollte auch der Gefahr des Mißbrauchs dieser Regelung begegnet werden (vgl Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, 2. Aufl, § 7 Rz 4).

Trotz der Bedeutung der Handwerkereigenschaft des Klägers und seiner Mitwirkung bei der Eintragung des Betriebes in die Handwerksrolle ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß er alle diese Erklärungen nur nach außen hin zum Schein abgegeben hat, um eine sonst nicht mögliche Aufnahme des Betriebes durch seinen Sohn und W.       P.   zu ermöglichen, selbst aber nicht die Absicht hatte, Gesellschafter zu sein sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen und daß er sich auch, nachdem die Eintragung bewirkt war, entsprechend verhalten hat. In diesem Fall hätte er aber dazu beigetragen, daß der Handwerksbetrieb entgegen § 7 Abs 4 Satz 2 der HandwO iVm § 1 Abs 1 Satz 1 HandwO ohne Beteiligung eines Handwerksmeisters geführt wird und er hätte damit sowohl die Löschung des Betriebes in der Handwerksrolle (§ 13 HandwO) und in deren Folge die Schließung des Betriebes ermöglicht als auch seinen Sohn und den Mitgesellschafter einer Ordnungsstrafe von bis zu 10.000,-- DM ausgesetzt (§ 117 HandwO). Dies kann ohne deutliche konkrete Anhaltspunkte nicht angenommen werden (s auch BGHZ 67, 334, 338). Auf der Grundlage seiner Ermittlungen konnte das LSG deshalb als für den Willen des Klägers ausschlaggebend ansehen, daß er mit seinem Eintritt als Gesellschafter eine in ihrem rechtlichen Bestand gesicherte Eintragung bewirken wollte. Besonders die verwandtschaftliche Beziehung zum Beigeladenen zu 4), dessen wirtschaftliche Existenz mit dem Handwerksbetrieb abgesichert werden sollte, sprechen für diese Auslegung.

Für den Willen, den Vertrag zum 12. Mai 1978 nicht nur zum Schein abzuschließen, spricht schließlich auch, daß die Rechte und Pflichten der Gesellschafter darin der Wirklichkeit und den unterschiedlichen Interessen der Beigeladenen zu 3) und zu 4) einerseits und des Klägers andererseits im wesentlichen angemessen geregelt wurden.

Für die Abgabe einer Scheinerklärung spricht nicht, daß der Kläger 1978 noch in einem anderen Betrieb als Tischlermeister beschäftigt und ihm die Betriebsleitung deshalb unmöglich war. Zum einen wird seine anderweitige Beschäftigung im Vertrag selbst erwähnt, zum anderen kann die Funktion eines Betriebsleiters iS des § 7 Abs 4 HandwO auch nebenberuflich von Personen ausgeübt werden, die daneben in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (Siegert/Musielak aaO § 7 Rz 19, 21).

Es ist sonach mit dem LSG davon auszugehen, daß der Gesellschaftsvertrag nicht nur zum Schein abgeschlossen wurde. Eine Haftung des Klägers wird allein deshalb aber noch nicht begründet. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß die Beigeladenen zu 3) und 4) stets nur mit ihren beiden Namen ohne Hinweis auf das Bestehen einer Gesellschaft aufgetreten sind. Das spricht grundsätzlich dafür, daß sie nur im eigenen Namen gehandelt haben und weder die Gesellschaft als solche verpflichten wollten noch einen derartigen Anschein erweckt haben. § 128 des Handelsgesetzbuches (HGB) ist auf die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht entsprechend anzuwenden (BGHZ 74, 240, 242 ff; P. Ulmer, Die GbdR, 2. Aufl, § 714 Rz 27). Der nicht selbst an einem Vertragsschluß mit einem Dritten beteiligte Gesellschafter haftet grundsätzlich nur, wenn seine persönliche Haftung rechtsgeschäftlich begründet wurde. Allerdings kann dies auch durch Schuldbeitritt und dadurch geschehen, daß die geschäftsführenden Gesellschafter für ihn handeln und dazu Vertretungsmacht besitzen (BGHZ 74, 241). Das LSG hat die tatsächlichen Umstände in dieser Hinsicht keiner erschöpfenden Prüfung unterzogen, weil es dies von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht für ausschlaggebend gehalten hat. Insbesondere hat es nicht geklärt, ob die beiden Mitgesellschafter im ausdrücklichen oder stillschweigenden Einvernehmen mit dem Kläger und damit in dessen Vollmacht auch für ihn gehandelt haben. Wäre dies der Fall gewesen, dann wäre der Kläger auch als nichthandelnder Außengesellschafter durch die von seiner Vollmacht gedeckten Rechtsgeschäfte der beiden anderen Gesellschafter gegenüber Dritten persönlich verpflichtet worden.

Ob auch dann, wenn durch das Handeln der Mitgesellschafter eine persönliche Haftung des Klägers rechtsgeschäftlich nicht begründet wurde, eine solche aus Gründen des Rechtsscheins angenommen werden könnte, hält der Senat allerdings in tatsächlicher Hinsicht für fernliegend. Der Kläger hat zwar mit seiner Eintragung in die Handwerksrolle eine Voraussetzung für den Rechtsschein seiner persönlichen Haftung geschaffen. Es besteht aber kein Anhalt dafür, daß die Beklagte zu 2) in der für den Beitragsanspruch maßgeblichen Zeit von dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages und damit von der Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft und seiner Eintragung in die Handwerksrolle erfahren hatte. Sie hat dies im Verfahren nie behauptet und nie geltend gemacht, daß sie von einer auch den Kläger umfassenden Gesellschaft ausgegangen ist und hierauf vertraut hat. Bei dieser Sachlage kann zunächst dahingestellt bleiben, ob eine Rechtsscheinhaftung im Sozialversicherungsrecht zugunsten eines Versicherungsträgers überhaupt Platz greifen kann (bejahend BSGE 61, 15 mit ablehnender Anmerkung v. Hoyningen-Huene in SGb 1987, 338, 340).

Auch soweit das LSG über den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 6. Oktober 1982 entschieden hat, ist das Urteil aufzuheben. Durch diesen Bescheid hat die Beklagte zu 1) festgestellt, daß der Kläger ab dem 1. Mai 1980 als mitarbeitender Gesellschafter einer GdbR nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand. Ferner hat sie den Kläger rückwirkend einer anderen Versicherungsklasse zugeordnet und über die Erstattung von Beiträgen zu den Beigeladenen zu 1) und 2) entschieden.

Die Stellung des Klägers als Gesellschafter der GdbR schloß indes - entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) - nicht von vornherein aus, daß der Kläger ab dem 1. Mai 1980 zur Gesellschaft in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Im Gesellschaftsrecht ist anerkannt, daß ein Gesellschafter der Gesamthand außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses rechtsgeschäftliche Beziehungen zu der Gesellschaft begründen kann. Aufgrund eines außergesellschaftsrechtlichen Tatbestandes, zB eines Darlehens-, Kauf-, Miet- oder Dienstvertrages, kann er eine Leistung gegenüber der Gesellschaft erbringen. In einem solchen Fall kommt zwischen ihm und der Gesellschaft ein sogenanntes Drittverhältnis zustande (vgl BSGE 25, 51, 52; Palandt/Thomas aaO § 718 Anm 4b mwN). Ansprüche aus diesem Verhältnis beruhen auf Vereinbarungen, die rechtlich unabhängig vom Gesellschaftsverhältnis sind und anstelle des Gesellschafters auch von jedem Dritten mit der Gesellschaft getroffen werden können. Auch ein Arbeitsverhältnis kann ein solches Drittverhältnis sein (vgl BAG AP Nr 14 zu § 528 ZPO; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 6. Aufl, § 36 IV 2, 3 mwN). Ebenso ist es möglich, daß der in dem Betrieb einer GdbR mitarbeitende Gesellschafter außerhalb seines Gesellschaftsverhältnisses zu dem Unternehmen mit persönlicher Abhängigkeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht (so für § 537 Nr 1 RVO id bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes -UVNG- geltenden Fassung BSG aaO).

Allein die tatsächlichen Verhältnisse entscheiden, ob der Gesellschafter einer GdbR seine Arbeitsleistung für die Gesellschaft als Beitrag iS des § 705 BGB erbringt oder aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Das Gesamtbild seiner Tätigkeit ist ausschlaggebend (vgl zur Versicherungspflicht des "Geschäftsführers" einer Strohmann-Vorgesellschaft BSG, Urteil vom 28. April 1983 - 12 RK 12/82 - in: USK 8365). Der im Sinne des § 7 Abs 4 Satz 2 HandwO für die technische Leitung verantwortliche persönlich haftende Gesellschafter wird zwar regelmäßig nicht zugleich Arbeitnehmer "seines" Betriebes sein können. Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht. Zum Beispiel könnte sich ergeben, daß dem Kläger keinerlei Weisungsrechte eingeräumt waren, die über die unmittelbare Ausführung vorgegebener Arbeiten hinausgingen, und er deshalb genau wie ein sonstiger Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der beiden anderen Gesellschafter unterworfen war. Auf diese tatsächliche Gestaltung kommt es für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses an.

Die persönliche Abhängigkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach dem Gesellschaftsvertrag (vgl auch § 709 Abs 1 BGB) die Geschäftsführung den Gesellschaftern gemeinschaftlich zustand, und daß nach dem Vertrag jedes Geschäft, das einen Wert von mehr als DM 500 betraf, auch der Zustimmung des Klägers bedurfte (BSGE 25, 51, 54); denn diese Bestimmungen lassen noch nicht erkennen, ob dem Kläger auch tatsächlich der ihm rechtlich zustehende Einfluß eingeräumt worden ist (vgl auch Urteil des erkennenden Senats vom 5. Mai 1988 - 12 RK 43/86 -).

Die Eintragung des Klägers in die Handwerksrolle schließt die persönliche Abhängigkeit ebenfalls nicht aus. Eingetragene Handwerker können, was § 2 Abs 1 Nr 5 Handwerkerversicherungsgesetz voraussetzt, als Arbeitnehmer versicherungspflichtig sein.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil überlassen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663892

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